Suizid ist eine Wahl

Suizidprävention.
Alleine schon das Wort.

Und dann die Dinge, die man anlässlich des Tages der Suizidprävention so sieht.
Da gibt es Filme in schwarz-weiß, die einen Anruf bei einer fremden Person, die Einweisung in eine Krisenstation, den Kontakt mit Freunden und Familie als Rettung präsentieren. Da gibt es Recoverygeschichten, die das Gleiche tun.

Da ist die Idee vom Suizid als Ende einer Depression, als Zeichen tiefer Hoffnungslosigkeit und Überforderung. Manchmal geht es um Scham, manchmal um Flucht und Verantwortungslosigkeit.
Selten geht es um die Dinge, die in hinterlassenen Abschiedsbriefen stehen. Nie werden die Strukturen thematisiert, welche die Leben der Suizident_innen beeinflusst haben und exakt eine Wahrheit vermisse ich immer wieder

Suizid ist eine Wahl, die einzig und allein von der Person getroffen wird, die sich suizidieren will

Niemand, außer dieser Person selbst, trägt die Verantwortung für ihr Handeln. Niemand, außer dieser Person selbst, kann ihren Suizid verhindern.
Nichts und niemand kann und darf über dieser Entscheidung stehen.

Die sinnvollste Suizidprävention ist Lebensqualität.
Wenn man jemanden kennt, die_der suizidal ist, dann ist es wichtig den Suizid als gleichwertig mit anderen Handlungsoptionen zu betrachten und nicht zu denken: “einmal verhindert ist für immer verhindert”.
Suizidalität kann immer wieder kommen, kann immer wieder Thema sein, kann immer wieder genau das Einzige sein, mit dem sich ein Mensch selbstwirksam im eigenen Leben und am eigenen Leib erlebt.

Es ist eine Mechanik des Egoismus, suizidalen Menschen den Suizid zu verbieten, weil man ihren Tod nicht ertragen könnte.
Es ist eine sozio-kulturelle Dynamik, sich für den Suizid einer anderen Person verantwortlich zu fühlen und Tage, wie der Suizidpräventionstag und seine Ausgestaltung tragen, meiner Ansicht nach, massiv dazu bei.
Bei Suizidprävention, wie sie derzeit gestaltet wird, geht es darum, Menschen das Gefühl zu vermitteln, der Suizid – das Ergebnis einer Handlungsentscheidung  einer Person, ihr Leben zu beenden – sei etwas, was zu verhindern sei, durch als kleine Gesten präsentierte Handlungen.

Unhinterfragt bleibt, wo suizidale Menschen anrufen sollen, wenn sie nicht reden können. Mit wem sollen sie chatten, wenn sie keine Worte haben, nicht schreiben können, keinen Internet- oder Telefonzugang haben? An wen sollen sich suizidale Menschen wenden, wenn sie eingeschränkt in ihrer Bewegungsfreiheit sind? Wenn ihr Umfeld so gewaltvoll ist, dass der Schritt dort heraus gar nicht möglich ist? Und was will man einer suizidalen Person, deren Leben von Mehrfachdiskriminierung geprägt ist, denn Hoffnungsvolles sagen, was nicht nach 2-3 Tagen auch als Lüge bezeichnet werden kann?

Aus dem eigenem Leben mit chronischer Depressivität, die eben auch bedeutet mindestens einmal in der Woche darüber nachzudenken, ob Suizid nicht vielleicht doch der zu gehende Weg sein könnte, weiß ich, wie das ist, wenn man sich an Menschen wendet für die Suizidalität immer die grellroteste Alarmstufe bedeutet – und eben nicht den Anteil von Lebensrealität, den sie für mich darstellt.
Es kostet mich immer wieder unfassbar viel Kraft, meinen Mitmenschen zu erklären, dass ich sie nicht als meine “vor dem Suizid-Retter_innen” brauche, sondern als Menschen, die mich unterstützen und begleiten, mich an mein Leben als okay in seiner Existenz und mit meinem Wirken erfüllend zu binden.

Positive Bindungserfahrungen tragen zu einer Wahrnehmung des eigenen Lebens als lebbar, als schaffbar, als wunder_voll und auch den Schmerz wert, bei. Ein Telefonat mit der Telefonseelsorge kann eine kurzfristige positive Bindungserfahrung sein – doch wenn am Morgen danach wieder niemand da ist, dann ist der Suizid noch lange nicht präventioniert.

Ich frage mich, warum der Suizidpräventionstag nicht auf die spontanen Krisen eingehen, die mit strukturellen Bedingungen zu tun haben.
Ich frage mich, warum die Suizide von alten Menschen (Männern*) so wenig thematisiert werden.
Ich frage mich, warum Sterbehilfe nicht als Suizidprävention diskutiert wird.
Ich frage mich, warum es in unserer Gesellschaft verboten ist, selbstbestimmt zu sterben, wo doch der Kampf um ein selbstbestimmtes Leben für viele Menschen auch ein großes Thema ist.

Und immer wieder stoße ich an den Punkt, an dem irgendjemand zugeben müsste, dass der Suizid einer nahen Person als Kränkung und persönlicher Angriff gewertet wird, statt als das, was es ist: das Ergebnis einer selbstbestimmten, selbst zu verantwortbaren Handlung der verstorbenen Person.

Alles “aber man hätte doch”, jedes “es gab doch noch so viel zu erleben” dient einzig den Hinterbliebenen, um ihrer Kränkung Ausdruck zu verleihen und sich selbst auseinanderzusetzen.
Den Toten ist “hätte, würde, wenn” egal und den Suizidalen, kann jedes “hättest du, würdest du, könntest du” die eigene Überforderung noch zusätzlich belastend bewusst  machen.
Mir hat es noch nie geholfen, auf etwas eventuell vielleicht Gutes in meiner eventuell vielleicht erreichbaren Zukunft hingewiesen zu werden, wenn meine ganz sicher beschissene Akutsituation, diese massiv in Frage stellt und klar ist, dass ich sie allein nicht verändern kann.

Also – bitte erzählt den Menschen nicht, sie könnten Suizide verhindern, indem sie einfach Notrufnummern verteilen und 10-20 Minuten Händchen halten. Hört den unterschiedlichen Leuten zu, die selbst mit (chronischer) Suizidalität im Leben zurecht kommen – hört ihnen zu, wenn sie euch erzählen, was ihnen geholfen hat. Schiebt suizidale Menschen nicht von euch zu Ärzt_innen – diese werden sie euch (wenn es gute* Ärzt_innen sind) wieder zurückschieben, denn ihr spielt die größere soziale Rolle im Leben der suizidalen Menschen, als die Ärzt_innen.

Und am Ende, wenn alles nicht gereicht hat:
Es ist nicht deine Schuld. Es ist nicht deine Verantwortung. Es geht bei Suizid einer Person immer und immer einzig um die Person, die sich suizidiert.
Suizid ist eine Wahl.

Nicht mehr, nicht weniger.

Überzeugt uns!- Uns?!

Ein junges frisches Sendungskonzept soll es sein- „die PolitikerInnen“ stellen sich den Fragen ihrer (jungen) WählerInnen im öffentlich rechtlichen Fernsehen, um sie von sich bzw. ihrer Partei zu überzeugen.
Am Ende steht „
Überzeugt uns!“.

Nun ja.
Grundsätzlich halte ich diese Idee für gut.
Schon
der Bürgerdialog, den Angela Merkel Anfang letzten Jahres startete, hatte eine alle Erwartungen übertreffende Resonanz zur Folge.
Ganz offensichtlich gibt es ein Interesse der Regierten, an der Art ihrer Vertretung. Ideen und Wünsche, die in die Politik getragen werden wollen und sollen.

Dem gegenüber steht eine niedrige Wahlbeteiligung.
Allgemeiner Tenor in der Presse: Politikmüdigkeit- vor allem bei den jungen Wahlberechtigen.
Gegenmittel der ARD: eine Sendung die gezielt JungwählerInnen anspricht.

„Sie wissen schon- diese jungen Leute die „fresh“, „tight“ und von diesem ominösen „SWAG“ sprechen“, so stelle ich es mir vor, wenn der Altherrensender ARD eine Sendung für junge Menschen konzipiert.
Es wird geduzt, wilde Schnittfolgen eingebracht, „Pop/Rock“-Musik eingespielt, Worte wie „verarscht“ in der Sendung gesagt, Twitter und Facebook eingebunden und diverse Showelemente eingebracht, wie zum Beispiel das Format „Speeddating“ in der die PolitikerInnen innerhalb von 15 Sekunden auf zum Teil sehr komplexe Fragen reagieren sollen.
Letzteres, meiner Meinung nach, ein Versuch der didaktischen Reduktion, die absolut unangebracht ist.

Doch kommen wir zur Sendung an sich.
Im Großen und Ganzen wurden die Themen: Arbeit und Mindestlohn, Rente und Zukunftsperspektive, Familie und Beruf sowie das Bündel rund um den Datenschutz im Internet aufgegriffen.

Ich möchte verdeutlichen, was die Sendung außen vor gelassen hat und mich (wie viele andere Menschen) weder von irgendetwas überzeugt noch überhaupt wirklich angesprochen hat.

Schon im ersten Teil geht es um einen jungen Mann der in Teilzeit arbeitet, obwohl er eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann.
Es geht nicht um eine Frau. Es geht nicht um einen Menschen ohne Berufsausbildung. Es geht nicht um einen Menschen mit Schwerbehinderung. Es geht nicht um einen Menschen mit Familie. Es geht nicht um einen Menschen der „ausländisch“ aussieht. Und es geht nicht um einen Menschen über 50. Es geht nicht um einen Menschen ohne familiären Rückhalt.

In der Diskussion wurde wieder das bequeme Ideal des minderbeschäftigten Menschen aus dem Niedriglohnsektor aufgegriffen und natürlich kamen dem entsprechende Phrasen aus der Politik, die genau die Menschen aus von mir als fehlend dargestellten Gruppen nicht ansprechen.

Da haben wir den Herrn Bahr (FDP) der dem jungen Mann rät, sich einfach woanders zu bewerben- oder die Branche zu wechseln „in die Pflege- da gibts sehr viele Vollzeitstellen und Ausbildungsplätze!“
Ja großartig Herr Bahr- der Mann hat bereits eine Berufsausbildung- was glauben Sie, verdient er Gutste denn so während der Ausbildung zum Kranken- oder Altenpfleger? Ist ihnen nicht aufgefallen, dass er dann noch weniger Geld zur Verfügung hat, als jetzt? Und, dass er selbst, wenn er dann in die Vollzeitbeschäftigung in diesem Bereich wechselt, so ziemlich genau die gleiche Summe am Ende des Monats auf dem Konto hat, wie jetzt- vor allem wenn er kein Mann- sondern eine Frau wäre?
(Die Tatsache, dass weibliche Menschen bis heute noch bis zu 22% weniger als männliche Menschen verdienen, brachte Frau Roth an, was mir gefiel.)

Mal abgesehen von der Eignung- vielleicht hat der Mensch einen schwachen Rücken, ist seelisch nicht belastbar genug, um sich mit alten und kranken Menschen auseinanderzusetzen. Vielleicht hat der Mensch bereits alle Hände voll damit zu tun, neben dem Beruf seine alten und kranken Verwandten zu pflegen, weil deren Rente eine Unterbringung im hochwertigen Pflegeheim nicht hergibt? Vielleicht hat er aber auch einfach keinen Bock auf einen Job, bei dem er sich mit 2 Aushilfen und einer Teilzeitkraft um eine ganze Station zu kümmern hat, bei der menschliche Zuwendung und seinen eigenen Körper schonende Arbeitsweise viel zu kurz kommen.
Vielleicht möchte er sich nicht ausbeuten lassen, nur um in Vollzeit arbeiten zu können.

Der Mindestlohn von 10€ für alle Sparten erschien mir lediglich von Gregor Gysi (die Linke) plausibel dargestellt. Obwohl auch die SPD Politikerin Schwesig schlüssig argumentierte, wobei ihre Forderung nach 8,50€ in Anbetracht der aktuellen Inflation bereits weniger stark erschien.

Nur eine Person aus dem Kreis der PolitikerInnen nahm überhaupt den Begriff der „Würde“ im Zusammenhang mit Arbeit in den Mund und das war Claudia Roth von den Grünen.

Ich fühlte mich gar nicht erst angesprochen von dem ganzen Thema, denn schon in den Grundlagen dafür bin ich ausgegrenzt und – obwohl es sich irgendwie falsch für mich anhört: diskriminiert. Der Zugang zu Berufsausbildungen in vielen Bereichen schließt Menschen mit Schwerbehinderungen oder eben auch weiblichen Geschlechtes aus. Da kann auch eine Frau Aigner mit ihrer Forderung nach einer besseren Mischung aus männlichen und weiblichen Menschen in allen Berufen kommen- das ist dem Großteil der handwerklichen Ausbildern egal und auch eine gesetzliche Vorschrift wird daran, so zumindest meine persönliche Einschätzung, nichts ändern.

Bei meinem letzten Praktikum, war ich die Beste. Aber auch die einzige Frau, die Einzige mit grünem Zettel und die Älteste. Darauf wird geachtet, weil darauf geachtet werden muss. Kaum ein kleinerer Betrieb kann sich Ausfälle oder größere Problemstellungen und Anpassungen daran leisten. Und die Größeren dürfen sich von dieser, meiner Meinung nach, sozialen Verantwortung auch Menschen mit Schwerbehinderungen einzustellen oder auszubilden, freikaufen oder in Werkstätten abschieben, wo zu empörend niedrigen Löhnen gearbeitet wird, ohne Aufstiegschancen in besser bezahlte Arbeitsverhältnisse.

Ebenfalls ausgelassen (und auch wieder nur von Frau Roth kurz eingebracht) sind junge Menschen ohne Schulabschluss. Arbeit für Menschen mit nichtdeutschem Pass, aber Hauptwohn- und Lebenssitz in Deutschland, kam überhaupt nicht vor.

Dann kam der Themenpunkt „Rente und Zukunftsperspektive im Hinblick auf den demographischen Wandel“.
Herr Bahr appellierte daran zu sparen. Privat natürlich.Das hat er ja auch gemacht. Damals… als es noch die Mark gab. Damals… als er noch Banker war. Damals… als er als nicht diskriminierter, gesunder, junger Mann in Lohn und Brot stand. Da hat er immer 20 Mark an die Seite gelegt. Das sollen sie jungen Menschen mal auch machen.
Auch hier sprach Gregor Gysi für einen großen Teil der deutschen Bevölkerung. Sparen kann man nur, wenn das Leben nicht bereits aus dem Sparen, etwa für Lebensmittel und Gesundheitsleistungen, besteht.

So wie mein Leben etwa. Wer Grundsicherung erhält, erhält Geld um seine Grundversorgung zu sichern. Für Extras und Kürschnörkel, wie eine frühzeitige private Rentenversicherung oder auch Lebensversicherung ist da schlicht kein Platz.
Wer noch nie gearbeitet hat- nie in die Arbeit hinein kommt, der hat sein Leben lang Angst vor einem kaputten Haushaltsgerät oder sogar einer Erkältung oder sonstigen Krankheit, die eine (Zu) Zahlung zur medikamentösen Therapie erfordert- da ist die Angst vor dem Alter nichts was abwendbar erscheint.

Wie eng die Arbeitsverhältnisse, und auch die Befähigung zur Arbeit, mit der Rente und eben auch dem demographischen Wandel zusammenhängt wurde mir da sehr deutlich. Und das lag sicher nicht nur an dem Kloß im Hals, der sich ausbreitete, als ich den PolitikerInnen dort im Fernsehen zusah.
Für mich persönlich klang das alles sehr nach: „Wer nichts macht/ nichts kann- der kriegt auch nichts. Weder um etwas zu machen, noch um etwas zu können.“.

Die Grundsicherung von überhaupt irgendeiner Arbeit für alle Menschen ist irgendwo auf dieser Argumentationsachterbahn liegen geblieben.
Schade. Genau das hätte mich und Menschen in meiner Situation angesprochen.

Der vorletzte Teil bezog sich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Dargestellt wurde eine Mutter, Vater, 2 Kinder- Familie. Weiß, sicher passdeutsch, beide im Beruf, sich akribisch auf die Stunde genau anpassen müssend auf Kindergartenöffnungszeiten und Schichtdienst.

Das ist schlimm- kein Thema.
Aber wäre es zu viel verlangt gewesen, ein alleinerziehendes Elter darzustellen, das genau den gleichen Kampf zu führen hat? Oder eine Familie in der ein Elternteil arbeitet und das andere nach der Elternzeit nicht wieder zurück in den Job kann und von Jobcentermaßnahme zu Jobcentermaßnahme tingelt und genau den gleichen Zampano mit den KiTa-Öffnungszeiten hat?

Auch hier wieder kein richtiger Anknüpfungspunkt für mich. Ich werde erst gar keine Elternschaft für mich planen, so lange ich keinen festen Job habe, der mich ernährt und das Potenzial hat noch einen kleinen Menschen mit zu ernähren und zu sichern. Immerhin erwähnte auch dies Herr Gysi und auch Frau Schwesig holte die das Betreuungsgeld hochlobende Frau Aigner auf den Boden der Tatsachen, in dem sie anmerkte, dass auch 100€ Betreuungsgeld nicht für die Bezahlung einer privaten Tagesmutter ausreicht.
Die sollte wohl auch in Teilzeit und zum Niedrigstlohn arbeiten, hm Herr Bahr? Frau Aigner? Herr Steinmaier? Dann würden 100€ wohl ausreichen?

Es wurde nicht zum Thema gemacht, dass sich auch die ArbeitgeberInnen anpassen müssen. Das war zum Beispiel eine Wortmeldung im Bürgerdialog, in der eine Frau schilderte, wie schwer es ihr von ihrem Arbeitgeber gemacht wird, nach der Elternzeit zurück zu kommen, weil sie durch die Kinder eben nicht mehr so flexibel ist, wie gefordert. Da kam die Politik mit dem Betreuungsgeld- kurzsichtig und unzureichend, wie man es nun bemerkt.

Soweit ich es mitbekommen habe, haben die ArbeitgeberInnen weder Auflagen dazu noch evtl. unterstützende finanzielle Möglichkeiten angeboten bekommen, die eine Veränderung dieser Stelle möglich machen. Etwa in Richtung Betriebskindergärten oder Schichtpläne, die mit den Kindergärten der ArbeitnehmerInnen zusammenpassen. Oder eben auch die selbstverständliche Weiterbeschäftigung nach Elternzeit oder anderen Unterbrechungen, wie längeren Ausfällen nach einer Krankheit. Es ist nachwievor möglich einen fadenscheinigen Kündigungsgrund anzugeben, der nicht anfechtbar ist.
Auch hier gibt es wieder jede Menge Freiraum, um sich vor sozialer Verantwortung zu drücken. Völlig legal und als weniger schlimm darstellbar durch die Einführung eines Betreuungsgeldes und der Möglichkeit die Pflege als Fachkräfte- bedürftigen Bereich hochzuhalten.

Aber nun zum letzten Themenpunkt, in dem sich der inoffizielle Twitterminister in meinem Augen absolut lächerlich machte.
Datenschutz. Prism. Facebook. Die Amerikaner, die unsere Daten auffangen und damit machen, was sie wollen.
Keiner wills gewusst haben. Herr Bahr hätte sich das nicht mal vorstellen können.
Aber „frei“ sei das Internet und so solle es bleiben.

Ich frage mich ja, in welchem Internet sich Herr Steinmaier so aufhält, denn da würde ich auch gern hin. So frei!
In meinem Internet ist nichts frei. Kostenlos zur Verfügung gestellt, ja- aber frei von Fremdbestimmung, nein.

Ich nutze im Internet verschiedene Dienste. Und sobald ich das tue, stimme ich sämtlichen Nutzungsbedingungen zu. Auch denen, die mir eigentlich nicht gefallen. Das hat etwas mit der Auswahl, den Zugangsmöglichkeiten und auch meinen Fähigkeiten zu tun.
Ich kann mir keinen eigenen Chat programmieren- also nutze ich Skype.
Ich kann mir keinen privaten Hochleistungsserver in den Keller stellen und dort meine Homepage oder Emailaccount einrichten- viel zu teuer und auch wieder eine Frage der Fähigkeiten- also nutze ich das, was sich als praktikabel und kostenlos darbietet. Und bezahle wieder mit meinen Daten.

Wer das Internet als frei bezeichnet, der vergisst, dass die Währung unserer Zeit „Information“ lautet. Gerade im Internet.
So betrachtet, tauchen sowohl Prism, als auch Tempora und Anbietermogule wie Google und Yahoo als Geldeintreiber auf. Völlig gerechtfertigt durch unsere Zustimmung und abhängig von den Gesetzen der Länder in denen die Server der Anbieter stehen.
Das worüber wir uns gerade aufregen, ist die Verwendung dieser Daten- nämlich gegen uns und das Grundrecht der Menschen dieses Landes. Wir haben ein Recht auf Privatsphäre- deshalb richten wir unsere Emails, SMS und Telefonanrufe an eine/n EmpfängerIn und nicht öffentlich zugänglich bei Facebook und Konsorten.

Die Verquickung dieser Anbieter und ihrer Dienste damit wurde leider nicht thematisiert.
Herr Steinmaier verlor sich sogar in der steilen These, die Justiz sei unabhängig, worüber ich im Hinblick darauf, dass kein Mensch (auch wenn er das nicht glaubt- die Justiz wird von Menschen gemacht) jemals unabhängig ist, wirklich nur sehr hart lachen kann.
Frau Roth hat es sehr drastisch formuliert und doch hat sie meine Zustimmung, wenn sie von einer Kernschmelze unserer Rechte spricht.

KernSCHMELZE- ja das Internet verschmilzt mit uns. Es verbindet viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Täglich werden wir Zeuge vom Leben anderer Menschen, sobald wir die gleichen Plattformen verwenden. Jeden Tag haben wir die Möglichkeit uns zusammen zu tun um Gutes, aber auch Schlechtes zu tun.
So wir denn einen Internetzugang und keine körperliche oder geistige Einschränkung haben, die uns daran hindert.

Das ist Internet ist kein Neuland- aber die Möglichkeiten einander zu schaden sind neu.
Darauf zu reagieren hat unsere Bundesregierung bis heute verpennt. Da waren andere schneller und umfassender und jetzt ist das Geschrei groß.

Ich will nicht verteidigen, dass wir ausspioniert werden. Auf keinen Fall- aber ich will es als so logische Folge betrachten, wie sie derzeit ist und was in der Sendung auch nur Gregor Gysi mit einem relevanten Lösungseinschub anmerkte.

Die Sendung an sich wird kaum einen 18 jährigen Erstwähler angesprochen haben- nicht einmal beim Thema „Internet und Datenschutz“. Da lehne ich mich jetzt vielleicht weit aus dem Fenster. Ich bin ja selbst schon über 25 und habe kaum eine Vorstellung davon, was diese jungen Menschen bewegt.
Was ich aber sehe ist, dass ein FreshTorge bei YouTube mehr (junge) AbonnentInnen hat, als diverse PolitikerInnen bei Twitter und Facebook.
Was ich weiß ist, dass viele junge Erwachsene, die sich gerade in einer Ausbildung befinden, nicht mehr mitten in der Woche um 22.30 Uhr ausgerechnet bei der ARD reinschalten, sondern entweder im Bett liegen oder sich eher seichte Inhalte zur Unterhaltung ansehen, statt sich komplexen sowohl angsteinflößenden wie wütend machenden Themen, die in einer platt herunter gebrochenen Diskussion auftauchen, zu widmen.

Was mich außerdem an der Sendung störte, ist die Doppelbelegung der CDU.
Bei der Wahl ist es nicht möglich sich zwischen CDU und CSU zu entscheiden. Sehr wohl aber sind auch noch andere Parteien wählbar, die überhaupt keinen Platz bekamen, obwohl auch sie zur Bundestagswahl antreten.
Das empfinde ich als eingeschränkte Darstellung aller Möglichkeiten, die die WählerInnen haben.
So betrachte ich die Sendung mit dem Abschluss, das nur bestimmte Parteien überhaupt in Betracht kommen sollen für junge Menschen und sich von diesen jungen Menschen auch nur Bestimmte angesprochen fühlen sollten.

Das ist nicht das „uns“ das angesprochen wurde. Und das ist auch nicht das, wovon viele (alle) Menschen überzeugt werden möchten.

Die Wahlen sind „frei“- das Wort in Anführungsstrichen, weil nicht alle Regierten über ihre Regierung wählen dürfen, was nicht mit meinem Verständnis von Demokratie d’accord geht- so sollte auch die Darstellung frei sein.

Also ARD- für einen ersten Versuch geht das gerade mal noch so durch.
Beim nächsten Mal (ich hoffe es gibt ein zweites Mal, denn die Idee an sich, halte ich für gut): mehr Diversität auf allen Ebenen, respektvolle Augenhöhe, eine Sendezeit zu der mehr Menschen wach und aufnahmebereit sind und bitte- so peinliche Sachen wie den Jugendsprachecheck oder Speeddating raus.

Die ErstwählerInnen sind jung- nicht dumm.