das Buch “Weil es sagbar ist – Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit” von Carolin Emcke

DSC_0818 Carolin Emcke ist Journalistin. Seit 1998 bereist sie weltweit die Orte, die uns hier in Deutschland unter dem Begriff “Krisen”- „Kriegs-“ oder auch “Katastrophengebiet” geläufig sind.
Sie beschreibt Begegnungen, die sie dort hatte. Erzählt Geschichten, vom Geschichten erzählen. Erzählt die Geschichten, die ihr erzählt wurden weiter.

Nicht mehr.
Nicht weniger.

“Weil es sagbar ist” erschien Ende 2013 im S. Fischer Verlag.
Das Buch ist in einem Maß verdichtet und präzise differenziert, dass es schnell als “schwere Kost” wirkt, zeitgleich aber ganz klar nicht die Thematik als schwer erscheinen lässt.

Emckes Essays nennen Gewalt beim Namen und nehmen ihr so einen großen Anteil Schrecken, ohne ihre Schrecklichkeit zu verschweigen.
Sie sprechen vom Überleben und Überlebenden, ohne zu Opfern zu machen. Jedes Zitat, jedes in diesem Buch erwähnte Zeugnis erlittener Not, erscheint in einer Präsenz jenseits von Präsentation und hilft, das oft als unfassbar- unsagbar- Geltende als etwas zu begreifen, das nicht Nichts ist vor lauter Furchtbarkeit oder als im Nichts zu verschwinden verdammt ist, gerade, weil es durch die Entfernung der Lebensrealitäten von Überlebenden zu Ungeschlagenen, als so viel Unfassbares- Unvorstellbares- erscheint.

Es geht um Mitgefühl und mitleiden, um das Leiden als solches und darum, gelitten zu haben. Es geht um Nächstenliebe und die Liebe zu dem, was am Nächsten ist. Darum, diesen Zugang in sich zu haben um ihn zu anderen Lebewesen herstellen zu können.
Es geht um das Zuhören und Hören, was erzählt wird.
Es geht um Menschen, die aus der Welt herausgefallen sind und doch nicht im Nichts vergehen.

Als Autorin dieses Buches gelingt es Carolin Emcke die von ihr, sowohl in sich selbst als auch zu jenen, deren Geschichten sie aufschreibt, geschlagenen Brücken aufzuzeigen und in ihrer Entwicklung nachzuvollziehen.

Es ist ein Buch, welches so manch ein übergroß im Leben von Überlebenden schwebendes “ES” oder “DAS” sagbar macht, weil es die Mechanismen der Gewalt nicht nur greif- sondern auch begreifbar macht, indem es durchgängig sachlich und an den richtigen Stellen verschärft durch die Wahl des Objektivs abbildet.

Mein Schweigen war es, das mich zu diesem Buch trieb, hineinspringen und einen Halt an der Dichte seiner Worte finden ließ.
Wusste ich, die ich mir täglich Worte aus dem in Fetzen gerissenen Innen hervorquäle und hier sichtbar zu machen versuche, dass es etwas zu sagen gibt, so nähere ich mich nach der Lektüre des Buches, an ein Gefühl der Sicherheit an, dass auch mein “ES” und “ALLES DAS” sagbar sein könnte.

Es ist das erste Buch zum Thema, das mir dies ermöglicht hat.
Dafür danke ich und stelle fest, dass auch Dankbarkeit so schier unfassbar groß sein kann, wie alle Furchtbarkeit, die Leib und Leben in seiner Existenz bedroht.