lieber allein

Bevor ich von etwas spreche, sehe ich zu, dass ich weiß wovon ich da rede.
Damit ich etwas weiß, lese ich. Zu Beginn im Internet und dann in Büchern.

Und heute dann finde ich plötzlich einen Täternamen im Netz im Zusammenhang mit öffentlich gemachten Taten.

Und mit einem Mal wird uns grundsätzlich klar:
Ja, wir sind nicht allein.
Wir waren nie allein.

Wir haben nie als Einzige gelitten.

Von den Flügeln des goßen Schwans herabbaumelnd, schaue ich der Frau zu, wie sie lacht und weint und wimmert

nehme ihre Hände und tippe:

In diesem Punkt, wäre ich lieber allein

die Bedeutung von Krickelkrakel

Ich weiß nicht, ob das, was mir hier begegnet noch für viele andere betroffene Menschen gelten kann. Aber ich schreibe einfach im Lauf der Dinge und dies ist nun einmal ein Teil über das ich heute gestolpert bin, also bekommt es seinen Platz.
Worte und Krickelkrakel in Bezug auf erlebte Gewalt.

Wir sind gezwungen uns zusammenzufinden und mit dem zu befassen, das uns einst so hat auseinanderbrechen lassen. (Siehe OEG- erster Akt)
Also suchen wir uns Inseln, in denen es uns gut geht und wir gut aufeinander achten können (oder wir einigermaßen sicher sind, dass uns aussen jemand reorientieren kann, wenn es zu stark kippt und ein “Flashback” droht), und tragen unsere Erinnerungen zusammen.

Ich sehe wie die Zettelhügel wachsen und denke jedes Mal, dass doch nun genug sein muss. Jetzt muss doch genug zusammen sein, um klare Angaben machen können, wann, was, durch wen und wo geschehen ist. Aber das ist es nicht. Kaum eine dieser W- Fragen ist wirklich beantwortet- immernoch nicht- und längst nicht so wie es für die Akten sein müsste.

Manche Innens kratzen all ihre Kräfte zusammen und versuchen einander die Hand zu halten, während sie etwas aufschreiben. Manch einer hebt ein anderes Innen (mit) aus der Situation heraus, um gemeinsam von “oben” drauf zuschauen und zu sehen was passiert ist. Das ist ein bisschen wie diese Schwimmhilfen, die aber nur eine Weile halten. Für kurz ist es möglich einen Zustand aufrecht (hoch-von obendrauf schauend) zu halten, in dem das realisierbar ist- aber über kurz oder lang gibts ein Loch und das Innen fällt wieder mitten hinein. So kann dann vielleicht eine “Was (ist passiert)” Frage (in Teilen) beantwortet werden, aber selten eine Wann, Wo, Wer- Frage.

Manchmal wird aus meinem Kopf auch nur ein stark aufgedrückter Krickelkrakel herausgepresst und ein Laut hinterher gewürgt, der für dieses Innen schon das höchste jemals nach aussen Kommunizierte in seiner ganzen Existenz ist. Und eigentlich- so denke ich- kann ich (und sollte jeder, der das von dem Innen gezeigt bekommt) dafür noch auf Knieen rutschen, weil dieser Krickel so derartig vollgestopft ist, dass mehr auch gar nicht erwartet werden darf.
Es ist schon alles da drin.
Es ist nach aussen ein bloßer Krickel. Nach innen ist es eine Explosion.

Ich musste so daran denken, als mir Mensch XY von einer “Vorführung” seines Kindes erzählte.
“Da hat sie mir gezeigt, wie sie malt, dann ging sie an den Schrank und holte ein paar Sachen raus… und ging wieder an den Tisch prusselte da ein  bisschen herum… und immer wenn ich dachte: “Jetzt ist es wohl zu Ende”, sagte sie: ”Nein nein ist noch nicht zu Ende! Geht noch weiter!”…Sie machte nichts Aussergewöhnliches- aber die “Vorführung” war noch nicht zu Ende… haha was auch immer sie mir eröffnen wollte- ich habs wohl nicht erfasst”.

Ja…
Genau so ist es mit dem Krickel auf dem Blatt. Was auch immer da steht- ich kanns nicht lesen. Und obwohl ich eine leise Ahnung habe und über diese meine- unsere eigene Geschichte spekulieren kann (wenn ich mal nicht in meiner kleinen Vermeidungsblase hocke und mir den Highscore von Tetris vorsumme), kann ich die Sprache, die dieses Innen für mich zu benutzen versucht, nicht verstehen.

Keine Worte zu haben oder nur einen gleissend weißen Flecken für bestimmte Dinge zu haben empfinde ich, für mich, spontan immer als das Schlimmste. Durch diese Krickel und die zusammengestümmelten, mit Buntstift auf Papier gepressten Wortschleifen, sehe ich, dass es aber noch etwas viel Schlimmeres zu geben scheint.
Nämlich den Zwang Worte haben zu MÜSSEN, weil alles andere schlicht nicht zählt oder Mundsprache unter grässlichen Strafen verboten ist oder sprechen zwar ginge, aber nicht vor der Polizei oder weil es schlicht noch keine Denkarien wie in Harry Potter gibt, mit denen man seine Erinnerungen für das Gegenüber sichtbar machen kann, ohne wirklich aktiv mehr tun zu müssen, als einfach die Erlaubnis dazu zu geben.

Wir Menschen sprechen und schreiben unsere Worte immer so dahin.
Doch wie wichtig und wertvoll unsere Sprache ist, das merken wir doch immer erst, wenn wir uns nicht mehr auf sie verlassen können.

Oder wir einsehen müssen, dass die Geschichte hinter einem Krickelkrakel- Wortschleifen-Satzgefetz viel zu groß für Worte ist.

die Sekte des Herrn Peter P.

Wer mal genauer wissen möchte, wie eine Sekte funktioniert und was eine PTBS aus Menschen machen kann, der sollte sich mal “Peter Pan” anschauen.

Meine Güte, das ist der bis jetzt brutalste Disneyfilm, den wir uns bisher angesehen haben!
Da wird gemordet, mit Mord gedroht, gedemütigt, gekidnapped; da werden Frauen offen ausgenutzt und unterdrückt. Immer mit heftigem Personenkult der stets von Neuem genährt wird.

Gleich am Anfang der Geschichte erfahren wir,dass Peter Pan nur zu denen kommt, die auch an ihn glauben. Ziemlich schlau dieser Herr Pan- sich sein Zielpublikum von vornherein so auszuwählen…

Man bekommt einen Einblick in das bunte Treiben des Kinderzimmers von Wendy, Klaus und Michael, denen es ganz offensichtlich an nichts mangelt. Sie haben jeder ein Bett, sie mögen sich und spielen schön.
Doch dann kommt der Papa hinein und zerstört die kleine Spielwelt seiner Kinder mit seinem gestressten Fokus. Er hat nur sich im Kopf und zeigt kein Verständnis für die zum Leben erweckte Fantasie seiner Kinder- selbst als er die Chance hat einzusteigen, beharrt er auf seiner Perspektive und will sich durchsetzen.
Leichtfertig und- wie er später zugibt- unbedacht, erklärt er seiner Tochter, dass diese ab dem nächsten Tag erwachsen sein muss und nicht mehr im Kinderzimmer schlafen wird. Wendy ist sehr traurig. Ganz offensichtlich hat sie kein Verständnis von dem Begriff des Erwachsenseins. Es bedeutet für sie lediglich, dass sie nicht mehr bei ihren Brüdern schlafen und nie mehr Spaß haben darf. Alles andere was Erwachsensein auch bedeuten könnte, hat sie schon längst verinnerlicht- weiß das nur noch gar nicht!

Zum Beispiel kommt ja dann Herr Pan herein geschneit und sucht seinen Schatten, den er zuvor dort bei den Kindern “verloren” hatte (so macht man das übrigens bei Sekten: man lässt zufällige Begegnungen los- mal hier ein Infostand, mal da ein Flyer, mal ein hier ein Kurzkontakt, mal da ein kleines Gedankengutbonbon und nicht zuletzt die guten alten Missionare, die das Auto zwei Straßen weiter “verloren hat”…) und Wendy macht sich gänzlich uneigennützig daran ihm den Schatten anzunähen. Einfach so und völlig selbstverständlich- einem Kind müsste man sowas in der Regel erstmal beibringen und kaum ein wirkliches Kind würde ohne Aufforderung wissen, wann so ein Verhalten von ihm erwartet wird. Anscheinend ist also das Erkennen, wann welche Fähigkeit, in welchem Umfang von ihr erwartet wird schon etwas, dass Wendy schon gelernt hat. Das ist bereits ziemlich erwachsen!

Nun da Herr Pan wieder komplett ist, befasst er sich kurz mit dem Kummer des Mädchens und beginnt von seinem tollen Nimmerland zu erzählen. Neiiiin! Da müsste sie nie erwachsen sein! Da wäre es ja so wunderschön und toll. Alle sind glücklich.
Ohja! Sofort will sie mit! Klar! Und ihre Brüder kommen auch gleich mit! Die wollen sich so ein Abenteuer doch nicht entgehen lassen. Doch- halt! Was werden Mutti und Vati dazu sagen?

– Ach! Schwamm drüber Wendy- du wirst halt die Mutter für alle! Dann passt das schon!
Äh… korrigier mich gern einer- aber Mütter sind doch in der Regel schon ziemlich erwachsen nicht wahr?!
Tja, Wendy… willkommen in der Sekte des Hern Pan!

Ein häufiger Grund für Sekteneinstiege sind genau diese Art Eskapismus aus Überforderung durch hohe Ansprüche oder offene (schwerwiegende) Konflikte. Erleichtert durch einen charismatischen Guru, (oder Führer oder Meister oder wie auch immer sie sich nennen) vollmundige Versprechen und einer Prise Übernatürlichkeit.
Herr Pan ist ein Sohn des Götterboten Hermes und in der Regel umgeben von Satyren oder auch Nymphen, die ihm zu dieser Übernatürlichkeit verhelfen und sich gleichzeitig komplett hingeben. Vielleicht denkt sich die kleine Naseweis, der große Herr Pan würde sie schützen oder wenigstens nicht allein lassen, wenn sie ihn nur brav anhimmelt und ihre Fähigkeiten hergibt. Der offene Aspekt der Sexualtität und Pan´schen Wolllust kann hier leider (durch die Verwischung der Proportionen im Disneyfilm) nicht angeführt werden. (Ist aber eigentlich unübersehbar, wenn wir uns mal kurz die “Kleidung” der Nymphe ansehen…)

Warum Wendy, das nicht sieht und bemerkt? Ja, wie denn? Naseweis ist komplett ohne Sprache die Wendy versteht, grad so groß wie eine Menschenhand und Herr Pans Werkzeug, um den Kindern das Fliegen beizubringen, damit sie nach Nimmerland kommen.

Fliegen lernen. Einkreiseln. Eine Testsession besuchen… es gibt viele Begriffe für diese Einstiege.
Die meisten Menschen sind komplett high von den Versprechen und ersten Sektengeschenken. Wie die drei Kinder im Film merken sie eher nicht, wie weit und wohin genau sie sich entfernen: “bis zum Stern und dann immer der Nase nach”, kann auch auch heißen: “vom Infostand bis zum Logenhaus und dann immer den Ritualanweisungen nach…”
Und dort angekommen, fragt man sich nicht mehr goßartig, warum alle so komische Kleidung tragen, sich nicht mehr an ihre Familien erinnern und eine seltsame Beziehung zu Gewalt und Vorstellung von der Welt haben.

Wendy freut sich sehr endlich mal Meerjungfrauen zu sehen und ist nur kurz empört, als diese sie “zum Spaß ertränken” wollten- immerhin ist ja Herr Pan da, um sie zu schützen!
Herr Pan schützt ja alle- sogar die kleine Tigerlilly- die aber lediglich deshalb gerettet werden muss, weil der von seiner PTBS gebeutelte Käpt´n Hook, sich an Herrn Pan rächen will.
Der arme Käpt´n Hook ist verrückt vor Angst und nach dem traumatischen Verlust seiner Hand (durch Peter Pan) nicht mehr in der Lage seiner Arbeit als Piratenkapitän nachzukommen. Einzig sein immer wieder entfachter Hyperarousel (durch dieses gemeine Krokodil und die ständigen Quälereien Pan´s) verhindert, dass er sabbernd in Ecke hockt und von seinen Piraten kielgeholt wird.
Ich glaube ja, dass Herr Hook ein Aussteiger ist, dessen OEG (mit dem er seine Traumatherapie bezahlen will) nicht durchging und dessen einziger Lebensinhalt überhaupt nur noch die Entschädigung durch Tätertod sein kann…

Herr Hook geht für seine Rache sogar richtig kriminelle Wege. Er entführt die vor Eifersucht auf Wendy glühende Naseweis und nutzt ihre Verletzung, um das Hauptquartier der Sekte zu finden.
Dort wird die ganze (bereits irritierte und im Glauben an das Leben in Nimmerland erschütterte) Gruppe von ihrem Führer separiert und auf das Piratenschiff verschleppt, während Herrn Pan eine Bombe als Geschenk hinterlassen wird.

Hook stellt die Gruppenmitglieder vor die Wahl: der Gang über die Planke in den Tod oder die Heuer auf seinem Schiff.
Indoktrination gewohnt und gern am Leben seiend, wollen alle natürlich direkt bei ihm anheuern- ausser die getreue absolut irrational loyale Wendy.
Und wie das so ist in Sekten, wird Naseweis der Ernst der Lage klar. Sie befreit sich und rast zu Pan um ihn zu retten- immerhin steht nun die ganze Gruppierung auf dem Spiel!
Die Rettung gelingt, Pan rettet fix mal noch Wendy und auf das fehlende Platsch hin entbrennt ein Kampf auf Leben und Tod.

Pan ist wieder da und stellt sich dem scheinbar ungleichen Kampf mit Hook- welcher aber gar nicht so ungleich ist, wie er scheint.
Er ist noch um ein vielfaches ungleicher! Pan nutzt die Todesangst Hooks vor dem Krokodil, welches natürlich wieder zur Stelle ist und nur darauf wartet, dass Hook ins Wasser fällt.
Jemand der unter einer so krassen PTBS leidet wie Hook, ist in der Regel alles- ausser fähig zur Konzentration und Zielgenauigkeit. Schlafmangel und zeitweiser Realitätsverlust tun ihr übriges und Herr Pan braucht nichts weiter zu tun, als noch ein paar Mal gezielt zu verängstigen und zu verhöhnen und schon ergreift Käpt´n Hook die Flucht. Das Krokodil ihm nach…

Wendy hatte schon am Vorabend ihre Brüder, vom Mütterkult der 50er Jahre getragen, zum Heimweh motiviert. (Übrigens eine Stelle bei der meine Augen plötzlich ausliefen- das wird dann wohl die Stelle sein, an die die Kritiker damals dachten, als sie den Film “herzerwärmend” nannten)
Sie war beleidigt und ihrer Illusionen vom Leben in Nimmerland beraubt, als sie beim Feiern mit den Indianern die Arbeiten einer erwachsenen Sqaw machen sollte- Herr Pan aber mit der jungen Tigerlilly und den anderen (männlichen) Gruppenmitgliedern unbeschwert herumtanzte.
Also erinnerte sie alle mal daran, was eine Mutter ist.
”Eine Mutter- eine richtige Mutter, ist das Schönste auf der Welt. Sie ist dein Schutzengel. Sie behütet dich- Tag und Nacht. Sie hat dich lieb und sie singt dich in den Schlaf.”
Zack! Ist die Kriegsbemalung abgewischt und die Sehnsucht entfacht. Was eine Leistung bei Kindern, die einfach von Natur aus noch auf ihre Mutter (oder die Familie allgemein) angewiesen sind.

Herr Pan und sein übernatürliches Werkzeug Naseweis werden wissen, dass sie gegen diese Art Kult und Bindung nicht so einfach anstinken können. Sie bringen die Kinder wieder zu sich nach Hause.
Dort gibt es einen reuigen Vater, der nach den wirren Erzählungen (von denen- oh Wunder was!- er natürlich nichts glaubt!) seiner Tochter, in großer Sorge ist und ihr verspricht noch weiter im Kinderzimmer schlafen zu dürfen.

Das Wolkenschiff des Herrn Pan allerdings, ist nachwievor am Horizont zu sehen…jederzeit bereit zurück zu kommen… man muss ja nur an ihn glauben… und schon kann man wieder in eine Welt in der man niemals erwachsen, verantwortungsbewusst, mitfühlend, rücksichtsvoll… menschlich handeln, denken, fühlen muss…

So ist es auch mit Sekten. Egal wie offenkundig man “einfach gehen kann”- es ist nie- niemals!- so einfach wie es aussieht! Entweder sie kreist in Form von ständiger äusserer Verführung und Kontrolle um einen herum oder im Kopf in Form von Handlungsmustern, Gedankenkonstrukten und Reflexen. Und so ziemlich jede Sekte kann sich darauf verlassen, dass das was in ihr geschiet von der breiten Masse schlicht und einfach nicht geglaubt wird.

Sollten Sie, lieber Leser, ein Betroffener sein und Information zum Thema “Ausstieg aus einer sog. Sekte oder Psychogruppe” suchen, kann ich ihnen diese Seite und auch diese sehr empfehlen.

Freiheit nach dem Ausstieg macht einsam. Aber Freiheit kann machen, dass man sich- wenn schon nie als Kind, so doch als befreite Erwachsene “Peter Pan” anschauen und Artikel dazu schreiben kann wie diesen hier!

500 Gramm biographische Amnesie bitte!

Ich bin für “Entweder- Oder- Dissoziation”.
Also wenn mal jemand eine entsprechende Petition aufgeben, Demoplakate und Banner mit mir machen will…

Ich gebe zu, obwohl es nach der ganzen Therapiezeit nicht mehr viel Versteck- und Vermeidungsmöglichkeit gibt, suche ich sie natürlich immer wieder noch auf und will manches einfach echt wirklich nicht mitkriegen und wissen und waaa- man ja- manchmal will ich bitte einfach nur meine Vermeidungsblase zu machen und mir im Stillen die Melodie von Tetris vorsummen.

Es ist jedes Mal ein Abgrund, der sich vor mir eröffnet. Ein echter Abgrund, mit nicht nur der flachen Dimension die man so objektiv sieht.
Vorhin stand ich vor dem Supermarkt und versank schon wieder halb in meinem Körper.
Es sind so diese Switchnähte, die so krass anfällig für Auflösung sind.
Außerhalb des Marktes ist der Wegegänger, innerhalb des Ladens stampft Frau Zarin ihre Schneisen- aber genau dazwischen gefordert zu sein, macht alles kaputt.
Vielleicht spricht uns einfach nur jemand an, vielleicht ist unser Metabolismus anwesend, als eine Mutter ihr Kind in den Rücken tritt, vielleicht ist es auch nur ein Regenguss, unter Umständen ist es einfach nur ein offener Schnürsenkel.
In jedem Fall kriege ich plötzlich mit, in was für Sphären sowohl Frau Zarin als auch der Wegegänger herumfliegen. Und… ich drücks mal so aus: Die beiden wissen noch besser als ich, dass das Leben ein verfluchtes Minenfeld ist.

Sie sind funktional- sie haben ihre Methoden sich zu sichern, sie haben ihre Anker und ihre Strategie. Aber eines haben sie gemeinsam: Sie haben Angst und sie schützen Innenkinder.
Ich stehe davor und merke einmal mehr, wie wichtig die Dissoziation war, merke inzwischen aber auch, dass in dieser Switchnaht gerade ich- ausgerechnet ich!- der einzige Schutz für diese Innenkinder bin.
Und das ist der Moment.

Da ist der Abgrund. Das ist ein mörderischer körperlicher (Nach-) Schmerz der mir das Rückgrat zu zerbrechen in der Lage ist, da ist Angst, da ist der Verlust vom Glauben an das Gute im Menschen. Total offen und wund vor sich hineiternd.
Ich will das nicht sehen. Ich will das nicht fühlen. Ich will das nicht wissen.
Hallo? Ich wär jawohl schön blöd mir so den Tag zu versauen! Ich hatte grad son schönes Gespräch und die Sonne scheint! Ich will jetzt nicht fühlen wie real meine Seele noch immer in alter Zeit hängt und ganz und überhaupt will ich nichts davon mit mir im Zusammhang fühlen!
Also kneif ich die Augen zu und summe Tetris vor ich hin…. und fange an mir einen Text für meine Internapetition auszudenken, während ich gleichzeitig meine Reorientierungskisten abspule und den Körper aus der äußeren Situation manövriere (Ja- ich kann das: auf einem Bein hopsend meine Schuhe zubinden und währenddessen Klopapier und 6 Liter Milch ausbalancieren! Wer so vermeidet wie ich- der kann das irgendwann haha). Irgendwann hab ich mein Gehirn so überlastet, dass nur noch die Frage: “Wo wohne ich eigentlich?” gebraucht wird, um mich wieder wegzukegeln.
Und ja: Ich weiß verdammt nochmal ganz genau, dass ich in dieser Situation auch einfach hätte cool bleiben können und mich dem was sich da vor mir auftut stellen können.

Aber ich weiß genauso gut, wie das in der Regel ausgeht- nämlich mit ner ganzen Menge Autsch!
Allein schon wie es sich anfühlt, wenn eines der funktionalen Innenkinder “da war” und im Körper nur noch der Nachhauch eines Nachhauches herumirrt. Es ist furchtbar!
Und genau um mich vor solchen Gefühlen zu schützen gibts ja die Dissoziation.
Nur leider hab ich schon Therapiefortschritte gemacht und jetzt geht das nicht mehr immer so leicht.
Es gibt immer öfter solche Situationen, wie heute, in denen ich sowas wie “inneren bewussten Sichtkontakt” mit so verletzten Innenkindern habe und mehr oder weniger bewusst real wählen kann: Vermeidung und der Abschuss in die Dissoziation (durch mehr oder weniger gezieltes Wegtriggern) oder Hingucken und dran arbeiten.

Ich hätte bitte gerne, dass mir einer die Entscheidung abnimmt. Das ist beides so… mee!
Vermeidung ist scheiße, weil man die Energie einfach für so viele andere viel tollere Sachen verwenden könnte. Aber hingucken und der Rattenschwanz dazu tut so saumäßig weh!
Ich hätte gerne meine Alltagsdissos, so wie heute noch mehr bitte weg. Ich mags, wenn ich mitkrieg was für ein Leben wir so leben- aber die inhaltlichen Dissos, die könnten gerne wieder so komplett doll sein, wie früher.

Also… wer fährt mit mir zum Lebens- Wunschkonzert und hält Banner hoch?
Oder geht mit mir ins Dissokaufhaus… dicke fette biographische Amnesien und Unbewusstsein kaufen?

Superwomen, Möhrenwürfel und Heilung

Sie sagt, ich hätte alles Recht mich fallen zu lassen.
Sie fragt, wieso ich mir das alles antue. “Weißt du wie du hier vor mir stehst? Du hast schon wieder diesen Buckel und du guckst schon wieder nur noch von unten nach oben.”

“Ja- kann sein.” Ich merke wie eine Wut von einem Innen durch mich herausschießt- der Buckel wird zum Panzer, mit verletzenden Stacheln besetzt. ”Und- was soll ich drüber heulen? Wem hilfts? Änderts was? Hats das je getan?” Meine panische Angst vor der Reaktion meines Gegenübers rast durch den Körper gepaart mit einem innigen Wunsch nach den Tritten, Schlägen und Demütigungen, die ich jetzt erwarte.

“Hey- ich weiß schon! Guck mich an- ich bins!”
Nein- ist sie nicht oder doch? Oder nicht? Oder? Ich kann nichts mehr sehen- es schiebt sich alles ineinander- meine Ratio hängt wimmernd in irgendeiner Ecke und knüpft sich einen Strick aus Fäden von Heute und Gestern. Mein Körper fängt an um mich herum zu schlackern, meine Lunge schrumpft, mein Herz schaltet auf Schnelldurchlauf… die Haut wird kalt.
Hinter meinen Augäpfeln wird sie zerschossen, während gleichzeitig das Betteln, um gnadenlose Gewalt an sich immer lauter wird. Ich betrachte meine Ratio die inzwischen wie eine Stoffpuppe von der Naht zwischen Heute und Gestern herab baumelt, während ich vor der Gemögten stehe und mir die Worte aus dem Hals zu pressen versuche.

“Hallo? Bist du noch da?”
Ich höre sie wohl, ich bin noch da. Ja.
Sie versuche diese Lupe aus Tränenflüssigkeit und Vergangenheit beiseite zu wischen, während sie aufsteht, die Tüte mit gefrostetem Suppengemüse aus dem Tiefkühlfach holt und mir auf die Hand legt. Die Eiskristalle ziehen mich an dünnen Fädchen aus den tieferen Schichten des Innen näher an de Oberfläche. Zerschneiden den Strick meiner Ratio, die mit einem dumpfen Plums auf dem Boden meines Bewusstseins landet.
”Gehts?”
Ich halte die Tüte an meinen Bauch und nicke.
Eigentlich will ich jetzt in der Tüte verschwinden. Selber ganz eingefroren und konserviert sein. Ich will grad nicht in meinem Leben sein und gar gekocht werden von dieser heißen Wut, dem Hass, dieser Verachtung und immer wieder dieser Panik vor der völlig selbstverständlich erwarteten Wiederholung von Gewalt an uns.
Ich will ein kleines Möhrenwürfelchen sein.

“Hm?” Sie lächelt. “Ihr müsst nicht Superwomen sein.”
“Superwomen gibts gar nicht richtig- die hatte nie wirklich echte Superkräfte aus sich heraus. Die, die du meinst hieß Wonderwomen. Und Wonderwomen kann ich nicht sein, sonst muss ich wieder diesen Kampf gegen den Diagnosestempel der Schizophrenie führen, wenn ich sag, ich hätt ein unsichtbares Gefährt…”
”Du weißt, was ich meine.”

Ja, ich weiß was sie meint.
Es gibt Aussteiger, die sich direkt einweisen lassen, weil sie genau diese Selbst-s-Folter, diese immer wieder aufwogende Panik, Verunsicherung, Erinnerung, dieses bewusste geistige “zwischen den Welten stehen”, wie wir es gerade durchmachen, nicht mehr aushalten (können oder wollen).
Es gibt Menschen, die über einen OEG- Antrag und alles was dazu gehört, in unserer Situation nicht einmal nachdenken würden.
Es gibt Menschen, die ohne auch nur ein einziges Medikament nicht durch unsere Nächte kämen.
Und ja- noch weniger Menschen würden genau darüber schreiben, so wie wir.
Aber wir sind ja nicht “die Anderen”. Und wir wollen es auch gar nicht sein.

Wie kommt es, dass ich mich nicht einmal seelenglobal bemitleiden kann ohne, das es heißt, meine Gesamtsituation wäre ja auch viel zu viel? Ohne, dass es heißt: “Du musst nicht Superwomen sein?”. Wieso mussten wir immer Situationen, die andere als so besonders hilfreich bewertet haben, aushalten, (weil es ja das Beste für uns wäre)- in Situationen aber, die wir bewusst erleben wollen und die wir auch so wie sie sind verarbeiten wollen, zu hören bekommen, es wäre ja auch alles zu viel und man könnte sich ja auch mal fallen lassen?

Ja, ich könnte mich fallen lassen- das mache ich doch auch. Was ist denn die Erwartung? Der große dramatische Knall?  Reicht denn das was ich tue nicht?
Ich weine doch nicht, weil ich zwischen den inneren Welten zerrieben werde. Darüber kann ich überhaupt nicht weinen- in Bezug darauf habe ich lediglich zig Fragezeichen und sauge jede Information auf, um beide miteinander zu einer verschmelzen lassen zu können.
Dieser OEG-Antrag ist viel mehr als nur das Aufschreiben von Taten. Meine Güte- ja- schön ist es nicht diese Gewaltorgien aufzuschreiben- aber kaputt machen wird mich nicht das, sondern eher die Politik und der Umgang mit mir als Mensch, der diese Taten an sich aushalten und überleben musste! Darüber zu heulen und mich dann fallen zu lassen, wäre einfach nur systemunterstützend- also hätte es keinen Sinn. Ergo tue ich das nicht!

Aber wenn ich über meinem Buchmanuskript sitze und während des Schreibens merke, wie sich mir Innens nähern und mir einen Teil ihres Wissens und ihrer Gefühle von damals reichen, um sie aufs Papier zu kleben…
Wenn ich mich dann kurz in meinen Sessel fallen lasse, um einfach nur für diesen Moment nichts weiter zu tun, als diese Innens- diese entfernten Teile von mir selbst !!!- zu beweinen… dann- genau dann!- mache ich doch genau das, was mir gesagt wird. Dann lasse ich mich doch fallen.
In dem Moment kann ich niemanden gebrauchen, der mir sagt, es wäre ja eh alles grad so schwer. Oder der mir sagt, morgen würde schon alles besser. Oder der mir sagt, ich müsste nicht Superwomen sein und damit implizieren, was ich hier täte, wäre wer weiß was für ein übermenschlicher Akt.
Das mag für Menschen, die das alles für sich allein schultern müssten, vielleicht zutreffen. Aber für mich und meine Innens ist das nicht so. OEG, Welten- bzw. Werteverschmelzung, die Realisierung von früherem Erleben und der Annahme weggedrückter Gefühle… das sind drei komplett verschiedene Bereiche.
Und nur einer davon hat das Potenzial mich richtig in die Kniee zu zwingen.
Nämlich der, der beinhaltet nicht mehr getrennt zu sein von dem was ich/ wir unser ganzes Leben lang immer und immer wieder von einander wegdissoziiert habe/n: Unsere Geschichte, unsere Gefühle und uns selbst.

Dann brauche ich, dass mich jemand daran erinnert, dass ich das alles schaffen werde. Dass ich keine Superkräfte brauche, um diese Gefühle und Informationen in mir aufzunehmen, sondern, dass das alles bereits in mir drin ist- ich es aber zum ersten Mal bewusst selbst wahrnehme.

Dass Heilung eben auch mal weh tut. So weh, dass man manchmal auch einfach zurecht ein klitzekleiner Möhrenwürfel in einer Tüte Suppengemüse aus dem Tiefkühlfach sein will.

Selbst-s-Folter ist immernoch Folter

Also ganz ehrlich- ja- wir sind ne Sprachmimose. Ja ja ja stimmt!
Wir haben ne Grammatikmacke und hassen es, wenn Menschen “zu” und “nach” falsch verwenden, kriegen die Krise, wenn jemand “als” und “wie” falsch einsetzt und schreihen auf, wenn jemand meint die Begriffe “Vergewaltigung” und “Zwang” synonym verwenden zu können.

Aber wenn sich jemand hinstellt und meint, Folter sei nicht gleich Folter, wenn ich von Folter spreche… da zieht sich nicht nur mein Mimonseninnenleben in sich selbst zurück, sondern mein dunkelbuntes Imperium breitet sich aus wie die Nesselkapseln einer Feuerqualle.

Der Begriff der Folter beschreibt Handlungen um jemandem seinen Willen zu brechen (und in Folge dessen an Informationen heranzukommen oder ihn allgemein gefügig zu machen bzw. zu halten). Diese Handlungen sind immer und in jedem Fall quälend auf irgendeine Art und Weise. Und sie hinterlassen immer einen Schaden.

Mag sein, dass man heute den Begriff nur noch im Zusammenhang mit pseudopolitischer Auseinandersetzung (Politik geht ohne Gewalt- für uns ist Krieg immer nur Gewalt- deshalb steht hier “pseudopolitisch”) hört und dann direkt an sogenanntes “waterboarding” oder vermummte Menschen mit dicken Peitschen in der Hand, denkt.
Dass, auch andere Handlungen völlig subtil und vorallem aus dem eigenen Körper herauskommend, gleichsam eine Folter darstellen können und auch genau als solche empfunden werden, das scheint aber irgendwie doch “übertrieben ausgedrückt”.

Ja danke auch!
Ich geleite mal von oben draufschauend in unsere eigene Folterkammer.
Wir haben einen Kontakt gemacht, der uns gut tut. Der uns Spaß macht und den Horizont erweitert. Der absolut nichts mit den früheren Loyalitäten zu tun hat.
Konflikt: Altes gegen Neues.
versuchte Lösung: Politik- gibst du mir, geb ich dir
innere Ausführung: Maßnahmen, um die politischen Feinde im Innern in ihrem Willen zu brechen, ein neues Leben zu beginnen und an die Gesetze von früher zu binden.
Mittel der Wahl: Todesangst
gern genutzter Verstärker: Schmerzen, forcierte und immer wieder bestätigte Verunsicherung, Bilder der Folgen, die das Handeln haben kann, direkt ausgeübter Zwang quälend peinigende  Handlungen von früher durch die eigene Hand zu wiederholen
Unterm Strich: Selbst-s- Folter!

Ja, es sieht für Aussenstehende aus wie selbstverletzendes Verhalten, eine Essstörung, eine Zwangsstörung, wie schlichte Flashbacks- für uns aber- für unsere Innenkinder und uns Alltagspersonen, die komplett zwischen den inneren Stühlen stehen und einfach nur noch ständig und immer hilflos mit der kleinen weißen Fahne wedeln können, ist es verdammt nochmal Folter.

Ja, ich denke, in diesem Beitrag mache ich mich auf. Ja, ich glaube es ist von Sinn, wenn ich es zeige. Es zeigt eine Dimension.

Insgesamt 20 Stunden nicht zur Toilette gehen zu dürfen (und jedes Mal bei einem Versuch dorthin von Bildern und furchtbaren Gefühlen überflutet zu werden), weil man mit einer Gemögten gesprochen hat, die einem anbietet, etwas anderes zu tun, als das was einem die BÄÄÄMs aufdrücken wollen- ist Folter.
Seinem Körper hilf- und tatenlos dabei zusehen zu müssen, wie er sich immer und immer wieder kochendes Wasser zwischen die Beine schüttet, weil man sich von jemandem anderem, als jenem dem einzig und allein die Loyalität und Liebe gelten soll, gemocht fühlt- ist Folter.
Stundenlang stehen zu müssen, weil man sich nach Stunden in der Kälte ein warmes Getränk zuführen will- es aber nicht darf, weil es den Glaubenssätzen der BÄÄÄMs widerspricht und jene uns immer wieder in diese stehende Haltung zurückzwingen, durch die Provokation von Schmerzen und furchtbaren Ängsten, ist Folter.

Ja, es steht hier niemand neben uns und tut uns das an. Niemand aussen zwingt uns jetzt direkt dazu, das zu tun. Das ist ja aber auch gar nicht nötig. Es ist ja alles im eigenen Selbst installiert. Wir wurden so hingebrochen, um uns genau das hier selbst anzutun, um uns selbst, wenn kein äusserer Täter neben uns steht, immer wieder in das Überzeugungskonstrukt und Handlungskorsett der Gruppierung hineinzufoltern.

Und wenn wir es schaffen, genau das, als das zu bezeichnen, was es ist- nämlich Folter- Selbst-s-Folter, dann sollte nicht von Übertreibung die Rede sein.
Sondern von einer Chance und einem wichtigen Schritt zur Heilung.

Es ist unsere Chance diese Handlungen zu enttarnen und unsere weiße Fahne beiseite zu legen, bei den inneren Verhandlungen. Wer foltert, begeht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Und der Kern jeder guten Politik ist die Ahndung solcher Verbrechen.
Wenn wir sehen, dass sowas bei uns passiert, dann machen wir eine Anzeige bei unseren verbündeten Mitgliedsstaaten und die helfen uns dann, das zu beenden in dem man Verhandlungen aufnimmt, Forderungen beguckt, einer Prüfung unterzieht und Handlungsmöglichkeiten einführt.

Das geht aber nur, wenn wir das Schlimme, das in uns selbst weiterhin passiert, auch so benennen können und wir uns nicht zu schämen und zu bezweifeln brauchen.
Es ist schon schwer genug.
Wie schwer kann man ja auch sehr schön im Aussen betrachten.
Oder was meinen die Zweifler, warum Guantanmo oder Abu- Ghuraibh nachwievor existieren?
Die Tatsache, dass man es “Verhöre von Menschen im Zusammenhang mit terroristischer Aktivität” nennt und nicht “Folter”, spielt definitiv eine Rolle!

Wir wollen die Fehler anderer nicht an uns selbst wiederholen. Das tun wir auf anderen Ebenen bereits oft genug und oft genug von aussen tatsächlich aufgezwungen.

Wenigstens uns selbst gegenüber machen wir das nicht mehr.
Wenigstens das.

masculum-feminam humana

“Sag mal- wie ist das eigentlich für dich, wenn der Körper menstruiert?”
Toll- das hat man davon, wenn man Gemögten erlaubt, einfach zu fragen, wenn sie was fragen wollen…
Ich oute mich in diesem Artikel mal als das, was ich bin: ein Mann

Ich bin ein männlicher Anteil einer Psyche, die in einem biologisch weiblichen Körper steckt.
Was so paradox klingt, ist eigentlich total normal.
Und irgendwie logisch. Also immerhin haben alle Menschen auch Brustwarzen, weil die “biologische Entscheidung” zum Geschlecht des Menschen später, als die Anlage zu Brustwarzen kommt… und naja- wenn man davon ausgeht, dass Leben in erster Linie Metabolismus ist… dann  ist doch irgendwie auch logisch, dass alle Menschen auf dem ganzen Planeten schon von Natur aus auch männliche Anteile haben müssen. Denn für eine Entscheidung brauchts die Möglichkeit zu wählen.
Hm- Mist irgendwie klingt das nach einer Rechtfertigung für die Weigerung sich sämtliches Körperhaar abzusäbeln und schlunzige Jogginghosen zu Holzfällerhemden zu tragen. Aber das soll sie eigentlich nicht sein.
Ich nehme mich als Mann wahr, habe dieses Selbstbild von mir und werde auch von Menschen aussen  als Anteil “der mit von eher als männlich bezeichneten Eigenschaften behaftet ist” wahrgenohmmen. Also einfacher ausgedrückt: ich passe eher in das Bild, das man vom Klischeekerl hat, als von der Klischeetussi von dem ausgehend, was ich so mitbringe.

Eigentlich total interessant, wie ich so betrachtet werde und was mir so auch entgegen gebracht wird, wenn ich mich als männliches Innen zu erkennen gebe.
Irgendwie ist da ganz automatisch so eine Selbstverständlichkeit, dass ich voll der harte Kerl bin, mindestens ein Beschützer im System, ein Handwerker oder so- voll stark, frech und großmäulig. Vielleicht irgendwie auch ein Weiberheld oder so.
Aber das bin ich nicht. Ja es gibt bei uns auch männliche Innens, die so sind- aber es gibt auch weiblche Innens, die so sind!
Die Zugehörigkeit der Geschlechter läuft bei uns wirklich nur über so eine Gefühlsschiene. So nach dem Motto: “Ich fühle mich männlich, also bin ich männlich. Ich fühle mich weiblich, also bin ich weiblich. Ich fühle mich ungeschlechtlich, also bin ich ungeschlechtlich.” Jeder eben so wie er sich fühlt.

Kann ich den Körper einfach so annehmen? Nein- natürlich nicht.
Aber die weiblichen Innens können das auch nicht einfach so.
Wir haben inzwischen so ein Stadium des (mehr oder weniger zähneknirschenden) Hinnehmens erreicht und das ist schon ganz okay so. Vor vielen Jahren war ich noch ziemlich krass in Sachen Verleugnung und Unterdrückung der körperlichen Weiblichkeit. Aber nicht, weil ich sie als solche irgendwie schlimm fand oder triggernd oder so (so wie andere Innens bei uns), sondern weil ich doch irgendwie dieser äusseren Rollenkiste von Männlichkeit entsprechen wollte.
Ich hab mal überlegt, ob mir jemals ein Mensch so richtig direkt mal gesagt hätte “Ein Mann macht aber dies und das” oder “Jungs müssen dieses und jenes”- nee das ist nie passiert. Aber irgendwie kam schon öfter sowas wie “Für dich wird das ja kein Problem sein, ne?” oder “M- komm mal her- ich brauch ne starke Hand!”. So als wäre ich voll der starke Typ- was ich aber gar nicht bin- es gibt viel stärkere Innens bei uns. Und was mir alles Probleme bereitet, hab ich irgendwie dann nicht mehr so sagen können, wenn mir bei bestimmten Sachen so eingeschoben wurde, dass sie mir ja keine Probleme machen würden.
Das ist nie mit Absicht passiert, glaub ich. Aber es ist passiert und das finde ich irgendwie seltsam. Ich kenne mich mit solchen Genderfragen und Forschungsdingsizeugs nicht so aus und eigentlich find ichs auch total schräg, dass man sowas beforschen muss. Also einfach, weil ich mich frage was für einen Nutzen das bringt, aber naja… das kann man sich ja bei so einigen Sachen, die beforscht werden, fragen.
Für mich ist das nicht wichtig. Ich fänds eigentlich nur interessant wie sowas passiert. Also das man denkt, dass manche Eigenschaften oder so, typisch männlich und manche typisch weiblich sind.
Zum Beispiel unsere Kleidung.
Wir haben uns im Zuge von vermehrter Observanz, irgendwann zum Rauswurf aller Hosen (bis auf zwei Exemplare) entschieden und tragen nur noch Röcke. Am Anfang war es irgendwie so: “Hm- bin ich dann noch ein Mann, auch wenn ich so richtig traditionell weibliche Sachen trage?” -Ja klar! Die Frauen haben doch die ganzen Jahre vorher auch immer wieder Hosen getragen und waren trotzdem noch Frauen. Diese Kiste war ein für uns total runder und guter Schritt sich mit dem Körpergeschlecht- mit der Körperbiologie zu beschäftigen. Aber es gibt auch Menschen in unserem Umfeld, die mich schräg angucken und fragen, ob ich mich denn so wohl fühlen kann. Oder, ob ich mich nicht unterdrückt fühle. (Klar ist ja eh auch so- die bösen bösen Religionen, die unterdrücken die armen dummen Menschen ja nur und haben nix anderes zum Ziel als die Unterdrückung von Frauen mittels Regeln und Verdammnisdrohung… hm schon klar…) Ob ich mir nicht vorkomme, wie ein Mädchen. Ja- halloho?! haha

Oder auch so was Vorlieben und Sexualität betrifft.
Also klar- ich bin hetero und zufällig ist mein Körper weiblich. Also lebe ich für Aussenstehende eine lebische Liebe. Inzwischen ist es so, dass ich meinen Gefährtinnen nicht mehr sage, dass ich ein männlicher Anteil bin (zumindest nicht, wenn wir keine Beziehung, sondern einfach nur ein Techtelmechtel pflegen). Es macht sonst einfach keinen Spaß mehr und die meisten Gespräche drehen sich darum, wieso ich mich männlich fühle und was das im tieferen Sinn bedeutet und bla…
Immer wieder wird ab dann auch von mir mehr oder weniger erwartet, irgendwie auch besonders hart im Bett zu sein, oder irgendwie wird mir halt immer wieder untergeschoben, bestimmte Praktiken toll zu finden oder so. Nee- ist voll nicht so!
Ich finds schon irgendwie schön, für meine Freundin zu sorgen und so- so ein bisschen die Beschützer und Versorgernummer, ne (wieso die als so besonders männlich gilt, hätte ich ja auch gerne mal beforscht…). Aber das heißt nicht, dass ich den mir von der Biologie versagten Penis so dringend ersetzt haben muss. Wenn ich aber sage, dass ich mich als männlich wahrnehme und Frauen anziehend finde… ja… irgendwie scheint es diese Sachen dann immer gleich mitzubedeuten. Obwohl es genauso auch in der lesbischen Szene Frauen gibt, die eine männliche Position einnehmen.
Und obwohl es bei uns auch weibliche Innens gibt, die lesbisch lieben und ebenfalls eher in der als “eher männlich” dargestellten Vorliebenschiene agieren. Die werden aber nie so konfrontiert wie ich.

“Und wie entstehen männliche Innens? Wie bist du entstanden?”
Also wie genau ich entstanden bin, weiß ich selber nicht genau. Aber ich sag mal wie ich nicht entstanden bin:
Ich bin nicht aus dem innigen Wunsch heraus entstanden, jemandem zu gleichen oder weil dem Körper was passiert ist, “was nur Männern so passiert”. Ich hab mal ein Buch in der Hand gehabt, welches diese zweite These vertrat. Der Autor meinte damit die Vergewaltigung, die mit der Penetration des Anus einher geht. (Meine Güte- alle Menschen haben diese Einbahnstraße im Körper und können so vergewaltigt werden- wie hoch meint der Autor, ist die Quote von männlichen Innens/ States auf diesem Planeten?!)
Ich glaub, ich bin männlich, weil die Seele von Menschen von Natur aus männliche Anteile hat und wir durch die dissoziative Identitätsstruktur eben noch deutlicher und selbstständiger agieren können. So eben als die Anteile die jede Seele nun mal hat.

Ich fänds gut, wenn sich die Menschen alle so betrachten können würden.
Ich denk, dann würd ne Menge Vorurteilsblödsinn wegfallen. Und keiner würd mich mehr anders betrachten als vorher, nur weil ich ihm sage, zu welchem Geschlecht ich mich, ausgehend von meinem Empfinden, zuordne.

Und wie ist es nun für mich in einem weiblichen Körper zu stecken?
Also- naja…
ich hab ja keine Vergleichswerte, also würd ich mal sagen, es ist so wie in jedem anderen Körper auch. haha

und plötzlich ist sie “eine von uns”

Ich fange lieber gar nicht erst an zu überlegen, ob ich es anziehe oder das Leben einfach so eine Arschsau ist. Sowas wird noch früh genug meine ersten grauen Haare produzieren…

Gerade habe ich mit einer Bekannten von mir telefoniert.
Phu… ich rechne inzwischen mit vielen Themen, die sich so ergeben wenn man miteinander spricht und ich rechne- gerade wenn es “nur” Bekannte sind, die mich anrufen auch damit, dass es durchaus mal triggernde Gespräche geben kann. Aber mit so einem Gespräch hätte ich- gerade mit dieser so stolzen Frau!- nie und nimmer gerechnet.
Ich kenne sie als sehr bodenständig, souverän…mutig, lebenfroh und grundsätzlich positiv.
Und dann hatte ich diese Frau am Telefon und sie sagte mir, dass sie nicht mehr weiß, wer sie ist, wo sie steht, was sie macht, was sie will. Dass sie sich tot fühlt. Dass sie ihre Kinder angeschriehen hat. Dass ihr Vater gestorben ist.
Dass sie von ihm missbraucht wurde und ihr die Erinnerungen hochgekrochen kommen. Dass sie zwischen Flashbacks und Panikattacken, Wutausbrüchen und Weinkrämpfen hin- und hergeworfen wird.

Ich bin wie vor den Kopf geschlagen! In dem Gespräch jetzt schlossen wir natürlich unsere eigenen Schotten, um der Frau eine Hand reichen zu können. Hörten zu, fragten ein bisschen wieviel Raum für Unterstützung da ist, versuchten Scham zu nehmen und Worte zu geben, rieten sich an den Frauennotruf, Wildwasser und Co zu wenden… und merken doch wie wenig es ist. Sie wohnt nicht mehr hier in der Stadt, der Kontakt ist ein ganz loser, was mir ganz deutlich zeigt, wie dramatisch ihre innere Lage sein muss. Ich meine- wie einsam und verlassen muss man sich fühlen, wenn man sich bei seiner ehemaligen Hundesitterin ausweint?!
Nun sitzt sie hoffentlich in der Beratungsstelle, zu der wir sie geschickt haben, bei jemandem, der ihr ganz direkt Hilfen zukommen lässt.

Und ich? Und wir?
Wir sitzen hier und sind zum ersten Mal damit konfrontiert, dass es das ganz echt gibt. Dass jemand ein völlig normales Leben führt und doch eine tiefschwarze Wolke in seinem Leben hat, die erst dann mit dem Gewitter loslegt, als die Gefahr vorbei ist.
Wir wissen, dass Dissoziation das kann. Logisch. In der Theorie. Und ohne ein Gesicht dazu!

Ich nehme innere Kommentare wahr wie: “Boa wie unfair! Jetzt hatte sie 45 Jahre Ruhe und konnte sich etwas aufbauen und nun kracht alles ein” oder auch: “Voll krass- das jetzt bitte mal im MRT angucken”; “Guck, was Erinnerung für ein Vampir ist: von der Frau mitten im Leben, ist sie jetzt zumindest emotional, nur noch ein billiger Abklatsch”…

Wir sind Gewalt von klein auf gewöhnt gewesen und es gab nie ein so “ruckartigen” Anfang und ein so klares Ende. Wir wurden wie ein Frosch im Wasser Stufe für Stufe weich und stellenweise tot gekocht. Wir haben von ganz unten angefangen uns etwas aufzubauen, was wir irgendwann mal “Leben” nennen wollen.
Diese Frau hatte einen brutalen Anfang mit 8 und ein Ende mit 12. Und dann… ein Leben, welches sich wie ein Haus, dessen Grundmauern das Pflaster auf dieser Wunde festtackerten, ausmachte und nun, durch den Tod des Täters komplett in sich zusammenfällt.
Nun kann Verarbeitung passieren. Die Gefahr ist vorbei. Er wird ihr nie wieder etwas tun können. Die Psyche hat sich selbst das Pflaster runtergerissen- und das Leben und die Selbstsicherheit- die gesamte Integrität der Frau gleich noch mit. Sie hat keine Ahnung was ihr Gehirn für Wunder vollbracht hat, um sie zu schützen. Sie kann nicht wissen, wieviel Kraft sie hat und zumindest jetzt im Moment fliegt ihr Geist in alle möglichen Richtungen.

Diese Schleife: “Ich weiß gar nicht wo ich stehe- was mache ich hier eigentlich” und das Gefühl tot zu sein- willenlos, kraftlos, saftlos, um im nächsten Moment sofort unter der Decke zu kleben, weil das Adrenalin wie Napalm durch die Adern schießt… Himmel- wie genau ich das selbst kenne!
Diese Schlaflosigkeit, die allgemeine Gereiztheit… dieses allgemeine Gefühl von einem zum zerreißen gespannten Drahtseil, das aber von jetzt auf gleich auch wieder erschlaffen kann und einen nur noch weinen lässt- obwohl man nicht mal genau weiß wieso.
Bilder gegen die man nichts tun kann, Filme die einem vor den Augen ablaufen, Körperempfindungen und allgemeines Erinnern…
Das ist die fiese Fratze der postraumatischen Belastungsreaktion.

Neulich noch sagte ich jemandem wie unendlich dankbar ich bin, dass wir diese akute Hochphase hinter uns haben. Nun erlebe ich es an jemandem von dem ich ganz selbstverständlich ausging, niemals damit in Berührung zu kommen.
Sie war ja eine von “den Anderen”- denen, die auf der anderen Seite der Gewaltkluft stehen.
Und plötzlich ist sie “Eine von uns”- denen man die Hand zum Zeichen der Verbundenheit reicht.

OEG erster Akt

Heute war es nun soweit.
Ein erstes Informationsgespräch mit einer Vertreterin des Landschaftsverbandes, um einen Ablaufplan zu bekommen.

Zur Information meiner nicht betroffenen oder auf der Suche nach Informationen befindlichen Leser:
Wer Opfer einer Straftat wird, hat, weil es der Staat nicht geschafft hat einen zu schützen, Anspruch auf Entschädigung nach dem OpferEntschädigungsGesetz.
Nötig sind: eine Strafanzeige; ein Täter (welcher in Regress genohmmen wird) dazu und eine Verurteilung.
Natürlich gibt es viele viele Ausnahmefälle und viele Einzelfälle die sorgfältiger Begutachtung und allgemeiner Überprüfung bedürfen. (weitere Infos —> klick )
Aber als Grundinformation braucht man eigentlich nicht mehr zu wissen, um zu erkennen, dass die meisten Menschen mit DIS am Arsch sind, in Bezug auf eine Entschädigung durch dieses Gesetz.

Wir wurden sehr früh, sehr schwer und durch verschiedene Täter traumatisiert.
Alle Zeugen dieser Straftaten sind entweder selbst Täter oder Opfer. Namentlich vorgestellt hat sich dabei übrigens niemand, oder mir gar noch seine Adresse gegeben oder sonstiges…

Nähere Erklärungen zu “unserem Fall” werde hier natürlich nicht schildern, doch den einen oder anderen Punkt möchte ich von diesem Gespräch doch erwähnen und meiner derzeit übermäßigen Bitterkeit Raum geben.

Wir haben uns in Rücksprache mit der uns bereits seit Jahren vertretenden Rechtsanwältin entschieden, uns direkt vom Landschaftsverband Informationen geben zu lassen, wie eine Antragsstellung bei einem Menschen mit dem Hintergrund der organisierten (Pädo)Kriminalität aussehen kann.
Insgesamt dauerte das Gespräch etwa eine dreiviertel Stunde.
Die ersten 15-20min lauschten wir den Platitüten und allgemein zugänglichen Informationen, die jeder, der über eine Antragsstellung nachdenkt im Internet oder auch in jedem Flyer darüber, nachlesen kann.

Ich kam mir vor wie im Jobcenter.
”Ja also wenn sie Leistungen von uns möchten, dann muss in jedem Fall eine Strafanzeige gestellt werden, ansonsten entziehen Sie sich ihrer Mitwirkungspflicht…”
Grundsätzlich mal: Wir MÖCHTEN keine Leistungen! Wir BRAUCHEN sie (weil es auch hier der Staat verkackt hat sich zu kümmern!) und wir haben verdammt und zugenäht EIN VON DER GESETZGEBUNG ZUGESICHERTES RECHT auf Leistungen dieser Art!!!
Wir kommen nicht; um um etwas zu bitten! Wir kommen um etwas einzufordern! Um etwas einzufordern, das uns zusteht und nur deshalb nicht an uns heran gereicht wird, weil man vorher überprüfen muss, ob die Forderung gerechtfertigt ist- so richtig echt und wirklich.
Und diese Überprüfung halte ich für grundsätzlich gerechtfertigt und okay. Und um diese Überprüfung zu erleichtern, wirke ich selbstverständlich so gut mit wie es mir nur irgendmöglich ist!

Allein die Sprache liess mir heute schon wieder die Galle den Hals hochkriechen. Was ist das für ein Ding, das es diesen Menschen erlaubt, mit Menschen, die ihre Rechte einfordern und entsprechende Anträge stellen, zu sprechen als wären sie ein elendiges Bettelpack?!
Ich sitze dort und fühle in meinem Anliegen impliziert, dass ich mir etwas unerlaubt nehmen will, weil ich es einfach mal so möchte… wie man manchmal einfach ein Eis möchte, weil Sommer ist und es einfach erfrischend und nett wäre.
Ich komme aber dahin, hab fett zugeschwollenes Gesicht und brauche ein Eis, um etwas sehen zu können! Aber das muss ich erstmal beweisen…

Nun ja, nach etwa 23 Minuten brauchte ich das erste FishermensFriend. Es zeichnete sich ab, dass man doch mehr auf unsere Situation bezogen nachbohren musste.
Erst nach der vierten oder fünften Schleife, (ich habe eine echt tolle Anwältin, die hartnäckig ist und sich nicht einfach abspeisen lässt!) bemerkte die Frau dann auch endlich, dass sie sich selbst widersprach! Und bemerkte, dass sie uns leider keinen konkreten Laufzettel geben konnte.
Die Logik, dass wir erst Schutz bräuchten der garantiert ist, um eine Anzeige zu erstatten (um unserer Mitwirkungspflicht nachzukommen) war schon klar. Aber dass man diesen Schutz erst dann bekommt, wenn man eine Anzeige erstattet hat… irgendwie brauchte das eine eeeewige Schleife zu ihr hin.
(Da saß ich schon mit dem zweiten Fishermen im Mund, weil ich einen kurzen Anflug von Wahnsinn(sungeduld wegen Dummheit!) hatte.

Naja, das Gespräch endete mit dem Wissen, dass eine Gefährlichkeit des Täters nachgewiesen sein muss bzw. die Organisation als gefährlich bewertet sein muss, um sich eventuell vielleicht auf eine Ausnahmeregelung einzulassen… ganz objektiv natürlich. [Nein nein, man fängt nicht an in bestimmte Richtungen zu denken, wenn man an “organisiertes Verbrechen” denkt… nein nein.. Hollywood und Co kommen da natürlich NIE drin vor… und dafür gibts ja dann die Glaubwürdigkeitsgutachten…, welche, wie uns die Frau mit eindringlich mahnender Stimme mitteilte, sehr viel Geld kosten. Netterweise hat sie sogar noch genau gesagt, wieviel- so dass hier gleich wieder die “wir sind zuviel” Lampe aufblinkte. ]

Naja. Also: Nichts Neues für uns eigentlich.
Aber mir ist aufgefallen, wie wichtig die parteiische Vorinformation für uns gewesen ist. Alle Informationen rund um das Thema des OEG haben wir von der Opferhilfe, Frauenberatungsstellen, unserer Rechtsanwältin und anderen Betroffenen. Wäre dies ein erstes Informationsgespräch gewesen, hätten wir unser Ansinnen sofort und auf der Stelle zurückgezogen.
Wäre unsere Rechtsanwältin nicht so großartig renitent und professionell dreist, hätte ich heute wohl wieder gelernt, dass Wahnsinn forciert und entsprechend genutzt wird.

Trotzdem bin ich wieder bei der Erkenntnis gelandet, dass es nichts Schlimmeres als den durch Erfahrung klugen und organisierten Täter gibt. Er nutzt die Lücken des Systems und kann sich darauf verlassen damit durchzukommen.
Der Gedanke, dass es angesichts der, im Jahre 2007 von der polizeilichen Kriminalstatistik  angegebenen, 11.357 Fälle von Kinderfolterdokumentationsprodukten (infamerweise nachwievor “Kinderpornographie” genannt und damit Kinder als bezahlte Schauspieler darstellend!!!), auch Opfer geben muss, ist noch nicht angekommen. Ganz offensichtlich nicht. Dass es das gibt- dass die Existenz dessen endlich anerkannt ist… darüber dürfen wir Opfer uns heute freuen! Und darüber freue ich mich auch- ganz ehrlich!
Ich freue mich aber vorallem deshalb darüber, weil ich so diesen Kampf um die Existenz dessen nicht auch noch zu führen brauche.

Dass ich nur beweisen muss, wirklich deshalb ein so verdammt beschissen schweres; verkrüppelnd anstrengendes Leben führe, weil jemand mich zerstört hat und nicht, weil ich so geboren wurde.

Das ist so krass, dass ich mich nicht etwa frage: “Schaffen wir es genug vernünftige Aussagen zu erlebter Gewalt zu machen?”, sondern: “Haben wir genug positive Ressourcen, um uns von dieser tiefen Bitterkeit zu erholen, die uns nun immer wieder und wieder begegnen wird?”.

Heute hatten wir sie noch nicht.
Heute mussten wir diese Bitterkeit rausschwemmen.

Aber es gibt ja noch viele viele Morgens …

Pinocchio und mein Unverständnis

Ja, ich habs mit Disney… dies gleich mal vorweg.
Ich möchte aber mal sagen, dass das eigentlich nicht soviel mit dem Label oder der Marke an sich zu tun hat, sondern mit dem Image und der Rolle, die ich in bzw. hinter diesem Namen sehe.
Ich möchte nur mal draufzeigen und offen hinterfragen

Ich versuche die (für mich neue und fremde) Welt  zu verstehen, in der ich nun lebe- also stelle ich Fragen. So auch bei der Geschichte des kleinen Holzkopfes- oder wie wir ihn vermutlich alle kennen: des “Pinocchios”.

Eigentlich begann die Frage mit folgender Begegnung.
Wir haben einen männlichen Kontakt der uns erzählte, dass seine Tochter klar wann immer sie will und es braucht, bei ihm im Bett schlafen darf und deren Freundinnen auch. Klar- oh wei oh weh- sowas darf er natürlich niemandem sagen- wie das schon klingt: “Ich habe meine Tochter mit in meinem Bett gehabt, (deshalb hatte ich so wenig Schlaf und sehe aus wie ein Zombie aber danke der Nachfrage- ich hoffe auch, der Wachstumsschub ist bald durch und das Kind braucht mich nicht mehr so oft auf diese Weise…)”
Mir fiel dabei auf, dass es alleinerziehende Väter oder auch einfach die Väter nach einer Scheidung allgemein echt schwer haben ( auch in ihrer Position- nicht nur allein als Mann “an sich”). Ständig beäugt “ob da nicht doch was im Busche ist”, immer wieder in ihren Kompetenzen hinterfragt und kritisiert. Furchtbar! Als ob Mütter von Natur aus, ihre Tochter nie in ihrem Bett  vergewaltigen könnten oder in der Erziehung absolut und immer das super Händchen haben!

Naja und dann ging es weiter in meinem Kopf und ich dachte: Wieso hatte eigentlich niemals jemand den Wunsch von “Meister” Gepetto hinterfragt, einen echten Jungen zu haben? (Und by the way- wieso finden es alle so normal, dass ein “Meister” (da isser wieder) Eder einen männlichen kleinen Kobold und Petterson eine sprechende männliche Katze bei sich wohnen hat?)
Was ist das für ein Typ der sich ne Puppe bastelt, sie “Holzkopf” nennt und sie gern lebendig hätte?

Puppen sind das älteste dem Menschen nachempfundene Objekt mit dem sich selbige befassen. Erst als Kultobjekt und dann als Spielzeug. Auch eine seltsame Wandlung, nicht wahr? Ist es nicht schon ein Anzeichen sich selbst erst in Stellvertretung (als Art oder Wesen der Natur) zu vergöttern und dann zum Spielzeug zu degradieren?
Seit wann sind Puppen- stumpfe, tumbe, dumme, stumme, als Projektionsfläche für alles und Jeden geeignete Gegenstände- reine Kinderspielzeuge?
Meine Antwort bis jetzt lautet: Seit es nötig, möglich, allgemein anerkannt und gewollt ist Kinder stumpf, tumb, dumm, stumm und als Projektionsfläche für alles und Jeden zu miss- ge- brauchen!

Ein Meister Gepetto fühlte sich einsam (mehr wollen wir ihm mal nicht unterstellen!) und schnitzte sich ein Ebenbild, um einen Ansprechpartner zu haben. Er wünschte sich eine Antwort und zack, kam eine Fee herein, machte den ungehobelten Holzkopf zu einem Wesen das immerhin in der Lage ist zu denken, sich ein Urteil zu bilden und sogar zu sprechen!
Doch die Verantwortung zur vollständigen Erfüllung des Wunsches seines Erschaffers wird dem Kind aufgedrückt.
Damit es ein echter Junge wird, muss es lernen Recht von Unrecht, gut von böse zu unterscheiden, immer schön brav sein und zur Schule gehen. Es darf nicht faul sein, es soll immer gehorchen… Es soll möglichst stumpf zur Schule gehen, dumme und tumbe Arbeiten verrichten, stumm allen Wünschen der Erwachsenen gehorchen und dabei immer ganz genau so sein, wie es der Erwachsene der vor ihm steht gerade in diesem Moment erwartet.

Wer schon einmal in die Familienstrukturen geguckt hat, in denen (sexuelle) Misshandlung geschieht, der kann sich spätestens jetzt beantworten welche Ansprüche genau diese Art von Gewalt begünstigen.

Pinocchio ist wunderbar renitent und frech zu Beginn und weil er seinen “Meister” so liebt und ihm gerne jeden Wunsch erfüllen möchte, tut er alles was ihm mit seinen begrenzten Mitteln und Fähigkeiten möglich ist. Im Disneyfilm schauen wir der weniger krassen Variante der Unterwerfung eines Kindes zu, als noch in dem Buch beschrieben wird.
Wir sehen wie leicht es ist Kindern einzureden was Erwachsenen gefällt. Was Erwachsene sich wünschen. Was man alles muss und was man alles nicht darf um Erwachsenen zu gefallen. Und wir sehen auch was Erwachsene alles dürfen. Das Ende des Films zeigt einen echten Jungen. So wie Erwachsene ihn wollen.
Toll ganz toll.

Nun darf mir gern entgegenhalten werden, dass der Disneyfilm von 1940 und die Bücher von 18hundertschießmichtot sind. Angeschaut werden sie aber noch heute!
Und noch heute ist es so, dass Kinder nicht (oder mindestens nicht genug) danach gefragt werden, was sie gern möchten! Was sie für sich brauchen. Was sie für sich schön und angenehm finden und was nicht. Und wenn doch richtet sich kaum jemand wirklich danach!
Und wenn die Eltern sich dann doch (auch) danach richten, dann sollen sie das bloss nicht zu oft machen, weil sie damit die Kinder ver-ge- wöhnen, ver- er- ziehen, sich angeblich nicht genug Respekt verschaffen, die Kinder ihnen irgendwann auf der Nase herum tanzen… Ihre Kinder angeblich keine normalen, ehrlichen, aufrechten, klugen Erwachsenen werden.

Wie kommt es, dass sich viele viele Menschen den Film angesehen haben und nachwievor der Meinung sind, Kinder würden sich aus den Wünschen und Hoffnungen der Erwachsenen nichts machen?

Und für mich, als inzwischen erwachsenes Opfer von sexueller Misshandlung, bekommt diese Frage noch eine weitere Schleife, nämlich:
Wie kann es sein, dass tausende Menschen sehen wie ein Pinocchio sich aufopfert um seinem Meister zu entsprechen- ich aber gefragt werde, wieso ich gegenüber meiner Mutter oder meinem Vater nie gesagt habe: “Nein- ich will keinen Sex mit dir haben!” ?