Vorgestern habe ich angefangen “Once upon a time” zu schauen. Eine Serie, in der Märchenfiguren, durch einen Fluch der bösen Königin, als Menschen in einer Stadt der Menschenwelt leben und nicht erinnern, wer sie eigentlich sind.
Üblicherweise finde ich böse Königinnen gar nicht mal so böse. In der Regel sind sie alleinstehende/verstoßene/ausgegrenzte Frauen, deren einzige Idee von Respekt und daraus hervorgehend Macht es ist, dass alle Angst vor ihnen haben. Es sind häufig so freie Frauen, dass sie über weite Teile des Lebens einsam sind und sich mehr oder weniger in Ersatzhandlungen oder Ersatzgegenübern verlieren.
Eine böse Königin lebt kein erfülltes Leben. Im besten Fall lebt sie eines, in dem sie gefürchtet wird, bis sie jemand durch den Tod davon erlöst.
So auch in der Serie. Wobei ich noch nicht weiß, ob sie stirbt. Das werden wir ja sehen. Vielleicht muss sie auch nur emotional ein bisschen sterben, um dann mit neuem Mindset aus diesem Sterben hervorzugehen.
Egal – das ist nicht, was ich aufschreiben will.
Aufschreiben will ich, dass mir Parallelen aufgefallen sind, die mich darin stärken, weiter zu tun, was ich für richtig halte. Egal, wie oft die bösen Königinnen in meinem Leben in mich hineintreten, um mir zu sagen, dass ich weggehen soll. Dass ich nicht gut genug bin für das, was ich tue oder tun möchte. Dass ich allgemein und grundsätzlich nicht genug bin.
Böse Königinnen machen keine Entwicklung, denn ihr Denken und Sein ist statisch. Es kann keine Veränderung geben, weder in sich noch in ihrem Bild von der Welt und ihren Gegenübern darin. Böse Königinnen haben Angst vor dem Schmerz, der damit einhergeht. Todesangst.
Sie können keine Verbündeten haben, die ihnen wirklich bedingungslosen Schutz, bedingungslose Fürsorge, bedingungslose Loyalität gewähren, denn im Zweifel sind es ihre engsten Verbündeten, die für sie zum Teil der mächtigsten Waffe gegenüber jenen Feinden, die ihr am meisten Angst machen, werden müssen.
So muss die böse Königin in der Serie, ihren Vater – den einzigen echten (im Sinne von “natürlich gewachsenen”) Verbündeten in ihrem Leben – töten und Haare von ihren anderen Verbündeten benutzen, um diesen Fluch auszusprechen.
Eine böse Königin zur Verbündeten zu haben, kann das eigene Leben bequemer machen. Vielleicht gibt es sogar Schutzaspekte und aufrichtige Gesten der Verbundenheit. Aber doch weiß man, dass das nur so lange auch so bleibt, wie die Königin keine Feinde (und damit auch: keine Angst) hat.
Alles muss so bleiben wie es ist – sonst wird es gefährlich.
In der Serie greift die Protagonistin zu den lauteren Mitteln, die allen Menschen frei zur Verfügung stehen, jedoch nicht von allen auch genutzt werden, weil sie samt und sonders von der bösen Königin ausgehebelt werden können (und oft auch werden).
Die Protagonistin bleibt. Sucht Alternativen und bleibt dabei zu tun, was sie tun möchte, weil es ihr richtig und wichtig erscheint. Sie tut es nicht, weil die Königin das nicht möchte oder weil es ihr eine Befriedigung verschafft zu sehen, wie die Königin ins Rotieren kommt.
Es geht ihr nicht um die Königin, sondern um sich selbst und die eigenen Themen und Werte.
Mir gefällt, wie deutlich wird, dass die Protagonistin kein Mensch ist, der nie Fehler gemacht hat oder einen ausschließlich liebenswerten/“guten“ Charakter hat.
Das bestärkt mich noch mehr, dran zu bleiben, weil es mit dem Klischee bricht, dass nur grundgute Menschen in der Lage sind, Gutes zu tun oder zu wünschen.
Es bricht auch mit der Mär vom guten Handeln zur Aufbesserung des eigenen Seins.
Ich bin in den letzten paar Jahren davon abgekommen die Kraft dafür aufzubringen, anderen Menschen das immer wieder über uns zu sagen.
Wir bekommen inzwischen so viele Emails am Tag von Menschen, für die wir etwas so Gutes getan haben, dass sie uns zu einer besseren Person v.erklären, als wir sind – aber nicht immer schaffen wir es allen einzeln zu schreiben: “Hey – wir haben vielleicht etwas Gutes für dich getan – aber besser als andere sind wir deshalb nicht.”.
Manchmal denke ich auch, dass es nicht unsere Verantwortung ist, die Menschen daran zu erinnern. Wir sind nicht hauptverantwortlich dafür, was andere Menschen von uns denken oder für wie gut oder schlecht sie uns halten.
Wofür wir die Verantwortung tragen sind die Dinge, die wir tun. Und wenn wir sie für gut und richtig halten, sie sich aber für jemanden nicht so auswirken, dann müssen wir sehen, wie wir darauf reagieren, statt uns damit aufzuhalten, ob uns dieser Umstand schlechter oder weniger wert macht.
Wir sind nicht gut in der Performance vom guten, perfekten Menschen.
Wir erleben uns meistens nicht einmal als Mensch. Allein das macht uns und unser Denken, Wirken und Schaffen zu etwas, das – zumindest in dem, wo wir uns so einordnen und positionieren – niemand anderen im Zentrum hat, als uns selbst.
Vielleicht ist das eine Traumafolge, vielleicht ist es aber auch das, was Autismus am Ende ist.
Es kommt häufig vor, das Menschen, die von Anbeginn ihres Lebens erfahren falsch und ungewollt zu sein, sich selbst als den Ursprung allen Übels in jeder Situation wahrnehmen. Perfiderweise oft nicht einmal so, dass sie bewusst denken: “Ich bin so schlecht, deshalb…”, sondern, dass jede (Konflikt-)Situationsanalyse mit “Ich…” beginnt und nicht mit “Wir…” (wenn ein Gegenüber involviert ist).
Es kommt aber genauso häufig vor, dass Menschen, die über lange Zeit zu viel ertragen mussten, alles und alle um sie herum als den Ursprung allen Übels in jeder späteren Situation wahrnehmen. Auch da gibt es meist nicht diesen Gedanken: “Ich leide so sehr, weil mir niemand hilft (weil…)”, sondern viel mehr den Anreiz jede_n mit Vorwürfen und Ansprüchen zu überschütten, di_er zufällig nicht tut, was gebraucht wird.
Über die Serie habe ich gesehen, dass die böse Königin so ein Muster hat. Sie selbst ist in Ordnung – es ist ihr Umfeld, dass ihr nicht genug hilft, nicht genug für sie da ist – ihr einfach nie genug ist und auch nie genug sein kann, denn sie selbst weiß, dass es nichts gibt, das je aufwiegen kann, was ihr fehlt.
Über die Serie habe ich aber auch unser Muster gesehen. Wir befassen uns nicht genug mit dem Umfeld, in dem wir leben, um so differenziert, wie man das in manchen Situationen tun sollte, einschätzen zu können, ob es ein okayes Umfeld ist oder nicht – denn im Zweifel wissen wir vor uns selbst schon viel sicherer und klarer, dass wir sowieso nicht dazugehören, weil wir einfach so ganz grundsätzlich nicht passen, nicht genug sind, kein Mensch sind, nicht wie andere sind – und sowieso einfach schon immer irgendwo ganz fern von allem passieren. Selbst dann, wenn es nicht um Konfliktsituationen geht.
In beiden Mustern geht es um die Abwesenheit bedingungsloser Bindungen. Um das ständige Ausbalancieren zwischen Einsamkeit und Frei_von_heit, zwischen Autonomie zur Sicherung des eigenen Überlebens und einer Abhängigkeit von einem Umfeld, das jederzeit als Bedrohung des eigenen Lebens wahrgenommen wird.
Wir haben uns inzwischen darin arrangiert, dass es keine bedingungslosen Bindungen für uns gibt. Für uns sind Menschen immer mit Anstrengung verknüpft, die uns auch immer etwas kostet. Das heißt, dass es von unserer Seite aus auch vielleicht nie möglich sein wird, so ganz und gar bedingungslos verbindlich zu sein, wie es Menschen uns gegenüber vielleicht schaffen und heute bereits sind.
Doch das hält uns nicht mehr so davon ab, uns mit Menschen zu umgeben, Umfelder verändern oder gestalten zu wollen, wie noch vor ein paar Jahren.
Wir machen unser Ding. Und unser Ding ist Wörter sammeln, um uns und unsere Er_Lebens_Erfahrungen auszudrücken.
Nicht, weil wir ihnen oder uns selbst eine besondere Bedeutung beimessen, sondern, weil sie da sind.
Und wenn etwas ist, dann ist es.
Auch wenn es stört und nervt und falsch ist und nicht genug ist und böse Königinnen zur Weißglut treibt.
Auch dann.