“Und dann machst du da jetzt GTA – gut gut – und dann?”, fragte der Leiter der Kunstschule. “Wie: “und dann?””, fragte ich zurück, “Dann habe ich einen Abschluss und dann muss ich sehen”.
“Wie “muss ich sehen” – du musst doch wissen, was du dann willst.”… “Wie alt biste jetzt – 30 – 3 Jahre Ausbildung dann biste 33 – nochmal Studium dran dann biste bald 40 – da musste schon wissen waste willst.” …
“Ja, aber … versuchte ich mich in dieses “Gespräch” einzubringen. Erfolglos.
– “Weißt du, was dein Problem ist…?”
Ja, manchmal weiß ich, was mein Problem ist: Menschen, die ihre Wichtigkeiten zu unseren Wichtigkeiten machen. Menschen, die glauben, wenn man nur weiß was man will, dann würde sich auch alles passend einrichten. Menschen, die uns alleinig dafür verantwortlich machen, was mit uns passiert.
Unser Problem ist, dass diese Menschen nicht merken, was sie da sagen, implizieren und von uns erwarten. Unser Problem ist, dass es unser Problem sein soll.
In den letzten 10 Jahren wollten wir nichts weiter als eine berufliche Perspektive. Eine Chance auf eine Berufsausbildung, die wir gut schaffen können.
Und jetzt, wo wir das geschafft haben – jetzt, wo wir mit diesem großen Geschenk auf dem Arm in der Gegend stehen und glücklich strahlend versuchen darauf klar zu kommen, dass es überhaupt jetzt wirklich und echt da ist, kommen Menschen an uns vorbei, gucken es sich kurz an und sagen: “Ja, aber das ist ja Pippifax für dich. Du kannst viel mehr. Du solltest nach Höherem streben. Du musst größer denken.”. (wie witzig das klingt so kurz nach der Unterstellung narzisstisch zu sein – but, well … alle Experten, ey ¯\_(ツ)_/¯ )
Die Lehrer_innen an der Berufsschule haben das auch gesagt. Dass sie befürchten uns nichts mehr beibringen zu können. Dass sie uns mit dem Stoff unterfordern und den Gegebenheiten des Schulalltags überfordern.
Und wir denken uns, wie gut das für uns wäre. Ein Bereich ist leicht zu schaffen, dann haben wir mehr Kraft für den Bereich, der Kraft frisst. Ein Bereich ist einer, der uns sehr entgegen kommt, weil er etwas enthält, das uns liegt – dann ist mehr Kraft für uns da, sich dem Bereich zu nähern, der uns nicht entgegenkommt.
Wir haben an der Abendrealschule ziemlich gelitten. Das war nicht leicht für uns. Nicht nur, weil wir nebenbei noch ausgebeutet und verletzt wurden, eine unzureichende Betreuung und eine semihilfreiche Therapie hatten. Schule ist einfach schmerzhaft laut, triggernd eng und leistungsbezogen.
Wir haben oft gefehlt und haben viel allein für uns nachgearbeitet. Der Abschluss mit Durchschnittsnote 2,0 war ein Wunder und nicht das Ergebnis eines Verständnisses dessen, worum es in der Prüfung ging.
Und während wir das wissen und wissen, was für Stoffmassen auf uns zukommen werden, weil wir eben auch einige Jahre aus der Lern- und Konzentrationsroutine raus sind, werden wir jetzt auch noch mit einem Imperativ an Zukunftsvisionen genervt.
Daneben denke ich auch: “Alter – lass uns doch erstmal sehen, ob wir in drei Jahren überhaupt noch leben.”.
Denke “Lass mich doch erstmal sehen.”
Verstehe nicht, wie man Dingen, die nicht sicher sind, so viel aufladen kann. Kognitiv verstehe ich es natürlich. Kenne diesen Motivationstrick der Zielvisualisierung und weiß, dass der manchen Menschen auch helfen kann. Doch ich verstehe nicht, wie man sich solche Dinge vorstellen kann, ohne zu wissen wie das Stück dazwischen aussieht. Wie es sich anfühlt, welche Muster in ihm sind, welche Gegebenheiten sich wie entwickeln. Wie machen die Leute das?!
Ich scheitere schon an dem Versuch mir vorzustellen, wie das wird, wenn wir jeden Morgen zu duschen aushalten müssen. Wie das wird, wenn wir jeden Morgen eine Stunde mit der Straßenbahn fahren müssen. Jeden Tag von 7 Uhr 30 bis 14 Uhr irgendwas aufnahmebereit, sozial verträglich, psychisch irgendwie beieinander zu sein. Jeden Tag nach der Schule noch diese Kleinigkeit von “Rest des Tages”, “Haushalt” und “schöne Dinge” zu schaffen. Und dieses kleine Dings – hier – na was war da noch – ach ja Traumatherapie.
Wir wissen noch nicht, ob wir neben der Schule noch arbeiten gehen müssen, um unseren Lebensunterhalt zu finanzieren. Wir haben keine Ahnung, wie wir unsere Projekte umstrukturieren müssen, damit sie nicht einschlafen, nur weil wir ein unheimlich großes Schlafbedürfnis haben werden.
Das Ding, das mich kritzig macht ist: Es geht bei uns nicht um Motivation durch Ziele. Ging es noch nie. Wir haben nie irgendwas gemacht, weil wir dachten: “Oh, wenn wir XY tun, dann wird sicher AB passieren und genau das will ich.”
Das ist eine Herangehensweise, die sämtlichen alltäglichen Erfahrungen, in unserem Leben, die im Zusammenhang mit Menschen bzw. mit von Menschen gemachten Strukturen passieren, widerspricht. Stichwort “soziale heiße-Herdplatte-Erfahrung”.
Unser Alltag besteht in weiten Teilen einzig daraus, zu versuchen, was alle machen und dann das weirde awkward Quirklevel irgendwie auszubalancieren.
Unser Problem ist nicht zu wenig Selbstbewusstsein oder nicht zu wissen, was aus uns werden soll. Unser Problem ist, dass es Leuten wie dem Leiter der Kunstschule nicht in den Kopf kommt, wie es für uns reichen kann, Dinge zu lernen, um sie zu lernen. Dinge zu tun, um sie zu tun.
Unsere Ambitionen erstrecken sich nicht auf Macht, Status oder Besitz, der uns in irgendeiner Form ergänzt oder optimiert, sondern darauf uns zu befähigen.
Wir wollen können, was eine GTA kann, damit wir GTA-Dinge tun können, um sie tun zu können. Vielleicht können wir damit später Geld verdienen, vielleicht kriegen wir uns damit irgendwann unabhängig finanziert. Vielleicht auch nicht – aber dann können wir immernoch, was eine GTA kann.
Das reicht uns, um motiviert zu sein.
Mit der gleichen Motivation stehen wir jeden Morgen auf, obwohl wir nie zu 100% wissen, wie der Tag für uns wird. Denn, auch wenn der Tag schlimm wird, so konnten wir ihn doch er_leben. Weil wir leben können.
Unser Problem ist nicht, keine Vision für die eigene Zukunft zu haben.
Unser Problem ist, eine haben zu müssen, um uns einfach aus solchen verbalen Übergriffssituationen herauswinden zu können, anstatt, das andere Menschen sich einfach mal zurückhalten.