was war

Gestern Abend hab ich die Dosis halbiert.
Hab das Wesen dicht unter meiner Haut rasen gefühlt.
Konnte trotzdem noch denken.

Halb 4 Uhr morgens gab es einen Moment, in dem ich dachte, dass es mich zerreißt.
Ein Augenblick, in dem ich meine Hände auf das Hüftgelenk drücken musste, um mich zu versichern.

Um 6 Uhr morgens setzte ich mich in die Dusche und ließ das Wasser einfach runterfallen. Dachte, ich würde es schon früh genug spüren, wenn es zu kalt oder heiß würde.
Dachte meinen eigenen Gestank, schmeckte die eigenen Gefühle und sah irgendwo unscharf im Augenwinkel, wovor es noch immer weglaufen wollte.

Um 8 Uhr morgens dann Tageslicht.
In meinem Käfig der Gedanke:
mein Hund, mein Sein
mein Da, mein Leben,
das Wesen

gerettet

 

Licht

Es ist leben

Nebelweg2 Ich wartete auf den Moment, in dem die Worte weg sein würden und lief an ihrer Seite durch den Nieselregen.
Die Feuchtigkeit ließ unsere Haare Kringel schlagen und trug mir die Laute aus dem Mund, wie eine Quelle den Bachlauf.

“Ich bin nicht stark.”, sagte ich und die Hitze meiner Scham stieg hinter meine Augen, als hätte ich ein Geheimnis- eine Wahrheit tief aus mir heraus gestanden.
Mein Blick hielt sich an ihren Schuhen fest. “Es ist nur… überlebt. Nur über etwas drüber gelebt. Das ist nur leben.”.

Ich versuchte am Himmel vorbei ins Universum zu schauen. Zu sehen, ob etwas auf mich schaut. Vielleicht böse oder mahnend.
Doch außer dichten, vom kreischenden Licht der Welt, angestrahlten Wolken, war nichts zu sehen.
“Ich habe nichts dafür getan zu leben. Das ist einfach passiert. Ich lebe einfach nur. Die ganze Zeit.”. Ich schaute zu ihr und streifte ihre Augen, um an den kleinen Tropfen auf ihrem Mützenrand auszuharren. Beobachtete vom Rand meiner Iris aus, wie meine Worte in sie hineinfielen.

“Manche Menschen verwechseln die Wucht dessen, was wir erlebt haben, mit dem, was nötig ist, um übrig zu sein.”. Ich spürte, wie mich ihr Sein aufspreizte und wie auf einen weißglühenden Draht gezogen, die Luft anhalten ließ. “Verstehst du das?”.

Sie runzelte die Stirn und zog ihr Gesicht zurück, so dass es fast gänzlich hinter ihrem Schal verschwand.

“Da ist dieses Denken, dass man gegen alles kämpfen kann, wenn man nur will oder muss. Als wäre es ein Kampf zu leben.”. Ich sehe sie aus ihrem Gefängnis heraus über den Boden schauen. Sehe wie ihre Finger nach Moos tasten, um Feuchtigkeit herauszudrücken.
“Der eigentliche Kampf ist aber, bewusst zu kriegen, dass man noch nicht tot ist.”.

Die Gemögte hielt uns ihre Hand hin und ließ sie sinken, als sie keine Anstalten machte, danach zu greifen.

“Alles, was dann kommt ist leben auf die Art, wie es dann gerade geht. Mit allem was übrig ist. Von einem selbst und dem was man im Außen findet.”, sie streichelte NakNak*s Halskrause und gab ihr ein Stück Käse. Ich fühlte ihren Durst. Spürte, wie ein Etwas beiläufig die Tropfen aus NakNak*s Fell von den Fingerspitzen aufnahm.

Ich drehte mich zu ihr und versuchte im Dunkel zu sehen, wie es ihr ging.
”Es ist nicht fair…”, sagte sie tapfer erstickend, was in ihr wallte und sich an mir brach.

“Es ist das Leben.”, antwortete, was mich zerriss und mit dem Dunst des Dezemberabends verschmelzen ließ.

Dursthunger

Regentropfen sind nur so lange Tropfen, wie sie fallen. Wenn sie irgendwo aufkommen, beginnt ihre Verwandlung zu einem Plitsch oder Platsch. Einem richtig spitzen Plitsch vielleicht, oder einem besonders ausuferndem Platsch.
Eine Dreifaltigkeit stellen sie dar. Vom Gas, zum Tropfen, zum PlitschPlatsch.

Wenn sich die Wolken in unterschiedlichstem Grauton über das Firmament wälzen und der Wind auffrischt, beben meine Antennen. Sie senden mir die Kunde von Erlösung, Labung, Kühle. Das Ende der Verschmelzung, des immer wiederkehrenden Kreisens um die Suche nach Begrenzung des eigenen Seins.

Dursthunger ist eine der quälendsten Empfindungen, die ich kenne. Wenn sich die Magenwände aneinander festkrallen, um voneinander zu essen. Die Kehle, wie ein Rohr aus kubisch dichtmöglichster Packung groben Sandes im Hals steckt und die Lippen nichts weiter, als eine kraterhafte Begrenzung um das Loch im eigenen Gesicht sind.
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Das Sein regt sich und versucht sich an den scharfen Kanten der Salzkristalle, die das Denken bildet, vorbei zu schleichen. Es bildet lange Arme, rationiert seine Wirbel weg und wird zu einer Art Fadengewirr aus Tentakeln unterschiedlichster Beschaffung, die sich um jeden Reiz herumwickeln und ihn aussaugen bis zum letztmöglichen Funken.

Es tastet sich über die Haut, welche sich wie billigstes Knitterplastik um das knotige Muskelfleisch geklebt ausmacht. Ab und an zuckt ein greller weißgelber Blitz aus Schmerz von der Bauchmitte aus und schneidet die Welt in dünne Scheiben. Irgendwann hört man sie aneinander klirren, wenn sie sich wie Dominosteine berühren. Kurz vor dem Moment, in dem man sich an ihren Splittern schneidet, weil man wie ein Wüstenpilger auf eine Fata Morgana zu gestolpert kam.

Das eigene Denken wird zu einem unstet gurgelndem Schleimbach und produziert eine Falle nach der anderen, um das Vieh zwischen Bauchdecke und Organen mit Angst zu füttern.

Und dann kommen die ersten PlitschPlatschs um sich mit der Erde zu vereinen. Vorwitzig kichernd, lüstern miteinander verschmelzend in immer weiter über den Boden leckenden Pfützen. Sie entzünden das spillernde Fadengewirr zu einem Feuer, das sich seinen Weg freibrennt nur um ihnen den Tod durch Ertrinken zu sterben und wieder auferstehen zu können. Teil ihrer Verwandlung zu werden.

Das Sein ist schneller als das Denken und der ausgedörrte Stapel Menschenfleisch.
Es ist die freigebrannte Schneise des Seins, die dem Denken die Erkenntnis von Ursache und Wirkung ermöglicht. Den Körper an einfädigen Kordeln zum Handeln lenkt, wie eine Maschine und nach einer Weile mehr und mehr von seiner Salzbegrenzung abzusprengen ermöglicht.

Das silbrige Gefühl zwischen Gaumen und Sehnerv, lenkt von der Verwandlung der Taubheit in den Lippen zu flirrend dumpfen Schmerz ab. Jedes PlitschPlatsch wird durch das Sandrohr im Hals begleitet und mit einer Vorstellung von einer mächtigen Gestalt, die wie mit einer Machete feinste Nähte zwischen den Magenwänden auftrennt. Plitsch für Platsch hinter sich auftürmend, bis sie von Krämpfen wieder zurückgepresst werden und in der Mundhöhle und dem hinteren Nasenrachenraum herumschwappen.

Der Kampf ist nicht der, die vielen kleinen und großen PlitschPlatschs in sich hinein zubekommen. Das ist er nie gewesen. Der Kampf ist den ausgedörrten Fleischkloß davon zu überzeugen, dass er nicht verdursten und zerfallen will. Sich nicht zu wehren gegen die fast wilde Lust des Seins, in dem sich Knochen, Wirbel und Gelenke neubilden, Muskeln zucken und Konturen ausprägen, je länger es in der Pfütze weilen kann. Je länger es von der Möglichkeit zur Verwandlung und Begrenzung weiß.

über etwas drübergelebt

Ich habe heute an „Superwomen, Möhrenwürfel und Heilung“ gedacht und daran, dass der Begriff des „Überlebens“ überbewertend besetzt ist.

Die Gewalt in unserer Geschichte, hätte uns tatsächlich töten können. Doch das war nie das Ziel und zum Glück hatten die Täter_innen auch nie soviel Angst vor Enttarnung und in der Folge, den Konsequenzen ihres Handelns, dass sie uns gezielt haben töten wollen.

In unserem Fall, war „überleben“ einfach nur schlichtes „weiterhin am Leben sein“. Vielleicht: „trotz Allem am Leben sein“.
Das ging einfach so weiter. Wir haben nie etwas dafür tun müssen oder gezielt (im Sinne von bewusst) tun können.
Wir haben die Gewalt erlebt und dann einfach weiter gelebt. Weiter metabolisiert und somit existiert.
Es ist nichts Besonderes zu überleben. Es ist einfach nur „weiterhin leben“.

Der Kampf ist das Innere. Das „sich erlauben, dies tun zu dürfen“. Das „immer wieder neu Schritt für Schritt vorwärts- Gehen“. Die Notwendigkeit darüber nachdenken und (neu) lernen zu müssen, wie die Qualität des eigenen Lebens sein soll.  Das ist das, was besonders ist, weil dies nicht für jeden Menschen von gleicher Bedeutung ist.

Alles andere ist einfach nur leben.
Weiter leben. Einfach so. Weil es eben geht. Weil es einfach so lebt.

Man kann für sein Überleben kämpfen, klar. Immer. Aber es ist ein Kampf, der nie ausschließlich von dem bestimmt wird, was man tut. Es ist Aktionismus, der manchmal die Chancen weiter zu leben erhöht oder einen dauerhaften Schutz davor generiert, in eine Situation zu kommen, die das Leben gefährdet, ja. Aber das Ende wird dadurch nicht kontrolliert. Ob man lebt oder nicht, liegt nicht in der Hand der Menschen, deren Leben von anderen Menschen oder Umständen gefährdet wird. Der Mensch hat ein Vetorecht. Und die Macht, sich so zu verhalten, dass sein Leben durch die eigene Hand beendet wird.

Aber letztlich… ist der Zustand zu leben, einfach nur der Zustand zu leben.
Über die Hürde- eine Gefahr- für selbiges hinweg gelebt zu haben, nennen wir überleben bzw. überlebt haben.

Es ist eine Zustandsbeschreibung.
Überlebt zu haben ist keine Auszeichnung für besondere Fähigkeiten.
Es ist nur eine Würdigung dessen, was dort so gefährdend war, das man über es drüber zu leben gezwungen war.

Das Überleben ist einfach immer nur das Leben was über ist.
Der Rest von vorher und das was dann kommt.

existent

“Ich bin so müde”

– “Ich weiß mein Herz.”

“Schaffen wir das?”

– “Ich weiß es nicht.”

“Aber wir versuchen, ja?”

– “Ja mein Herz. Wir versuchen.”

 

Ja, wir versuchen unser Leben zu retten.
Nennen wir es kämpfen ist es gelogen, denn aktiv sind wir nicht.
Wir sind.
Wir sind existent.
Immer noch.
Einfach so.

Mehr ist Überleben einfach nicht.

Es hat keine Dramatik.
Keine Massen an Blut. Keine Schreie. Keine Tränen.

Es ist ein Muskel der rhythmisch zuckt.SONY DSC
Biostrom der durch Nerven flitzt.

Einfach so.
Existenz geht so einfach.

Leben muss man schaffen.
Leben muss man versuchen.

Herr Trigger und das Aktenordnergehirn

Es ist wie beim Domino Day:

fällt ein Stein- fallen sie alle.

Und wer beim Aufbau schlampt, der verhindert, dass wirklich alle Etappen abgeräumt werden.

Unser Gehirn schlampt nie.
Ein Trigger und die Schotten fallen herab.
Manche direkt, manche indirekt, manche bewusst und manche unbemerkt.

Unter anderen Umständen-. wenn wir einigermaßen ausgeruht und versorgt sind. In der Lage sind Sozialkontakte zu machen und ach überhaupt gesund sind, ist ein Trigger in der Regel nicht mehr sehr schlimm. Nach kurzer Zeit schaffen wir es die Schotten innen wieder zu öffnen.

Nach 10 Jahren vornehmlicher Stabilisierungsarbeit ist es genau das, was wir einigermaßen gut können: Herr Trigger sagen, dass er nur ein Reiz ist und, dass er nun jetzt bitte mal aufhören soll in unserem unordentlichen Aktenordergehirn herum zu machen.

Wir kennen einander inzwischen so gut, dass manche Wechsel vorhersehbar und sicher durch die Belastung eines bestimmten Hirnareals (eines anderen als den, der uns das HD mit Gefühlsimitation ins Kopferinnerungskino treibt) sind.

Doch es gibt nachwievor Zeiten, wie jetzt in den letzten Tagen.
Eigentlich rasten wir mit angezogener Handbremse auf eine Wand zu und hätten das merken müssen- konnten wir aber nicht, weil die entsprechenden “Melder” bereits abgeschottet waren.

Man muss in der Lage sein, Herr Trigger als solchen wahrzunehmen.
Wenn es sich um etwas ganz profanes, wie zum Beispiel der Klang von Wasser auf Wellblech ist, oder der Druck in der Kniekehle wenn man die Beine übereinander schlägt, kann allein schon die Wahrnehmung sehr dauern.
Dann muss man ihn als solchen anerkennen- und wie oft sagt man sich dann doch: “Ach komm-  ist doch Quatsch- steht doch in gar keinem Verhältnis”.
Und dann muss man in der Lage sein, die Kraft haben, genug offene Schotten haben, sich zu reorientieren und in der Gegenwart zu verankern.

Genau die hatten wir nicht mehr am letzten Samstag.
Es gab eine Situation die uns komplett überforderte- sowohl sozial, als auch emotional- als auch rational. Eine Bekannt-Gemögte, die uns noch nicht gut kennt; eine Situation, die schreckliche Angst machte und das alles auf leerem Bauch, nach einer Nacht mit einem Fremden; nach 3 Wochen Therapeutenurlaub; viel Auseinandersetzung mit Schuld, Verantwortung und Vergebung; einem sehr schlimmen Stromausfall und latentem Schlafentzug…

Klar fielen noch die letzten Schotten und purzelten einzelne Innens herum, die einerseits zwar sehr entfernt von Erinnerungen sind- andererseits aber definitiv bewusst haben, dass sie verletzte Innens schützen.SONY DSC

Die Therapiestunde heute, wirkte wie ein Klotz vor den letzten kippenden Steinen und Öl im Motor des Apparates, der die inneren Schotten sowohl heben als auch senken kann.

Wenn die Kraft bei uns fehlt, brauchen wir Außen jemanden, der uns verdeutlicht und nach innen mitsagt, dass es vorbei ist. Dass es eine Erinnerung ist und das die heutige Realität lebbar ist.

Langsam öffnet sich wieder etwas und es wird nicht mehr nur überlebt.
Der Körper scheint sich sogar noch richtig was Gutes zu tun, indem er sich für Fieber und Virenkrieg entscheidet…

Mach mal ruhig du toller Mitkämpfer… putz sie ruhig alle weg… Herr Trigger könntest du vielleicht gleich mit… ach Atommacht, hm? Ja… hm… friedliche Akzeptanz, wie?
Naja…
erst mal einen Krieg gewinnen… Minensuche und politische Arbeit kommen dann dran.