Buchtipp: “Auftauen” von Ute Casarini

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Nun ist da der Winter und nicht selten klirrt man selbst als Eisfigur nach einem Wald-Wiesen-Stadtrundgang in die eigenen 4 Wände.
”Auftauen”, das ist mein Gedanke, wenn ich meine heiße Tasse Tee mit den Händen umschließe und hoffe, dass es die Hitze bis zu meinen Zehenspitzen schafft.

“Auftauen” so heißt auch das Buch von Ute Casarini, das die Geschichte von Paul dem Schneemann erzählt.
Auf 16 künstlerisch sehr ansprechenden Seiten, die zwischen mittelgroß gedrucktem Text und Bild trennen, geht es ums Werden und Sein, Gehen und Entstehen im Winter und Frühling.

Erschienen ist dieses wundervolle Kleinod, das mich durch die kleine Verleitung zur positiven Imagination, immer wieder selbst auftauen lässt, im Verlag “bunte Auen” 2012 und kostet ca. 15€ im Einzelhandel.

die Rosen blühen

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Früher wie heute denke ich, dass es keinen sichereren, schöneren, behüteteren Ort in dieser Welt geben kann, als den inmitten von vielen kleinen und großen, aneinander anliegenden Rosenblütenblättern
Niemand kann ihn zerstören, weil die Dornen der Rose und die Schönheit der Blüte zu Abstand gemahnen
Niemand kann mich entdecken, denn die Räume zwischen den Blättern und mitten im Kelch sind zu dicht, selbst für bohrenste Blicke

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Ich kann hören, was außerhalb passiert
Und egal, wie viel Angst mir das macht

Wenn ich dort bin, ist alles in Ordnung

die Sekte des Herrn Peter P.

Wer mal genauer wissen möchte, wie eine Sekte funktioniert und was eine PTBS aus Menschen machen kann, der sollte sich mal “Peter Pan” anschauen.

Meine Güte, das ist der bis jetzt brutalste Disneyfilm, den wir uns bisher angesehen haben!
Da wird gemordet, mit Mord gedroht, gedemütigt, gekidnapped; da werden Frauen offen ausgenutzt und unterdrückt. Immer mit heftigem Personenkult der stets von Neuem genährt wird.

Gleich am Anfang der Geschichte erfahren wir,dass Peter Pan nur zu denen kommt, die auch an ihn glauben. Ziemlich schlau dieser Herr Pan- sich sein Zielpublikum von vornherein so auszuwählen…

Man bekommt einen Einblick in das bunte Treiben des Kinderzimmers von Wendy, Klaus und Michael, denen es ganz offensichtlich an nichts mangelt. Sie haben jeder ein Bett, sie mögen sich und spielen schön.
Doch dann kommt der Papa hinein und zerstört die kleine Spielwelt seiner Kinder mit seinem gestressten Fokus. Er hat nur sich im Kopf und zeigt kein Verständnis für die zum Leben erweckte Fantasie seiner Kinder- selbst als er die Chance hat einzusteigen, beharrt er auf seiner Perspektive und will sich durchsetzen.
Leichtfertig und- wie er später zugibt- unbedacht, erklärt er seiner Tochter, dass diese ab dem nächsten Tag erwachsen sein muss und nicht mehr im Kinderzimmer schlafen wird. Wendy ist sehr traurig. Ganz offensichtlich hat sie kein Verständnis von dem Begriff des Erwachsenseins. Es bedeutet für sie lediglich, dass sie nicht mehr bei ihren Brüdern schlafen und nie mehr Spaß haben darf. Alles andere was Erwachsensein auch bedeuten könnte, hat sie schon längst verinnerlicht- weiß das nur noch gar nicht!

Zum Beispiel kommt ja dann Herr Pan herein geschneit und sucht seinen Schatten, den er zuvor dort bei den Kindern “verloren” hatte (so macht man das übrigens bei Sekten: man lässt zufällige Begegnungen los- mal hier ein Infostand, mal da ein Flyer, mal ein hier ein Kurzkontakt, mal da ein kleines Gedankengutbonbon und nicht zuletzt die guten alten Missionare, die das Auto zwei Straßen weiter “verloren hat”…) und Wendy macht sich gänzlich uneigennützig daran ihm den Schatten anzunähen. Einfach so und völlig selbstverständlich- einem Kind müsste man sowas in der Regel erstmal beibringen und kaum ein wirkliches Kind würde ohne Aufforderung wissen, wann so ein Verhalten von ihm erwartet wird. Anscheinend ist also das Erkennen, wann welche Fähigkeit, in welchem Umfang von ihr erwartet wird schon etwas, dass Wendy schon gelernt hat. Das ist bereits ziemlich erwachsen!

Nun da Herr Pan wieder komplett ist, befasst er sich kurz mit dem Kummer des Mädchens und beginnt von seinem tollen Nimmerland zu erzählen. Neiiiin! Da müsste sie nie erwachsen sein! Da wäre es ja so wunderschön und toll. Alle sind glücklich.
Ohja! Sofort will sie mit! Klar! Und ihre Brüder kommen auch gleich mit! Die wollen sich so ein Abenteuer doch nicht entgehen lassen. Doch- halt! Was werden Mutti und Vati dazu sagen?

– Ach! Schwamm drüber Wendy- du wirst halt die Mutter für alle! Dann passt das schon!
Äh… korrigier mich gern einer- aber Mütter sind doch in der Regel schon ziemlich erwachsen nicht wahr?!
Tja, Wendy… willkommen in der Sekte des Hern Pan!

Ein häufiger Grund für Sekteneinstiege sind genau diese Art Eskapismus aus Überforderung durch hohe Ansprüche oder offene (schwerwiegende) Konflikte. Erleichtert durch einen charismatischen Guru, (oder Führer oder Meister oder wie auch immer sie sich nennen) vollmundige Versprechen und einer Prise Übernatürlichkeit.
Herr Pan ist ein Sohn des Götterboten Hermes und in der Regel umgeben von Satyren oder auch Nymphen, die ihm zu dieser Übernatürlichkeit verhelfen und sich gleichzeitig komplett hingeben. Vielleicht denkt sich die kleine Naseweis, der große Herr Pan würde sie schützen oder wenigstens nicht allein lassen, wenn sie ihn nur brav anhimmelt und ihre Fähigkeiten hergibt. Der offene Aspekt der Sexualtität und Pan´schen Wolllust kann hier leider (durch die Verwischung der Proportionen im Disneyfilm) nicht angeführt werden. (Ist aber eigentlich unübersehbar, wenn wir uns mal kurz die “Kleidung” der Nymphe ansehen…)

Warum Wendy, das nicht sieht und bemerkt? Ja, wie denn? Naseweis ist komplett ohne Sprache die Wendy versteht, grad so groß wie eine Menschenhand und Herr Pans Werkzeug, um den Kindern das Fliegen beizubringen, damit sie nach Nimmerland kommen.

Fliegen lernen. Einkreiseln. Eine Testsession besuchen… es gibt viele Begriffe für diese Einstiege.
Die meisten Menschen sind komplett high von den Versprechen und ersten Sektengeschenken. Wie die drei Kinder im Film merken sie eher nicht, wie weit und wohin genau sie sich entfernen: “bis zum Stern und dann immer der Nase nach”, kann auch auch heißen: “vom Infostand bis zum Logenhaus und dann immer den Ritualanweisungen nach…”
Und dort angekommen, fragt man sich nicht mehr goßartig, warum alle so komische Kleidung tragen, sich nicht mehr an ihre Familien erinnern und eine seltsame Beziehung zu Gewalt und Vorstellung von der Welt haben.

Wendy freut sich sehr endlich mal Meerjungfrauen zu sehen und ist nur kurz empört, als diese sie “zum Spaß ertränken” wollten- immerhin ist ja Herr Pan da, um sie zu schützen!
Herr Pan schützt ja alle- sogar die kleine Tigerlilly- die aber lediglich deshalb gerettet werden muss, weil der von seiner PTBS gebeutelte Käpt´n Hook, sich an Herrn Pan rächen will.
Der arme Käpt´n Hook ist verrückt vor Angst und nach dem traumatischen Verlust seiner Hand (durch Peter Pan) nicht mehr in der Lage seiner Arbeit als Piratenkapitän nachzukommen. Einzig sein immer wieder entfachter Hyperarousel (durch dieses gemeine Krokodil und die ständigen Quälereien Pan´s) verhindert, dass er sabbernd in Ecke hockt und von seinen Piraten kielgeholt wird.
Ich glaube ja, dass Herr Hook ein Aussteiger ist, dessen OEG (mit dem er seine Traumatherapie bezahlen will) nicht durchging und dessen einziger Lebensinhalt überhaupt nur noch die Entschädigung durch Tätertod sein kann…

Herr Hook geht für seine Rache sogar richtig kriminelle Wege. Er entführt die vor Eifersucht auf Wendy glühende Naseweis und nutzt ihre Verletzung, um das Hauptquartier der Sekte zu finden.
Dort wird die ganze (bereits irritierte und im Glauben an das Leben in Nimmerland erschütterte) Gruppe von ihrem Führer separiert und auf das Piratenschiff verschleppt, während Herrn Pan eine Bombe als Geschenk hinterlassen wird.

Hook stellt die Gruppenmitglieder vor die Wahl: der Gang über die Planke in den Tod oder die Heuer auf seinem Schiff.
Indoktrination gewohnt und gern am Leben seiend, wollen alle natürlich direkt bei ihm anheuern- ausser die getreue absolut irrational loyale Wendy.
Und wie das so ist in Sekten, wird Naseweis der Ernst der Lage klar. Sie befreit sich und rast zu Pan um ihn zu retten- immerhin steht nun die ganze Gruppierung auf dem Spiel!
Die Rettung gelingt, Pan rettet fix mal noch Wendy und auf das fehlende Platsch hin entbrennt ein Kampf auf Leben und Tod.

Pan ist wieder da und stellt sich dem scheinbar ungleichen Kampf mit Hook- welcher aber gar nicht so ungleich ist, wie er scheint.
Er ist noch um ein vielfaches ungleicher! Pan nutzt die Todesangst Hooks vor dem Krokodil, welches natürlich wieder zur Stelle ist und nur darauf wartet, dass Hook ins Wasser fällt.
Jemand der unter einer so krassen PTBS leidet wie Hook, ist in der Regel alles- ausser fähig zur Konzentration und Zielgenauigkeit. Schlafmangel und zeitweiser Realitätsverlust tun ihr übriges und Herr Pan braucht nichts weiter zu tun, als noch ein paar Mal gezielt zu verängstigen und zu verhöhnen und schon ergreift Käpt´n Hook die Flucht. Das Krokodil ihm nach…

Wendy hatte schon am Vorabend ihre Brüder, vom Mütterkult der 50er Jahre getragen, zum Heimweh motiviert. (Übrigens eine Stelle bei der meine Augen plötzlich ausliefen- das wird dann wohl die Stelle sein, an die die Kritiker damals dachten, als sie den Film “herzerwärmend” nannten)
Sie war beleidigt und ihrer Illusionen vom Leben in Nimmerland beraubt, als sie beim Feiern mit den Indianern die Arbeiten einer erwachsenen Sqaw machen sollte- Herr Pan aber mit der jungen Tigerlilly und den anderen (männlichen) Gruppenmitgliedern unbeschwert herumtanzte.
Also erinnerte sie alle mal daran, was eine Mutter ist.
”Eine Mutter- eine richtige Mutter, ist das Schönste auf der Welt. Sie ist dein Schutzengel. Sie behütet dich- Tag und Nacht. Sie hat dich lieb und sie singt dich in den Schlaf.”
Zack! Ist die Kriegsbemalung abgewischt und die Sehnsucht entfacht. Was eine Leistung bei Kindern, die einfach von Natur aus noch auf ihre Mutter (oder die Familie allgemein) angewiesen sind.

Herr Pan und sein übernatürliches Werkzeug Naseweis werden wissen, dass sie gegen diese Art Kult und Bindung nicht so einfach anstinken können. Sie bringen die Kinder wieder zu sich nach Hause.
Dort gibt es einen reuigen Vater, der nach den wirren Erzählungen (von denen- oh Wunder was!- er natürlich nichts glaubt!) seiner Tochter, in großer Sorge ist und ihr verspricht noch weiter im Kinderzimmer schlafen zu dürfen.

Das Wolkenschiff des Herrn Pan allerdings, ist nachwievor am Horizont zu sehen…jederzeit bereit zurück zu kommen… man muss ja nur an ihn glauben… und schon kann man wieder in eine Welt in der man niemals erwachsen, verantwortungsbewusst, mitfühlend, rücksichtsvoll… menschlich handeln, denken, fühlen muss…

So ist es auch mit Sekten. Egal wie offenkundig man “einfach gehen kann”- es ist nie- niemals!- so einfach wie es aussieht! Entweder sie kreist in Form von ständiger äusserer Verführung und Kontrolle um einen herum oder im Kopf in Form von Handlungsmustern, Gedankenkonstrukten und Reflexen. Und so ziemlich jede Sekte kann sich darauf verlassen, dass das was in ihr geschiet von der breiten Masse schlicht und einfach nicht geglaubt wird.

Sollten Sie, lieber Leser, ein Betroffener sein und Information zum Thema “Ausstieg aus einer sog. Sekte oder Psychogruppe” suchen, kann ich ihnen diese Seite und auch diese sehr empfehlen.

Freiheit nach dem Ausstieg macht einsam. Aber Freiheit kann machen, dass man sich- wenn schon nie als Kind, so doch als befreite Erwachsene “Peter Pan” anschauen und Artikel dazu schreiben kann wie diesen hier!

Was unser verdammer scheiß- toller schlauer Körper alles kann

[Atmen kann er- das find ich immer am Besten haha]

Er kann vorallem aushalten!
Nachdem unser Körper gerade in den letzten Tagen durch gefühlte Abwesenheit glänzte, habe ich heute früh einmal mehr gespürt, wieviel so ein Körper aushalten und machen kann.

Es ist mit das beschissenste Element von Erinnerungen die heute auf uns einknallen: Körpererinnerungen.
Für den Laien einmal in Blanko:
Stell dir vor du liegst im Bett und bist dabei einzudösen und auf einmal- einfach so- ohne äusseren Anlass, fühlst du wie dich eine Macht packt und einmal in der Mitte durchreißt und gleichzeitig vollstopft und staucht- brutal, ohne Zögern, ohne Gnade, ohne Entkommen. Es gibt keine Schonhaltung für dich; nichts ausser einen Schreih in deinem Kopf und einen Schmerz der dich in eine Schwärze fallen lässt, die kein Molekül Platz mehr bietet. Es gibt keine Worte. Keine Sprache. Eigentlich nicht mal mehr Körper nebst Kopf. Da ist nur dieser explodierende Schmerz.

Wenn sich das Schwarz etwas lichtet- sei es weil dein Körper den Sauerstoffmangel auszugleichen beginnt (denn du hast den Atem angehalten), sei es weil dein Hund anfängt, die Tränen in deinem Gesicht abzulecken oder weil du aus dem Bett gefallen bist und plötzlich mit irgendeiner einzelnen Hirnzelle merkst:
HEUTE-HIER-JETZT
dann- aber erst dann- kannst du etwas tun.
Vorher musst du und muss der Körper vorallem eins: aushalten.

Ich habe heute morgen gespürt, wie sehr der Körper in diesem Moment- ja fast wiederholen muss, was er schon einmal durchgemacht hat. Er krampft, zieht alle betroffenen Muskelgruppen zusammen, zieht sich dicht an dicht, bietet kleinstmögliche Angriffsfläche, pumpt Massen an Adrenalin durch den Körper, verteilt Blut und Sauerstoff auf genau die gleiche Art wie früher. Wehrt ab und schützt gleichzeitig.

Innerlich rutsche ich auf Knieen vor Dankbarkeit, wenn der Schmerz abebbt. Dann kommen Bilderfetzen, Kurzfilme und was weiß ich. Da gucke ich schon gar nicht mehr hin. (<— Guckst du Therapieerfolg!)
Wenn ich es nur schaffe aufzustehen und festzustellen: “Ja- es gab keinen äusseren Anlass. Es ist alt. Es ist nicht heute, es nicht gerade jetzt gewesen. Niemand hat mir gerade wehgetan.”

Dann kann ich schon fast anfangen meinen Körper beruhigen. Blutdruck senken, einatmen, ausatmen,
eiiiiin- Tick-Trick-Track und das Fähnlein Fieselschweif- auuuuuussss, Boden fühlen, Körpermitte suchen, finden, vorstellen ein Band auszuatmen. Nase in die von der Freundin gewaschene (und entsprechend nach ihr riechenden) Decke drücken- denken, sie ist jetzt da…
Mein Körper nimmt sowas dankbar an. Die Schmerzen lassen nach.
Für den Bereich der mir so oft zerrissen wurde, hab ich durch die großartige Ina May Gaskin einige tolle Imagination gefunden bzw. zwei Visualisierungen, die oft helfen:
Zu Anfang noch: “your body is not a lemon (in a juicer!) ” (auch wenn er gerade das tut: sich zusammenquetschen wie eine Zitrone in einer Presse)
und etwas später: “an opening flower” (Blättchen für Blättchen langsam und vorsichtig aufgehen lassen… sich “wieder richtig hinlegen lassen”; “den Schmerz-(manchmal auch: die Schmerzursache) rauslassen”)

Das ist Arbeit.
So einfach wie das jetzt so klingt ist es nicht. Wenn sich mein Körper erinnert, dann erinnert sich die Psyche in der Regel gleich mit und es hämmert mir Erlebnis um Erlebnis im Kopf herum. Früher bin ich dann, öfter noch als heute, direkt in eine Kette gerutscht: A erinnert an B und das an C und es wird immer tiefer und tiefer. Und es wird immer schwerer sich zu orientieren- irgendetwas anderes als das Alte wahrzunehmen.
Innenkinder fliegen wie freie Radikale unter der Oberfläche und je schwieriger die äussere Umgebung ist, desto schwieriger wird es auch ihnen klar zu machen, dass es sich zwar gerade jetzt so anfühlt, es aber keine Situation ist wie früher (die ihr “draussen sein” bzw. ein Aushalten durch sie nötig macht).

Mal abgesehen von den seelischen Problemen, werden solche Körpererinnerungen vorallem dann zum Problem, wenn man so behämmert ist, wie wir zur Zeit.
Nicht genug essen heißt: Muskelkrämpfe, nicht genug Treibstoff für solche Anstrengungen, der Blutdruck eh ständig jenseits von gut und böse, anhaltende Schwäche und Konzentrationsprobleme
Nicht genug schlafen heißt: das Risiko für diesen blöden Zwischenzustand zwischen Schlafen und Wachen ist exorbitant hoch- schon nur auszuruhen und mal kurz irgendwo zu sitzen kann ihn dann schon auslösen
Nicht darauf achten, was innen passiert, wenn man genau das alles nicht macht- oberblöde! Schon dieser allgemeine Zustand von Schwäche und körperlicher Erschöpfung ist Futter für solchen Mist, denn er ist ein Trigger bei uns.

Und unser Körper? Dieser arme Metabolismus…
Der soll nicht zu dick sein. Der soll bitteschön schön aussehen. Der soll nicht auffallen. Der soll tot und lebendig sein. Mal dies mal das. Manchmal soll er ganz dick sein und dann wieder ganz spillerig. Dann soll er Megakräfte haben. Achja, aber bitte ohne allzu hart auszusehen, sich allzu hart oder zart anzufühlen. Er soll bitteschön noch zur allgmeinen (sexuellen) Befriedigung dienen, naja zur eigenen dann nach Bedarf. Immer zur Verfügung bitteschön. Für alle gleichzeitig: innen und aussen.
Aber wehe er tut etwas, dass ihn nach so einem anstrengenden Wieder-Erleben erleichtert!
Erbrechen, Durchfall, Zittern, Schwindel der uns zwingt, sich hinzulegen und die Beine hochzulagern.

Auch wenn ich weiß, dass wir beim nächsten Mal wieder so unfair sein werden. Und so undankbar und rücksichtslos… für jetzt in diesem Moment, wickle ich ihn ein, versuche ihn zu wärmen, zu nähren und sage ihm, dass ich ihm sehr dankbar bin.

Dass er in der ganzen ganzen schlimmen Zeit niemals aufgehört hat für uns zu leben.

im Wald

Ich bin auf der Suche nach dem „richtigen” Baum.

Fliege segelnd durch die Gruppen und Grüppchen der bunten Bäume, über die Sträucher und Büsche hinweg. Durch den Blätterregen hindurch.

“Mein Herz, weißt du noch als wir mit der Helfer-Gemögten hier waren?” Ich fühle eine leise Bewegung. “Weißt du noch wie die Marienkäfer flogen? Da hast du sie gezählt, weil du so eine Angst hattest, weißt du noch?” Ich höre ein schwaches Seufzen und fühle wie sie sich mir zuwendet. “Kannst du versuchen heute die Blätter zu zählen? Guck mal nach oben in den Himmel. Die Blätter sehen auch so aus, wie der Schwarm Marienkäfer.”
Ich spüre ihren bestialischen Schmerz mit ihr hoch kriechen. Von der Mitte der Lenden bis hinauf hin den Brustbereich, wo sie sich nun festklammert, um über meine Schultern in den Himmel sehen zu können. “Halt dich schön fest, gleich finde ich den richtigen Platz für uns”

Ich breite meine Flügel aus und setze meinen Flug fort. Und finde den Richtigen.
Gut versteckt mitten im Wald, fern der Wanderwege, dick, stark, mächtig, gut eingemummelt in Moos und Flechten.

“Ist es der Richtige?” Vielköpfiges Nicken überstimmt verächtliches Schnauben, verwirrtes Achselzucken, desinteressiertes Weggucken und messerschwingende Drohung.

Ich setze mich und schaue mir die Umgebung an.
Ja. Ich finde es auch gut.
”Kannst du den Baum sehen, mein Herz? Siehst du das Heute?” Sie nickt. Lässt ihre Tränen in meine Federn rollen.
Ich senke meine Flügel herab und lasse sie in die Rillen der Baumrinde fallen.
“Möchtest du den Baum mal fühlen? Schau mal, wie stark er ist. Unser ganzes monströses Körpergewicht hält er aus. Und sogar deine Tränen hat er ausgehalten.” Sie steigt, von Federn gestützt, ab, hält sich an meinem Flügel fest. Legt sich auf den Baum und horcht in ihn hinein. Erzählt ihm unhörbar ihre Geschichte.

Die Sonne geht langsam unter.
“Ist es besser?”, frage ich. Sie nickt. Ich beuge mich herab und lasse sie zwischen meine Federn krabbeln.

“Möchte noch jemand etwas hier lassen?”. Ich frage nicht nur “meine Herzen”. Ich denke, diese Art Schmerz werden Viele mehr gespürt haben. Und tatsächlich umarmen noch ein paar andere den Baum und lassen ein Stück Schmerz dort. Mitten im Nirgendwo. Ganz weit weg von zu Hause. Von fremden Blicken. Von Verantwortung. Von dem was sie repräsentieren. Von Scham über ihr Handeln und Denken. Bei diesem Baum, der obschon tot und umgestürzt, so stark und mächtig hier ruht.

So befreit und geklärt verlassen wir diesen Ort.
NakNak* steht auch auf.
Sie saß die ganze Zeit neben uns. Ganz ruhig. Wie eine Wächterin. Als hätte sie genau gespürt, dass hier etwas passiert, das absolute Stille verlangt.

Jemand trocknet die Füße ab und zieht die Schuhe wieder an.
Jetzt fühlen wir auch so den Boden wieder.

Es ist wieder ein Stückchen besser.