wenn ich Zeit als “verloren” empfinde

BlattimBach Da ist diese Formulierung “Zeit verlieren”.
Ich stelle mir vor, wie jemand an einer Quelle steht. Die Zeit, wie Quecksilber, in seine Hände sprudeln und durch die Finger rinnen lässt.
Sie verliert. Irgendwie ungenutzt und gelebt.

Ich habe noch nie Zeit verloren.
Worüber ich aber immer wieder stolpere, ist das Fehlen ihres Seins in meinem Bewusstsein.

Ich weiß, dass ich einen Therapietermin hatte und da war.
In dem Büro, das jedes Mal irgendwie anders aussieht und doch gleich. Das Aufzählen aller Verrückungen und auch das Rumkartoffeln über die eine, unordentlich über den Vasenrand baumelnde, Tulpe- ich weiß, ich habe das gelebt. Die Blumen waren rot und gelb- nächstes Mal wird die Farbe anders sein. Aber Blumen werden wieder dort stehen.
Ich habe die Zeit in diesem Raum nicht wirklich verloren. Sie war da und schwappte in meinen Händen.
Aber sie berührte mich nicht.

“Wie ist es Ihnen mit der letzten Stunde ergangen?”
Knurren, Fauchen, brodelnde Hitze, kurze Schattenbilder an Dinge, die im Dunkelbunten wabern.
Ein Kind, das Händchen hält.
“Schicken Sie mir mal dies und das.”.

Das Gefühl, dass alles okay ist.
Lächeln, atmen, schlucken, witzeln, gehen.

Im Wanken durch die Stadt merken: “Wart mal – was?!”.

Und dann das Schwimmen.
Das in den Zeitfluss hineinspringen und so schnell es geht, den gerade noch obenauf treibenden Fetzen, nachhechten. Atmen, Luft anhalten, hineingehen. Missachten, was dort unsichtbar über die Füße glibbert, was links und rechts streift, sich organisch anfühlt und doch nie genug greifbare Konsistenz hat, es herauszuheben und mit dem Kopf in den Wolken zu betrachten.

Und dann irgendwann, beruhige ich mich.
Erinnere mich daran, jetzt nicht “ach egal” zu denken. Das ist, als würde ich die Fetzen gleich wieder in den Fluss werfen.
Ich schreibe es auf und warte.

Ich achte darauf, wie sich die Zeit in meinen Händen anfühlt, während ich mit NakNak* und Sieglinde im Wald herumtorkle, mich über große Schnecken freuekle und irgendwie doch alles okay ist. Nur ab und an wischt etwas durch mich hindurch und ich betrachte meine Hände beim Schreiben.

Das ist als würden die längst vergangenen Tröpfchen Zeit auf mich herunter nieseln und sich zwischen die von mir geborgenen Fetzen legen. Manchmal entstehen so Ahnungen und Bilder, immer aber ist da das Gefühl, dass es Arbeit ist, sich das Gestern, Vorhin, Heute und Jetzt anzueignen.
Nicht zu finden, nicht zurück zu erobern. Nur, zur eigenen… selbst gelebten Zeit zu machen. Manchmal auch: überhaupt erst echt, begreifbar und sortierbar zu machen.

Was ich verliere, ist nicht die Zeit. Es ist die Möglichkeit zum Eingreifen, zur Gestaltung, zum in mich einbringen, die verloren geht.
Es ist die Kontrolle, die fehlt.
Nicht nur über mich und den Lauf der Dinge, das Sprudeln dieser Zeitquelle, sondern auch über meine Außenwirkung.

Ich könnte sagen: “Tschuldigung- ich war letztens nicht ganz ich selbst”; könnte Vermeidungstänze mit vielen glitzernden Schleifen aufführen; könnte mich zusammenziehen und zu einem Bündel aus Antennen für die Signale des Gegenübers werden lassen. Aber die Möglichkeit den ersten, zweiten… irgendwannsten Eindruck von mir als Einsmensch irgendwie so hinzudrehen, dass ich als “in Ordnung” wahrgenommen werde – die ist vielleicht – vielleicht aber auch nicht –  weg.
Ich erfahre darüber immer erst später etwas. Bis dahin muss ich schwimmen, vertropfschmelzen lassen, ahnen, Bilder betrachten, das Hallen der Worte von meinem Ohr in meinen Mund wandern lassen und spüren, ob sie vertraut schmecken.

Amnesie, das ist so ein umfassender Begriff.
Lange suchte ich nach schwarzen Löchern in meinem Wahrnehmungsuniversum. Ich dachte, dass ich einen löchrigen Verlauf sehen müsste. Oder, wie im Film, sagen können müsste: “Ich erinnere mich nicht.” Tatsächlich sage ich immer: “Ach, keine Ahnung” oder “ich weiß nicht” und drücke damit eigentlich mehr meine Unsicherheit darüber, ob das, was ich wahrnehme, überhaupt stimmt, aus.
Es wäre gelogen zu sagen, dass ich mich nicht erinnere. Aber es wäre auch eine Lüge zu sagen, ich wäre total bewusst um alles.

Ich denke darüber nach, warum mir die Formulierung des Zeit verlierens trotzdem so nah kommt.
Ich spüre Verlust und muss mich bemühen, darüber nicht auch noch meinen Kopf rollen zu lassen, wie eine unordentliche Kugel in einem Bowlingcenter.

Ich finde Menschen unheimlich und gefährlich.
Menschen lügen und wenn ich nicht weiß, wie die Umstände wirklich sind- wenn ich mir nicht wenigstens sicher darüber bin, wie sie ganz subjektiv für mich sind – dann bin ich abhängig von ihnen.
Das ist ein Gefühl von gleichsam umfassender Ohnmacht, wie vor dem Fließen der Zeit durch mich hindurch, das mich mal mitnimmt und mal nur umspült und manchmal auch nur anhaucht oder in feine Netze wickelt.
Niemand merkt mir das an und so soll es auch sein. Ich bin keine zarte eher ätherisch waberige ungreifbare Multiple. You know: Modell “Huschi muss erst mal vorgelockt werden, um Vertrauen zu fassen”. Ich bin eine von denen, bei der man Angst und Misstrauen nicht merkt, gerade weil sie die Klappe aufmacht und so tut als gäbe es nichts zu fürchten. Ich bin so laut, dass man das, was ich eben nie sage, auch nicht vermisst, wenn man nicht danach sucht.
Was ich kann ist, immer wieder so zu tun, als würde ich nie um Verluste an Sicherheitsgefühlen und Kontrolle trauern, wenn ich merke, dass ich andere Menschen brauche, um mir ein Bild aus der Zeit zu machen.

Manchmal noch kommt es, dass wir uns in unsere Nussschale setzen und auf dem Zeitstrom einfach nur so herumtreiben.
Dann, so mittendrin und ganz alleine, spüre ich keine Verluste, keine Abhängigkeiten. Dann geht es mir gut.
Auch dann erlebe ich es, dass ich nach einer Aktivität kurz innehalte und mich frage: “Warte mal…- was?!” aber es ist dann egal. Ich muss mich dann nicht anstrengen, weil ich nicht entsprechen muss. Weil dann, wenn wir so treiben, auch keine Menschen da sind, die irgendwie… nun ja, das ist jetzt einfach ausgedrückt : “machen”, dass ich an mir vorbei gezogene Zeit als verlustig empfinde.

Am Ende meiner Gedanken bemerke ich, dass viele Formulierungen ein Wurzelende in dem ewigen Kampf um Anpassung an das Außen haben und frage mich, wie wichtig das für uns wirklich ist.
Und plötzlich finde ich mich im Reigen der Selbstzerpflückung und frage mich, wie viel von mir eigentlich da ist, weil es eben da ist und nicht, weil es irgendwann mal wichtig wurde zu haben, damit das Außen mich nicht umbringt.

Und das alles nur, weil… naja, weil ich nicht glauben kann, dass in der Therapiestunde wirklich alles so okay lief, wie es die Therapeutin ausgestrahlt hat.
Wäre dem so, würde ich mich nicht abhängig fühlen. Wäre dem so, dann wäre es nicht wichtig allen letzten Fetzen nachzuspringen. Wäre dem so, dann wäre das ja auch total okay in meiner kleinen Nussschale herum zu treiben und es gäbe wirklich keinen Grund vor irgendetwas Angst zu haben, was diesen kleinen Rahmen betrifft.

Ich tus aber nicht.
Menschen sind die gefährlichsten Tiere auf diesem Planeten.
Und manchmal ist die eigene Wahrheit die letzte Waffe, die man hat, um sich selbst zu verteidigen.

Multimythen Teil 4: Übermächte

Bläschen4klein Was nicht fehlen darf in der Vita der Mythenmultis meiner Mailingliste ist eine steife Brise Horrorfilm, vermischt mit irrationalem Gängstertum, dass sie jeweils wie einen Roboter immer wieder in ihre Hände laufen lässt.

Ne- klarer Fall: “Mythenmultis haben nie eine Chance, haben keinen eigenen Willen- ach gar nichts Eigenes- deshalb sind sie ja multipel geworden, um äh… naja das Eigene … äh äh… hm…   SATANISMUS!!!”

Ich schreibe hier im Blog nicht so viel über diesen Themenkreis “rituelle Gewalt”, “Satanismus” und “Programme”, weil ich die Verknüpfung zum Multipelsein damit als überpräsent empfinde, obwohl rituelle Gewalt als (hm- ernsthafte Frage: geht “Auslöser” an dieser Stelle?) für eine dissoziative Identitätsstörung bei “nur” 10% liegt, was sich mit meinen Kontakterfahrungen deckt. Der Großteil der Menschen mit DIS, die ich inzwischen direkt oder indirekt kennengelernt haben, erfuhren massive Gewalt auf allen Ebenen in erster Linie durch die eigene Familie (bzw.. als Substitut auftretende Menschen), brachiale inhumane Behandlung in medizinischen Kontexten und durch organisierte Ausbeutung.
Natürlich gibt es da Vermischungen und ein noch größerer Anteil der Multiplen (und ich zähle mich mit dazu) wissen es einfach nicht so genau, so dass sie sich kein Etikett auf die Umstände ihrer Störung*sentstehung kleben können oder wollen.

Amnesien sind schwer nachzuspielen oder zu überzeichnen, genauso, wie sie zu verbergen sind- insbesondere vor Menschen, die darauf achten, um ein Häkchen hinter Diagnosekriterien zu machen.
Amnesie bezeichnet einen Zustand von Unkenntnis. Unkenntnis über sich selbst entsteht in aller Regel durch Unbewusstsein.
Unbewusstsein markiert also entweder einen Zustand von fehlender Assoziation (also Dissoziation) oder einen Zustand von “noch nie drüber nachgedacht/ reflektiert/ zu Reflektion gebracht worden sein”, durch “noch nie danach gefragt worden sein”.
Das ist einer der Punkte, die dissoziative Störungen so schwer nachzuspielen oder korrekt zu spiegeln macht.
Gesucht wird das, was eben nicht da ist- nicht das, was fehlt. Es ist nicht die Anwesenheit von Fehlleistungen oder Fehlern, sondern deren Abwesenheit in Anbetracht des Fehlens von Grundinformationen.
Das ist eine andere Logik und genau deshalb so mythenüberladen, weil – ja, tut mir leid- es einfach doch eine gewisse intellektuelle Kapazität braucht, diesen Dreh zu machen. Wo Unerklärliches ist, da sind Mythen. Und wo ein Multimythos ist, wird vergessen, was eigentlich nicht gewusst werden kann.

So komme ich zu der Stelle an der ich mindestens verdutzt bin, wenn mir, zum Beispiel in besagter Mailingliste, Menschen schreiben, dass sie dieses und jenes erlebt haben, programmiert wurden und ja auch sowieso jede Nacht abgeholt werden und deshalb auch nichts tun können von dem, was ich ihnen von meinen Erfahrungen beim Abbruch von Täterkontakten berichte.
Es gibt dort zu viel Anwesenheit von Assoziation.

Es ist das Eine eine dissoziative Störung vorzutäuschen, wenn man denkt, das Umfeld würde einen als Menschen nur dann annehmen und vielleicht auch von echten TäterInnen und echtem Leiden befreien- das Andere ist zu perpetuieren, dass die DIS vor dem Hintergrund ritueller Gewalt zu einer absoluten Ohnmacht vor einer Übermacht führt.

Auch die Nutzung des (christlich fundierten) Framings um Satanismus und Okkultismus, destruktive Kulte und Sekten, als das absolut Böse und Verachtenswerte- durch und durch Ablehnensnötige, empfinde ich an der Stelle als manipulativ, um das Schlimme noch schlimmer und am Allerabsolutschlimmsten vor der Gesellschaft ™  ausweisen zu können. Als würde es nicht reichen, weniger außendimensionale Gewalt erfahren zu haben und in sich selbst mehrdimensionale Folgen zu spüren.

Deutschland ist eines der Länder, in denen die Zwangschristianisierung ein nicht unerhebliches Gewaltkapitel ist. Niemand kann sich hier freisprechen von einer Etablierung des Christentums als Normdominanz (siehe Christ-demokraten, gesetzliche Feiertage, Pseudotrennung von Kirche und Staat etc. etc. etc.). Ergo wundert es mich nicht, dass ich bis jetzt noch keinen Mythenmulti ohne rituellen Gewalthintergrund des Satanismus erlebt habe.
Welches Framing könnte sicherer sein, als eine breite Ablehnung satanistisch motivierter Gewalt in einem christlich genormten Umfeld?

Der Multimythos der omnipräsenten und übermächtigen TäterInnen hat natürlich einen wahren Kern.
Es ist ein wichtiger Teil von „man made- violence“, das Opfer genau das glauben zu lassen und mit diversen Mittel auch in dem Glauben zu halten. Nur sind diese Gesten in aller Regel weitaus weniger spektakulär, als es der Mythos vom überaus aktivem Täter, der alles Mögliche tut, um ein einziges (aus der Reihe getanztes) Opfer wieder ranzuholen erzählt.
Organisierte Gewalt funktioniert nur, wenn sie gut organisiert ist. Und gute Organisation baut auf minimalem Aufwand für maximalen Erfolg.
Und so lange das organisierte Verbrechen ™, seit Generationen etablierte Kulte und Sekten; genauso wie die einzelnen GewalttäterInnen in Privathaushalten oder Institutionen  noch darauf bauen können, das Berichte von  Überlebenden, individualisiert, heruntergespielt, einer wahnhaften Störung entspringend oder eben von einem Mythenmulti kommend betrachtet werden können- so lange können sie sich getrost zurücklehnen und im Zweifelsfall eben davon ausgehen, dass sich ihr Opfer selbst das Leben nimmt, weil ihm nicht geholfen wird, nicht geglaubt wird, weil es gelernt hat das tun, weil es keinen Fuß zu fassen schafft, ohne die Funktion des Opfers, weil es von (spiritueller) (Sinn-) Krise zu Krise taumelt etc. etc. etc.

Falls es bis jetzt noch niemandem aufgefallen ist: Jeder Multimythos basiert auf genau dieser Macht-Ohnmachtsdynamik und darauf, sich in gar keinem Fall daraus bewegen zu können. Kann es etwas geben, was näher an der Wiederholung einer Gewaltsituation liegt, als das? Stichwort: Traumaschema – Michaela Huber hat in ihrem Buch “Wege der Traumabehandlung” sehr ausführlich dazu geschrieben.

In meiner Mailingliste wird nicht einmal das thematisiert.
Dort krallt man sich an diesen Inhalten fest: Über- Macht (sehr böse, sehr entmenschlichend, sehr abzulehnen) vs.. Über- Ohnmacht (absolut unschuldig, absolut entmenschlicht (zumindest im Sinne von “alle programmierte Maschinen, sobald es drei Mal klingelt”), absolut anzunehmen <— übrigens auch etwas, das auf diesem christlichen Framing aufbaut: bedingungslose Nächstenliebe).

Ich will auf keinen Fall sagen, dass es das alles nicht gibt.
Jeder Mythos hat einen Kern. Doch meistens ist es der Subtext, um den es geht und der noch viel zu oft nicht gehört wird und mich auch immer wieder darin bestärkt, auch in Mythenmultis Opfer von Gewalt zu sehen und zu versuchen ihnen zu begegnen.

Multimythen Teil 2: “Manchmal trauen wir uns nicht, uns zu zeigen”

Subjektive Empfindungen und Wahrnehmungen anderer Menschen lass ich auch diesmal wieder unangetastet.
Ich denke mir, dass jede/r sagt, was er oder sie sagt, weil er/ sie es sagen will/ kann/ darf/ muss/ soll. Einen Grund gibts immer.

Wie das Wechseln so richtig funktioniert, habe ich selbst bei mir noch nicht raus. Ich weiß, dass es etwas mit meinem Stresslevel zu tun hat, der wiederum abhängig ist von meinem Außen mit all seinen Reizen.
Ich weiß, dass ich manches Wechseln beeinflussen kann und manches überhaupt nicht.
Doch niemals (wirklich niemals!) habe ich in meinem Kopf gesessen, während ein anderes Innen mit der Umwelt interagierte und dachte darüber nach, ob es mir denn jetzt genehm ist/ ich mich traue “raus zu kommen”.
So eine Sicht auf das Leben mit DIS ist so geil fürs Fernsehen oder Comics oder die Art Kunst, die ich selbst manchmal zum Ausdruck von Gefühlen, inneren Impulsen oder mir irgendwie fremden Gedankenwechseln, benutze. Das ist Abstraktion, hat aber mit – zumindest meiner- Lebensrealität so mal gar nichts zu tun.

Die Diagnose der DIS markiert ein Ende eines ganzen Spektrums von dissoziativen Störungen* und ehrlich gesagt habe ich schon ein paar Mal gedacht, dass die DIS als Diagnose eine ähnliche Konstruktionsweise wie andere Syndrome hat.
Es ist nicht A nicht B nicht C allein- es ist alles gleichzeitig und doch nicht kontinuierlich und gleichzeitig nie ganz weg.
Wer fühlt sich bei so einer Bauart nicht doch irgendwie dezent an Schizophrenie oder Borderline als Diagnosekonstruktion erinnert?

Alle Menschen dissoziieren in einem gewissen Maß (das ich aber ehrlich gesagt so noch gar nicht gefunden habe- Literaturhinweise bitte gerne in die Kommentare).
Ob sie Derealisieren, während sie gerade zur/m Wettrennenersten gekürt werden; ob sie Depersonalisieren, weil sie gerade Zeuge von Gewalt werden; ob sie auf Autopilot laufen, und sich im Nachhinein nicht mehr bewusst erinnern können, wie genau die Strecke aussieht, die sie jeden Morgen zur Arbeit fahren oder, ob sie nach einem außergewöhnlichen Ereignis grad noch der Lebensbegleitung sagen, dass sie jetzt gehen und dann für Stunden, Tage, Wochen, Monate als jemand anders irgendwo anders ein völlig anderes Leben führen- alles das sind dissoziative Erlebnis- bzw.. Wahrnehmungsweisen, die in das Spektrum der dissoziativen Störungen fallen.

Wenn die Menschen sich von diesen Wahrnehmungen gestört (und ergo belastet) fühlen, können sie sich das schriftlich von einem Arzt geben lassen und so eine Chance darauf bekommen in einer (Psycho-)Therapie daran zu arbeiten nicht mehr davon gestört zu werden oder- vielleicht als eine Art Trostpreis: sich nicht mehr davon gestört zu fühlen.

Eine Grundlage ist aber immer eine Abwesenheit von Bewusstsein (welches sich in aller Regel auf Assoziation als mehr oder weniger objektiv funktionaler Ablauf stützt). Was dissoziiert wird, ist in dem Moment nicht bewusst- was eine ernsthafte und tiefe Wahrnehmung von zum Beispiel Schamgefühl und Ratio ausschließt- was wiederum etwas ist, was ein “sich nicht trauen rauszukommen” ausschließt.

Ich kenne Momente, in denen ich prophylaktische Schamgefühle habe, weil ich Impulse wahrnehme, die mich beschämen und die ich mich deshalb nicht traue zu äußern.
Das ist irgendwie so ziemlich jede Therapiestunde oder andere Situation in der jemand mich so mittelmäßig stresst, dass ich mehr Impulse wahrnehme, gleichzeitig aber auch immer größere Entfernung von mir selbst bzw. von als zu mir Gehörendem spüre.

Klassiker unter den Stressfragen: Wer bist du? Was willst du?
BÄNG! Selbstdarstellung, Zentrum auf dem Ich, raus aus dem diffusen für sich selbst irgendwie mit klitzekleinen Leuchtkegeln markierten Selbstgefühl und genauso schlagartig der Reflex in die Unterwerfung, die Kampf oder Fluchtbereitschaft
Auf solche Fragen- diese Art Stress- reagiert mein Gehirn schneller als es das Licht schafft einen Schatten zu produzieren. Da bin ich für mich inzwischen und vor mir selbst jedenfalls schon richtig gut, wenn ich es schaffe, nicht gleich zu dissoziieren, sondern eben erst mal Selbstregulation zu betreiben und diese Vorannahme von “diese Art Stress = es geht um Leben und Tod” a) zu bemerken und b) mit der Realität abzugleichen.

Scham und ein Zögern haben nicht die Vorannahme von “es geht um Leben und Tod” sondern : “Es geht um die Art meiner Wirkung im Außen”.
Das ist auch Selbstdarstellungsstress und Stress aufgrund des Selbst im Schlaglicht, aber das ist eine ganz andere Gangart von ein und dem selben Batmobil.

Dieser Multimythos kommt aus der Grundannahme, der Begriff “multiple Persönlichkeit” sei ein Synonym für “Unterschiedlichkeit in Verhalten und Wirkung” bzw.. dem Schema von einem Menschenfleischsack mit gleichgroßen völlig autark herumgetragenen Menschen, die wenn sie keine Lust mehr auf das Wandeln in ihrer eigenen Welt drinnen haben, ab und zu mal einen Ausflug in die Welt des Außen machen und sich auf dem Weg dorthin noch überlegen, was sie dafür anziehen, damit sie am Ziel einigermaßen okay aussehen und sich nicht zum Spaten machen.

Wenn das alles so einfach wäre… hach multipel sein wär so toll und einfach.
Wenn es so wäre, würde man sich nicht oder (so denke ich mir das zumindest) nicht so sehr gestört fühlen, dass man zum Arzt rennt, sich ein Stigmakärtchen auf die Stirn tackern lässt und dann zum therapeutisch wertvollen Werkzeugkasten greift um an seinem Ich herumzuschrauben.

Es wäre halt multipel sein – exklusive Dissoziation auf dem äußeren Spektrumrand… also nicht multipel sein… und genau deshalb so was von verdammt wünschenswert für die eigene Lebensqualität.

Intrusion, Konstriktion und Skills

Im letzten Blogartikel stehen zwei große Fremdwörter drin, die nicht jedem Menschen direkt sagen, was sie bedeuten: Intrusion und Konstriktion.
Damit mein Blog seinem Türöffnerauftrag nachkommt, versuche ich sie nachfolgend zu erklären.
Hierzu ein kurzer Überblick in klinischer Symptombeschreibung zur Posttraumatischen Belastungsstörung (kurz PTBS)

Es wird eingeteilt in 3 große Kategorien:
1) Überregung
Der Betroffene befindet sich in einer Art innerer Alarmbereitschaft. Das vegetative Nervensystem ist auf „Überleben“ eingestellt und ermöglicht durch vermehrte Produktion von Botenstoffen und auch Hormonen, erhöhter Muskeldurchblutung etc. die Fähigkeit dazu. Die Folgen sind unter Anderem (auch, wenn das Trauma längst vorbei ist) eine enorm sensible Wahrnehmung seiner Umgebung (Hyperviglianz), Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Herzrasen.
Im direkten Traumakontext kann Übererregung solche Episoden wie „der Mann, der vom Ort seines Autounfalls mit offenem Beinbruch die Straße überquert und in den Wald läuft“, bedeuten. Oder auch „die Frau, die mit übermenschlichen Kräften, den Stahlträger anhebt, um ihr Kind darunter hervor zu holen“.
In diesem Zustand kognitive Aufnahmefähigkeiten herabgesetzt. Es ist kein Lernen (auch kein Umlernen!) möglich.

2) Intrusion
Unter Intrusionen versteht man sich ungewollt aufdrängende Erinnerungen, die sich anfühlen, als würden sie  ganz real und genau gleich wieder geschehen. Es gibt die gleiche Haptik, optische Wahrnehmung der Umgebung, genau die gleichen Gefühle (etwa Todesangst, Ohnmacht, Wut etc.). Dies wird kurz mit „Flashback“ benannt. Eine Orientierung in der Gegenwart, sowie den aktuellen Lebensumständen ist in dem Zustand nicht vorhanden, was oftmals die Diagnose der „psychotischen Episoden“ begründet, wenn keine Traumavorgeschichte bekannt ist (oder geglaubt/ anerkannt wird *räusper)

3) Konstriktion
Ist ein anderes Wort für „Vermeidungstanz“ bzw. Vermeidungsverhalten oder Vermeidungsreaktion. Dazu zählt auch die Dissoziation in Form von Derealisation („das hier ist ein Film- nicht echt“) und Depersonalisation („out-of-body-experience“, Schmerzunempfindlichkeit). Aber auch manche eine Zwangsstörung oder Esstörung und sonstige Suchterkrankungen können in diesem Zustand begründet sein.

Ist das Trauma länger her (und unverarbeitet) können traumaassoziierte Trigger (Gegenstände, Geräusche, Gerüche, aber auch Gefühlszustände, die als Katalysator von Erinnerungsprozessen wirken) diese Zustände auslösen. 

In dem Blogartikel kann man das Gleiten in diesen Zustand ganz gut wahrnehmen: „Ich stehe am immer offenen Fenster und starre ins Nichts. Ich merke, dass ich rauche und doch ist es der Anblick meiner Tränen, die auf die Fensterbank fallen, der mich fesselt.“- Innere Leere erzeugt eine Art Unfähigkeit das Haus, auf das ich sonst immer schaue, wenn ich aus dem Fenster gucke, zu sehen. Wenn ich anfange zu dissoziieren- sehe ich dort kein Haus mehr, sondern tatsächlich ein Nichts.
Wenn ich mich noch nicht ganz „wegdissoziiere“, nehme ich noch Teile meines Verhaltens oder auch meiner Umgebung war. Wenn auch unglaublich schwammig und so als würde entweder nicht ich so agieren, oder so, als sei ich nicht wirklich in meinem Körper (etwa um das Fell meines Hundes zu fühlen).

Ich deutete auch an, dass ich dies jederzeit beenden könnte.
Das ist ein Therapiefortschritt. Ich kann mich inzwischen einigermaßen sicher aus diesen Zuständen herausarbeiten.
Ich versuche nun zu beschreiben wie ich das mache.
Zu Beginn merkte ich ein allgemeines Gefühl von Ohnmacht. Ich bin gerade in verschiedene Konflikte involviert, die ich noch nicht lösen kann. Es ist mehr oder weniger typisch für mich, wütend zu sein und auf Stasis im Miteinander mit Gefühlen von Ohnmacht konfrontiert zu sein. Dieses Gefühl triggert traumaassoziierte Erinnerungen an, die ich nicht auf ein mir klares Ereignis zurückführen kann. (Also ich merke: Yeay- da hängt was dran- weiß aber nicht, was genau.)

Ich versuche also mich in andere Zustände zu bringen. 460648_web_R_B_by_Oliver Haja_pixelio.deDafür eignet sich für mich unsere Skill-Liste (auch als „Notfallkoffer“ bekannt). Darauf stehen Dinge wie: mit dem Hund spielen, spazieren gehen, mit Gemögten telefonieren, Computerspiele spielen, Icepak auflegen, diverse Übungen bei denen Muskelgruppen gezielt an- und entspannt werden, das Schreiben im Blog, etwas kochen, etwas bauen, malen, Telefonbücher zerreißen, Altglas in den Container werfen, duschen gehen, Papiere sortieren, handarbeiten.
Es geht dabei nicht um die stumpfe Ausführung dieser Tätigkeiten- nicht um Ablenkung, sondern ums Wachwerden- wieder ganz da sein- wieder in einen normalen Erregungszustand kommen.

Ich habe diese Skills lange „falsch“ angewendet, weil ich es als hilfreich empfand eine Liste abzuarbeiten. Aber das war der -ich sag mal- „positive Fehler“. So komme ich zwar in einen funktionalen Zustand, doch bin noch lange nicht klar in der Gegenwart verankert. In diesem Zustand „bin ich meine Tätigkeit“- nicht: „Ich bin mit einem Alter, in meiner Wohnung, im Jahr 2013 hier und mache Tätigkeit XY.“

Letzteres ist aber das Ziel.
Also begleite ich diese Tätigkeiten mit einer Art rationalem Mantra:
So, ich werde jetzt den Laptop anmachen- Ach guck das Bild von NakNak*- mein Passwort gebe ich ein, indem diese, diese, diese … Taste drücke, mein Desktopbild ist ein Schwan mit kleinen plüschigen Küken auf dem Rücken- Ach ja, diese innere Kraftquelle habe ich- kann ich sie spüren?- Ja, da ist sie- sie gibt mir ein Gefühl nicht verlassen zu sein- Ich öffne das Programm mit einem Klick auf dieses Symbol. Ich schreibe und verwende dieses und jenes Wort dafür. Ich stehe auf und gehe an den Kühlschrank, öffne die Tür indem ich sie anfasse und leicht ziehe. Trinke jetzt einen Schluck kalten Saft- er schmeckt nach … ist kalt und säuerlich. „Wie wird Saft eigentlich hergestellt? Was bedeutet „Konzentrat“? Uh ja Konzentration- ein gutes Ding zum Herausfinden!“. Ich schließe die Safttüte indem ich sie festhalte und den Deckel draufschraube, stelle sie in die Seitentür des Kühlschranks und schließe ihn, indem ich sie leicht andrücke. Ich mache einen Schritt- versuche mal einen Schritt auf Zehenspitzen, schicke meinen Blogartikel jetzt ins Internet. Coole Sache, dieses Internet. Wie fühle ich mich gerade? Immer noch etwas diffus- Zeitcheck mit einem Klick auf die Weltuhr. Datum stimmt mit meinem Gefühl überein- immerhin. Also jetzt- wie kommt es zu Saftkonzentraten…

So habe ich die Nacht bis etwa halb 5 Uhr morgens verbracht, bis ich wieder „klar war“ und schlafen gehen konnte. Konstriktion und Orientierung in Zeit und Raum.

Ich konnte ein als real und direkt empfundenes Wiedererleben eines Traumas verhindern und mich in ein mittleres Erregungslevel bringen.
Etwa 5 Jahre habe ich gebraucht, um den Trigger als solchen wahrzunehmen und ungefähr 3 Jahre, bis ich dieses Verhalten in solchen Situationen etablieren konnte. Dabei half mir ein Protokoll, das ich erst zusammen mit meinen Gemögten geführt habe, weil ich zu stark dissoziiert habe, um Ursache und Wirkung zu abstrahieren und dann später allein führte. Es beinhaltet die Punkte: Welches Ereignis/ Gefühl oder welche Aktivität war vor dem Flashback? Was half diesen Zustand zu beenden?

Meine Erfolgsquote der Orientierung steigt, je sicherer mein soziales Netz und meine ökomonischen Ressourcen ist. Habe ich an allen Ecken und Enden Konflikte, Existenzängste und ein (selbst-) unsicheres Grundgefühl, sinkt sie.
Es hilft mir nicht zu wissen, dass es mir helfen würde Altglas in den Container zu schmeißen, wenn ich kein Geld für Produkte im Glas habe. Genauso wenig, wie es mir hilft zu wissen, dass es mir helfen würde mit Gemögten zu telefonieren, wenn ich keine habe.

Will heißen: Skills sind nicht alles, um mit den Symptomen einer PTBS zurecht zu kommen. Es braucht Kenntnis über die Trigger und die gesicherten Möglichkeiten sie anwenden zu können- und zwar immer- egal zu welchem Zeitpunkt.

über meine Lebensrealität

15849_web_R_by_Maclatz_pixelio.deIch habe da diese Macke fürs Blindsein über mich selbst als ganzer Mensch.
Für mich sind Dinge eine Definitionsfrage, die für andere Menschen scheinbar felsenfest klar sind. Meine Lebensrealität ist eine Mischung aus unterschiedlicher Sehstärke und absoluter Blindheit.

Ich nehme Dinge in all ihrer Unsicherheit auf und passe mich ihr an. Bin permanent gezwungen dem Fakt gegenüber zu stehen, dass ich nichts beeinflussen kann- nicht einmal mein Handeln, Fühlen, Denken. Wenn ich nicht da bin, sind andere Innens da. Sie handeln manchmal in meinem Sinne, meistens jedoch in ihrem allein. Kompromisse beziehen sich allein auf einen Entsprechungs- , Anpassungs- , früher, wie heute auch Überlebensdrang. Vor allem, wenn es eine Bündelung braucht, weil es (noch) kein eigenständiges Innen gibt, das von sich aus bereits komplett darauf abgestimmt ist.

So zum Beispiel heute, der Umgang mit Menschen die uns positiv gegenüber stehen. Oder auch Menschen, die unser früheres Leben anders bewerten als wir, mitsamt allen geistig-sozialen Normen und Werten. Im flachen Miteinander gibt es Innens die daran angepasst sind. Sie nicken, lächeln, sagen was gehört werden will. Es ist ein zurechtgespaltenes Anpassen. Ohne Bezug zu dem was für andere Innens wahr und echt ist. „Das Außen lebt Wahrheit XY und erfordert die Vertretung von Norm und Wertesystem AB? – Kein Problem- finde ich auch- mache ich auch- das Außen ist Chef- ich kann das vertreten.“.

Diese Trennung der heutigen Welt mit allem was in ihr passiert, von der in der wir früher lebten, ist selten besprochen. Der Umstand beides nebeneinander stehen lassen zu müssen, weil es keine klare, wirklich ganzheitliche, Positionsentscheidung darüber gibt, ist zeitgleich quälend, wie aber doch auch schlichte Realität in unserem derzeitigen Dasein. Sie ist so sehr Alltag, dass ich sie lebe, ohne sie wirklich oft zu erwähnen oder zu hinterfragen. Oder auch zu spüren. Die Anpassung ist fertig, weil lebbar. Mehr braucht es nicht. Für mich ist es dann so wie ein Buch, das man ausgelesen hat. Inhalt ist im Kopf, man klappt es zu und legt es im Bücherregal ab.

Gestern habe ich mit unserer Therapeutin telefoniert. Am Ende sagte sie, was sie irgendwie immer sagt: „Wir sehen uns nächste Woche“. Als wäre das ein Fakt, der in jedem Fall so einträte und als gäbe es keinen Grund daran zu zweifeln. Das ist so die Sparte „Es gibt immer ein Morgen und wir werden es erleben.“

Ich weiß nicht warum, vielleicht war ich einfach entspannt und „auf“, als ich da so auf dem Schlafzimmerboden saß und den Hund am Bauch hatte, keine Ahnung. Aber ich sagte so etwas wie: „Ja, wenn wir es bis dahin schaffen, dann sehen wir uns dann.“.

Ich glaube, für sie klang das wie eine Suiziddrohung oder etwas Ähnliches. Als hätte ich gerade gesagt: „Ja das können wir uns vormerken, aber ich halte mir hier meinen Notausgang frei, mir das Leben zu nehmen, wenn ich es nicht mehr aushalte.“. Wir sprachen also kurz über Verantwortung und darüber was unser Tod so verursachen könnte. Sie sprach über Einschätzbarkeit- genau wie ich, als ich das sagte. Nur jeweils von einer anderen Grundlage aus betrachtet.
Sie folgte einem Kontrollimpuls (oder sollte ich besser sagen „Kontrollzwang, der ihr aufgedrückt wird“?) und ich deutete den zentralsten Teil meiner Lebensrealität an: in weiten Teilen des Alltags absolute Kontrolllosigkeit.

Therapeuten sollen einschätzen können, ob sich jemand das Leben nimmt oder nicht.
(By the way- ein beschissener Anspruch an Menschen in diesem Beruf, denn Suizid ist so ziemlich das Selbstbestimmteste, das es gibt für ihre Klienten- wenn sie sich dafür entscheiden, haben sie nichts damit zu tun. Die Handlung ist von Klienten geplant und durchgeführt- nicht vom Therapeuten initiiert, eingefordert oder gar durchgeführt. Nur, weil sie diese Menschen begleiten, haben sie, meiner Meinung nach, keine Verantwortung dafür. Weder, weil sie die „Profis“ sind, noch weil sie Kontakt zu ihnen hatten.)

Wir haben für die Therapie eine Vereinbarung getroffen, keinen Suizid zu begehen, solange wir bei ihr in Behandlung sind und uns zu melden, wenn es Impulse in diese Richtung gibt bzw. Hilfen in Anspruch zu nehmen, um diese Impulse im Durchbruch nach außen zu verhindern. Entsprechend dieser Vereinbarung bin ich gezwungen eine gewisse Selbstkontrolle durchzuführen, ob es diese Impulse gibt oder nicht und die Wahrscheinlichkeit für eine entsprechende Handlung nach außen einzuschätzen.
Schätze ich sie hoch ein, rufe ich bei ihr an- manchmal auch, ohne das genau so zu formulieren. Es steht immer eine Not dahinter, die auch ohne die Erwähnung von Suizidimpulsen, weniger groß erscheint, wenn wir sie ihr gegenüber ausdrücken und/ oder sortieren können.

Ich wurde fast wütend, weil ich glaubte, sie hielte es für wahrscheinlich, dass ich mir jederzeit einen Suizid quasi freihalte- anstatt meinen Wahrnehmungsalltag zu benennen.
Doch dann raunte es mich von innen an, dass sie es vielleicht einfach nicht weiß, oder gerade nicht so bewusst hat. Wir vielleicht auch einfach noch gar nicht darüber gesprochen haben, was wir Innens jeweils so wahrnehmen und erinnern im Alltag.

Ich bin eine Frontgängerin. Ich mache viel Alltag, bin nach Außen aktiv. Ich bin ein Produkt dieses Anpassungsdrangs an „die andere Welt“. Der Welt in der es Menschenrechte, Ethik, Moral und Respekt gibt. Ich vertrete diese Normen und Werte nach außen hin und kann mich einigermaßen sicher darin bewegen.
Doch von einem Tag erlebe ich etwa 10%- wenn wir aktiver sind als jetzt (also ohne Arbeit oder viel Sozialleben) sind es etwa 15-20%. Der Rest wird von den anderen gelebt- erlebt- wahrgenommen. Sie leben ihr Leben in meinem drin, oder auch nebenher. Ich erfahre davon in Stichworten im Tagebuch, finde hier und da mal etwas davon in meiner Wohnung oder bügle ihre Konflikte aus, auch ohne wirklich (als ich) damit zu tun zu haben. Es ist normal für mich. Ich rechne jeden Tag damit mit einer fetten Kaufhausrechnung konfrontiert zu sein, Dinge die mir lieb sind, zerstört, tot oder weggeworfen zu finden, den Körper verletzt, benutzt zu erfahren. Das ist einfach so der Alltag mit dissoziativen Amnesien. Alles kann passieren, jeden Tag, jeden Moment- ob ich es will oder nicht. Egal, wie ich das einschätze und es gerne hätte.
Und eben leider auch eigentlich egal, welche Absprachen ich allein mache.

Sobald eine Absprache alle von uns betrifft (auch die, die sich nicht als Teil von „uns allen“ betrachten), klappt es. Da habe ich einen Haken zum dran Festhalten, Schwung holen und Handeln. So zum Beispiel eben bei den Vereinbarungen zur Therapie. Doch eine Antisuizidvereinbarung allein bedeutet eben nicht, dass ich so ganz sicher zum nächsten Termin auch erscheine.
Natürlich habe ich noch nie einen Termin versäumt oder absagen müssen- aber es gab bereits genug Termine zu denen ich erschien, nachdem ich einige Kilometer rennen musste, um pünktlich zu sein. Etwa, weil 15 Stunden vorher jemand geflüchtet ist und ich mich irgendwo im Nirgendwo wiederfand. Oder auch Termine vor denen ich erst mal noch nicht einschätzbar lange irgendwo zu warten hatte, um etwas zu erledigen, weil es gerade der letzte Fristtag war.

Das passiert mir heute nicht mehr so oft wie früher, als es noch Zeiten gab in denen uns Täter zu Therapieterminen fuhren, oder von dort direkt mitnahmen. Als es noch Zeiten gab, in denen wir alle diesen Fakt der Selbstblindheit- der Amnesie für sich und sein Leben, als ein von Therapeuten eingeredetes Konstrukt hielten und noch viel weiter von einander weg dissoziiert waren.

Aber es passiert. Es ist wahr und echt und eben mein Alltag.
Ich habe gestern etwas gesagt wofür ich mich heute irgendwie ohrfeigen könnte, obwohl es stimmt.
„Nein, es ist nur eine Perspektivenfrage. Ich lebe mit Todesangst und sie nicht.“.
Ich hätte richtigerweise sagen müssen, dass ich mit Amnesien und Kontrollverlusten lebe. Noch richtiger, dass ich mit einem Maß von Dissoziation lebe, dass sie nicht von sich kennt.

Doch Todesangst ist auch richtig.
Wir würden nicht so viel dissoziieren, hätten wir keine Todesängste oder Ängste, die uns an Todesängste erinnern.
Wer Todesangst hat lebt ausschließlich in der Gegenwart, mit mehr oder weniger bewusstem Bezug zur Vergangenheit. Das Morgen ist immer mehr nebulöse Option, schwammiges Hoffnungsschimmern an dem man sich festzuhalten versuchen kann. Man kann das machen, man kann es tun. Wir tun das auch.

Doch wir tun das nicht in der festen Überzeugung, es auch wirklich zu erleben.
Das Morgen ist für uns noch immer die Belohnung für die Mühen das Gestern und Heute geschafft zu haben.

Kontrolle

Sie wussten immer alles von uns.
Alles was wir gemacht, gesagt- ja sogar, gedacht haben!

Überall waren diese Augen und haben uns angeguckt.
Es gab keine Türen, keine Jalousien, keine Chance auf Sicht-Schutz. Als ich mich mal im Kleiderschrank versteckt hatte, um geklautes Obst zu essen, verschwand sogar der.

[Alle Handlungen, die in deiner Gegenwart geschehen, können und werden gegen dich verwendet werden- egal, ob du selbst überhaupt verantwortlich bist oder nicht. Ich werde dich immer haben. Ich werde dich immer kriegen. Du gehörst ganz und gar mir. BÄÄÄM BÄÄÄM BÄÄÄM]

Das ist Tätermasche.
Zumindest ich, als Innen dieses Einsmenschen hier, weiß das heute. Ich weiß das, weil ich das so auch schon mal gemacht habe. So etwas guckt man sich immer ab: „Aha- wenn du Alles vom Anderen weißt, weißt du, wie du ihn beschämen und verletzen kannst. Verunsicherung schüren kannst- ihn zu Wachs in deinen Händen machen kannst und zu Dingen treiben kannst, die du willst- deine eigenen Wünsche sind dann befriedigt und alles ist gut.“.
Mein schlimmstes größtes wichtiges Bedürfnis war damals „Kontrolle (um mich zu schützen)“.

Ich habe den Menschen nachspioniert, mich in all ihre Privatangelegenheiten eingemischt, sie sich von mir abhängig fühlen lassen und dann irgendwann das Gefühl gehabt, dass sie mir nichts mehr können, weil sie ganz und gar unter meiner Aufsicht standen. Schön harmlos und ausgeliefert, wie eine Ameise unter der Lupe und nicht wie der Löwe, der mich vor die Wand stellt und jeden Moment die Kehle aufreißt, wie sie es doch für mein Gefühl vorher waren.

Privatsphäre und Grenzen sind ein schweres Thema.
Ich habe bis heute Schwierigkeiten damit, immer richtig einzuschätzen wann welche Tür zugemacht und sogar abgeschlossen werden darf. Was ich allein machen darf und was wann nicht.
Früher musste ich, zum Beispiel, um Toilettenpapier bitten und durfte es nur unter Aufsicht verwenden. Noch heute habe ich nicht das Gefühl allein zur Toilette zu gehen, auch wenn die Tür zu und abgeschlossen ist. Dass gerade dieser Bereich ein total privater ist, wurde mir erst klar, als ich ständig von Krankenhauspflegern zurechtgewiesen wurde und noch viel später meine Orientierungsliste dazu ergänzt wurde.
Ich musste mir das alles aufschreiben und neu abgucken von Menschen, die unsere Privatsphäre und auch inneren Grenzen als solche betrachtet und gewahrt haben.
Aber das Gefühl, dass andere Menschen die absolute Kontrolle über mich haben (wollen könnten), wenn sie ein bestimmtes Maß an Aufmerksamkeit auf mich richten ist geblieben.

Heute weiß ich besser, wie man diese Dinge macht. Was genau „Privatsphäre“ und „innere Grenzen“ sind. Ich weiß genau von mir, dass ich in eine Unruhe komme, wenn ich nicht genau weiß, was die anderen Innens von uns als Einsmensch erzählen. Wenn ich nicht nochmal über unsere Blogartikel und Forenbeiträge drüber gucken kann, um zu überprüfen wieviel Rückschluss auf unser Leben als Einsmensch real ziehbar ist oder wenn ich den Überblick über unsere vielen Leben nicht wenigstens rudimentär habe.
Und die anderen Innens wissen inzwischen auch, dass ich dann einen Koller kriege und unter Umständen auch ihre Leben explodieren lasse. Also schreiben wir uns solche Dinge auf, löschen unsere Korrespondenzen nicht mehr, erklären einander immer wieder neu alle Zusammenhänge- machen uns und unsere Kontakte so transparent wie es nur irgendwie geht.

Als wir noch nicht so viel voneinander wussten, flog den Innens hier regelmäßig alles um die Ohren, weil ich ausgerastet bin. Immer dann, wenn wieder irgendein Außenmensch vor mir stand und Dinge über mich (uns als Einsmensch), wusste über dessen Freigabe ich keine Information hatte. Sofort hatte ich die Täter vor Augen und fing an diese Menschen zu Ameisen zu machen. Einfach, damit meine Angst wegging und das Schreien der Innens hinter mir aufhörte.

Heute flutschen mir unsere Parallelleben nicht mehr so durch und der Trigger von „ertappt werden“, „beobachtet werden“ und „reingelegt werden, weil jemand Dinge wusste“ endet schon bei mir und geht nicht noch tiefer rein zu den anderen Innens.
Ich lebe unsere anderen Leben zwar nicht und weiß nie so wirklich genau worum es geht (die Spaltung ist da also nachwievor da), aber ich brauche mich nicht mehr so aufzuspulen und so zu handeln wie die Täter, wenn ich mich ausspioniert oder kontrolliert fühle.

Das heißt nicht, dass das nicht doch auch ein furchtbares Gefühl macht, wenn mir jemand sagt, er hätte herausfinden wollen, wer sich hinter dem Internetnamen „C. Rosenblatt“ befindet. Dass heißt nicht, dass ich mich nicht wirklich schrecklich nackt fühle, wenn mir jemand sagt, er wüsste wie ich aussehe- aber wie er aussieht, würde er mir nicht verraten. Und das heißt auch nicht, dass ich mich nicht wirklich erneut kontrolliert fühle, wenn ich bemerke, dass jemand meint mich aufgrund des Blogs und div. Forenbeiträge zu kennen. Das heißt es wirklich nicht. Es ist ein Trigger und es fühlt sich wirklich schlimm an.

Aber ich muss deshalb heute nicht mehr zum Täter werden und Gleiches anderen Menschen antun, um mich selbst zu beruhigen mit einem Kontrollgefühl. Ich habe schon die Kontrolle, die ich brauche und kann die Angst, die dahinter steht, mit allem beruhigen, was ich dazu brauche.

Und was noch gut ist: Wenn man weiß, dass das was mit Grenzen und diesen Dingen zu tun hat, dann kann man immer sagen: „Stopp! Hier ist eine Grenze und du verletzt mich!“. Das heißt nicht, dass der Andere das auch versteht und dann wirklich stoppt. Aber es ist gesagt und wenns nicht mehr weh tut und klarer ist, dann kann man sich immer noch in Ruhe überlegen, wie sehr es wehgetan hat (und immer wieder triggert) und, ob man so einen Kontakt überhaupt will.
Für sowas ist es dann praktisch, wenn man mit den anderen Innens Kontakt hat.
Ich schreib es auf- Sie wissen, dass ich einen Rappel kriege und in Stress komme- dann gucken sie sich das alles an (und können das auch, weil hier ja alles durchsichtig beguckbar ist) und dann helfen sie mir.

Hat was.
Gibt mir das Gefühl, nicht allein der Kontrolle eines Außenmenschen ausgeliefert zu sein, wie früher.

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Ebenendifferenz

Vor einer Weile zwitscherte es mich von der Seite an:

Wer die Grundlage der Lebensbedingungen eines anderen derart verkennt und auch keine Klärung zulässt, kann kein ernsthafter Gesprächspartner sein. “ (Quelle:hier )

“Wow, was für ein wahrer Satz!”, dachte ich und überlegte ihm eigens einen Dauerplatz hier einzurichten, damit ich mich immer wieder daran erinnere, was mich immer wieder aus der Bahn wirft, aber nicht allein meine Sache ist: Das Missverständnis anderer Menschen, in Bezug auf meine Lebensart und meine Lebensrealität und- was mich oft noch am meisten trifft: meine Sprache.

Ich habe großes- sehr großes Verständnis dafür, dass jemand mit mehr oder weniger intakter Fähigkeit zur Selbst- und Umwelt- Wahrnehmung, Schwierigkeiten hat, zu verstehen wie es ist, wenn diese Fähigkeit extrem eingeschränkt ist. Ja, es ist verständlich, denn was Menschen können, merken die meisten von ihnen erst dann, wenn sie es plötzlich nicht mehr oder anders oder besser können.

Das Fremdwörterbuch definiert den Begriff der Wahrnehmung als den Vorgang in dem die Sinne mittels Nervenbahnen, Reize aus der Umgebung der Menschen ins Gehirn transportieren. Das was darauf folgt nennt die Psychologie “Perzepte”, was wiederum definiert wird, als das WahrnehmungsErlebnis selbst. Diese werden mit verinnerlichen Konstrukten und/ oder Schemata abgeglichen um eingeschätzt und bewertet zu werden. (So- ich denke jetzt habe ich dann auch deutlich genug gemacht, dass ich, wenn ich Wörter benutze keine ausgedachten Definitionen verdrehe oder vermische)

Es ist, denke ich, eines der Phänomene, welches Missverständnis wachsen lässt: die Unterschiedlichkeit der Wahrnehmung, der Perzeption, der internalisierten Konstrukte und Schemata, sowie der anschließenden subjektiven Bewertung im sozio-kulturellem Kontext.

Ich beginne an der Basis: der Begriff der Wahrnehmung.
Obwohl eigentlich jeder Mensch etwas mit der ganz flachen, möglichst allgemein gültigsten Definition dessen anfangen kann und jeder weiß was gemeint, gibt es noch viele weitere Spezifizierungen und Ein-Ausgrenzungen in jeweils anderen Zusammenhängen. Solange keine Interaktion nötig wird, dient dies vor allem jenen, die sich in diesen Kontexten bewegen- nicht aber jenen, die außerhalb dessen stehen.

Bewegen sich beide Seiten aufeinander zu, wird es wichtig die Spezifikation der verwendeten Begrifflichkeiten zu lockern und allgemeiner-flacher zu verwenden. Dies wiederum verlangt eine grundsätzliche Agilität und Bereitschaft das Gegenüber auch verstehen zu wollen, bzw. verständlich zu sein.
Und dies ist ein sehr spannender Punkt, an dem ich persönlich sehr oft wünsche mehr Ausbildung meines Wissensschatzes erfahren zu haben.
Für das, was ich im Folgenden nur beschreiben und worüber ich (in erster Linie mir selbst-) erklärend mutmaßen kann, gibt es sicher bereits Namen, viele Studien und Bewertungen aus den verschiedensten Wissenschaftsbereichen. (Was zum Beispiel eine mangelnde Spezifizierung zur Folge haben kann, da ich über keine Spezialisierung verfüge und entsprechend auch keine tiefere- spezifizierende Sprache verwenden kann)

Es ist für mich so, dass ich permanent fürchte an einer Aussage festgenagelt zu werden (sehr schlau dann einen öffentlichen Blog zu führen- ja- ich weiß, aber muss jetzt mal grad aus deinem Fokus). Diese Festnagelungsangst ist eher darin begründet, dass meine Selbstwahrnehmung gestückelt ist. Es kommt häufig vor, dass mir jemand sagt: “Du hast aber gesagt…” und ich anfange mein Barbiegesicht zu machen und möglichst genauso tot und nichtssagend auszusehen, während ich versuche herauszuhören/ interpretieren/ deuten/ RATEN was mein Innenleben wann genau gesagt hat.

Ich erwarte kein Verständnis von allen meinen Gegenübern in so einer Situation. Die Menschen, die von meinen Problemen wissen, schieben ein “ich hab mich neulich noch mit… nee warst du das nicht sogar?.. über XY unterhalten und da….” dazwischen.
Die Bekannten und Fremden wissen es nicht und der einzige Vorwurf der vielleicht eventuell an manchen Stellen berechtigt sein könnte, ist der, dass sie nicht über ihre Worte und ihre Aussagen reflektieren. Sie sind nicht dazu gezwungen im Alltag und ich fordere es in der Regel nicht ein, ein bisschen Rücksicht zu nehmen.
Bekannte und Fremde mögen für sich eine grobe Vorstellung von DIS haben, doch sie haben sie nicht Bezug zu mir. Sie haben keine Kenntnis von meiner Art wahrzunehmen und können ergo in den meisten Fällen keine Gespräche mit gegenseitigem „Rundum-Verständnis“ führen.

Einmal abgesehen davon, dass es niemals und unter keinen Umständen die komplette Kongruenz der jeweilig subjektiven Wahrnehmung gibt, da jedes Gehirn die Gewichtung der Reize, die auf es einwirken, unterschiedlich vornimmt und ebenso unterschiedlich dissoziiert und wiederum anders assoziiert (Stichwort: internalisierte Schemata etc.), sollte diese Hoffnung vom Gegenüber wirklich verstanden zu werden, wohl immer mehr Antrieb als real möglich zu befriedigendes Bedürfnis sein.

Und da ist der Punkt: der Antrieb zur Kommunikation. Die Intension meines Gegenübers.
Ich bin als Mensch in einer Umgebung aufgewachsen in der es überlebensnotwendig war, jede Intension des Gegenübers punktgenau zu treffen. Dies bezog sowohl eine genaue Beobachtung des Menschen vor mir ein, sowie eine absolut perfekte Beobachtung meiner Umgebung und der Situation als solcher.
Etwas bei dem ich früher wie heute allerdings gehandicapt bin, ist die Wahrnehmung der Gesamtsituation in einem zeitlich globalen Rahmen.
Ich weiß, dass ich meine Eltern niemals korrekt einschätzen konnte, weil mir ständig Zeit fehlte. Die einzige Konstante für mich als Innen dieses Einsmenschen „C. Rosenblatt“, war: „Erkläre (eigentlich aber: Rechtfertige) dich vor mir!“
Für mich hieß das: „Saug dir möglichst etwas aus den Fingern, dass so gut wie nur irgend möglich mit dem übereinstimmt, wovon du keine Ahnung hast.“. Ich versuchte aus dem was sie mir sagten herauszuhören/ zu interpretieren/ zu deuten/ zu RATEN einen Rückschluss zu ziehen und ihnen unter Abgleichung an meine mir vorliegenden Informationen und (Körper-) Gefühle, Rede und Antwort zu stehen.

Meine Eltern haben eine Art der Kommunikation betrieben, unter der ich niemals gewinnen konnte. Doch meine Intension sie verstehen zu lassen, in dem ich mich (oder div. Umstände) erkläre, war immer da. Warum?
Weil sie in anderen Zusammenhängen so perfekt funktionierte.

Ich habe es immer geschafft andere Menschen auf ihre Worte und Formulierungen festzunageln, weil ich sie mir genau eingeprägt habe; Dinge und Situationen genauestens beobachtet und wie ein Radar feinsten Sensoren abgescannt habe. Andere Menschen (mit niedrigerem Erregungslevel- [Sidestep- meine Art die Umwelt aufzunehmen fußt auf dem sog. „Hyperarousal„: mein Adrenalinstatus ist sehr oder weniger regelmäßig so hoch, dass mein Gehirn auch tatsächlich jede Kleinigkeit aufnimmt, um meinen vermeintlichen Überlebenskampf zu sichern] ) tun dies nicht. Einmal, weil sie nicht so wie ich, gelernt haben zu kommunizieren und einmal, weil sie sich eben nicht chronisch im Hyperarousel befinden, gehen sie Kontakt mit anderen Menschen.
Ihre Basis ist eine Andere. Auch ohne, dass wir auch nur ein Wort gewechselt haben.

Aus dieser Ebenendifferenz heraus zu kommunizieren erfordert also (im günstigsten Fall) eine beiderseitige Anpassung und mindestens die gleiche Basisintension.
Doch wie erreichen?

Ich rede gern mit Therapeuten, weil sie es in der Regel schaffen, mir ein Umfeld zu generieren in dem ich aus rechtlich festgelegten Gründen nicht mit einer direkten Versehrung zu rechnen haben darf. Ergo schaltet mein Metabolismus eine Stufe herunter und ermöglicht so einen Austausch der sowohl fehlerhaft (da nicht gesamtglobal), als auch trotzdem als richtig im Sinne von wahr und glaubhaft gilt.

Im außertherapeutischen Kontext bin ich es selbst, die sich ein Umfeld schaffen muss, in dem diese Erregung nicht nötig ist. Dies gelingt mir in der Regel, wenn ich offen sagen kann, dass ich nicht über alle für diesen Austausch nötigen Informationen verfüge und sich dies nicht bessert, wenn die Anforderung an mich gestellt wird, diese zu haben.
Dieser Umstand erfordert allerdings von meinem Gegenüber eine grundlegende Haltung von Interesse und Empathie. Bleibt dies aus, gibt es ein Gespräch, dass für mein Gehirn einen weiterführenden Überlebenskampf bedeutet.

Und es ist ein Überleben, auch wenn mein physisches Wohlergehen nicht direkt gefährdet ist.

Dies ist eine wichtige Basis, die leider oft vernachlässigt wird.
Große Erregung erfordert große Kräfte.
Diese Kräfte bringt der menschliche Körper immer wieder auf- egal wie geschwächt er als solcher ist. Die Defizite treten an anderer Stelle auf und bedienen eine Dysfunktionalität in verschiedenen Bereichen.
Sei es körperliche Aktivität oder auch die Fähigkeit Zusammenhänge mittels Sprache abzuflachen, um sie verständlich zu machen. Auch die Fähigkeit sich emotional-empathisch auf das Gegenüber einzulassen, wird beeinträchtigt.

Und hier schließt sich der Kreis.
Je mehr dieser Gespräche geschehen- je mehr ich davon am Tag erlebe- desto geschwächter bin ich als Gesamtperson. Die Anpassung an solche Umstände heißt in meinem Fall, dass es vermehrte Wechsel zu anderen Innens gibt, die ihre Gesprächspartner zu „Vermeidungstänzen“ verführen bzw. selbst vermeidend kommunizieren. Es entsteht nach außen der Eindruck, dass es zum Beispiel keine Probleme, Sorgen, Nöte, Konflikte gibt.

Dies ist etwas, dass uns in der Betreuung durch Sozialarbeiter (und auch während Aufenthalten in div. Kliniken) mehr oder weniger um Hilfen gebracht hat. Ab einem Zeitpunkt ist eine Überlastung nicht mehr kommunizierbar (da genau diese gerade durch dissoziative Bewältigungsmuster kompensiert wird) und entsprechend nicht mehr erfassbar für das Gegenüber.
Es sei denn da ist jemand, der genau diese Lebensrealität und genau diese Umstände genau verstanden hat und für sich immer präsent hat.

Die Bereitschaft zu diesem selbstständig immer wieder bewusst gemachten Wissen, hängt allerdings komplett an den Menschen selbst. Für mich bedeutet dies eine Abhängigkeit par excellance- früher wie heute- , dass mir das Gegenüber auf irgendeiner Ebene seiner persönlichen Haltung wohlgesonnen meiner Person gegenüber steht. Ist er es nicht, ist es kein als sicher wahrgenommener Kontakt und ergo niemand mit dem ich mich auf einer verständnisbringenden Ebene austauchen kann. Und dies bedeutet in jedem Arbeitsverhältnis (sei es in einer Betreuung oder in einem therapeutischen Kontext), verschwendete Ressource die eigentlich zu „Hilfe“ gewandelt werden soll.

Dieser Artikel hat keinen Schluss.
Vielleicht nur ein Ende, an dem steht, was für viele BetreuerInnen, HelferInnen und auch TherapeutInnen zu beachten sein kann, wenn sie es mit Menschen zu tun haben, die (komplex) traumatisiert wurden.

Täter- und noch mehr Kontakte Teil 4

„Innenperson nimmt Täterkontakte auf“
„DIS Täterkontakt Innenperson“
„Ich verstehe nicht, wieso manche Innenpersonen von ihr, immer wieder Kontakt aufnehmen.“
„Mich beschäftigen immer wieder die täterloyalen Anteile, die Kontakte halten…“

Dies sind Suchanfragen auf das Blog und Sätze, die ich so mal aufgeschnappt habe und aus denen ich schließe, dass es eine Art Interesse an dem Aspekt gibt.
Nur leider wird mir oft nicht so klar, was genau daran interessiert.

Ist es ein Interesse an de Innenpersonen selbst?
Ist es die Frage, wie es sein kann, dass „alle“ im System „ihres Multiplen“ keinen Kontakt mehr wollen- und aber dieser Einzelne ihn immer wieder sucht?
Oder ist es die Frage, ob man trotzdem den Kontaktabbruch schaffen kann und wenn ja, wie?

Ich sehe das so: Wenn sich jemand für die Innens selbst interessiert, soll er sie fragen oder signalisieren, dass man für das offen ist, was sie so zu sagen haben. Und dann, um Himmels Willen, bitte keinen Dummtüch reden, weil man überrascht/ verwirrt/ verängstigt von dem ist, was dann da so kommt.

Was ich von unseren BÄÄÄMs so mitbekomme, lässt mich denken, dass viele von ihnen noch nicht bei uns angekommen sind. Manche „sind nicht multipel“; manche wissen, „sie müssen nur warten, bis wir zur Vernunft gekommen sind“ (und uns klar wird, dass nur die Erfüllung unserer (pseudoreligiösen) Bestimmung uns „…was auch immer…“ macht); manche sitzen auch einfach nur da und erzählen haarscharf beobachtet, „was die Helfer jetzt gerade schon wieder… und sollste mal sehen… voll die […abwertendes…]… Guck mal, wie dumm du/wir/die Anderen… XY (Täter) sagt… XY meint… XY befiehlt… Du hast… Du bist… Ich muss…“ und manche von ihnen hops(t)en auf rosaroten Wolken herum und haben keine Ahnung von der Gewalt, die andere Innens erleben oder empfinden diese Gewalt gar nicht als solche, sondern als sinnbringend, wichtig, zwingend (und legitim) oder sogar richtig gut.

Dass wir nie eine Lehrbuchtraumatherapie gemacht haben ist, denke ich, irgendwie schon klar geworden, nicht wahr? Wir haben bis jetzt nicht konkret mit den BÄÄMs gearbeitet, sondern nur zurechtgespalten, dass wir von einem Umfeld angenommen werden, welches das, wofür sie einstehen oder was sie gut und wichtig finden, verurteilt bzw. mindestens ablehnt. Geht auch (Ergebnis dessen, kann in diversen Artikeln geguckt werden. Würd ich als Dauerzustand nicht empfehlen- vgl. hierzu unser aktuell schleichendes Sterben, dass wir mit toll wichtigen Artikeln und Produktivität in alle Richtungen erträglich zu gestalten versuchen*.).

Was wir aber schon durch haben, ist die Ebene der MittelBÄÄÄMs, die damals den realen Gewaltkontakt und den Kontakt zur Familie* gesucht haben und um die wird es im Folgenden gehen. Wenn wir unsere aktuelle Hölle dann überlebt haben, kommt der Rest. Wenn nicht, muss halt jemand anders ran.

Also.
MittelBÄÄÄMs nennen wir Innens, die nie Gewalt erlebt haben; die Gewalt an sich als normal einstufen und Innens, die über die Gewalt(menge/art) Annahme (Liebe zu ihnen) definieren und deshalb die Täter als nicht „böse/ schlecht/ negativ“ einstufen.
Wieso sollte Mensch auch einfach nicht mehr zu jemandem gehen und zu jemandem halten und ihn verteidigen, wenn er einem nie etwas getan hat, sondern im Gegenteil immer Schönes hat erleben lassen? Und wieso sollte Mensch sich um das Elend anderer (Fremder) kümmern, wenn es einem selbst doch gut geht?

Hier war es wieder der mit uns verbundene Mensch, der sich immer wieder aus dem Stand heraus aufgeregt und seine Empfindungen und Gedanken zu Verletzungen durch Täter an unserem Körper deutlich und offen zum Ausdruck gebracht hat, welcher eine Sortierung für uns alle ermöglichte.
Es ist nicht so, dass wir nie zuvor Kommentare oder Worte zu Verletzungen am Körper gehört hätten. Besser gesagt: Es ist ja nicht so, dass die Ohren unserer biologischen Behausung vorher nie etwas zu den gewaltbedingten Verletzungen gehört hätten. Aber es ist ein Unterschied, ob ein sachlich- anklagend- genervt- gestresster Notaufnahmearzt einen anguckt, wegguckt, und dem Zettel des Kurzberichtes sagt: „kühlen, schonen, in 10 Tagen zur Kontrolle“ oder, ob jemand einem das Shirt hochschiebt und fragt, obs weh tut und ob man weiß, wo es herkommt, was gewesen ist und laut seine Gedankengänge sagt (und obendrein fragt, ob mans versorgen (helfen) darf oder nicht und obs okay fürs Innen ist, wenn mans tut usw.).475215_web_R_by_Günter Havlena_pixelio.de(1)

Auch wenn es bei uns genug Innens gab, die über diese Fragen (und auch Gedankengänge) die Wände auf 4 Beinen hochgegangen sind, gab es auch immer Innens (darunter eben auch die MittelBÄÄÄMs) die zugehört und gemerkt haben: „Oh- Ach guck mal an. So ne Reaktion kanns also auch geben. Hm. Okay…? Guck ich mir mal genauer an…. vielleicht eventuell… also mal so … einfach nur so… wie ich halt will… Ich muss ja aber nicht… merkt der Mensch ja nicht… vielleicht haut der ja auch wieder ab und es ist eh alles nur gelogen… aber, naja- ich kann ja gucken… so von hier aus… ob der Mensch Recht hat oder nicht, ob das was mit mir zu tun hat oder nicht…“

In Kombination mit vielen anderen Situationen/ Umständen in denen der Mensch dann Recht hatte und etwas aufgezeigt hat, was tatsächlich mit uns allen zu tun hat, gab es dann langsam eine Entwicklung dahin, dessen Ansicht anzunehmen. Mindestens einfach erst mal so hinzunehmen und für sich zu überprüfen.

Das war dann zum Beispiel der Hinweis an ein Innenkind, das keine Schmerzen empfindet und entsprechend halsbrecherisch auf der Couchlehne herumturnte oder „mal eben so“ eine Luftrolle vom Bett runter machen wollte, vorsichtig zu sein, weil es selbst zwar keinen Schmerz fühlt- die anderen Innens aber schon (vom Schaden am Körper, der uns alle beherbergt einmal ganz abgesehen). Oder auch der Hinweis an eine junge Frau die uns Innens „aushungern“ wollte, dass die Innens ein Teil von etwas sind, das zu ihr gehört und nichts direkt mit dem Körper zu tun hat (sondern mit etwas, das eben durch den Hunger zwar beeinflussbar- aber nicht wegmachbar ist). Der immer wieder kommende Hinweis auf die Weiblichkeit des Körpers, der Hinweis auf die Biographie, der Hinweis auf die Konfektionsgröße… (Eines Tages stand Frau Rosenblatt dann tatsächlich mal im Schuhladen und ließ sich Schuhe zeigen, die von etwa 5 jährigen Kindern getragen werden und hielt sich diese neben die eigenen Schuhe. Sie machte ein inneres Foto davon und holte sich das immer mal wieder ins Bewusstsein zurück.)

Die MittelBÄÄÄMs konnten von ihrer Sicht erzählen, mal hier was fallen lassen, mal da was erwähnen. Ein direktes Gespräch hat keiner von ihnen gesucht, bis zu dem Moment in dem sich der verbündete Mensch dann mal darüber aufgeregt hat, immer nur so Fetzen zu hören und nicht zu wissen, vom wem von uns die denn nun kommen. Gut- man muss sich nicht gleich darüber aufregen, aber irgendwie war es schon gut auch zu merken: „Ah okay das ist jetzt hier nicht nur so therapeutenlike- blablabla- Plattitüde: „Es interessiert mich, was sie zu sagen haben- aber eigentlich will ich nur hören, was ich hören will, ihnen gegenüber aber nicht sage. weil ich weiß, dass…“ (Sorry- liebe Helfer- aber manche von Ihnen machen das echt so und sind grotte wenns darum geht, genau das zu verstecken), sondern der Mensch da will es echt hören und wissen und verstehen- Wooooaaa!“.

Unterm Strich geht es also um den Bereich der Selbstwirksamkeit und einander kennenlernen, wahrnehmen, etwas über „die Anderen“ zu erfahren.
Wenn jemand merken kann: „Was ich tue hat Auswirkungen (auf mich und andere) und es gibt eine Reaktion (die positiv oder eben negativ ist)“ ist der Kreis von Ursache und Wirkung geschlossen.
Wenn ein Innen das nicht klar hat (und das geht nun mal nicht, wenn man vom Leben als Einsmensch vielleicht 10% direkt als zu sich selbst zugehörig empfindend (erinnerbar/nachfühlbar etc.) gelebt hat), dann gibt es für sie auch keinen Grund sich damit auseinanderzusetzen, was in ihrem Leben gut oder schlecht ist. Besser noch- wenn man nicht einmal mitbekommt, DASS man eben nur 10% seines Leben überhaupt wirklich und wahrhaftig erlebt- wie soll so jemand überhaupt auf die Idee kommen, dass es noch 90% Rest gibt?

Um diese Selbstwahrnehmung zu fördern, hilft uns auch bis heute gestalterisches oder handwerkliches Schaffen. Dazu gehören eben das Gewerke hier, das Tagebuch, der Blog, die Foren… alles wo wir Spuren lassen. Oder eben auch ganz schlichte Aktivitäten mit anderen Menschen (Wobei- einen Abstrich mache ich da: Solche Gesprächsgruppen, zum Beispiel in der Klinik, helfen nur bedingt- irgendwie ist das immer so etwas, dass so diese Anpassungsschiene an schiefe Sozialkonventionen verstärkt. Heißt: Es tauchen da Innens auf, die das Setting und die Themen aushalten können und der Rest von uns hat keine Chance irgendwas Neues zu lernen oder einfach so wahrzunehmen. Es ist ja immer das Gleiche- wie beim Straßenbahnfahren: Hingehen sitzen, Oberflächenblabla machen und wieder weggehen. Ich weiß nicht- entweder machen wir da immer irgendwas falsch oder das ist einfach irgendwie nur genau für sowas da.).

Naja und dann die Umsetzung.
Wir haben damals irgendwann mit diesen Innens, die immer nur gute Dinge mit den Menschen früher erlebt haben, einen Pakt geschlossen, dass wir einander einfach so stehen lassen und uns für einander aufmachen, wenn keiner mehr bei uns Angst hat. Also so nach dem Motto: Wenn hier richtig Ruhe und Sicherheit für alle ist (und so, dass das für alle auch als Ruhe und Sicherheit gefühlt ist), dann versuche ich deine guten Erlebnisse zu begucken und du versuchst meine schlimmen Erlebnisse zu begucken. Versprochen für alle! Aber erst mal- guck hier ist jemand der noch richtig schlimme Angst hat und guck mal der da, dem gehts auch noch sehr schlecht… Lass uns die mal irgendwie erst versorgen…“. Dadurch, dass wir damals richtig viel in Kontakt mit einer Außenperson waren, konnten sich beide Seiten sicher sein, dass auch noch jemand anderes bemerkt, wenn jemand von uns in Not ist, wenn wir gerade (noch) dafür blind sind, so dass dieses gegenseitige Versprechen auch auf einer Basis stand. Und wir hatten ja nun langsam auch gelernt, wie man sich um einander kümmern kann. Wie man mit Angst einigermaßen zurecht kommt, was „sich etwas Gutes tun“ heißen kann, ohne, dass hier gleich die VERBOTEN-Schilder hochknallen und so weiter.
Nebenbei wurde ja auch durch gerade diesen Kontakt (und auch den Kontakt mit den Helfern und Therapeuten) gezeigt, dass Zuneigung, Fürsorge und Interesse nicht bei allen Menschen in der Anzahl der Schläge oder im Ausmaß des Schmerzes gemessen wird. Das war für die Innens, die vorher so dachten sehr wichtig (und neu und gruselig und erst mal konnten sie das gar nicht glauben und mussten das austesten und ach ach ach).

Dies war eine Entwicklung, die so nebenher mitten im Beieinander- Miteinander sein (und in der Tagesklinik) passiert ist.
Man hätte sich in der Zeit noch eine Million mal vor uns stellen können und diese neuen Wahrheiten kopfisch in uns einbringen wollen.
(Ein Buch und du hast diese Wahrheiten kopfisch in dir- aber um den Kopf gehts bei sowas nicht- auch eine Schleife von der wir aber bis heute nicht so wirklich kuriert sind *räusper*).
Die Versuche sich von den gewaltvollen Täterkontakten zu lösen sind so lange gescheitert bis es genug Innens für einen tragfähigen Pakt gab. Wir hätten niemals das Angebot des verbündeten Menschen annehmen können, um bei ihm unterzukommen und hätten die Zeit danach ebenfalls never ever- egal wie isoliert und technisch abgesichert und haste nicht gesehen- man uns untergebracht hätte, auch nur einen Tag so überstanden, wenn wir innen nicht soweit gewesen wären, dieses Ziel (Angstfreiheit und Sicherheit und Ruhe für alle, damit man einander irgendwann zeigen (und anerkennen) kann, was man (üb)erlebt hat) miteinander tatsächlich erreichen zu wollen.

Das braucht Zeit.
Geduld, Kraft, Hoffnung, Mut, innere Überzeugung auf allen Seiten, dass das schaffbar ist; immer wieder Resilienz ohne Ende, wenn es zum x-ten Mal zum Kontakt kam und man zum x-ten mal denkt, es nicht zu schaffen und sich zu fragen, wozu man das Ganze eigentlich macht und natürlich braucht es das auf allen Seiten. Nicht nur wir mussten das aufbringen, sondern auch der Mensch an unserer Seite.
Ziele zu haben, die alle betreffen und die auch viele als genau solche empfinden, hat sich für uns, als ziemlich schwierig herausgestellt. So blieb erst mal nur der benannte Pakt und anderes wurde als „optionale Ausschmückung“ nebendran geheftet.

Ich weiß bis heute nicht, was für (gute oder auch schlimme) Erfahrungen manche Innens gemacht haben, die sie bewegt haben mich bei dem Kraftakt „Gewaltkontakte beenden“ zu unterstützen, weil sie sie mir irgendwann zeigen dürfen. Aber ich weiß, dass ich jetzt immerhin eine reale Chance darauf habe, was ich vorher nicht hatte. Dafür hat es sich bis jetzt gelohnt und war für uns auch „den Schmerz wert“.

Fortsetzung folgt

*Ja uns gehts echt schlecht zur Zeit. So schlecht, dass wir das „schleichendes Sterben“ nennen.

Täter- Angst!- Kontakte Teil 3

Und dann ist da die Angst.

Angst ist hochgiftig und mitunter tödlich. Das weiß jeder, der mal wild durch einen Hühnerstall getobt ist oder Aquarienfische zum Umsetzen einfangen musste. Wird es zu viel für den Organismus, ist eben Ende.

Menschen die immer wieder Traumatisierungen erleben, passen sich auf verschiedene Arten an die Angst an. Manche „haben dann eben keine mehr“, manche werden Profivermeidungstänzer und manche agieren dann „plötzlich mit übermenschlicher Kraft“.
So ein Angstdorn vorm Täter sitzt ganz gern im Fleisch und fängt an Wurzeln zu schlagen. Die Blüten der Angstpflanze hat viele Gesichter und früher oder später treten Einzelne davon immer offen ans Licht.

Angstblüten stinken ganz erbärmlich.427490_web_R_K_by_Lizzy Tewordt_pixelio.de
Unsere erste Angstblüte war selbstverletzendes Verhalten par excellence in Form einer Essstörung und selbst zugefügten Wunden. [Etwas, das ich immer wieder nicht verstehe ist, dass die ersten Erklärungen von außen für so ein Verhalten in Ebenen der Betroffenen und deren Alltagsleben gesucht werden, die natürlich nicht außen vor bleiben sollten, doch den Kern unberührt lassen. Meiner Meinung nach ist der Grund für so ziemlich jede Unter- Nebenart von „Wahnsinn“ oder „psychischer Krankheit“ schlicht Angst und die Versuche mit ihr irgendwie um zugehen. Das Stigma des „psychisch Kranken“ hilft dabei übrigens überhaupt nicht!]

Was das mit Täterkontakten zu tun hat?
Na- schnuppern Sie gerne an stinkenden Blumen, wenn Sie nicht gerade der Züchter selbiger sind?

Wer es richtig gut drauf hat, Ängste zu sähen, zu pflegen, zu nähren und in ihrer Entwicklung zu beeinflussen, der wird ihre Früchte genießen und nutzen können. Im Bereich der organisierten/ rituellen/ ritualisierten/ lange anhaltenden Gewalt finden sich außerordentlich versierte Angstpflanzenzüchter.
Sie schaffen es vor Allem und Jedem Angst zu verbreiten. Sei es durch schmerzhafte „Strafen“, durch gezielte Folterungen, Erpressung, Drohungen (die ab und an wahrgemacht werden) oder durch Nutzung der derzeit absolut opfer(frauen)feindlichen Gesellschaftsstrukturen.

Wie man Ängsten begegnet ist klar: Man schaut sie sich an, findet heraus, worum es bei der Angst geht, wägt ab, wie berechtigt oder unberechtigt sie ist und probiert herum, welches (andere- nicht/ weniger destruktive) Agieren, oder auch welches Agieren anderer Menschen, oder auch welche Umwelteinflüsse sie positiv im Sinne einer Linderung beeinflussen.

Wie soll ein Mensch der evtl. von Geburt an gelernt hat, dass seine Angst nur dann erträglich wird (oder gar nicht aufkommt), wenn er tut, was der Täter sagt? Wenn er vielleicht sogar noch irgendwann Angst vor Ängsten oder Angst vor Ängsten die wiederum Ängste aufkommen lassen entwickelt hat- ohne überhaupt sagen zu können, worum es dabei eigentlich geht, weil es dissoziative Barrieren gibt?
Schönes Beispiel unsere Frontfrau.
Sie hat bis heute kaum mehr als ein bedrohliches Dämmern, wenn es um Dinge unserer Biographie geht, die vor dem sechzehnten Lebensjahr geschahen. Aber Angst ohne Ende. Das ist dann mal ein Puzzle, das hier rum liegt und für ein anderes Innen eine Assoziation mit einem Erlebnis aus eben jenem Zeitabschnitt ermöglicht. Die Frontfrau kriegt diese Verbindung nicht hin- weiß aber, dass sie sich mindestens davon bedroht fühlt. Dann kommt da die Lernkette: „Immer, wenn in mir etwas dämmert verliere ich Zeit“- „Immer wenn ich Zeit verliere, tue ich Dinge, die gar nicht meiner Meinung/ Wunsch/ Naturell/ Fähigkeiten entsprechen“- „Diese Dinge kann ich nicht erklären und erst recht nicht so in der Form erinnern/ wiederholen geschweige denn (vor mir selbst) rechtfertigen“- „Ich bin in der Falle (werde nie entsprechen können)“- „Alles ist aus“
Dies macht in unserem Gesamthirn einen Wechsel- da dies die Art tödlicher Angst ist, vor der es sich zu schützen gilt.

Ein ähnliches Wechselmuster gibt es bei Multiplen mit Täterkontakten. Ob gezielt eingebrachte oder schlicht Personen- Umstandsgebundene Trigger: die Folge ist ein Schutzversuch- der Versuch seine (sehr berechtigte und sich ja immer wieder neu bestätigende) Angst zu verhindern (bzw. zu lindern).

Ich schrieb es im ersten Teil. Die Dränge…
Phoa wir hatten so eine Angst verdammt und immer wieder haben wir versucht das altbekannte Muster zur Linderung dieser Ängste zu fahren.
„Schnell hin- anrufen- Besuche machen- alles und alle beschwichtigen- hier nimm mich- da, du kannst mich haben und alles ist wieder „gut“.“
„Okay, jetzt war ich nicht da- jetzt sollte ich mich opfern- besser ich machs jetzt bevor…“
„Ich habs nicht gemacht- Jetzt wird XY passieren- ganz sicher- ich habs ja mit eigenen Augen….“
„Ich bin noch immer da ich minderwertiges Stück Dreck- ich bin….ich muss- ich sollte- es wird sicher…“
„Sie werden mich hassen… meine lieben… sie werden enttäuscht sein- ich will sie doch nie enttäuschen….“
Die Liste ist so lang und dies hier ist nur ein Abriss.

Die Angst ist pur gewesen. Da gab es schlicht keinen Platz für Rationalität.
Daumen hoch oder runter. Nur das diesmal, dort in diesem geschützten Rahmen, mit jemandem an unserer Seite nicht die Entität des Imperators* saß, sondern einzig meine ekelhaft stinkende Angstdiktator*pflanze.
Ich glaube heute, dass die Schmerzen, die wir während des ersten depressiven Schubs hatten, eine Art Vergiftungserscheinung waren.
(Depressionen lassen einen nicht nur so fühlen als sei man „irgendwie tot“- im Gehirn passiert dann auch real nicht viel mehr als das Sparprogramm)
Die Möglichkeit zu erfahren, dass keine der Ängste (und Überzeugungen) die in uns tobten von außen her bestätigt wurden, war es die uns sehr half. Nun hatten wir einmal erfahren, dass uns an der Seite dieses Menschen und in seiner Obhut nichts von dem geschah, was wir befürchteten und es gab einen kleinen Bruch in der Lernkette, der sich immer weiter vertiefte je länger wir durchhielten und den wir immer deutlicher (und mehr von uns) spürten.

Ich hätte mir in der Zeit sehr gewünscht, dass uns unsere Therapeutin oder auch unsere Psychiaterin näher gestanden hätten, als sie es taten. Das was wir da betrieben haben, war ein Blindflug und weder wir noch unser mit uns verbündeter Mensch, hatte wirklich eine Ahnung, wann diese Angsthölle durchgestanden sein würde, was genau eigentlich gerade passiert und so weiter. Doch unsere Angst vor Menschen in helfender Position und auch die dissoziativen Barrieren rund um die Frontfrau, verhinderten eine klare Kommunikation der Gesamtumstände. Es gab leider keine Vernetzung zwischen den Behandlern, den Betreuern und unseren Verbündeten. Ich bin darüber noch immer wütend und auch traurig, weil es mit diesem Wissen im Nacken schwer fällt andere Betroffene davon zu überzeugen, dass es sich lohnt sein Helfernetz so weit und eng wie nur irgend möglich zu spannen. Ich habe ja erlebt an was für Eitelkeiten und Unbeeinflussbarkeiten genau dies scheitern kann.

Wie gesagt- das war für uns nicht das Ende des „Täterkontaktes“, aber es war das Ende des „den gewaltvollen Täterkontakt- Suchens, weil man Angst hat (und einer Verpflichtung nachgeht, um Schlimmeres zu verhindern)“. In der Folge riefen wir auf jeden Anruf mit fremder Nummer (die übrigens nie zurückrufbar waren), auf jeden Zettel, jede seltsame Begegnung bei unseren Verbündeten an, statt dort, wo man es von uns erwartete. Die Angst war plötzlich nicht mehr pur und radikal. Da gab es langsam ein Zeitfenster von ein paar Minuten und die konnten wir nutzen um unser Netz abzutelefonieren- um dann beim Ersten, der abnahm abzuschmieren- logisch. Aber! Wir sind nicht bei einem Täter abgeschmiert, sondern bei Menschen, die diese Ängste beruhigen helfen konnten durch die Erinnerung daran, dass schon so und so lange nichts passiert ist, dass das und das Ding einfach gegen sämtliche Logik und Naturgesetze wäre… und so weiter.
(Und hier ein Seitenhieb den ich mir dann doch nicht verkneifen will: Helfer mit Telefonsprechzeiten und striktem Kontaktreglement, die gleichzeitig drängeln Täterkontakte zu beenden…. wunderbar! Einfach wunderbar. 24 Stunden Erreichbarkeit ist nicht erforderlich. Aber zu vermitteln, dass der Klient bitte exakt Donnerstags zwischen 14 und 14:30 Uhr seine Krise zu planen hat und sonst nicht stören soll- sorry, dass ist dumm und hilft nicht.)

4 Monate durchgängig und intensiv in jeder Beziehung zu lernen, dass jeder Unwille von uns zu respektieren ist (und zwar von jedem Menschen), zu lernen, dass nichts von den ganzen furchtbaren Befürchtungen eintrat, von denen viele von uns überzeugt waren (und manche trotzdem noch immer sind!) und ganz direkt und nah zu erfahren, dass wir einfach mal so sein gelassen werden, wie wir sind, hat geholfen.

Fortsetzung folgt

*der Imperator ist der Befehlshaber übers Militär gewesen- der Diktator ist Befehlshaber über den gesamten Staat…*

Das Tagebuch. Sein Sinn und das, was sonst noch damit zu tun hat

Das Tagebuch ist wieder da.

Vor ein paar Wochen- oder Monaten?- war es verschwunden. Zerrissen, verboten, Hoheitsgebiet der BÄÄÄMs.
Es gab wieder Listen und Zettel. Aber natürlich nicht vom Block oder in einem Heft, denn Besitz ist so eine Sache im Denken der BÄÄÄMs.
Bonbonpapier, Verpackungsmaterial, die eigene Haut, ein Zeitungsfetzen, die Rückseite eines Kassenbons… alles wurde zum versteckten Plätzchen. Kontakt- und Suchanzeige nach innen. Mahnmal und sichtbare Drohung. Erinnerung an das zu füllende Alltagsgeschehen.

Wenn wir eines führen ist mehr Überblick möglich.
Symptome die sich häufen oder abnehmen; das Gewicht, eine Dokumentation der Verletzungen und der Versuch sie zu versorgen. Die Finanzen, Ämtergänge, Jobangebote und Arbeit die bereits gemacht wird. Wann wer was gegessen hat, wann der Körper wie lange geschlafen hat (oder es ein „schlafen“ war). Wann NakNak* Auslauf hatte und wie viel. Wo und evtl. mit wem und wenn ja, was dort besprochen wurde. Welche Menschen mich in Zukunft vielleicht anrufen und warum. Welche Einstellungen wann, warum und wie am Blog vorgenommen wurden. Welche Kleidung/ Bücher/ Gewerke wann an wen und über welches Portal verkauft, gekauft oder getauscht wurde.
Wer was denkt. Was wer fühlt. Was wer warum gemacht oder gedacht oder gesagt hat. Die Therapie mit allem was sie aufwirbelt oder niedertritt.
Unser ganzes (Er)Leben steckt in diesen meist billigen Chinakladden von denen im Monat etwa 2-3 vollgeschrieben werden. Sie sind vergänglich und nur begrenzt wichtig.

Unser Tagebuch ist wie ein Liveticker im Sportkanal: Einmal benutzt, vielleicht zweimal oder dreimal, dann ist das, was darin erwähnt wird, schon wieder nicht mehr aktuell.
Es eignet sich nicht zur Analyse eines Gesamtzustandes, weil es mehr Konstruktion einer Gesamtheit ist, als die Dokumentation des Erlebens einer Gesamtheit.

Als de Diagnose gestellt wurde, hatte uns die Therapeutin damals gesagt, wir sollen doch mal versuchen eines zu führen. Ich meine, es war nach einer Stunde in der ich wieder einmal nicht mehr sagen konnte als „alles scheiße“; zwischen den verschiedenen Gedanken und Impulsen nicht trennen konnte und direkt konfrontiert war mit dem Verlust von 3 Wochen Zeit.264967_web_R_by_BirgitH_pixelio.de Ich dachte damals, sie meinte eine Art Tagebuch in dem es Einträge gibt á lá „Heute habe mir ein Eis gekauft. Es war lecker. Mir gehts gut, morgen fahre ich in den Zoo.“. Und ich unterstelle der Therapeutin von damals einfach mal, dass sie etwas in der Art auch im Kopf hatte.
Ich scheiterte natürlich mit Pauken und Trompeten an der Aufgabe und irgendwann gab es auch eine gewisse Resignation. Gut, dann eben kein Tagebuch das schön alles zusammenfasst. Und irgendwann, irgendwo zwischen der Entwicklung von Hospitalismus als Nebenschauplatz und dem infernalischem Chaos, das auf die Entlassung und die Umsiedlung hier in diese Stadt folgten, endeten auch die Bemühungen Erlebnisse, Gedanken, Gefühle und Wünsche festzuhalten. Und sei es nur auf der unbedruckten Ecke einer Buchseite.
Das Außen war durcheinander und desinteressiert, später sogar offen demütigend und gespalten. Wir wurden missachtet und trugen alles ins Innen hinein.
Erst viel später dann, erklärte uns die Kliniktherapeutin hier, wie ein Tagebuch richtig aussehen könnte. Was wir für Möglichkeiten testen und für uns erkunden könnten.
Es war nur eine Stunde und das Thema war als solches gar nicht explizit auf dem Tisch, aber die Nebensätze: „Nehmen sie einfach was kommt und tun Sie es da rein“ und „geschrieben oder gemalt oder geklebt… “ fielen und sie blieben bei mir.
So brauchten wir nur noch die 2 jährige Schleife, bis wir uns den Besitz von Kladdenbüchern erlauben konnten und konnten dann aber loslegen.

Und doch. Trotz dem das Schreiben eines Tagesbuches etwas ist, dass uns sehr hilft und zeitweise gut tut, ist es bis heute Nichts, das wir für uns tun. Es geht dabei nicht um ein seelisches Gleichgewicht oder einer Art Ordnung des Lebens. Es geht bis heute darum, besonders gut so tun zu können, als gäbe es keine Amnesien und als gäbe es eine Ordnung, die man analysieren und für sich nutzen könnte. Es ist ein Kontrollversuch durch striktes Protokoll.
Es ist für uns manchmal nur nützlich, weil es für unsere Therapeuten nützlich ist.

Manche Menschen führen ein Tagebuch, um Abstand zu ihren Erlebnissen zu bekommen. Ihre Probleme und Konflikte objektiver betrachten zu können.
Dadurch, dass wir einander und die Dinge, die wir jeweils tun bereits als objektiv und voneinander unabhängig erleben, sind wir- auch wenn wir es so aufgezeichnet vor uns liegen haben, nicht in der Lage die Einträge als etwas zu betrachten, das einen Verlauf oder eine Entwicklung noch objektiver darstellt. Dies ist vielleicht sogar Stoff für geistige Hochglanzdiskussionen: Wieviel objektiver kann Objektivität in Bezug auf eigentlich ganz subjektive Erlebensweisen sein? Ist der Anspruch einer Objektivität nicht erst dann gerechtfertigt, wenn ich die Dinge grundlegend als subjektiv betrachte?

Jedenfalls ist es jetzt wieder da. Nicht für uns oder weil wir es so dringend wollten. (Wollen dürfen.. oy vey was für ein Thema gerade im Moment!) Sondern, weil unsere jetzige Therapeutin endlich von ihrer Autorität Gebrauch gemacht hat. Ziemlich peinlich, nicht wahr?
Da sitzt man da und redet so vor sich hin, lässt sie teilhaben am stetig tiefer kreiselndem Weltendreh im Innen und hofft und wartet doch irgendwie, dass sie in diesem beängstigend strengen Tonfall sagt, dass man das und das (Guttuende, Hilfreiche) gefälligst nicht aufzugeben bzw. von sich wegzuschmeißen habe. Das man gefälligst zum Arzt gehen solle, dass man gefälligst die getroffenen Absprachen einzuhalten habe. Einfach nur, weil es bis heute mehr gilt, wenn jemand Außen (der per se einfach, weil er nicht man selbst ist, eine nicht zu hinterfragende/ bekämpfende Autorität stellt) etwas bestimmt, als wenn wir selbst etwas für uns bestimmen.

Das Tagebuch fällt in die Kategorie „mitarbeiten“.
In der Therapie und im sozialen Miteinander allgemein, ist es hinderlich amnestisch zu sein.Und es ist unsagbar peinlich dies zuzugeben.
Außerdem ist es ein Zeitfresser.
Eine Therapiestunde hat 50 min, die Krankenkasse bewilligt im Schnitt 120 davon.
Würden wir in jeder Stunde damit befasst sein, die Amnesie des Alltags (nur des Alltags und der aktuellen Lebensrealität) auszugleichen, wäre das Ergebnis vermutlich die Erkenntnis: „Wow ich bin multipel und meine ganzen Parallelleben sehen so und so und so aus.“ Badabing badabumm- für diese Erkenntnis bin ich aber gar nicht da.
Ich will ja lernen, wie ich das Ganze als zu mir gehörig erlebe und erinnere (es überhaupt erinnern zu wollen ist, denke ich, logisch), in der Hoffnung, dass dies dann irgendwann dazu führt, dass der ganze somatische Kladderadatsch aufhören kann, mich kaputt zu machen.
Also ist das Führen eines Tagebuches eigentlich der Teil Therapiearbeit den wir unbegleitet (und teilweise auch ungeschützt) machen (müssen).

Mein neues Tagebuch ist jetzt 8 Tage alt und ich bin entsetzt.
Hatte ich neulich in einem Chat noch gewitzelt, dass „wir das mit dem multipel sein, irgendwie grad viel zu gut machen“, sehe ich nun, wie weit wir wieder auseinander driften können, wenn es nötig erscheint. Was für eine Suizidalität, Verzweiflung, Todesangst, aber auch tiefe Hoffnung, Kampfgeist und Menschenliebe in meinem Innen vor sich hin brütet und sich gegenseitig einen Schützengrabenkrieg liefert. Wie viele Tote es bereits gegeben hat und was für neue Soldaten der Entwicklung inbegriffen sind.
Und das, obwohl draußen die Sonne scheint, uns niemand von außen Gewalt antut, viele neue tolle Chancen und uns guttuende Kontakte da sind… wir doch verdammt nochmal einfach nur zugreifen müssten.
Irgendwie tut mir das weh.*
Und ganz eigentlich merke ich an mir, dass ich, einfach nur um diesen Schmerz nicht zu fühlen, das Tagebuch gern schon wieder weggeschmissen haben will.

P.S. Das Blog könnte man wohl auch als Tagebuch begreifen, doch da es- bei aller Nähe und anscheinender Kohärenz- in der Regel von Einzelnen mit lediglich dem Innen, das gut schreiben kann, zusammen geführt wird, ist es mehr Prisma, als global umfassendes Ausführen. Man bekommt hier lediglich Eindrücke, Ideen und Gedanken von Einzelnen von uns zu lesen. Man kann sich wohl seine Gedanken machen, wie unser Leben wohl so aussieht, doch es würde nicht gelingen. Es ist eben doch nur die Reflektion eines einzelnen kleinen Spiegels

P.P.S. Eigentlich… das fällt mir gerade noch so ein, sollte ich vielleicht doch mal ein Tagebuch von heute aufbewahren.
Vielleicht schaffen wir es ja doch uns irgendwie zu integrieren und später ein Tagebuch zu führen, das nicht aus lauter Snippets besteht.
Es wäre vielleicht interessant beide vergleichend zu betrachten.

P.P.P.S. (ja heute lange ich hier richtig zu) *Edit: Den Bezug zu mir selbst habe ich beim Lesen überwiegend „kopfisch“, da ich weiß, dass mein Körper das geschrieben hat.  Erlebten Schmerz fühle ich im Moment, eher als „Hauch der mir zu nahe kommt“