Die erste Etappe – Radtour 2021

Ich trage keine Kopfhörer, der Fahrtwind ist mein Auftaktgeber. Wir haben gebummelt, sind eine Stunde später als geplant los, es ist okay so. Kein Zielstress. Möglichst gar kein Stress. Dann erschreckt mich das Navi mit seiner Ansage.

Unsere erste Etappe besteht hauptsächlich darin, die eigentliche Tourstrecke zu erreichen. Es sind 20 Kilometer bis dahin, danach sind es noch mehr als doppelt so viele bis zum ersten offiziellen Ziel. Ich merke meinen Kopf leer werden, spüre jemand anderen, freue mich über dessen Neugier auf die Fährfahrt, die mir eher Sorge bereitet.

Blick von einer Fähre über die Weser.

Unser Weg führt durch eine Nadelbaumplantage. Ein Reh steht auf dem Weg und beobachtet mich eine Weile bevor es weghüpft. Später sehen wir ein Eichhörnchen, das durchs hohe Gras hüpft wie eine Antilope. Und noch später eins, das im Baum sitzt und etwas zerknuspert.

Der Weg ist gut, das Wetter perfekt. Wir sind überwiegend allein, treffen nur auf andere Menschen, wenn sie uns überholen. Was nicht schwer ist, denn wir channeln die Schnecke als unsere mentale Tempovorgabe.

Wir machen eine Pause an einer alten Mühle, neben einem Pfeiler, in die Erde gerammt 16hundertirgendwann. NakNak* ist müde, will nicht einschlafen, ich bin müde, will es nicht zugeben. Google Maps wollte uns schon wieder mit einem Streckenvorschlag umbringen, der Umweg führte 16 extra Kilometer durch Wäldchen mit Sandwegen und Feldwege ohne Schatten, von dem uns Komoot unbedingt wegleiten wollte. Doch ab jetzt wird alles einfacher. Dieser Weg ist betreut und gut ausgeschildert. Es sollte keine Umwegeabenteuer mehr geben.

Irgendwann tun mir die Hände weh, ich fange an mir die 20, 18, 16 Kilometer zum Ziel schön zu rechnen. Zeit einen Zeltplatz zu suchen, alte Wanderregel.

Wir finden einen netten kleinen Platz direkt am Fluss, werden eingehüllt von Kinderlärm und der Aussicht auf eine Dusche.

So wund an der Stelle um die eigene Familie werde ich schwer bei dem Geplapper und Geschnatter der Familien an der Badestelle. Aber auch weich, weil es diese Familien eben gibt. Meine gibt’s, diese gibts, es gibt so viele Familien und dann auch noch die, in der wir heute leben. Die vermisse ich auf einmal.

Kann mich aber trösten, denn morgen muss uns der Partner unseren Impfausweis nachtragen. 😅

“Wir sind Viele” ~ Teil 2 ~

Die Reise begann und noch während sie sich in ihrem Platz einrichtete, beugten wir uns über die Architektur der folgenden Tage.

Im letzten Jahr haben wir viele Reisen unternommen und trotz vieler kleiner Inseln, in denen wir Kraft tanken konnten, gemögte Menschen besuchten und unsere Sinne wie Saugnäpfe an die Umgebungen hefteten, gab es immer die klare Linie: Hingehen, machen, wieder weggehen.
Wir riskieren keine Lücken, wenn wir wissen, dass wir zu arbeiten haben oder Arbeitsrelevantes tun. Freizeit ist die Fahrtzeit. Das Stück zwischen: “Ist es wirklich der richtige Zug, aus der richtigen Stadt, in der richtigen Zeit?” und “Komme ich zur richtigen Zeit, in der richtigen Stadt an?”.

Donnerstag, heute, würden wir unsere erste Lücke leben. Einen Nachmittag nur für uns allein. Ohne hundische Assistenz, dafür ohne Druck von außen.

Sie saß dort und dachte ihre Gedanken, die keine sind.
Wir schauten aus dem Fenster und lenkten uns von der Angst vor Menschen ab.
Ich liebe die Zugstrecke zwischen Koblenz und Mainz.
Wie sich der Fluss in den Schoß der Weinberge schmiegt und die Schiffe auf sich trägt.
Wie kurz vor kitschig, die kleinen Häuser am Ufer stehen, wenn die Sonne auf sie scheint. Und immer wieder die Frage, ob es schlossartige Gutshäuser oder guthausartige Schlösser sind, die dort, wie von einem riesenhaften Kind auf die Berge geklebt, erscheinen.

Mainzzug
Ich nahm so viel dieser ruhigen Idylle in mir auf, wie ich tragen konnte und steckte sie in kleine Säckchen, als emotionale Wegzehrung bis wir am Samstag Abend wieder hier entlang fahren würden.

In Mainz angekommen, wartete die erste Anforderung an unsere, sich vorsichtshalber unterm Tisch versteckende, Alltagskompetenz: “Finde den richtigen Bus, der dich zur richtigen Jugendherberge bringt und kaufe dafür das richtige Ticket.”
Vielleicht ist jetzt ein guter Moment einmal zu beschreiben, was genau NakNak* in solchen Momenten für uns tut, wenn sie bei uns ist.
Gleich zuerst einmal drückt sie sich ins Geschirr hinein und spannt die Leine. So spüren wir sie und uns gleichzeitig und das Wissen einen Körper zu haben, wird eine feste Konstante. Wer einen menschlichen Körper hat, der hat meistens zwei Beine mit Füßen dran, die auf einem festen Boden in einem Hier und Jetzt stehen.
An Orten wie Bahnhöfen oder offenen Plätzen, läuft sie in kleinen Ausschlägen vor uns her oder wenn wir gerade stehen, steht oder sitzt sie neben uns und achtet darauf, dass Menschen einen Abstand zu uns halten. Sie hilft uns also, unsere Individualdistanz zu wahren bzw. gewahrt zu wissen.
Hunde sind beliebte Haustiere und viele Menschen wissen nicht, dass es so etwas wie Assistenzhunde auch für Menschen, die gut sehen können gibt. “Ach ist der aber süß”, war schon sehr oft ein hilfreicher Gesprächsstart für uns. Sowohl um Hilfen zu erbitten, als auch um nicht zu vergessen, dass NakNak* manchmal auch auf unseren Schutz angewiesen ist. Meistens jedoch ist NakNak* aber die beste erste Hilfe, wenn wir menschliche Unterstützung brauchen und zu gefangen in Gefühlen sind, um sofort darum zu bitten.
Zum Beispiel wenn jemand von uns überfordert und verwirrt an einem Fahrkartenautomaten steht. 

In Mainz sind die Menschen aber irgendwie “auf”. Zumindest, der Mensch, der die Verwirrung in unserem Gesicht sah und uns bei der Auswahl half, ohne, dass wir darum bitten mussten und der Mensch, der uns die Buslinienkarte erklärte, als sich die Stirn erneut unter Fragezeichen kräuselte.
Dort wo wir wohnen, schauen die Menschen oft erst einmal eine Weile zu und überlegen, ob sie ihre Unterstützung anbieten sollen oder nicht. Deshalb ist NakNak* dort oft so ein Gewinn für uns.

So landeten wir also in der Jugendherberge. Die Sonne schien und jede Pflanze wisperte uns den Frühling ins Ohr.
Von Gepäck befreit, gingen wir im Volkspark und im Rosengarten spazieren.

StiefmütterchenMainz

 

BlütenHimmelMainz

Von Weitem sahen wir dort schon den Rhein.
Keine Frage- egal, was es noch alles Schönes in dieser Stadt geben könnte- das Wasser… oh bitte bitte endlich ein bisschen mehr fließendes Gewässer als Bäche und modrige Mückentümpel… endlich…

Wir kommen aus dem Norden.
Dort, wo das “da” ein winziger Punkt auf der haarfeinen Linie des Horizonts ist; wo der Blick frei ist, ohne an Bergen und Wäldern abzuprallen, wie eine Stubenfliege an der Scheibe, waren wir seit Jahren nicht. Oft ist es kein Thema, wie groß das Meerweh ist. Heimweh folgt dem nur allzu oft auf dem Fuße und mit ihm die Gedanken an die Zeit, in der wir weggingen und so viel mehr als Gewalt und Todesnähe verließen.

Wir liefen auf das Ufer zu und durchquerten dabei die hübsche Altstadt von Mainz, in der wir einem Saxophonisten, einem Klarinettisten und einer Cellistin, die von einer Querflötenspielerin begleitet wurde, lauschten und mit etwas Kleingeld beglückten.
Nebenher ein Schnappschuss vom Dom

domdings 

Und dann endlich standen wir am Rhein.
Typischer Wasserwind, Möwen, Enten, Schwäne, Kähne, Kutter und Schiffe. Dazu eine Aussicht, die so nah an das, was wir nicht mehr Heimat zu nennen wagen, kam, dass es über meine Kraft ging, die Tränen aufzuhalten.
Es ist so ein großes Opfer gewesen wegzugehen und wir hatten nie den Raum, die Zeit und vielleicht auch nie das echte “Okay” dafür, genau diesen Schritt zu betrauern und zu integrieren. Zu groß war die Last als Jugendliche hinter einer Entscheidung zu stehen, die blind getroffen wurde und in aller Konsequenz zu leben war. Und später war es der (oft unausgesprochene) Anspruch, doch froh zu sein, von DORT und von DEM weg zu sein.
Als hätte das Meer und seine Weite uns misshandelt, nicht Menschen, die dort leben.
Geblieben sind kleine Herzen, die in Trauer sind und ihre Tränen, wie Steine zum Gedenken ans Ufer eines Flusses fallen ließen. Ich wiegte sie auf meinem Rücken und fütterte sie aus meinem Säckchen voll Idylle.

Andere machten Fotos. (einige werden wir in unserem Fotoblog “einfach mal angucken” veröffentlichen)
rheinufer

 

RheinMain

Am Abend wollten wir uns mit einer Bekannten treffen. Ein bisschen Reden, zu Abend essen, die Stadt näher betrachten.
Da wir leider zu spät für einen Besuch des Gutenbergmuseums dran waren, setzten wir uns auf von der Abendsonne beschienene Bänke davor und ließen die Umgebung auf uns wirken. Neben uns saßen zwei Künstler und zeichneten den Dom mit Tinte.
“Ich glaub, das ist einer der Dialekte, der T’s, K’s und Endungen frisst… “runnäfalle” hahahaha Lass des ma nisch runnäfalle Schädse”, hörte ich von weiter vorn. Die Frontgänger wieder mit ihrem “Sprachknall”.

GutenbergmuseumAbendsonne

Mit der Bekannten haben wir “durcheinandrige Pommes” gegessen und Tee getrunken, wie noch nie zuvor. Twitterfazit dazu: “und es ist nur mittelseltsam”.
Tee kannten wir nur in Beutelform und Pommes als “zu teuer”, “ungesund”, “gerade geschnitten”. “Curly Fries” haben den gleichen Status wie “Früchte, die komisch gucken”.
Vielleicht erscheint es irrelevant- es ist eine Mahlzeit und ein Getränk- “Kriegt euch ein Rosenblätter- man kann es auch übertreiben…”. Für uns ist es Freiheitspraxis und immer wieder ein Reiz, der mit nicht vielen anderen Situationen abgeglichen werden kann. Solche Dinge sind es, die uns klar machen, wie begrenzt unsere Lebenserfahrung ist und wie facettenreich das ist, was die Menschen “Norm” nennen.
“Eure Welt ist so reich und ihr zuckt mit den Schultern…”, sie schaute die Menschen um uns herum an und beobachtete sehr genau, wie das Sieb im Teeglas die losen Teeblätter vom Wasser trennte.
Mittelseltsam, denn immerhin: Angst hatte sie keine. Wir haben das Sitzen in Cafés und Restaurants schon oft geübt.

Am Ende des Tages fanden wir uns in dem Jugendherbergszimmer wieder und telefonierten in Ruhe mit den Sommers.
Beruhigende Abendroutine inmitten eines Tages, der ziemlich weit neben “Routine” passierte.

Später fiel auf, dass wir unser Schlafnilpferd vergessen hatten.
Wir streichelten und summten, verfütterten ein weiteres Säckchen voll Idyll.
Bis irgendwann die letzte Träne geweint war und der Schlaf seine Decke über uns ausbreitete.

~ Fortsetzung folgt ~

die eigentliche HeldInnentat

„Phu und jetzt noch zum Zürichsee und Bahnhofstraße?“. Draußen dunkelte es und die Anspannung floss langsam zu einem See unter unseren Plätzen im Zug zusammen.

Wir verzichteten. Irgendwann kommt man sicher noch einmal nach Zürich und sei es um diesen eigenartig bildungsspießbürgerungetümlichen Drang der Rosenblätter nach Wissen um die Geschichte eines Landes mit mehreren anerkannten Sprachen zu befriedigen.

Am Gleis des Hauptbahnhofs, an dem wir umsteigen müssen, sehen wir ein Kind seine Harfe schieben, einen öffentlichen Trinkbrunnen und kleine dicke Spatzen die im Sandbett zwischen den Zügen baden.
Viele Menschen, mehrsprachige Hinweisschilder und Züge, die anders aussehen als die in Deutschland.

Der Flughafen ist heimlich eine eigene Stadt, durch die ein eigener Strom fließt. Mal laut murmelnd, mal sachte ebbend, dann wieder sprudelnd und pulsend.
In einem kleinen Schrunzladen finden wir kleine Aufziehfiguren, im Zeitungskiosk eine NZZ. Wir bezahlen mit Euro und bekommen schweizer Franken zurück.
(Zu Hause stellt sich heraus, dass das Rückgeld zurück getauscht mehr Euros rein bringt, als ausgegeben wurden… so viel zum Thema „Ich habe mich nach vorne verarmt, weil ich schweizer Franken getauscht habe“- jetzt bin ich nach hinten reich geworden.)

„Habe ich schon mal „Menschen gucken“ gemacht?“, frage ich mich und schaue in den stetigen Strom von Personen über mein Wocheneinkauf- Star Buckskaffee und Snackdings hinweg.
Wir sprechen jetzt anders miteinander, meine Gemögte und ich. ´
Dort wie wir da sitzen geht mir das Grenzgefühl flöten.
Raum, Zeit, Körper und Selbstdichte matscht sich zu einer fließenden Masse.
Nicht brockig, nicht stockend, nicht zäh. Alles ist da, aber es ist unbegrenzt.

Wir machen Fotos von Flugzeugen auf dem Rollfeld draußen, finden einen kostenlosen Internetzugang und winken wild in die Twitterbubble, die uns fröhlich zurückwinkt.

Die Ausrichtung auf Konsum und der immer wieder auftauchende (plakative) Klassismus stößt mich ab. Irgendwie tut es weh und ist doch so nah, dass mein Blick dazu nicht besonders ist.
Im Duty Free Shop nehme ich die Tobleroneverpackung auf der „Zürich“ steht mit und nicht die Schokolade. Meine Gemögten bekommen alle welche- ich möchte nur diese glänzende Pappe in mein Bücherregal stellen und angucken.
Ich will das alles nur angucken. Nicht haben, wie es doch das Ziel zu sein scheint.
Dort in dem Flughafen gibt es Luxusgeschäfte. Echte Luxusgeschäfte wie „Tiffanys“, wo wir auch kurz drin sind um diese hauchzarten Schmuckstücke hinter Glas zu betrachten. Obwohl meine Gemögte logische Argumente für diese Einrichtung hat, fehlt mir der Haken um es zu begreifen.

Beim Einchecken werden die Passagiere in „Economy“ (drei Terminals rechts) und „first class“ (zwei links) aufgeteilt- um nach dem Lesen ihres Codes auf dem Ticket doch wieder nebeneinander zu stehen.
Beim Durchlaufen zum Sicherheitscheck das Gleiche.
„Alles, wie es mir wohl ist“ ist jetzt vorbei.
Hallo Hartz 4 – wie konnte ich dich vergessen?

„Wie siehst du deine Perspektivchancen in der Zukunft?“, war eine Frage am Samstag im Interview.
„Düster…“, ein Wort, das in meiner Antwort vorkam.

Wir fahren eine Roll-Nichttreppe zum Terminal an dem unser Flugzeug starten wird. Wieder sehe ich ein Raucheraquarium und bin froh noch immer (wieder) rauchfrei zu sein.
Meine altneue Jacke riecht noch so schön nach Waschmittel und dem Parfum, das wir uns zum Lebenstag schenken konnten.
Alles geht plötzlich schnell- die Zeit war doch ganz schön gehuscht am Ende.

Diesmal finde ich den Start nur schön.
Wie es mich in den Sitz drückt und für eine kleine Weile wieder ganz von allem entfernt. Alles was da unten ist, alles was war, was sein und/oder eventuell vielleicht werden könnte/ wollte/ sollte und gemusst werden müsste…
es ist weg.
Das Gefühl ist das Gefühl von Benzos nach 4 Tagen aus Angst nicht schlafen können und bei jedem Dösen ins Erinnern rutschen. Weich, weit, warm und doch irgendwie begrenzt an einer Stelle.

Ich fliege und es ist gar nicht mehr so groß. Wie lautes Zugfahren mit Ohrenknacken und zwischendurch auch Zahnschmerzen.
Draußen machen sich die hellen Wolken wie Schnee aus und an den Lichtern der Tragfläche, an welcher wir sitzen, sehe ich, dass es zwischen durch sogar kurz regnet. „Wir fliegen durch Wetter“, sagt meine Gemögte.

P1010240Als wir einen ohrenknisterknackigen Sinkflug anfangen mache ich Fotos.
Wir sind schneller gewesen, als angenommen.
„Ob der Pilot eine Abkürzung geflogen ist?“
– „Oder wir hatten Rückenwind.“
Wir sind sogar so viel zu früh, dass wir aus Versehen mit der Bahn schwarz fahren. Zugbindung fideralalalaaa

Es ist Mitternacht zu Montag, als wir uns am Bahnhof trennen und in Taxis zu unseren Heimathäfen steigen.
Vorher fragte ich, ob ich sie umarmen darf.
Ich habs gemacht und sie war echt. Immer noch.

Vielleicht ist die eigentliche HeldInnentat, dass ich nicht ein einziges Mal über die Tatsache geweint hab, dass ja jemand ist, der so etwas mit mir erlebt hat und erleben wollte; der mich- uns er-ge-tragen hat. So richtig fest und da. Immer noch.
Auch nicht über die Angst, die mir das macht. Nicht über die Sorge, die mir das macht. Nicht über die Bewunderung für den Menschen, die ich hab. Nicht ein Mal.

Bis jetzt.
Wo ich keine Heldin mehr bin und das das Einzige ist, das niemand von mir erwartet.

Ende

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Aufwachen und frei sein…

Zwischendrin war ich aus etwas wach geworden, das ich Mischtraum nenne.
Hatte Angst gehabt und war verwirrt, bis die Gemögte vom Bett nebenan gefragt hat, ob sie etwas tun soll.
Da hatte es dann aber schon zu klickern angefangen.
Auch und obwohl der Angstmotor etwas später noch einmal hustend loszustottern Anlauf nahm, als laute Stimmen von im Hotel ankommenden GästInnen vom Flur her schallten.
Aber sie war ja da. Nicht allein ist gut.

Es ist kurz nach 8 Uhr morgens, als wir beide richtig aufwachen und beschließen doch zum Frühstück runterzugehen.
Das ist schon wieder so außenstrukturiertes Essen und im Innen äugt es misstrauisch, ob irgendwelcher Essenspläne und Klinikmarker.
Ich finds toll. Es ist ein Buffet und die Menschen, die im Hotel arbeiten, fragen, was wir trinken möchten.
Ich kann meinen ganzen Platz vollmüllen und jemand anders räumt es weg. Ich kann vieles durcheinander essen und einfach irgendwie testerisch wirken (nicht etwa so, als wenn ich mich in den Wünschen von innen nicht einschränke). Also gibt es Brötchen mit Honig und Schweizer Käse, Schokocornflakes, Kaffee und Saft gleichzeitig. Sonntagsfrühstück, wie im Fernsehen finde ich. Ich wollte schon immer mal Frühstücksfernsehen leben. Zack!

Dann drehen wir eine Runde durch Brugg bei Tageslicht und machen viele Fotos, die nun in unserem Fotoblog „Einfach mal angucken“ zu finden sind.

Wir laufen und reden. Zeigen einander Dinge. Lachen.
Es ist irgendwie nah mit Abstand ohne Markierung.
Sie fragt, was es heißt: „Sie weiß ja nicht, was sie tut.“.
Ob sie die Metapher vom fröhlich in die laufende Kreissäge hopsenden Hoppelhäschen verstanden hat, weiß ich nicht. Ich will sie nicht draufstoßen. Denke kurz, es könnte ein Moment sein, in dem ich es könnte.
Zeigen könnte, was ich meine; die Worte dazu, die ich in den 4 Jahren, die wir uns kennen, wie Steine immer wieder in meinem Mund hin- und her bewege, hervorhole.
Und dann bleibt es doch eingewolkt, wenn auch vielleicht etwas klarer in der Luft hängen.

Jetzt- ausgerechnet jetzt- so deutlich zu werden, dass sich bei ihr Platz für Angst und Bewusstsein über mich und mein Innenleben, ausbreiten könnten, wäre, wenn nicht ein Schuss ins eigene Knie, so doch einer ins eigene Fleisch. Von innen beruhigt es mich, sagt mir ihre Worte vom Nichtmüssen nochmal.

P1010262Gegen Mittag kommt unser Mensch und lädt uns zum Kaffee ein, nachdem wir Touristenschokolade gekauft haben.
Ich habe am Frühstückskaffee gemerkt, dass der Kaffee in der Schweiz nichts mit dem zu tun hat, was ich mir zu Hause literweise in den Bauch schütte. Also trinke ich eine Schokolade mit X. Eine Xocolate oder so ähnlich. Sie ist großartig. Einerseits, weil es halt Schokolade oder „Schoggi“, wie es hier heißt, ist und andererseits, weil dieses Getränk genauso intensiv schmeckt, wie das Koffeeinkonzentrat, das sie Kaffee nennen. Es ist wirklich flüssige Schokolade.
Ach, dieses Café ist schön.
Es heißt Café „Frei“, ich sitze hier und mache Freiheitspraxis, neben uns sitzen zwei kleine Kinder, deren Schweizer Dialekt so klingt, wie der Dialekt, den alle Kinder in dem Alter haben und für einen Moment ist es einfach nur gut.

Dann gehen wir in Richtung Hotel, wo wir auch schon die beiden Filmer treffen und uns zum zweiten Teil richten.
An meinem Schal wird ein Mikrophon mit Puschel befestigt und an der Rocktasche ein Funkdingsi.
Diesmal steht das Reden aber nicht so im Vordergrund.
Erst einmal sollen meine Gemögte und ich nebeneinander hergehen. Gässchen rauf und runter, Treppen rauf und runter, von links nach rechts, stehenbleiben, gehen.
Sie findets toll. Sagt, sie geht jetzt zum Film, weil es ihr Spaß macht.
Ich schnappe mir den Fotoapparat und filme sie alle für 30 Sekunden. Ha!

Die Fotos von der Stunde im Park sind, die Schönsten, die wir je gemacht haben, finde ich. Es sind lauter Detailaufnahmen in der Natur. „Nach und nach werde ich sie im Fotoblog veröffentlichen“, verspreche ich dem Innen, das schweigend fotografiert, während Aufnahmen ohne uns gemacht werden.

Worüber wir dann sprechen ist schwieriger.
An den Bereich tasten wir uns gerade selbst erst heran und haben noch nicht die ganz genau passenden Worte gefunden. Wissen noch nicht genau, was wichtig ist, wo das Gewicht liegt und was helfen könnte.
Die Kälte, das aufgelockerte Miteinander, das Sitzen hier unterm Himmel in auch räumlicher Freiheit ist gut.
Ich glaube, drinnen ginge das nicht. All die Innens, die mich beim Reden stützen und mit mir auf Signale der BÄÄÄMs achten; meine Gemögte und das Fünkchen G’tt, das ich um Anwesenheit gebeten habe- wir hätten doch gar nicht alle in den Raum gepasst, wo wir gestern gedreht haben!

Dann sind wir fertig.
Bereit alle zusammen noch etwas Warmes zu uns zu nehmen, bevor meine Gemögte und ich die Heimreise antreten.
Wir gehen in ein italienisches Restaurant, wo es Stoffservietten und Toilettenbeschriftungen mit „Uomo“ und „Donna“ gibt. „Uomo“ bedeutet „Männer“- ich hab das mal für euch erkundet.

Die Filmmenschen schenken uns Berge auf einer DVD  und unser Mensch ein geheimnisvolles Geschenk, worüber ich mich freue
Wirklich schade, dass das Wetter so war, wie es war. Richtige Berge haben wir nicht gesehen. Aber „Hügel“, wie unser Mensch und meine Gemögte die kleinen Bergli’s, die wir sehen konnten nennen, waren das jetzt auch nicht.

Als wir beide im Zug in Richtung Zürich sitzen und so langsam alles von uns abfällt, denke ich immer noch an den Namen des Cafés.
Was wir heute gemacht haben ging alles nur, weil wir frei sind.

P1010183Weil uns niemand mehr abpasst, anspricht und mit Versprechungen in gewaltvolle Situationen bringt.
Weil wir nicht mehr so funktionieren, wie früher.
Weil wir nicht mehr allein sind.

Fortsetzung folgt  

…bis zum Ende des ersten Tages

Inzwischen ist es Mittag. Und immer noch Samstag.
Wir laufen auf glänzendem Steinboden zur Gepäckausgabe auf dessen Laufband der kleine Koffer unserer Gemögten einsam seine letzte Runde dreht.

Der Gedanke, dass mein Magen und meine Gefühle in mir, etwa die gleiche Strecke zurückgelegt haben könnten, wie der Körper als Ganzes, streift mich und geht in einem unwirklichem Flimmergefühl unter.
In den Ohren knistert es und ganz schwach ist da die Erinnerung daran, dass die Trommelfelle nicht so heil sind, wie die anderer Menschen. Vielleicht sind sie etwas in der Fähigkeit zu schwingen eingeschränkt.

In der Halle laufen wir „unserem Menschen“ fast in die Arme.
Und plötzlich eine seltsame Stille. Was soll man jetzt sagen?
Ich habe mir keine Worte überlegt.
Wieso nicht?
Achja- da war ja diese Kleinigkeit des ersten Fliegens, die mich absorbiert hatte.

Der Mensch holt zwei Granatäpfel aus der Tasche.
Ich spüre, dass ich viel ehrfürchtiger oder vielleicht auf eine andere Art dankbar oder anerkennend vor dieser Geste stehen sollte. Meine Fühler sagen mir: „Das bedeutet etwas.“.
Und zwar etwas Anderes als: „Hier hast du eine Frucht von mir.“.

„Eigentlich“, so denke ich, als wir durch einen Abschnitt mit einer Baustelle zur Bahnhaltestelle des Flughafens laufen und ich diese fremde Frucht in den Händen wiege, „weiß ich doch schon so, ohne jede andere Bedeutung, die an diese Frucht geheftet ist, dass es viel zu viel ist. Der Mensch hat an uns gedacht, als der sie in den Händen hielt und sie mir geschenkt. Und jetzt habe ich sie hier und weiß nicht einmal was genau es ist.“.

Irgendwann zwischendrin sage ich zu meiner Gemögten, dass es eine Frucht ist, die komisch guckt.
Wie die Avocado, die mir Frau Shehadistan geschenkt hatte und der kleine Hokaidokürbis, der irgendwann mal von einer anderen Gemögten kam.
Solche Früchte liegen in der Regel vorwurfsvoll schauend im Supermarkt, weil wir sie nie mitnehmen. Meistens, weil schlicht nicht klar ist, was wir damit anfangen sollen.

Wir fahren mit Fahrkarten, die Billets heißen, in einem Zug der schön riecht und gemütlich ist.
Sprechen und lassen unsere Fühler der Reihe nach übereinander gleiten. Ich soll alles sagen und machen, „wie es mir wohl ist.“. Dabei weiß ich doch gerade nicht einmal so wirklich, ob ich überhaupt gerade bin.

Wie schräg die Möglichkeit des Schlafens ausschlagen zu müssen.
Es war die dritte Nacht, mit knapp 3 Stunden Schlaf drin, in Folge. Hätte ich mich hingelegt, wäre ich eingeschlafen und nicht wieder richtig wach geworden. Doch bereits am Nachmittag soll der erste Teil stattfinden.
Wir besprechen also das Mittagessen und schauen auf die schöne Landschaft zwischen Zürich und Brugg, der Stadt, in der wir übernachten und für das Filmprojekt drehen.
Wie schräg übers Essen zu sprechen, Essen auszuwählen, wenn der Magen noch Flügel hat und zwischen den im Wind flatternden Adern unter der Haut, Schweinebammel macht.
Wie schräg durch eine Stadt zu laufen, die fast auch Gütersloh oder Minden sein könnte.
Wie schräg, dass hier keine Einhörner auf der Straße herumlaufen und ihre güldenen Hufe auf den Bonbonboden klicken lassen!

Mit vollen Bäuchen und einem groben Ablaufplan landen wir in unserem Hotelzimmer mit Blick aus den Eisiplatz. Es ist nicht das erste i am Ende eines Wortes, das uns für die nächste Zeit vor Lachkichergiggel die Gesichtsmuskeln und ach überhaupt alles entspannt.

Wir reden lauter Quatsch und stöhnen uns unsere Müdigkeiten vor, als wir nebeneinander auf den Betten liegen und die eisbecherförmigen Wandlampen angucken.
Meine Gemögte sieht aus, als wenn sie jeden Moment einschläft. Das darf sie aber nicht.

Einschlafen, das wäre jetzt wie weggehen.
Nach vorn machen wir Quatsch, aber nach hinten ist wachsende Fassungslosigkeit, dass sie immer noch da ist. Immer noch nicht die Schnauze voll hat von uns, von dem was wir sagen und machen, was das ganze Ding hier ist.
Es ist ein Spannungsfeld sie beim Dösen zu stören, weil es die Kinderinnens beunruhigt, obwohl es die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie wirklich von uns genervt ist und uns dann verlässt.

Um 14 Uhr 30 klopft es an der Tür und wir beginnen mit dem ersten Teil.
Es ist eine erst aufgeregte Atmosphäre, die sich aber nach und nach lockert. Das was ich sage, habe ich so oder so ähnlich schon vor vielen TherapeutInnen gesagt, im Blog geschrieben und sonst wie abgebildet. Alles was stört, ist die Müdigkeit und nach 2 Stunden ist der Kopfofen auch völlig aus.

Es ist okay. „Alles, wie es mir wohl ist.“.
Und an der Stelle merke ich ganz deutlich, dass es mir wohler ist, die letzten beiden großen Fragen auf ein Morgen nach viel Schlaf zu verlegen.
Später sagt mir meine Gemögte, die hinter uns saß, dass meine Konzentration spürbar war und es wie ein Energiestaubsauger gewirkt hatte. Ich glaube ihr das. Irgendwo in mir hatte sich auch etwas an alles und jeden in der Umgebung geheftet, um Kraft in meine Worte zu leiten, ohne welche von Innen abzweigen zu müssen.

P1010015Kurz nach 17 Uhr laufen wir durch die Altstadt von Brugg.
Die Aare ist der größte Nebenfluss des Rheins und wir stehen fast direkt daneben. Im Sommer, so denke ich, kann man hier bestimmt schön sitzen. Vielleicht angeln, schnulzige Gedichte schreiben und Leben essen.
Es rauscht schön, dieses schwarz goldene Strömen.

Dann gehen wir wieder ins Hotel und ziehen uns die Schuhe aus. Uffzen uns auf die Betten und atmen für eine Weile vor uns hin.
Ein bisschen Quatsch machen wir auch.
Ich merke, dass meine Ohren nicht mehr knistern.

Als unser Mensch mit bestelltem Abendessen zu uns kommt und wir im Bett (!) sitzend essen, hat es fast etwas von einem Hanni und Nanni- Mitternachtsfestessen.
Obwohl wir schon zur Seniorenzeit- also irgendwas um 21- 22 Uhr herum- in unsere Hüpfburgmatratzen hineinsinken und von Kirchengeläut begleitet einschlafen.

Fortsetzung folgt

…ein Fenster voll Himmel neben sich…

„Oh, jetzt nimmt es aber Anlauf!“, merkt etwas im Innen an.
Wir waren eine kurze Zeit auf dem Rollfeld spazieren gefahren und nun beschleunigt die Maschine.

Es gibt viele lustige Gifs, in denen jemand die Hände ans Gesicht legt und sehr langgezogen tönt. Wenn ich nicht damit beschäftigt gewesen wäre, mich gegen den Druck in den Sitz zu wehren… wenn ich nicht eigentlich so dringend weg gewollt hätte… wenn ich nicht gerade auf dem Weg gewesen wäre, eine Zusage zu erfüllen… wenn mir nicht so schlecht gewesen wäre…
vielleicht hätte ich diese Gifs dann in beeindruckender Neuauflage nachgespielt.

Eine Ewigkeit lang fühle mich auseinanderklaffend und merke Kinderinnens in ihrem Schmerz genauso deutlich wie nach vorn stiebende BÄÄÄMs in all ihrer dunstenden Toxizität. Genau jetzt, bin ich zeitgleich bedürftig und gefährlich. Irgendwas zwischen Antikraft und hoffnungslos verloren.
Und irgendwo da verlassen wir die Troposphäre mit einem doch angenehmen Schwebegefühl im Bauch.

Die Sonne geht auf.
Wie Milchhaut liegt die Wolkendecke, die es am Boden hatte grau und trüb aussehen lassen, nun strahlend weiß und angeflockt unter uns.
Ungehindert ins Universum hineinschauend, versuche ich den Ohrenschmerz wegzuschlucken und bin doch froh über das kurze Stechen.
Schmerz ist das beste Antidissoziativum, das es gibt.
FlugzeuggetränkEine Gemögte neben einem allerdings auch.

Wir reden, lachen, schauen aus dem Fenster.
Ich denke kurz, dass ich den Menschen rechts neben mir bewundere. Nicht nur wegen der Fähigkeit ausgerechnet jetzt ein Flugzeugcroissant und ein Flugzeuggetränk aus einem Flugzeugbecher zu sich zu nehmen. Ist mir doch so schwummerig, dezent übel und das nur notdürftig unterdrückt, wenn der Mensch, der die Maschine steuert, uns ordentlich in der Waagerechten fliegen lässt.

Etwas entfernt taucht bereits nach einer halben Stunde schon das Stück Alpen auf, das nicht mit Wolken zugedeckt ist. In weniger als einer Stunde halb Deutschland überquert. Mindestens doppelt so schnell, wie die schnellste Zugfahrt, die wir je erlebt hatten.
Kurz flammt die Angst wieder auf, doch dann fängt das Flugzeug an Kurven zu fliegen und ich darf mich wieder mit Ohrenschmerzen und Übelkeiten ablenken. Ist wohl der Specialbonus für Erstfliegende, neben dem Gefühl, dass jetzt auch gleich Gollum um die Ecke kommen könnte, um eine mit uns zu rauchen.

Das Fenster voll Himmel neben mir, füllt sich rasch mit Wolken und Dunkelheit, als wir in Zürich landen.
In der Schweiz.
Wir sind da. So einfach ging das.

Wir bleiben sitzen, bis die ersten Menschen weg sind. Laufen zum Ausgang und lächeln die FlugbegleiterInnen zum Abschied an.
Jetzt heißt es hoffen, dass wir den Menschen wiedererkennen, mit dem wir hier verabredet sind.

Fortsetzung folgt

…mit Blick zurück…

Der Saal explodierte in meinen Ohren und ich taumelte zurück zu dem Platz, an dem ich mich eigentlich doch eingegraben hatte vor lauter Selbsterdung.

Das war Applaus.
In meine Richtung.
Blicke, die auf mich trafen.
Lächelnde Blicke.

Wieso wurde hier geklatscht? Was hatte ich getan?
Ich
ha ha

Hat denn niemand die riesengroße Sprungfeder, die meinem Körper aus dem Kopf geflogen sein musste, gesehen? Niemand die ganzen sowieso schon lockeren Schrauben an mir klappern hören, als wir dort auf dieser Tagung herumliefen?

Es ging um rituelle Gewalt und viele Menschen würden da sein.
Wir hatten Vernetzungsideen und wussten eigentlich, dass die Angst vor Fremden doch jede Interaktion schwierig machen würde.

Einzelne Wortbrocken wühlten sich durch die Schallwellen und mit ihnen dann die Beruhigung, keine gänzlich unangemessene Wortmeldung getan zu haben.

Und dann stand der Mensch vor uns.
Erzählte von einem Filmprojekt und fragte nach Interesse daran.

Flughafen2Ich denke an all die Absprachen innen und außen, die der Moment der Entscheidung bereits im Vorfeld abverlangt hatte, als ich mir den Gurt des Flugzeuges um die Hüfte zurre, wie einen Strick um einen Sack.

Habe ich alles durchdacht?
Wirklich alles?
Was ist, wenn wir nicht zurück kommen?
Reicht unser nicht notariell beglaubigtes Testament?
Werden unsere Angelegenheiten gut beendet?

Was hatte ich getan? Ich würde jetzt vom Himmel fallen!

Ich würde jetzt vom Himmel fallen

Es gibt keine Situation, in der es nicht wenigstens die eigenen Gedanken sind, mit denen ich mich in echte Angst triggern kann.
Immerhin keimt mir ein Hauch von Verstehen auf, während ich mich in und um einen Sitzplatz herum in den Boden hineinerde und animierten Figuren bei der Präsentation der Sicherheitsanweisungen zuschaue.

Fortsetzung folgt

Auf dem Weg…

Freitag Abend
Schnell post-Therapieartiges Weinen und prä-Abenteuerliches Ängstigen mit unzureichenden Worten umwickeln und in einem schlafanstoßenden Medikament ersticken.
So der Plan, der dann doch nicht funktionierte.
Klar.
Die RosenblätterheldInnen machen Freiheitspraxis, tragen ihre neuen Schuhe und treten auf, um Spuren zu hinterlassen. Wären sie dabei ausgeschlafen, wäre das alles ja viel zu einfach.
Um 23.42 Uhr treffen Sehkraft und Zifferblatt erneut aufeinander und schauen einander bis 3 Uhr am Samstag an, ohne etwas mitzuteilen.

Mit der Tetrismelodie des Handys klicken die Gedanken wie Bausteine auf- und ineinander.
Der morgendliche Vorbereitungsplan läuft wie geschmiert.
Alles ist klar. Sollte das Flugzeug vom Himmel fallen, liegen Testament und sonstige Anweisungen gut sichtbar neben der Entschuldigung für alles Peinliche und Sonstige, womit nie gerechnet wurde, auf dem Küchentisch.
Perfekt ist es nicht. Doch der Gedanke, dass wir hier halt gelebt haben würden, als wir noch gelebt haben würden, hilft, nicht doch noch schnell den Staubsauger rauszuholen.
Der Nachbar von unten, hätte uns dann wohl auch vor dem Flugzeugabsturz gelyncht.

Kurz nach 4 treffen wir auf unsere Gemögte und es wird schön.
Die ganzen laut umherrufenden, das erfahrene Nachtleben ausströmenden Menschen, machen uns weniger Angst, als wir nebeneinander im Zug zum Flughafen sitzen und Dialoge wie:
„Is da Kontrolleur? Lass ma weg… Is Kontrolleur? Ey lass ma…“
– „Ey, wir sind locker Alter!“
erleben, die prompt enden, als der Sicherheitsdienst der Bahn durch die Waggons geht.
Es ist fast 5 Uhr morgens und die Dorfjugend verteilt sich wieder zurück auf die Käffer rund um die Stadt, in der
Flughafensie ihre wachsenden Gehirne mit Alkohol marinieren.

Hannover Flughafen.
Während ich alle Bemerkungen zur Pünktlichkeit nach vorne als anerkennend wahrnehme, muss meine Gemögte symbolische Blicke dazu auf mich werfen und sich vor Lachen nach hinten biegen, wie eine Palme im Sturm. Unser Flugzeug hebt nämlich erst 9.45 Uhr ab.

Wir setzen uns in einen der Imbisse, die so tun als seien sie Restaurants.
Da mir dann die Geschichte mit den Flüssigkeiten einfällt, trinke ich noch schnell den dreiviertel Liter Milchkaffee in meiner Thermoskanne aus und schütte kurz vor knapp noch einen halben Liter Energydrink hinterher.
Meine Gemögte macht sich auch zum Loch, bleibt aber bei Wasser. Immerhin auch ein Liter.

Dann gehts los.
Den neugekauften Rucksack und die Jacke durchleuchten lassen. Piepsen beim Tordurchlauf, schämen beim Abgetastet- und Abgescanntwerden.
„Vielleicht hat unsere Mutrüstung doch ein bisschen körpereigenes Metall…“, raunt es von innen, als wir dann im Abflugbereich auf das neblige Draußen schauen. Irgendwo innen singt es, ohne Ohrwurm zu sein. Nur um das harte Pochen im Brustkorb weicher aufkommen zu lassen, ohne es zu unterdrücken.
SchweizerGeld

„Wenn sich Magen und Kniekehle umarmen… In 20min fliegen wir ins Tobleroneland!“
Meine letzte SMS, vielleicht meine Letzte überhaupt, die ich gar nicht an so viele Menschen schicken konnte, wie ich gewollt hätte, sollte irgendwie genau so sein.
Dann muss das Handy aus. Im Flugzeug ist die Nutzung verboten und in der Schweiz teuer.
Aller Handykontakt nach Deutschland ist nun auf den absoluten Notfall limitiert. Wenn wir den Flug ohne Runterfallen schaffen und dann im Land der Schokolade, des Käses, der Verrücktmutigen, die sich freiwillig vom Himmel fallen lassen und der knuffigen Sennhunde, ein Notfall passiert, gibt es nur noch diese Gemögte, 3 wunderschicke 10 Schweizer Frankenscheine, ein Handy mit lachhafter Akkuleistung und uns allein.

Mit diesem Gedanken im Kopf lächelten wir die, als Stewardessen arbeitenden, Zahnpastawerbungsmodels an.

Fortsetzung folgt