…ein Fenster voll Himmel neben sich…

„Oh, jetzt nimmt es aber Anlauf!“, merkt etwas im Innen an.
Wir waren eine kurze Zeit auf dem Rollfeld spazieren gefahren und nun beschleunigt die Maschine.

Es gibt viele lustige Gifs, in denen jemand die Hände ans Gesicht legt und sehr langgezogen tönt. Wenn ich nicht damit beschäftigt gewesen wäre, mich gegen den Druck in den Sitz zu wehren… wenn ich nicht eigentlich so dringend weg gewollt hätte… wenn ich nicht gerade auf dem Weg gewesen wäre, eine Zusage zu erfüllen… wenn mir nicht so schlecht gewesen wäre…
vielleicht hätte ich diese Gifs dann in beeindruckender Neuauflage nachgespielt.

Eine Ewigkeit lang fühle mich auseinanderklaffend und merke Kinderinnens in ihrem Schmerz genauso deutlich wie nach vorn stiebende BÄÄÄMs in all ihrer dunstenden Toxizität. Genau jetzt, bin ich zeitgleich bedürftig und gefährlich. Irgendwas zwischen Antikraft und hoffnungslos verloren.
Und irgendwo da verlassen wir die Troposphäre mit einem doch angenehmen Schwebegefühl im Bauch.

Die Sonne geht auf.
Wie Milchhaut liegt die Wolkendecke, die es am Boden hatte grau und trüb aussehen lassen, nun strahlend weiß und angeflockt unter uns.
Ungehindert ins Universum hineinschauend, versuche ich den Ohrenschmerz wegzuschlucken und bin doch froh über das kurze Stechen.
Schmerz ist das beste Antidissoziativum, das es gibt.
FlugzeuggetränkEine Gemögte neben einem allerdings auch.

Wir reden, lachen, schauen aus dem Fenster.
Ich denke kurz, dass ich den Menschen rechts neben mir bewundere. Nicht nur wegen der Fähigkeit ausgerechnet jetzt ein Flugzeugcroissant und ein Flugzeuggetränk aus einem Flugzeugbecher zu sich zu nehmen. Ist mir doch so schwummerig, dezent übel und das nur notdürftig unterdrückt, wenn der Mensch, der die Maschine steuert, uns ordentlich in der Waagerechten fliegen lässt.

Etwas entfernt taucht bereits nach einer halben Stunde schon das Stück Alpen auf, das nicht mit Wolken zugedeckt ist. In weniger als einer Stunde halb Deutschland überquert. Mindestens doppelt so schnell, wie die schnellste Zugfahrt, die wir je erlebt hatten.
Kurz flammt die Angst wieder auf, doch dann fängt das Flugzeug an Kurven zu fliegen und ich darf mich wieder mit Ohrenschmerzen und Übelkeiten ablenken. Ist wohl der Specialbonus für Erstfliegende, neben dem Gefühl, dass jetzt auch gleich Gollum um die Ecke kommen könnte, um eine mit uns zu rauchen.

Das Fenster voll Himmel neben mir, füllt sich rasch mit Wolken und Dunkelheit, als wir in Zürich landen.
In der Schweiz.
Wir sind da. So einfach ging das.

Wir bleiben sitzen, bis die ersten Menschen weg sind. Laufen zum Ausgang und lächeln die FlugbegleiterInnen zum Abschied an.
Jetzt heißt es hoffen, dass wir den Menschen wiedererkennen, mit dem wir hier verabredet sind.

Fortsetzung folgt

…mit Blick zurück…

Der Saal explodierte in meinen Ohren und ich taumelte zurück zu dem Platz, an dem ich mich eigentlich doch eingegraben hatte vor lauter Selbsterdung.

Das war Applaus.
In meine Richtung.
Blicke, die auf mich trafen.
Lächelnde Blicke.

Wieso wurde hier geklatscht? Was hatte ich getan?
Ich
ha ha

Hat denn niemand die riesengroße Sprungfeder, die meinem Körper aus dem Kopf geflogen sein musste, gesehen? Niemand die ganzen sowieso schon lockeren Schrauben an mir klappern hören, als wir dort auf dieser Tagung herumliefen?

Es ging um rituelle Gewalt und viele Menschen würden da sein.
Wir hatten Vernetzungsideen und wussten eigentlich, dass die Angst vor Fremden doch jede Interaktion schwierig machen würde.

Einzelne Wortbrocken wühlten sich durch die Schallwellen und mit ihnen dann die Beruhigung, keine gänzlich unangemessene Wortmeldung getan zu haben.

Und dann stand der Mensch vor uns.
Erzählte von einem Filmprojekt und fragte nach Interesse daran.

Flughafen2Ich denke an all die Absprachen innen und außen, die der Moment der Entscheidung bereits im Vorfeld abverlangt hatte, als ich mir den Gurt des Flugzeuges um die Hüfte zurre, wie einen Strick um einen Sack.

Habe ich alles durchdacht?
Wirklich alles?
Was ist, wenn wir nicht zurück kommen?
Reicht unser nicht notariell beglaubigtes Testament?
Werden unsere Angelegenheiten gut beendet?

Was hatte ich getan? Ich würde jetzt vom Himmel fallen!

Ich würde jetzt vom Himmel fallen

Es gibt keine Situation, in der es nicht wenigstens die eigenen Gedanken sind, mit denen ich mich in echte Angst triggern kann.
Immerhin keimt mir ein Hauch von Verstehen auf, während ich mich in und um einen Sitzplatz herum in den Boden hineinerde und animierten Figuren bei der Präsentation der Sicherheitsanweisungen zuschaue.

Fortsetzung folgt

Auf dem Weg…

Freitag Abend
Schnell post-Therapieartiges Weinen und prä-Abenteuerliches Ängstigen mit unzureichenden Worten umwickeln und in einem schlafanstoßenden Medikament ersticken.
So der Plan, der dann doch nicht funktionierte.
Klar.
Die RosenblätterheldInnen machen Freiheitspraxis, tragen ihre neuen Schuhe und treten auf, um Spuren zu hinterlassen. Wären sie dabei ausgeschlafen, wäre das alles ja viel zu einfach.
Um 23.42 Uhr treffen Sehkraft und Zifferblatt erneut aufeinander und schauen einander bis 3 Uhr am Samstag an, ohne etwas mitzuteilen.

Mit der Tetrismelodie des Handys klicken die Gedanken wie Bausteine auf- und ineinander.
Der morgendliche Vorbereitungsplan läuft wie geschmiert.
Alles ist klar. Sollte das Flugzeug vom Himmel fallen, liegen Testament und sonstige Anweisungen gut sichtbar neben der Entschuldigung für alles Peinliche und Sonstige, womit nie gerechnet wurde, auf dem Küchentisch.
Perfekt ist es nicht. Doch der Gedanke, dass wir hier halt gelebt haben würden, als wir noch gelebt haben würden, hilft, nicht doch noch schnell den Staubsauger rauszuholen.
Der Nachbar von unten, hätte uns dann wohl auch vor dem Flugzeugabsturz gelyncht.

Kurz nach 4 treffen wir auf unsere Gemögte und es wird schön.
Die ganzen laut umherrufenden, das erfahrene Nachtleben ausströmenden Menschen, machen uns weniger Angst, als wir nebeneinander im Zug zum Flughafen sitzen und Dialoge wie:
„Is da Kontrolleur? Lass ma weg… Is Kontrolleur? Ey lass ma…“
– „Ey, wir sind locker Alter!“
erleben, die prompt enden, als der Sicherheitsdienst der Bahn durch die Waggons geht.
Es ist fast 5 Uhr morgens und die Dorfjugend verteilt sich wieder zurück auf die Käffer rund um die Stadt, in der
Flughafensie ihre wachsenden Gehirne mit Alkohol marinieren.

Hannover Flughafen.
Während ich alle Bemerkungen zur Pünktlichkeit nach vorne als anerkennend wahrnehme, muss meine Gemögte symbolische Blicke dazu auf mich werfen und sich vor Lachen nach hinten biegen, wie eine Palme im Sturm. Unser Flugzeug hebt nämlich erst 9.45 Uhr ab.

Wir setzen uns in einen der Imbisse, die so tun als seien sie Restaurants.
Da mir dann die Geschichte mit den Flüssigkeiten einfällt, trinke ich noch schnell den dreiviertel Liter Milchkaffee in meiner Thermoskanne aus und schütte kurz vor knapp noch einen halben Liter Energydrink hinterher.
Meine Gemögte macht sich auch zum Loch, bleibt aber bei Wasser. Immerhin auch ein Liter.

Dann gehts los.
Den neugekauften Rucksack und die Jacke durchleuchten lassen. Piepsen beim Tordurchlauf, schämen beim Abgetastet- und Abgescanntwerden.
„Vielleicht hat unsere Mutrüstung doch ein bisschen körpereigenes Metall…“, raunt es von innen, als wir dann im Abflugbereich auf das neblige Draußen schauen. Irgendwo innen singt es, ohne Ohrwurm zu sein. Nur um das harte Pochen im Brustkorb weicher aufkommen zu lassen, ohne es zu unterdrücken.
SchweizerGeld

„Wenn sich Magen und Kniekehle umarmen… In 20min fliegen wir ins Tobleroneland!“
Meine letzte SMS, vielleicht meine Letzte überhaupt, die ich gar nicht an so viele Menschen schicken konnte, wie ich gewollt hätte, sollte irgendwie genau so sein.
Dann muss das Handy aus. Im Flugzeug ist die Nutzung verboten und in der Schweiz teuer.
Aller Handykontakt nach Deutschland ist nun auf den absoluten Notfall limitiert. Wenn wir den Flug ohne Runterfallen schaffen und dann im Land der Schokolade, des Käses, der Verrücktmutigen, die sich freiwillig vom Himmel fallen lassen und der knuffigen Sennhunde, ein Notfall passiert, gibt es nur noch diese Gemögte, 3 wunderschicke 10 Schweizer Frankenscheine, ein Handy mit lachhafter Akkuleistung und uns allein.

Mit diesem Gedanken im Kopf lächelten wir die, als Stewardessen arbeitenden, Zahnpastawerbungsmodels an.

Fortsetzung folgt