Inzwischen ist es Mittag. Und immer noch Samstag.
Wir laufen auf glänzendem Steinboden zur Gepäckausgabe auf dessen Laufband der kleine Koffer unserer Gemögten einsam seine letzte Runde dreht.
Der Gedanke, dass mein Magen und meine Gefühle in mir, etwa die gleiche Strecke zurückgelegt haben könnten, wie der Körper als Ganzes, streift mich und geht in einem unwirklichem Flimmergefühl unter.
In den Ohren knistert es und ganz schwach ist da die Erinnerung daran, dass die Trommelfelle nicht so heil sind, wie die anderer Menschen. Vielleicht sind sie etwas in der Fähigkeit zu schwingen eingeschränkt.
In der Halle laufen wir „unserem Menschen“ fast in die Arme.
Und plötzlich eine seltsame Stille. Was soll man jetzt sagen?
Ich habe mir keine Worte überlegt.
Wieso nicht?
Achja- da war ja diese Kleinigkeit des ersten Fliegens, die mich absorbiert hatte.
Der Mensch holt zwei Granatäpfel aus der Tasche.
Ich spüre, dass ich viel ehrfürchtiger oder vielleicht auf eine andere Art dankbar oder anerkennend vor dieser Geste stehen sollte. Meine Fühler sagen mir: „Das bedeutet etwas.“.
Und zwar etwas Anderes als: „Hier hast du eine Frucht von mir.“.
„Eigentlich“, so denke ich, als wir durch einen Abschnitt mit einer Baustelle zur Bahnhaltestelle des Flughafens laufen und ich diese fremde Frucht in den Händen wiege, „weiß ich doch schon so, ohne jede andere Bedeutung, die an diese Frucht geheftet ist, dass es viel zu viel ist. Der Mensch hat an uns gedacht, als der sie in den Händen hielt und sie mir geschenkt. Und jetzt habe ich sie hier und weiß nicht einmal was genau es ist.“.
Irgendwann zwischendrin sage ich zu meiner Gemögten, dass es eine Frucht ist, die komisch guckt.
Wie die Avocado, die mir Frau Shehadistan geschenkt hatte und der kleine Hokaidokürbis, der irgendwann mal von einer anderen Gemögten kam.
Solche Früchte liegen in der Regel vorwurfsvoll schauend im Supermarkt, weil wir sie nie mitnehmen. Meistens, weil schlicht nicht klar ist, was wir damit anfangen sollen.
Wir fahren mit Fahrkarten, die Billets heißen, in einem Zug der schön riecht und gemütlich ist.
Sprechen und lassen unsere Fühler der Reihe nach übereinander gleiten. Ich soll alles sagen und machen, „wie es mir wohl ist.“. Dabei weiß ich doch gerade nicht einmal so wirklich, ob ich überhaupt gerade bin.
Wie schräg die Möglichkeit des Schlafens ausschlagen zu müssen.
Es war die dritte Nacht, mit knapp 3 Stunden Schlaf drin, in Folge. Hätte ich mich hingelegt, wäre ich eingeschlafen und nicht wieder richtig wach geworden. Doch bereits am Nachmittag soll der erste Teil stattfinden.
Wir besprechen also das Mittagessen und schauen auf die schöne Landschaft zwischen Zürich und Brugg, der Stadt, in der wir übernachten und für das Filmprojekt drehen.
Wie schräg übers Essen zu sprechen, Essen auszuwählen, wenn der Magen noch Flügel hat und zwischen den im Wind flatternden Adern unter der Haut, Schweinebammel macht.
Wie schräg durch eine Stadt zu laufen, die fast auch Gütersloh oder Minden sein könnte.
Wie schräg, dass hier keine Einhörner auf der Straße herumlaufen und ihre güldenen Hufe auf den Bonbonboden klicken lassen!
Mit vollen Bäuchen und einem groben Ablaufplan landen wir in unserem Hotelzimmer mit Blick aus den Eisiplatz. Es ist nicht das erste i am Ende eines Wortes, das uns für die nächste Zeit vor Lachkichergiggel die Gesichtsmuskeln und ach überhaupt alles entspannt.
Wir reden lauter Quatsch und stöhnen uns unsere Müdigkeiten vor, als wir nebeneinander auf den Betten liegen und die eisbecherförmigen Wandlampen angucken.
Meine Gemögte sieht aus, als wenn sie jeden Moment einschläft. Das darf sie aber nicht.
Einschlafen, das wäre jetzt wie weggehen.
Nach vorn machen wir Quatsch, aber nach hinten ist wachsende Fassungslosigkeit, dass sie immer noch da ist. Immer noch nicht die Schnauze voll hat von uns, von dem was wir sagen und machen, was das ganze Ding hier ist.
Es ist ein Spannungsfeld sie beim Dösen zu stören, weil es die Kinderinnens beunruhigt, obwohl es die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie wirklich von uns genervt ist und uns dann verlässt.
Um 14 Uhr 30 klopft es an der Tür und wir beginnen mit dem ersten Teil.
Es ist eine erst aufgeregte Atmosphäre, die sich aber nach und nach lockert. Das was ich sage, habe ich so oder so ähnlich schon vor vielen TherapeutInnen gesagt, im Blog geschrieben und sonst wie abgebildet. Alles was stört, ist die Müdigkeit und nach 2 Stunden ist der Kopfofen auch völlig aus.
Es ist okay. „Alles, wie es mir wohl ist.“.
Und an der Stelle merke ich ganz deutlich, dass es mir wohler ist, die letzten beiden großen Fragen auf ein Morgen nach viel Schlaf zu verlegen.
Später sagt mir meine Gemögte, die hinter uns saß, dass meine Konzentration spürbar war und es wie ein Energiestaubsauger gewirkt hatte. Ich glaube ihr das. Irgendwo in mir hatte sich auch etwas an alles und jeden in der Umgebung geheftet, um Kraft in meine Worte zu leiten, ohne welche von Innen abzweigen zu müssen.
Kurz nach 17 Uhr laufen wir durch die Altstadt von Brugg.
Die Aare ist der größte Nebenfluss des Rheins und wir stehen fast direkt daneben. Im Sommer, so denke ich, kann man hier bestimmt schön sitzen. Vielleicht angeln, schnulzige Gedichte schreiben und Leben essen.
Es rauscht schön, dieses schwarz goldene Strömen.
Dann gehen wir wieder ins Hotel und ziehen uns die Schuhe aus. Uffzen uns auf die Betten und atmen für eine Weile vor uns hin.
Ein bisschen Quatsch machen wir auch.
Ich merke, dass meine Ohren nicht mehr knistern.
Als unser Mensch mit bestelltem Abendessen zu uns kommt und wir im Bett (!) sitzend essen, hat es fast etwas von einem Hanni und Nanni- Mitternachtsfestessen.
Obwohl wir schon zur Seniorenzeit- also irgendwas um 21- 22 Uhr herum- in unsere Hüpfburgmatratzen hineinsinken und von Kirchengeläut begleitet einschlafen.
Fortsetzung folgt
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