von Etiketten, Fakern, Macht und Hilfe

Ein Thema, das gut neben meinen Gedankenkreis rund um Alltagsgewalt und Leidvergleiche passt, ist das von den Paulines und auch von den Mosaiksteinen aufgenommene Thema der sogenannten DIS- Faker.

Grundsätzlich sind mir persönlich die Diagnosen meiner Mitmenschen gleichgültig. Es sind Etiketten eines Machtapparates, die einzig ihm selbst dienen. Niemand hat etwas davon, außer jenen, die die Macht darüber haben, zu definieren wer was wann und warum erhalten oder verwehrt bekommen soll.
Dies ist eine Haltung zum menschlichen Sein, das nicht mit meinem Verständnis von Menschenrechten und meiner Moral übereinstimmt und entsprechend nicht aufgenommen und weiter getragen wird, wo auch immer es mir möglich ist.

Was mir hingegen nicht gleichgültig ist, ist wie mit mir interagiert wird.
Die eine Seite ist jene, die mir entsprechend dieser Etikette Hilfen zukommen lässt oder sie mir verwehrt. Darüber, dass uns für genau diesen Rahmen die Diagnose wichtig ist, beschrieben wir bereits in dem Artikel: „
Also, mir ist es nicht egal„.

Doch dann gibt es noch die Seite der sozialen Interaktion und der Wirkung von Menschen die eine DIS vortäuschen. Da gibt es die kopierte DIS und da gibt es die Menschen die meinen, eine Leidhierarchie in Gruppen von Menschen Problemen zementieren zu müssen, bzw. immer wieder ihren (Wunsch-) Platz darin zu unterstreichen.

Ich habe das Geschrei von vielen leidenden Menschen gehört (Gibt ja nichts anderes zu hören in Kliniken und auch manch einem Forum oder ähnlichem Selbsthilfesetting) und habe einfach gelernt zu hören, wonach jemand genau schreit, um Menschen zu orten, die nur so tun, als seien sie multipel bzw. die Menschen, welche ein bestimmtes Krankheits Verhaltensmuster kopieren.
Jene schreien nämlich nicht halb so laut danach als Mensch, als auch verletzter Mensch bestätigt und angenommen zu werden, wie als „multipler/ bipolarer/ depressiver…. Mensch“ bestätigt und angenommen zu werden.

Sie agieren in dem Verhaltensmuster, das ihnen am ehesten das zu garantieren scheint, was sie sich erhoffen. Der Schaden, den diese Menschen damit anrichten ist, für jeden der tatsächlich an der gerade kopierten Verhaltensweise bzw. dem kopierten Muster krankt, groß und hat Auswirkungen auf weitere Kreise als nur den direkten Rahmen in Klinik, Forum oder (Selbst- Hilfe-) Gruppe.

Ich werde mich im Folgendem vornehmlich auf die sogenannten DIS- Faker beziehen (letztlich ist es aber tatsächlich übertragbar).

Wir leben in einer Gesellschaft in der Opfer von Straftaten- vor allem wenn es um weibliche Opfer von Sexualstraftaten geht- angezweifelt werden; mindestens dem Verdacht der eigenen Schuld ausgesetzt werden und für die es absolut normaler Alltag ist, mit genau dieser Tatsache immer und immer wieder, wie durch ein Stigma herabgesetzt zu werden. Es ist ein Klima das mit dem Begriff der „rape culture“ zu erfassen versucht wird.

Ein Opfer geworden zu sein lohnt sich nicht!

Auf keiner mir bekannten Achse, gibt es einen Gewinn für Opfer von Gewalt. Sie sind die Verlierer und zwar immer und überall, dort, wo ihnen genau dies nicht mit allen Folgen und daraus resultierenden Leiden anerkannt wird.
Oh- kam dort schon das Wort „anerkannt“ vor?
Lassen sie uns doch mal nachdenken: In welchem Setting erfahren viele Opfer von Gewalt zum ersten Mal Anerkennung in ihrem Status, als jemand dem etwas Schlimmes geschehen ist? Als jemand der unter den Folgen dieser Ereignisse krankt und entsprechend leidet?
Tadaaa- es sind in den meisten Fällen Kliniken, (Selbsthilfe-) Foren oder Gruppen für Menschen mit genau diesem Hintergrund.
486486_web_R_K_B_by_Rainer Brückner_pixelio.de

Wie beschrieben , sind diese Orte vollgestopft mit Geschrei und dank immer weniger Pflegepersonal, auf die Ökonomie der Einrichtung ausgerichtete Hilfskonzepte und allgemein BESCHISSENER Versorgungslage, ganz allgemein für alle Menschen, die warum auch immer und egal in welchem Alter und egal, wo in diesem Land, Hilfe brauchen, wird nur versorgt, wer am lautesten schreit- ergo wer am stärksten leidet bzw. dessen Leiden innerhalb des Machtapparates, der darüber entscheidet ob und wann wer wie und welche Hilfen bekommt, als das Stärkste (im Sinne von Schwerwiegendste) gilt.

Es ist eine Fokusfrage.
Faker gucken nicht danach, wer tatsächlich am meisten leidet- sie schauen danach, wer warum und wie genau zu Anerkennung, Bestätigung und eben der Art Versorgung, die sie auch für sich unbedingt wollen und brauchen, kommt. Das steht für mich außer Frage- auch Faker haben einen Druck sich so zu verhalten, wie sie sich verhalten, weil eine Bedürftigkeit da ist- einmal ganz davon abgesehen, erfordert es auch eine gewisse Fähigkeit Menschen vernünftig und treffsicher genau so zu beobachten, damit man sie kopieren kann
[Sidestep-etwas, das alle Menschen können- doch noch besser lernen, wenn ihr Überleben davon abhängt- sie also zum Beispiel, Gewalt in ihrer Familie oder durch Menschen erfahren von denen sie abhängig sind… Naaa? Verbindet sich da schon was?]

Das finde ich zum Beispiel sehr interessant (also so irgendwie in einer Anwandlung von wissenschaftlichem Interesse *ähem): es gibt „schlechte Faker“ (im Sinne von schlecht kopiert) : das sind jene die bei ihrem Anwalt sitzen und sich ein Plüschtier an die Brust drücken, während sie mit Piepsestimmchen Fachsprache verwenden und absolut offensichtlich nichts als Mit-Leid erregen wollen. Und es gibt „gute Faker“ (im Sinne von gut kopiert): das sind jene, die ihre Geschichten erst dann aufgeflogen sehen, wenn sie die Hilfe bekommen, die sie brauchen- allerdings nicht so, wie sie sich das vorgestellt haben. Etwa dann, wenn bei einem Gerichtstermin die Prozessbegleiterin, sich mit dem Rest des Hilfsteams zusammensetzt und alle Informationen von der Klientin auf den Tisch kommen und es jeweils so absurd in alle Richtungen wird, dass die ganze Sache platzt.

Faker haben nicht den Fokus auf das Bild, das sie selbst vermitteln- denn sie haben immer das Bild vor Augen, dass ihnen zeigte: „Guck der Mensch macht XY und erhält dafür AB und dabei fühlte ich CD (das was ich will und brauche)“.
Würde ein DIS- Faker einen Menschen mit DIS außerhalb des Rahmens, in dem er aufgrund von Verhaltensmuster XY, AB erhielt, treffen, käme dieser nicht auf die Idee, das Verhalten XY eines sei, das ihm garantiert, was er will und braucht, denn in der Welt, die außerhalb der Schutzräume „Klinik“, „(Selbsthilfe-) Gruppe und Forum ist, wird dem Verhalten der Menschen mit DIS eine andere Bewertung entgegen gebracht und entsprechend anders darauf reagiert.

Diese Unterscheidung nehmen viele Menschen die eine Krankheit Störung Verhaltensweise kopieren wahr, sobald sie die Klinik/ Gruppe verlassen und versuchen dann (wenn sie einen fähigen Therapeuten finden) an ihren wahren Problemen zu arbeiten. (Ja dieser Satz enthält die Grundannahme, das es in den wenigsten Kliniken und Gruppen bereits Menschen gibt, die bereits dort vernünftig mit solchen Menschen arbeiten- tut mir leid- aber ich habe einfach schon zu viele Faker getroffen und entsprechend ihrer Schaudiagnose behandelt worden sehen, um noch der Illusion anzuhängen, alle KlinikerInnen und GruppenleiterInnen würden selbstverständlich bewusst auf diesem Themenfeld sein)

Doch nicht alle Faker finden einen guten Therapeuten (wenn sie denn überhaupt einen finden… Na? Raschelts im Hinterkopf?) und werden richtig gute Brüller. Sie schreien so lange, bis sie das perfekte Generika finden und machen dort weiter.
Manche geben sich mit einem Psychotherapeuten (der unter Umständen nicht soviel von regelmäßiger Fort- und Weiterbildung, oder auch von schlicht sorgfältiger Diagnostik hält) zufrieden (den sie für jeden weiteren Menschen mit dieser Diagnose verderben), manche brauchen auch noch eine/n BeraterIn, eine Betreuung, eine/n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin, sowie jede Menge sozialer Kontakte, die sie zentral in der Rolle des Menschen mit Diagnose DIS annehmen.

Faker tragen zu einem Bild in der Gesellschaft bei, das schlicht falsch und verschrägt ist.
Huuu, jetzt höre ich schon den Gedanken: „Ach doch nicht so dramatisch Frau Rosenblatt! Die Gesellschaft- also bitte!“. Tut mir leid- aber was glauben sie bitte, wer „die Gesellschaft“ ist?

Die Gesellschaft ist der Mensch, der ihnen in der Straßenbahn gegenüber sitzt; der ihnen sagt, was ihr Einkauf kostet; der ihnen ihre Kartoffeln pflanzt; der sie beim Amt anmault oder auch darüber entscheidet wie sie wann, warum und wo Hilfe bekommen!

Faker sind also unterm Strich Menschen die sich selbst verletzen und andere dabei gleich mit. Im Grunde tun sie etwas, dass man unter anderen Umständen „erweiterten Suizid“ nennt. Sie zerstören sich- manipulieren kleine Teile des Machtapparates und dieser wiederum sorgt dafür, dass die Faktoren, die auch mit dafür gesorgt haben, dass das Kopieren als solches erst nötig wurde, noch weiter verstärkt werden.

Das ist die Bestätigung vieler Menschen die Frauen, die eine Vergewaltigung anzeigen, immer erst mal von einer Falschbeschuldigung ausgehen (obwohl die Rate der Falschbeschuldigung extrem gering ist- der Schaden im Falle einer solchen aber enorm hoch), das sind Rechtsanwälte die drei-viel-fünf Mal überlegen, ob sie jemandem mit DIS beistehen (und dann doch das Mandat ablehnen), das sind Kliniken, die zusammengestückelt werden, damit die Aufenthaltsdauer so kurz wie irgend möglich wird (und damit häufiger aufgesucht werden müssen) und so weiter und so weiter…

Und wer gewinnt?
Die Täter. Die Gewalt. Und damit am Ende unter Umständen: der Tod.

Drastisch? Dramatisch? (Maaaan schreibt bei Rosenblatts heute die Drama- Queen, oder was ist hier los?- Jaja- ich hab heute meine Lesergedankenohren offen)

Das Risiko für einen Suizid ist bei Menschen mit einem Traumahintergrund bis zu 4 mal höher als bei Menschen ohne solche Erfahrungen. Wollen wir mal überlegen, wie hoch dieses Risiko wäre, würden sie (und natürlich auch alle anderen Menschen mit egal welchem Hintergrund!) einfach so, kostenlos, immer und überall, rückhaltlos Annahme, Bestätigung in ihrem Leiden und somit: Hilfen erhalten?
Was würde dabei helfen, diese Rate zu senken?

Es wäre definitiv eine Hilfe, wenn es keine Notwendigkeit mehr gäbe, sich Leidvergleichen eines Machtapparates ausgesetzt zu sehen, in dem nur Hilfe bekommt, wer vermeintlich am stärksten belastet ist.
Gäbe es dies nicht, gäbe es keine Notwendigkeit dieses Gefälle in sich selbst so zu internalisieren, dass man beginnt die Störungen Krankheiten Verhaltensweisen anderer Menschen zu kopieren.

Ich für mich halte mich von Fakern fern.
Sie zerstören sich vor meinen Augen und das ist schlicht nichts was meine Augen jetzt noch gebrauchen können. Ich habe mich für meine Heilung entschieden und versuche entsprechend auf Dinge zu schauen, die mich heil machen, bzw. der eigenen Heilung inbegriffen sind, um mir Vorbild zu sein. Ich schaue Person XY zu und sehe: „Aha- der macht AB, wenn es ihm schlecht geht und dann geht ihm besser… Hm- kopiere ich mir mal und gucke, ob ich kriege, was ich will und brauche… Ich weiß ja schon, was ich wirklich will und brauche, weil ich habe, was ich genau brauchte, um dies zu erfahren: Anerkennung und Bestätigung meines Seins als Mensch mit allem was mich ausmacht und geformt  hat, vor meinen Gemögten, HelferInnen und meiner Therapeutin. Ich Glückpilz!“

da ist er wieder

Eingerollt zwischen Ast und Stamm hockt er im Baum, wie ein Vogelnest aus Fetzen von Menschenkostümen. Er schützt seine Seite, während er eine Zigarette nach der anderen raucht und seinen Blick zwischen die Rillen der Rinde in eine Zeit fallen lässt, die ihm so nah, doch der Welt mit jedem Ticken der Uhr ferner ist.

Die Unruhe, die Angst, die er im Nacken fühlt, das Wissen um sein Sein, er atmet es mit jedem kratzenden Rauchschwall im Kehlkopf wieder aus, noch bevor es ihn wirklich berührt. Von seinen Schultern laufen die Tränen der kleinen Herzen, die auf ihnen ruhen und rieseln auf den Frühling hinab.49564_web_R_by_Udo Altmann_pixelio.de

„Mach diese ekligen Dinger aus- du machst, dass das Körpergesicht irgendwann aussieht, wie das von der Mutterfrau“. Sie hängt zwischen zwei Ästen und baumelt kopfüber herab. Ihre Rattenschwänze berühren seine Knie, als ihre kleinen Hände sein Gesicht umfassen.

„Lass mich, das ist nicht mein Körper- geh weg! Ich will… lasst mich doch einfach alle in Ruhe! Geht doch alle weg und lasst mich!“, wie ein angeschossenes Tier beißt er um sich und lässt die Kleine von ihrem Ast herunter fallen.

Sie landet im Gras, hört es beim Aufprall in ihr krachen und brechen, schaut nach oben auf seine gequälte Gestalt.

Und klettert wieder hinauf.

Tanzstunde

Du bist phobisch? Du hast was zu verbergen? Du brauchst dringend eine Vermeidungsstrategie?

Willkommen zur Einführungsveranstaltung: “How to Vermeidungstänze and everything about”

Wir beginnen mit der Grundhaltung
Folge deiner Angst! Hör auf sie bewältigen zu wollen!
Du brauchst nicht mal genau wissen, wovor genau du Angst hast, damit du sie wegbekommst- das klappt sowieso nie. Wichtig ist nur, dass du nicht anfängst darüber nachzudenken, ob sie nun berechtigt ist oder nicht. Oder, ob sie irrational ist oder nicht. Oder, ob es vielleicht einfach albern ist, jetzt Angst zu haben.
Nachdenken und Selbstreflektion sind Feinde von Angst.
Für einen anständigen Vermeidungstanz ist Angst unabdingbar!
Nimm deinen rasenden Puls und lass ihn zum Takt deiner Füße werden.

Vertraue niemandem.
Sowas macht nur unnötig sicher. Auch ein Angstfeind.

Nutze deine (durch deine Gewaltsozialisierung eingeübte) Fähigkeit Menschen bis aufs Kleinste zu beobachten und herauszufinden, was sie so für Typen sind. Verlasse dich dabei niemals auf Klischees. Alles was du siehst ist wahr- fang bloß nicht an deine Wahrnehmung mit der Wahrnehmung anderer abzugleichen.
Nochmal- Nachdenken und Reflektion sind tödlich für die nötige Grundangst!

So, nun zur Praxis.
Eine Freiwillige einmal bitte! Ah sie Frau Rosenblatt- sie können das ja schon so gut, sie…

“Huch, ich habe gar nicht das Richtige an für eine Freiwilligendarstellung, wissen Sie? Heute ist ja auch Samstag. Eigentlich ist tanzen jetzt heute nicht so angebracht. Wissen Sie, einmal war ich in der Disco und da… “

Grandios Frau Rosenblatt! Eine perfekte Darstellung, wie man von einer lobenden Erwähnung und einer direkten Ablehnung meiner Aufforderung wegtanzen kann! Gut gemacht! Eigentlich brauchen sie diesen Kurs hier gar nicht mehr- sie sind schon so gut!

Schauen sie mal- das, was Frau Rosenblatt jetzt macht- dieses Dissoziieren- das ist aus ’nem anderen Kurs! Dafür braucht man ein lange und extrem trainiertes Angstgehirn. Das bringe ich ihnen hier aber nicht bei. Sowas sollte niemand gut können müssen. Es ist auch ein Schutz- wie die Tänze, die sie hier lernen möchten, aber den kann man in der Regel nicht so gut gebrauchen, weil er reflexhaft vom Gehirn gemacht wird, ohne, dass zum Beispiel Frau Rosenblatt hier viel dagegen tun kann, außer sich durch grandiose Tänze im Vornherein davor zu retten.
Außerdem hat das Dissoziieren in dieser Form viele unangenehme Nebenwirkungen wie Amnesie, (Körper- Empfindungs-) Kontrollverlust und schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sowie ein eher rudimentäres Beziehungsleben und einen Fokus so weit wie ein Stecknadelkopf.

Vermeidungstänze sind keine leichten Spaß- oder Gesellschaftstänze. Es sind Tänze mit Angst als Motor- nicht der Macarena oder das Gehopse zu Sommerhits!
Sie müssen sich klar machen, dass Arbeit auf Sie zu kommt und sie einsam werden bzw. zu einem Automaten, der pro Person ein Tanzrepertoire abspult.

Um ihre Angst aufrecht zu halten, dürfen sie auf keinen Fall Bewusstsein für sich und ihre Themen entwickeln. Das heißt ganz deutlich, das soziale Beziehungen strikter Auslese und Konstellationsplanung unterworfen sein muss.

Niemals dürfen ihre unterschiedlichen Tanzpartner gemeinsam ihnen gegenüber auf diese Themenbereiche zu sprechen kommen.
Es sei denn sie haben unseren Fortgeschrittenen- Kurs besucht.

Zum praktischen Teil nochmal.
Belesen sie sich, studieren sie Menschentypen, richten sie ihre Aufmerksamkeit auf alles, was sie umgibt und gleichen diese Gegebenheiten mit ihren Tanzpartner ab. Je subtiler sie vorgehen und je mehr sie ihrem Gegenüber entsprechen, desto unauffälliger  und damit wirksam ist ihr Tanz.

Am besten starten sie bei ihnen unbekannten Menschen. Diese Menschen wissen noch nichts von ihnen und den Dingen, die ihnen (Todes)Angst einjagen.
Im günstigsten Fall haben sie eh schon gelernt, niemals nach außen zu zeigen, wann sie in Panik kommen oder Angst haben- dies ist sehr förderlich, da so das Gegenüber keinerlei Anhaltspunkte darüber hat, was in ihnen vorgeht. Es ist abhängig davon, dass sie Worte sprechen, die ihm einen Eindruck vermitteln.
Das ist ihre Chance!

Sie haben vielleicht ein festes Themenkorsett in dem sie sich gefahrlos (im Sinne von die Angst besetzten Bereiche ausgrenzend) bewegen können. Vielleicht ist es so steif, dass jeder Schritt heraus bereits genug phobische Unruhe verursacht, um einen Minimoonwalk hinzulegen. Das ist natürlich perfekt.
Anderen sei geraten sich vorzubereiten und die möglichen Tanzvarianten gezielt zu üben.

Menschen hören gern gute Nachrichten. Komplimente. Lustige Anekdoten. Diese Tanzvariationen gehören zum Einmaleins. Small Talk ist nicht anderes als ein Vermeidungstanz- nur wird hier der Faktor Angst oft umbenannt- das muss sie aber nicht irritieren. Nicht jeder kann zu seiner Angst oder gar Phobie stehen.

Im weiteren Verlauf wird es nötig eine sachlich- pseudovertrauliche Tanzatmosphäre aufrecht zu erhalten. Niemand ist immer fröhlich und wenn sie- warum auch immer- Kontakt über eine längere Zeit mit ihrem Tanzpartner haben, ist es wichtig normal zu wirken. Bauen sie auf Insidern zwischen ihnen auf, versuchen sie sich in immer längeren Schleifen bis sie sich in einem Niveau bewegen das ihnen angenehm ist.
Als Beispiel: Sie haben möchten den Themenbereich Katzen vermeiden, weil sie schon bei dem Gedanken an diese Tiere eine Gänsehaut bekommen.
Ihr Gegenüber arbeitet aber in einer Tierpension und würde auch ohne zu Zögern einfach von Katzen zu sprechen anfangen. Menschen sprechen gern von ihrem Beruf. Seien sie doch einfach mal der Erste, bei dem der Mensch die Gelegenheit hat sich über die gesetzlichen Regelungen seines Berufes auskotzen kann! Oder die Steuer. Oder die Kunden. Oder die baulichen Anforderungen. Oder die Zukunft dieses Berufes. Von all diesen Punkten können sie sich immer weiter entfernen. Kunden, Steuer, bauliche Anforderungen und Berufszukunft gibts für so ziemlich jeden Beruf.
Diesen ersten Tanzschritt müssen sie machen- sie müssen ihren Partner schon in eine Richtung führen- ist es der richtige Kanal bei dem Menschen, sind sie in Nullkommanichts von der Tierpension mit maunzendem Klientel, bei den Bauvorschriften von Tiermastbetrieben und der Bio-Vegan-Fleischfressdebatte angekommen.

Sagen sie ihrem Tanzpartner niemals, dass er ein Tanzpartner ist!
Er wird versuchen sie zu stören, anstatt mitzumachen. Auch hier ist es, im Fall des Falls, dass ihnen das doch mal so rausrutscht (Niemand ist perfekt! Auch Vermeidungstänze müssen geübt sein), hilfreich, wenn derjenige weder genau weiß, wie ihre Tänze aussehen, noch wann genau sie damit anfangen.
Nutzen sie eigentlich sinnbefreite Konventionen- auch wenn sie für den Kontakt eigentlich eher unprioritär sind. Machen sie eine nette Bemerkung über die Einrichtung, die Kleidung ihres Gegenübers, vielleicht bieten sich Fragen nach Urlaub und Familie an. Bemerken sie Augenringe? Versuchen sie es mit einem Diskurs über Matratzen und Bettgestelle… IKEA ist auch immer wieder ein sehr breites Feld- von dort aus kann man auch gut zum Thema Kinderarbeit und nun aktuell auch Pferdefleisch hinübergleiten.

Es gibt auch Situationen in denen ihr Gegenüber sehr hilfreich sein kann- selbst wenn er weiß, dass sie Vermeidungstänze machen. Da sie ihm ja nie sagen werden, wovor genau sie so phobisch sind, weiß er es nicht und versucht es aber vielleicht herauszufinden.
Aaaah na- ich merke schon das treibt ihren Puls schön hoch- super! Nun brauchen sie nur noch zu warten, wann der erste Schritt vom Tanzpartner kommt. Steigen sie ihm auf die Füße und beginnen sie einen philosophisch-neurowissenschaftlich- anthropologisch- kulturhistorischen Diskurs über sein Interesse an ihrer Angst.

Die wenigsten Menschen geben zu, dass sie es einfach nur spannend um der Sache willen finden und dass es ihnen nicht um sie dabei geht. Genauso wenig Menschen geben zu, dass sie sie einfach nur reinlegen wollen. (Sie wissen ja- vertrauen sie niemandem- sie alle wollen sie nur reinlegen!).
Die Menschen werden anfangen sich zu rechtfertigen und ihre eigenen Tänze aufzuführen. Wenn sie richtig in Schwung sind, brauchen sie sich nur noch zurückzulehnen und zuzugucken.

Vielleicht fragen sich manche Kursteilnehmer: “Wozu der ganze Aufwand?”

Sehen sie Frau Rosenblatt hier. Sie wird ihnen ihre Sicht erzählen.
“Angst ist ein Warnzeichen. Angst bedeutet Gefahr.
Angst ist tödlich für einen selbst. Mit jedem Moment in dem ich Angst habe, gehe ich innerlich weiter kaputt. Für mich ist es- gerade mit dem Reflexschutz meines Gehirns zusammen- fast unmöglich zu sagen, wovor genau ich so eine Angst habe.
Was ich allerdings sehr genau weiß ist, wovor ich keine Angst habe.
Ich habe keine Angst davor einsam zu sein. Ich habe auch keine Angst vor dem Gefühl der Demütigung oder Erniedrigung, wenn mich andere Menschen als unfähig oder dumm betrachten. Das sind alles Dinge, die ich selbst schon weiß. Ich mag es nicht besonders, wenn es andere von mir denken- doch Angst habe ich nicht davor.

Ich habe irgendwann bemerkt, dass aus dem leichten Kribbeln in der Haut, schnell richtige Todesangst wird, die ich nicht aushalten kann. Zusammen mit dem Hirnreflex der Dissoziation, habe ich ab einem Zeitpunkt keine Chance mehr mich in Gefilde zu bringen, in denen ich die Kontrolle über die Situation habe.
Solche Situationen führen in der Regel dazu, dass die Menschen auch noch anfangen Mitleid mit mir zu haben oder ganz besonders lieb zu mir zu werden- was mich in nur noch grässlichere Angst bringt.

Also habe ich gelernt mich wie in einem Swingmedley von Thema zu Thema zu bewegen.
Viele Menschen mögen Swing. Sie freuen sich über Gelegenheiten in denen ihnen jemand zuhört, sie von sich reden können, über Themen sprechen können, die sie bewegen.
Alles was ich tun muss, ist den Takt zu wahren und ab und an die Führung zu übernehmen.

Inzwischen kann ich es so gut, dass ich kaum noch darüber nachdenken muss.
Was allerdings proble…”

Na na na Frau Rosenblatt. Sollte das etwa der Anfang einer Reflektion werden?!
Nein, nein- damit fangen wir gar nicht erst an.
Wir fangen jetzt an zu üben.

>Suchen sie sich bitte einen Partner!
Ich verteile jetzt die zu umtanzenden Themen…

Marienkäfer flieg

“Schhhhh beruhig dich… atmen… Schhhhh Schhhhh Schhhhh… hm? Wir sind jetzt zu Hause… es ist okay. Schhhhh… Ich bin da…”

Sie klammert sich an meine Schwungfedern, streift die Jacke ab und lässt alles im Flur fallen. Das rasende BÄÄÄM aus dem Hintergrund schwillt noch mehr an.
”Schhhhh es ist okay… mach ruhig… ich bin da…”

Sie schaut mich an. Blaugrau angelaufen.
Sie erstickt an Wort und Gefühl. Der Mund ist zugenäht.
”Es ist gut. Du kannst es schreiben. Schhhhh… atmen… ich bin da… ich passe auf, dass dich niemand stört… es ist wirklich gut…”

Sie greift tiefer in meine Federn und drückt ihren stachelbewehrten Rücken an meine Brust, tippt wie wild auf die Tastatur des Laptops ein. Atmet mit jedem Wort freier und nimmt ihre üblich rosige Farbe an. 486459_web_R_by_Péronne vd Ham_pixelio.de

Hier in meinen Dunstkreis dringt kaum etwas von den BÄÄÄMs ein. Sie ist sicher. Sie kann einfach schreiben schreiben schreiben. Ausdrücken was sie nicht sagen darf. Der Moment des Erschreckens über die Wortmalerin, die ihr in die Glieder fährt, um die Worte zu sortieren, ist nur kurz. Die Erleichterung hingegen nachhaltig.

“Komm her mein Herz, du darfst hier bleiben. Es ist gut…”. Ich summe ein Lied und bringe sie in Ruhe zwischen meine Daunen.
Es fühlt sich seltsam an. Sie ist so groß. Aber es geht.

Ich sehe die Frontfrau durch die Wohnung stolpern. Ordnung schaffen, den Hund füttern, alles gerade biegen. Alles ist perfekt und dann bemerkt sie das Marienkäferkostüm, die schwarzen Rinnsale, die von ihren Wangen laufen.

Ich versuche sie zu streifen. Ich denke, vielleicht kann sie mich fühlen und zufassen. Vielleicht… sie ist ja auch ein Herz, vielleicht könnte sie auch… Doch sie ist noch nicht genug. Ein Hauch und sie schießt auseinander.

Da sind sie wieder.
Die Schritte.
Das Kleine hat nicht die Kraft zum Weglaufen, es kriecht unter den Küchentisch und wird doch wieder darunter hervor gerissen.

Ich summe. Für mich. Halte aus, aushalten zu müssen, Zeugin zu sein. Warte. Bange. Verschließe meine Ohren. Wieder. Plustere mein Gefieder auf.

Es krabbelt unter die Essbank.
Wieder wird NakNak* zur Wächterin. Aufmerksam und betont desinteressiert.

Ich lande in dem Leben, dass ich beobachte. Ich merke das Kleine auf meinem Rücken. Spüre wie es sich von der kleinen Starken streicheln und mit meinen Federn bedecken lässt. Ich kann es fühlen.

Ich hieve den Körper aus dem engen Eck.
Streiche die Farbe aus dem Gesicht, streiche über die Verletzung, streiche über die Kleidung zur Nacht. Würde gern das Kleine streicheln.


Marienkäfer flieg
in dir da herrscht Krieg
Rettung liegt in deiner Hand
deine Hand wird abgebrannt
Marienkäfer flieg


Es gibt einen Frontgänger, der seine Besuche in der Universität “die tägliche Kelle Weisheit fressen” nennt.
Ich habe auch Hunger.

Ich hätte gern eine große Portion Hoffnung.

Zahlenkrieg

Respekt und Miteinander.

Diese Begriffe umschwirren mein Denken zur Zeit wie ein Schwarm Schmetterlinge. Lange hingen sie von den Verästelungen meiner Nervenenden herab. In kleinen Puppen herumschwappend- weder Raupe von Schmetterling. Reine Ursuppe mitten im Prozess.537400_web_R_by_Dirk Röttgen_pixelio.de

Nun sind sie frei und stoßen an das Innere meiner Schädeldecke. Einen Ausgang suchend um ihre Flügel auszubreiten.
Wenn ich den Mund öffne, meine Zunge zu einer Startrampe werden lasse, dann ist es, als würden sie sich überlegen, ob sie nun abspringen oder sie nicht vielleicht doch lieber erst mal die Puppenreste rauswerfen. So ist es vielleicht kein Kommunizieren dieser Begriffe… doch in jedem Fall das, was sie umgab und schützte. Es ist ein Versuch.

Wir waren bei einem den Beruf des Mediziners ausübenden Menschen und es war furchtbar.
Nicht, weil es da um etwas Intimes ging oder um das Ausmaß unserer Zerstörung, sondern weil wir verloren hätten, egal ob und wie verletzt und zerstört wir sind.

Es ist nichts Besonderes. Ja. Für Frauen die einmal im Jahr dahin gehen oder sogar noch öfter, weil sie chemisch verhüten, ist es das auch nicht. Sie lassen sich mehr oder weniger regelmäßig ausmessen, etikettieren, anfassen, begucken und irgendwie ungreifbar auch bewerten.
Ob sie noch normal sind.
Ob DA auch noch alles in Ordnung ist.

Ich habe das mal recherchiert- im Schnitt geht ein biologisch weiblicher Mensch mit 16 Jahren das erste Mal dorthin.
Frage: Was verdammt noch mal hat so eine Fehleranfälligkeit, dass es mit 16 Jahren schon kaputt sein kann? Und wie oft liegt tatsächlich eine so krasse Veränderung vor, dass die mehr oder weniger schallende Dauererinnerung an alle biologisch weiblichen Teenager gerichtet, “dann langsam mal da hin zu gehen”, gerechtfertigt ist? Seid wann geht man zu einem Heiler, wenn alles heil ist und nicht wenn etwas zum Heilmachen da ist? Und was ist das für eine Auffassung, in der Normalität- Gesundheit- ein potenzielles Verfallsdatum hat? Und wieso gilt das Gleiche nicht für biologisch männliche Teenager?

Als ich da so im Wartezimmer saß und mir ab und an die kalten Tropfen von der Oberlippe wischte, dachte ich, dass ich eigentlich tatsächlich an einem Ort sitze, der einfach insgesamt irgendwie schief ist.
Neben mir saß ein weiblicher Mensch, deren Fötus sich im Bauch bewegte.
Ich mag sowas. Man sieht es nicht bei allen schwangeren Menschen so gut, deshalb nahm ich es als Geschenk auf. Eine Art Lichtblick.

Und dann hörte ich dem Menschenpaar zu. Zahlen, Werte, Normen, Ängste, Sorgen, Anspannung.
Genau wie ich.
Meine Anzahl weißer Blutkörperchen war zu hoch, so ziemlich alle Werte in meinem Blut  sind einfach  schief. In meinem Körper tobt eine Entzündung und das schon eine ganze Weile.
Da ist Krieg in mir. Biologisch und seelisch gleichzeitig.
Ich bin nur hier, weil dabei eventuell etwas zerstört wird, was mir den Bauch auch so füllen könnte. Irgendwann. Vielleicht.

Dr Mensch neben mir hatte auch Krieg.
Obwohl er doch gerade eigentlich mit etwas Besserem beschäftigt sein könnte. Den ganzen Tag diesem Wackeln zugucken zum Beispiel. Sich schön finden so kugelig. Dafür zu sorgen, dass es ihm gut geht. Dass man sich gut fühlt.
Statt dessen saß er da und dachte über die Zahlen nach.

Wenn wir zu einem den Beruf des Mediziners ausübenden Menschen gehen, ist das Erste das uns abschmiert die Sprache.
Das ist ein klassisches Merkmal von Panik.
Unser Gehirn hat gelernt trotzdem einigermaßen zu funktionieren. So ist es dann nicht so, dass wir noch der Ratio oder der Fähigkeit zur Bewegung hinterher winken müssen. Doch es ist ein stumpfes, roboterartiges Existieren und ich kann mir nicht vorstellen, dass das aussen nicht auffällt und etwas ist, das ein gesondertes Fachwissen zur Erkennung erfordert.
Wir wissen das von uns und, weil wir mit dem Menschen, der Medizin studiert hat, zusammenarbeiten wollen- miteinander sein wollen und unsere Verantwortung am Gelingen dieser Zusammenarbeit übernehmen wollen- bereiten wir uns peinlich genau vor.
Es ist eine Bedienungsanleitung im Grunde.
Dort steht alles drauf. Von “Ich kann nicht sprechen, weil ich in einem Zustand von Panik bin” (- sie haben gerade eine Macht über mich) bis “Sagen sie mir jeden Handgriff den sie tun- zeigen sie mir jedes Instrument mit dem sie das tun” (- erschrecken sie mich nicht noch mehr und zeigen sie mir, dass sie wissen, dass sie eine Grenze berühren).
Es steht alles drauf. Mit rotem Stift. Alarmfarbe. Unterstrichen wie wichtig das ist.
Mit dicken Ausrufezeichen, dass wir Hilfe brauchen werden, um uns zu orientieren. Dass sowas ganz Basales, wie der Name- der Ort in dem wir leben, die Funktion des Menschen, für mein Gehirn Informationen sind, die es in dem Moment nicht abrufbar hat- selbst wenn die Untersuchung an sich schon längst vorbei ist.

Doch es ist Krieg.
Menschen mit Kriegen in sich gegen Menschen die nicht merken, vielleicht nicht beachten, dass sie Krieg mit Zahlen machen.
Der Mensch dort vor uns hat die Karten nicht lesen wollen. Nur den Kurzbrief aus der Ambulanz. Den Laborzettel mit den Zahlen drauf.

Viele grüne spitzzähnige Rosenblätter lagen verstreut, wie tot, da herum, stießen wie die leeren Worte an die Decke des Raumes oder verkrochen sich in den Ritzen der Fensterfüllungen.
Der Mensch hat keine unserer Grenzen wahrgenommen und geachtet.
Wir verwandelten uns in das Plastikmodell eines Intimbereichs eines weiblichen Menschen und haben seelisch überlebt.
Die Worte gehört, das Unverständnis wahrgenommen. Wir spürten die Grenzen des Menschen und dessen Zahlen, Normen und Werte sehr deutlich. Und hätten wir sprechen können, hätten wir uns entschuldigt. Und wenn wir uns im Verlauf vernünftiger hätten bewegen können, hätten wir den Menschen umarmt und gesagt, dass es nicht so schlimm ist, dass er aufhören kann zu schimpfen.

Heute, zwei Tage später, denke ich, dass wir uns damit trösten müssen, dass es daran lag, dass der Mensch die Karten nicht gelesen hat. “Alles wäre sicher anders gekommen, wenn die FRAU unsere Karten gelesen hätte. Alles wäre vielleicht anders gekommen, wenn wir der FRAU gesagt hätten, dass wir ein Opfer von Gewalt wurden und sowohl Schäden davon, als auch die Schäden die vom Innen zugefügt werden, zu sehen sein werden.”

Doch dann fällt mir auf, dass noch keine der Frauen mit denen ich über ihre Erfahrungen mit Menschen die den Beruf des Gynäkologen- oft genug auch des Mediziners einer anderen Fachrichtung- ausüben, jemals davon gesprochen hat, dass es eine Zusammenarbeit gab. Ein Miteinander.
“Ja, sie hat gemeint…”; “Und dann hat sie…gesagt” , “Er hat …gemacht”, “Er sagte, ich soll…”, “Sie warnte mich, dass….”
Dass alle Frauen dort in einer Welt landeten die von Zahlen und Werten… vielleicht dem Status des unantastbaren Heilers oder auch Retters dominiert wird. Nicht so oft von dem Menschen, die sich zum Instrument dessen macht oder sich in der Rolle des Retters gefällt. Und erst recht nicht von dem Menschen, der dort mit einem Heilungs- oder Rettungswunsch hinkommt.

Ich denke, vielleicht ist es ein Krieg wie bei Hartz4 oder beim OEG oder bei der Krankenkasse…
Zahlen gegen Menschen.
Zahlen, Normen, Richt- und Lei (d) tlinien die wir Menschen erschufen wie dereinst Frankenstein sein Monster, die sich nun gegen uns richten.

Von den meisten Menschen hingenommen, akzeptiert als Werkzeug und Gradmesser. Die Art, wie man zu ihnen kommt wird nebensächlich, denn wenn man oft genug- und früh genug draufhaut, dann tut es irgendwann nicht mehr weh. Und falls doch einer heult, dann kann man ihm ja immer noch sagen, er sei selbst schuld.
Das funktioniert ja immer bei biologisch weiblichen Menschen, deren Grenzen gerade verletzt wurden.

Denn das sind ja nur Frauen.

nicht das Gleiche- nur bei allen Frauen gleich

Es ist nicht vergleichbar.
Nein überhaupt nicht.

Das hier nennt man medizinische Hilfe.
Nicht Gewalt.

Es schreit im Kopf.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Es tut weh und es gibt keine Alternative.
Ohnmächtig fühlend und nicht in der Lage sich zu äussern oder zu flüchten.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Man wird gedemütigt.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Uns wird das Leben gerettet
und dabei, aus Versehen, die Seele erschüttert.

Das ist nicht das Gleiche, denn andere bestimmen, was gleich ist und was nicht.

Wir waren nur beim Arzt
nicht bei einem Vergewaltiger.

Es war nur Verhelfgewaltigung.
Nichts worüber man klagen sollte.

Das erleben ja jeden Tag viele Frauen.159177_web_R_K_by_Dieter Kreikemeier_pixelio.de
Das ist ja nichts Besonderes.

Was lässt du dir das auch bieten?
Geh doch woanders hin!
Wehr dich doch!
Es ist doch nicht das Gleiche!

Eine Art #Aufschrei
Immerhin

einen Tag später, nach 30km Flucht

Akut oder nicht? oder: Hilfe schmerzt

Wir stehen vor der Frage ob wir einen Mediziner aufsuchen oder nicht. Und wenn ja- wie wir die Frage beantworten, ob es akut ist oder nicht. Ob (schnelle) Behandlung nötig ist oder nicht.

Und stehen damit sofort schon wieder vor dem Problem, die Themenfelder darum herum nicht sortiert zu bekommen, um die Frage richtig zu beantworten. Wieder klaffen innen und außen komplett auseinander und erscheinen kaum vereinbar.

Das Schmerzempfinden ist die meiste Zeit des Tages “abgeschaltet”. Die Alltagsinnens empfinden entweder schlicht keinen, schweben die meist Zeit eher neben dem Körper oder sind einfach nur Kopf/ Muskel/ Bewegung/ Reizempfänger- nicht der Rest des Körpers bzw. mit ihm verbunden.

Das war früher sinnig und in Anbetracht der Selbstverletzung bis jetzt, ist es das auch noch heute.

Das Problem ist, dass man so auch schnell blind für ein Leiden wird. Nicht weil man unaufmerksam ist oder weil man keine Heilung will- sondern weil ein grundlegendes Definitionsmerkmal fehlt: eine Belastung oder Einschränkung (durch Schmerzen in diesem Fall) derer man sich bewusst ist.

Wir haben es bis heute nicht geschafft, auch nur eine Erkrankung dann wahrzunehmen, wenn sie nicht schon dramatisch ist. Von der Blasenentzündung bis zum Ohrinfekt, Zahnprobleme die “plötzlich” zu Kieferproblemen wurden und “so komisch abstehende Zehen”, die sich als gebrochen herausstellten. Alles schon gehabt. Nie provoziert oder selbst zugefügt. Einfach nur mitgenommen, so wie jeder Mensch mal einen Infekt oder eine Verletzung mitnimmt und dann, einfach nicht bemerkt. Und erst dann eine Belastung erfahren, als es bedrohlich wurde.

Ja, man wundert sich zwischendurch mal, warum das Innen instabil ist. Natürlich fragt man sich, wieso dieses oder jenes Innen plötzlich öfter im Alltag auftaucht oder einfach näher unter der Oberfläche fliegt. Und ja, kurz denkt man auch darüber nach, dass eine körperliche Erkrankung der Grund sein könnte. Doch der automatische Selbstcheck sagt ja “Nö- hier ist alles tutti”, also schreitet man auch nicht zur Überprüfung- zumal selbige auch schon wieder nur dann funktioniert, wenn es einen Wechsel gibt zu denen, die das überhaupt so aushalten mit dem Körper konfrontiert zu sein. Und das schaffen wir nicht ohne Bedrohung.  (Sidestep: Sinn der DIS- Wechsel aufgrund von Notwendigkeit- nicht von Bequemlichkeit oder aus Gründen der Praktikabilität)

Für uns ist es also schon ein Akt bis es ein breites Bewusstsein um Erkrankungen oder Verletzungen gibt. Das gilt auch für die Folgen von Selbstverletzungen, bei denen inzwischen noch andere Dinge mit hineinspielen.

Viele Aspekte des selbstverletzenden Verhaltens hier, sind längst nicht mehr wie früher dem Unterbrechen von Depersonalisation oder dem Zeigen von Verletzlichkeit und dem “Verletzt worden sein” dienlich. Diese Funktion erfüllen nun Sprache und Skills, die wir so gut es geht einsetzen und nutzen. 63965_web_R_by_stefane_pixelio.de

Inzwischen geht es ausschließlich um Wiederholungen und das als zwingend wahrgenommene Weiterführen von Handlungen, um Verhaltensmuster und/ oder Funktionen innerhalb früherer Sozialbezüge zu sichern und aufrecht zu erhalten. Und sei es als Absicherungs/Stabilisierungselement für Innens [BÄÄÄMs] die sich abhängig davon sehen.
Diese Verletzungen dürfen- gemäß der Werte jener Sozialbezüge oder auch im Rahmen des Zwangs- gar nicht als belastend empfunden werden, sondern als Warnung, als Auszeichnung, als Bestätigung einer Demütigung oder als Zeichen der Macht welche den (inneren) Tätern nachwievor obliegt.

Wenn man zum Arzt geht hingegen, dann tut man das nicht, weil man unter einer Auszeichnung  oder einer “zu Recht” empfangenen Strafe leidet, sondern, weil man unter einer Belastung/ Einschränkung leidet.
Das heißt, man muss seine Versehrung umdeuten.
Man muss verleugnen, was war und sagen, dass man eine Belastung erfährt- obwohl  man es vielleicht gar nicht tut. Oder unter der Konfrontation mit der Leidensdefinition des Arztes zu zerfallen befürchtet.

Für uns heißt das gleich wieder mehrere Punkte
– Lügnerin (eigentlich schon wieder Rechtfertigung für alles)
– Abtrünnige (ja- stimmt- was soll man dem entgegensetzen?!)
– Weichpitti (schon klar- nur die harten , die sich nicht anstellen…jattata jattata…)
– Diebin (nimmst Hilfe, die du nicht haben darfst)

Großartig.
Und wieso sehen wir uns gezwungen überhaupt zum Arzt zu gehen?

Da ist zum einen die Ärztin in der Ambulanz, die auf mich eingeredet hat, als könnte ich meine Organe eigentlich schon jetzt zur pathologischen Begutachtung da lassen und zum Anderen die Vereinbarung mit der Therapeutin, ärztliche Hilfen in Anspruch zu nehmen, sobald diese nötig erscheinen.

Über das Stadium in dem wir uns aus solchen Absprachen herausschlängeln, in dem wir die Frage aufwerfen: “Sobald diese nach wessen Definition notwendig erscheinen?”, sind wir eigentlich schon mal hinweggewesen.

Aber jetzt ist es wieder da.
Vielleicht nicht mal nur so als Vermeidungstanzelement, weil wir Angst vor der Bewertung der Ärztin haben und dem Moment der Scham entgehen wollen, sondern tatsächlich als tiefe Frage.

Die aktuelle Selbstverletzung zentriert sich auf einen Punkt, an dem Vergangenheit und Zukunft Hand in Hand gehen. Da geht es um unglaublich viel Macht und viel Druck diese zu behalten und zu nutzen.
Genauso aber, wie es auch noch immer ein bisschen in der Therapie darum geht.

Es ist eine Synchronizität, die so nicht gezielt passiert ist, sondern sich jetzt eben so darstellt und es ist die gleiche wundergut-fantastischlimme Grätsche der Hilfen.
Es ist gut, dass wir sie annehmen könnten. Dass, das in “der Welt der Anderen” einfach annehmbar wäre und auch die Schamgefühle und so weiter erlaubt und akzeptiert wären bzw. man eine Erlaubnis und eine Akzeptanz selbiger einfordern dürfte. Ja, das ist toll.

Doch wo sind wir?
Unsere Welt von früher- die in uns nachwievor weiterlebt und genauso grausam, wie doch aber logisch nachvollziehbar ist, passt so überhaupt nicht dazu.
Und wo- außer in mir selbst- werde ich jemanden finden, der mich davor bewahrt an meiner Versehrung zu sterben, ohne einen Frevel zu begehen?

Das ist als würde ich einen Arzt suchen, der meinen Körper behandelt und mir anschließend ein Bein absägt.

Oder eben eine Therapeutin, die hinnimmt, dass ich an einer Sepsis sterbe, noch während sie mir hilft, die ursächlichen Verletzungen zu verhindern.

Es ist ein Patt.
Und eigentlich gibt es wieder keine Gewinner.

Es ist klar, dass der Arztbesuch in jedem Fall furchtbar für uns wird. Egal, wie gut wir uns vorbereiten oder lieb begleitet werden und auch egal, welche Diagnose oder Behandlung am Ende vor uns steht.

Und es ist klar, dass allein der Umstand diese Hilfe an Anspruch genommen zu haben- obwohl es noch nicht einmal von uns aus und wirklich freiwillig passierte, erneut eine Selbstverletzung zur Folge haben wird.

Genau wie in Bezug zur Psychotherapie.

Manchmal denke ich, wir laufen durch ein Spiegelkabinett. Es sind immer die gleichen Dinge. Immer ist eigentlich schon alles glas-klar. Doch dann schaut man genauer hin, nimmt die Unterschiede wahr und jedes Wissen wird abhängig von einer Übereinstimmung der Definitionen.

Oder Chance eines Konsens der so utopisch erscheint, dass er zum heiligen Gral wird.
Zum Therapieziel.

Vielleicht
zum einzigen Grund des Überlebens derzeit.

Nacht

01:00 Uhr Eigentlich, das weiß ich, ist es dumm jetzt ins Bett zu gehen.381421_web_R_K_by_Viktor Petrow_pixelio.de
Es gab Nahrung, das Innen brodelt und raunt mir etwas an den Rand meiner Hörperipherie.

Und doch ist es, als wäre der Körper übermüdet von den Kämpfen. Wie ein gefallener Krieger, dankbar ob der Ohnmacht, rauscht er in einen Schlaf.

03:34 Uhr Sie schreckt auf, den Schweiß auf der Haut, wie im Hochsommer. Da ist die Angst, die abgrundtiefe Angst erwischt zu werden. Fast spüre ich es selbst, doch mehr sehe ich es, wie sich die feinen Härchen aus den Poren schieben und alle Nässe an ihnen herunterperlen lässt.

Mein Gesang erreicht es nicht. Dieses Kleine erfährt keinen Trost durch meine Stimme, meine Nähe, meine Versicherung, dass ihm nie wieder jemand Leid zufügen wird.
Zum ersten Mal bin ich diejenige auf der anderen Seite.

Ich schwebe innen und außen, umkreise und sehe es. Und doch kann ich es nicht auf meinen Rücken nehmen. Es ist, als sei es unter einem faradayschem Käfig gefangen.

Es müht sich ab, kriecht vom Bett herunter, um darunter Schutz zu suchen. Atmet. Hat die Augen weit auf. Überlebt. Gibt keinen Laut von sich.
Ich kann hören, dass es Schritte hört. Sie kommen von innen, gehören ihm.
Dem Grauen.

Ich werde Zeugin.
Zeugin, wie ich immer schon die immerwährende Zeugin bin.

Die Gewalt lässt mich erstarren, mein Gefühl der Zeit schwanken. Ist nun heutejetzt oder damalsgestern?

Ich sehe erneut wie es gebrochen zurückbleibt, erneut den Schutz der Enge sucht. Nun wimmernd, fiepend, hochfrequent jaulend und doch stumm. Sein Schmerz muss unsäglich sein.

Nach einer Weile hören wir das Klicken von NakNak*s Krallen auf dem Laminat. Sie nähert sich, geht ums Bett herum, schiebt ihre Nase darunter. Ich glaube sie spürt, dass jetzt kein Augenblick für Nähe ist, denn sie bleibt außerhalb dieser Höhle. Legt sich aber doch davor, betont desinteressiert, aber achtsam.

Es vergeht Zeit. Der Atem geht langsamer. Das Kleine hat es geschafft.
Sein Fell verändert sich, wird borstiger und dunkler. Dieses andere Kleine kriecht an NakNak* heran und vergräbt seine Nase im Fellwirbel an ihrem Bauch.

Sie beruhigen einander. Geben keinen Laut von sich, sprechen auf einer Ebene, die in sich geschlossen ist.
Ich kreise weiter, versuche sachte Kontakt aufzunehmen und bin doch selbst zu erschreckt.

Die Sonne geht auf und mit jeder Minute die mehr Licht bringt, verschwindet das Fell. Der übermächtige Schmerz flacht ab, verdünnt sich zum normalen Grundgefühl. NakNak* scheint zu spüren, dass sie nun albern sein kann. Ihr Fang wird rund, das Gesicht welpig. Es ist eine spielerische Mutation die nun losgeht.

Ich bin froh, sie wieder zu fühlen. Meine kleine mutige Starke. Sie schüttelt sich den Rest des Leidens vom Sein und macht Quatsch mit unserer Hündin.

Es ist 07:32 Uhr.
Und mir ist plötzlich klar, warum wir Schlaf gegen Nahrung tauschen müssen.

Der Schmerz ist schlicht schlimmer.

mit oder ohne Betäubung?

Ich mag es, wenn mich meine Zahnärztin das fragt.

Die Welt fragt das nicht und an Tagen wie diesen heute überlege ich, ob es die Möglichkeit der Dauernarkose für Menschen Dachschaden gibt. Sofort antwortet ein Stimmchen: “haha Ja klar- die Psychiatrie oder all den anderen Mist, den wir schon durch haben!”.

Ach man, ja.
Abschießen geht nicht. Abschießen lassen geht auch nicht. Abschießen wünschen ist auch eigentlich schon wieder feige und was bleibt? Aushalten. Spalten und sich darüber noch vorhalten schwach und unfähig zu sein. Großartig.
Das ist wie geradeaus mit Volldampf losfahren und erst in der Kurve drüber nachdenken, wo der Schwerpunkt seiner Karre sitzt.

Ich erwähnte es hier nicht, weils mir peinlich war- jetzt ist es mir egal und ich mache einen Überblick… oder besser gesagt- einen Ein und Ausblick.

Unsere Therapeutin hat 4 Wochen Urlaub- ist grundsätzlich okay- wir brauchen wache Helfer.
(Und eigentlich fehlt mir ja nichts- hey ist doch die Chance Urlaub von dem Theater mit dem Dauerstück “DIS- wie sie das Leben schuf”, zu schaffen! Und egal was das Problem für das Rumtheatern ist, es wird mir nicht schaden, einfach mal die Klappe zu meinen Kopfvorgängen zu halten…)

Aber 4 Wochen sind lang. Die Erste geht immer noch. Die EKG-Linie ist leicht wellig- wie sie soll- eventuelle Abweichungen sind einfach zu beheben, in dem man die Elektroden verschiebt bzw die Pflaster austauscht. In der zweiten Woche zeigen sich schon eindeutig pathologische Kringel in den Wellen- aber der Rhythmus ist gleichbleibend, weshalb man zwar mit dem Kardiologen spricht, sich aber doch erstmal für Sport und gesunde Ernährung entscheidet, statt zu Medis zu greifen.

Nun sind wir in der zwei-einhalbsten Woche und ich glaub, ich hatte einen Miniinfarkt. Das ist seltsam- kam der doch sonst immer erst nach der 3ten Woche. Aber halt- nein- das denke ich ja immer! Und dann stellt sich heraus, dass es nur ein “infarktähnliches Ereignis” war. Gut, also zurücklehnen und darüber nachdenken, wie man das Ende durch Herztod abwenden kann.

Hm… tja… und nu?
Mit Betäubung oder ohne Frau Rosenblatt?
”Mit! Mit!” schreie ich natürlich als Erste- um dann, wenn die ersten Wirkungen eintreten, entsetzt über das zu sein, was mir (inzwischen) hochbewusst nach und nach flöten geht. Körpergefühl zum Beispiel. Die Fähigkeit zu fühlen, ob mein Körper Anzeichen von Panik zeigt und wann das absolute Limit für Aktivität erreicht ist, das Durstgefühl muss plötzlich wieder nach Zeitplan und Mengenliste eingeschätzt werden. Das innere Echolot hängt, statt wie sonst 3 Meter, nur noch 1 Meter tief.

Wir haben mit unserer Therapeutin eine Gewichts- Ess-verbindliche Vereinbarung über die Therapie bei ihr getroffen. Das ist auch etwas Gutes… ganz grundsätzlich. Aber nach dem letzten Urlaub war ein spontaner Kommentar: “Sie haben abgenommen.”
Paff Anxiety fläzte sich von links nach recht und grunzte gleich wieder nach mehr. Madame Essstörung allerdings auszuhungern war schwer (und ist es jeden Tag). Gleichzeitig die BÄÄÄMs im Nacken und Peng: der innerpsychisch beschissenste Knebel innerhalb der SVV-Blüte die unseren Alltag sowohl bestimmt als auch reguliert.

Für alle die hier zum ersten Mal lesen: Hier gilt: entweder essen oder schlafen- beides gleichzeitig gibts nicht, da die dritte im Bunde die schwere Selbstverletzung (im Sinn der akuten Schädigung von Körperoberfläche) wäre, was wiederum komplett unterlassen sein soll- Ergo eiern wir seit Monaten zwischen Hungern und Ausschlafen herum, was wiederum bedeutet: Um Anxiety nicht zu füttern (weil wir ja nicht weiter abnehmen wollen und um den Platz nicht zu gefährden) durch potenzielle Ansage von Außen, sollte gegessen werden, was zwangsläufig zu was führt? Richtig: systematischer (und “selbst herbei geführter”) Schlafentzug, der ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach nur unaushaltbar ist (und damit eigentlich schon die Selbstverletzung gebiert).

Jetzt ist es nicht so, dass wir tagelang wach durch die Gegend springen- wer schon mal mehr als 24 Stunden durchgehalten hat weiß, dass das gar nicht mehr wirklich möglich ist. Aber es ist auch nicht so, dass ich mich ins Bett lege und einfach nicht schlafen will oder kann oder “es unmöglich mache”. Ich mache es mir gut, sage immer wieder, dass es darf, es geht, es darf, es geht … und das mache ich so lange, bis ich plötzlich wieder “wach” werde. Ich weiß nicht, wie man diesen Zustand nennt (und jetzt komm mir bitte keiner mit “Dissoziation”), aber das ist die Art wie wir gerade “schlafen”. Und zwar in jeweils 2-3 Stunden Intervallen. 2-3 Stunden wach und aktiv (so es noch geht) und dann liegen, ruhen- mit offenen Augen ausgeschaltet sein für eine gewisse Zeit.

Um dann direkt vollgeBÄÄÄMt zu werden, ob der Unfähigkeit, der Inkonsequenz und so weiter.

Ob die Betäubung durch eine Notfallmedikation helfen würde? Ja sicher. Durchgängig und erst wieder beendet, wenn jemand da ist der mich dann auffängt- klar- bin ich dabei! Ich mag Betäubung- oh jaaaa bitte nichts mehr  mitkriegen von dem Mist hier, oh yes- keine Chance mehr für meinen Kopf irgendwas gruseliges, peinliches, abartiges, verbotenes, unpassendes SCHLIMMES (das K. Rosenblatt-sche “schlimm” betreffend), zu tun, für das ich die Verantwortung tragen muss, obwohl mir alles drum rum unklar ist.. haaach wie verlockend der Eintritt in den Nebel, der mich von dem ganzen Schweren trennt…

Und was dann? Wie würde unser Blog hier wieder aussehen?
Was würde aus NakNak* werden? (Ein Bordermisch auf Bewegungsentzug- das ist so spaßig wie ein Gummitwist als Leine für nen Mastiff mit Schaum vorm Maul)
Würden wir dann essen?
Würden wir noch irgendwas tun, was unsere minikleine Bubble erweitert?
Würden wir dann besser leben als jetzt?
Würde das auch nur irgendjemand (der nicht gerade Geld mit der Herstellung dieser Mittel verdient), auf die Idee kommen so einen Zustand noch “Leben” zu nennen?

Toll, die typischen Fragen und Schleifen aus der zwei-einhalbsten Woche.
Es ist klar, dass ich das wieder nicht so gehändelt kriege, wie ich das eigentlich, nach all den Jahren können sollte.
Es geht nun weiter mit der Unterwanderung der Gedanken, die man sich zur Therapeutin macht (sie ist nicht echt, sie spielt, sie will dir nur weh tun, sie hat Spaß an Wissenschaft- du bist nur ihr Kaninchen, sie kann dir nicht helfen, sie findet dich eklig und lässt dich nur da sein, damit sie sich toll fühlt, warte nur ab- wenn sie wieder da ist und da sitzt dann… ) und endet dort, wo ich fest davon überzeugt bin, dass ich die Therapie jetzt sofort beenden muss, weil ich eh ein hoffnungsloser Fall bin, weils ich eh nie lernen  werde, weil weil weil weil EH

EH, Sowieso und überhaupt und ganz grundsätzlich- bin ich ja doch scheiße und es nicht wert überhaupt zu sein. So. (Ja traurig- SO abhängig bin ich davon mehr oder weniger regelmäßig vermittelt zu kriegen, dass ich nicht scheiße bin und es Hoffnung auf ein Heilwerden gibt)
Damit endet die dritte Woche. 124787_web_R_K_by_Karin Schmidt_pixelio.de

Und dann- eigentlich kurz vor Schluss- wo ich eigentlich Zeit damit verbringen könnte, einen Countdown zu haben und mir zu überlegen, wie ein sinniger Wiedereinstieg aussehen kann (es gibt Innens die sich sagen, dass unsere HelferInnen sterben, wenn sie weg (unerreichbar) sind) – bin ich nicht mehr da.

Gestorben an einem Miniinfarkt.
Abgetrennt von der allgemeinen Wahrnehmungs-Bewusstseinsversorgung, bis ein Stant, bestehend aus Versicherung der Rückkehr, Überprüfung des Verhältnisses, Kommunikation dieses Umstandes gelegt ist, der mich wieder mit mir selbst versorgt.

Oh Wunder was Oh Wunder wei
Eigentlich ja cool, dass ich meinen inneren Tod vorhersehen kann. Doch das ist ja allgemein immer die Krux: nur weil mans vorher weiß, heißt das nicht, dass man es auch verhindern kann.
Und in Bezug auf diese Kiste hier, habe ich schlicht keine Chance. Ich werde wieder einknicken, wieder die BÄÄÄMs gewinnen lassen und wieder unempfänglich für was auch immer dann von Außen kommt sein.

Ich hoffe wirklich, wir schaffen es irgendwie, unser eigenes dunkelbuntes Imperium heller zu machen. Diese inneren Tode sind wirklich schlimm, denn sie betreffen nicht nur mich als einzelnen von Vielen hier.

Und nur weil Reanimation in der Regel klappt, heißt es nicht, dass ich mich nicht doch auch sofort wieder danach verzehre, gefragt zu werden: “Mit oder ohne Betäubung?”, weil mir das Bewusstsein, mein Da- Sein und das Leben selbst direkt wieder unglaublich schmerzhaft vorkommt.

am Fenster sitzen

Es gab zu Hause diese großen Platten als Straßen, die mit einer dicken Teerwurst an den Rändern zusammengekittet waren. Wenn es sehr heiß war klebten manchmal Schlieren von dem Zeug am Schuh.319280_web_R_K_B_by_knipseline_pixelio.de

In mir herrschen gerade hochgekochte Celsionen. Meine Platten schmelzen auseinander, sind keine Straße mehr. Ich kann nichts tun, sie treiben auf meinem magmatischen Kernschmelzenwabbel herum, wie die Kalkplättchen auf dem alten Wasserkocherwasser.
Ich wachse, steuere direkt auf einen Knall zu- und weiß doch, dass er nicht kommen wird. Er kommt nie dann, wenn er eigentlich passen würde. So jetzt zum Beispiel.
Eigentlich haben wir uns schon zu viel Selbstzerstörung genommen. Wir hätten uns Manches mal erhalten sollen. Seit Tagen will ich mir eine Kippe nach der anderen in den Hals drücken, zum Beispiel.

Ach das war so schön… damals
Im Wintergarten des Notdienstes für Kinder und Jugendliche, die nicht zu Hause sein können. Da hab ich gesessen, konnte Zeitung lesen, rausgucken, Kaffee trinken und Eine nach der Anderen rauchen. Keiner hat mir wehgetan und wenn ich gewollt hätte, hätte ichs jemand erzählen können. Aber ich wollte nicht. Ich hatte Schiss und es hat eh und sowieso noch voll wehgetan.

Und heute?
Rauche ich nicht mehr. Klucke den ganzen Tag am Fenster und gucke in den Himmel. Tu so, als ob ich im Wintergarten säße. Heute bin ich eine Erwachsene und keiner sagt mir mehr, dass ich einfach losreden kann, wenn ich will. Heute bin ich nicht mehr so verletzt und blute nicht mehr. Das ist als wäre es unsichtbar. Unter den immer mickriger werdenden Platten versteckt. Geschützt und gleichzeitig ausgesperrt.

Damals, in dem Wintergarten, hab ich die Bilder aus der Fensterluke im Dach gepustet. Heute gibts nichts mehr zu pusten. Ich müsste eine ganze Filmreihe auspusten. Für einmal kurz Rausatmen reicht meine Luft nicht.

Fällt eigentlich niemandem auf, dass alle über Vergewaltigung oder Missbrauch reden oder schreiben, aber keiner sagt was das ist? Dass, jeder helfen will, aber keiner einfach sagt, dass er sich hinsetzt und man einfach losreden kann, egal, ob man sich an dem Bilderfilmband verschluckt oder es ein bisschen ratterig aushusten muss? Und egal, wie lange das dauert? Sie sagen es ist schlimm und Unrecht und man soll nicht schweigen, aber gleichzeitig machen sie alles fürs unsichtbar halten mit Schweigen.

Manchmal denke ich auch, dass ich das Kotzen auf Kommando vielleicht auch nicht hätte verlernen sollen. Ich glaub so ein Knall wäre jetzt gut. Ein Bilderbandkotzen auf Kommando nur von mir. Einfach so raus ohne, dass ein anderer das vorher stoppen kann.
Vielleicht das Ganze, was heiß ist, rausspucken, damit das Magmawabbel am Rand kalt wird und zu einem neuen Panzerplattenschutzgehäuse wird.

Voll bekloppt nur zu wünschen. Das ist genauso schlau, wie am Fenster sitzen und nicht rauchen. Oder genauso schlau wie die da, wo man anrufen und angeblich einfach losreden kann. Lügnerleute.
Pustekuchen.
Bilderband-nicht-raus-puste-und-innerlich-verkokel-Kuchen.

Vielleicht ändere ich meinen Namen in Merapi Rosenblatt.