witzig

Aber eigentlich würde ich mich dafür entscheiden, euch zu zeichnen … – wenn das okay ist.“
„Oh G’tt oh G’tt oh G’tt. … Du hast halt nur so ein kleines Heft – Passen wir da alle rein?“
Ein kleiner Witz unter Vielen. Ein Schmunzler. Ein prosozialer Akt, um die Beziehung zueinander in ihren Gemeinsamkeiten zu stärken und die Aufregung am Anfang der Podcastaufnahme umzulenken.

„Hier, guck dir das mal an“, er deutet auf eine kleine Mulde auf dem Dach des Autos, „da muss was heftig draufgeknallt sein.“
„War bestimmt Steinobst.“
Knaller. Meine beste sprachwitzige Spontanreaktion ever. Ich lache heute noch darüber, wenn ich daran denke. Einerseits, weil der Witz so gut passte, andererseits, weil mein Partner auch darüber gelacht hat.
Obwohl der Wortwitze nicht mag. Oder nur so tut? Vielleicht performt er Nichtmögen, weil es für ihn zum Witzmoment gehört? Ich weiß es bis heute wirklich nicht. Wir hatten beide mal einen richtigen Lachflash wegen eines Witzes, der mit einer Hummel zu tun und die Pointe auf „Bssssss“ hatte. Den habe ich schon längst wieder vergessen, aber den Lachflash nicht. Vielleicht mag er sie doch. Wer weiß.

Ich mags, wenn wir albern zusammen sind. Die Witze, die das schaffen, haben aber nie etwas mit uns persönlich zu tun. Es sind immer Wortwitze, Wortspiele, überzogene Fantasiegespräche, spontan ausgedachte Quatschlieder oder stereotypisierte Sozialportraits, mit denen wir einander sicher zum Lachen bringen. Auch schwierige Situationen können wir zuverlässig durch eine ironische Bemerkung auflockern oder im Nachhinein weniger belastend rahmen.

Humor ist eine wichtige Ressource für meinen Partner und ich bin froh darüber.
Aber Humor ist auch etwas sehr Persönliches.
Manchmal sagt er Dinge, die er sehr lustig findet oder amüsiert sich über Aspekte, die ich nicht erkennen kann. Und manchmal sind das Aspekte von oder an mir selbst. Dann bin ich doppelt gefordert, ihn zu lesen und seine Perspektive zu verstehen, um mir dann vorzustellen, warum dieses oder jenes aus seiner Perspektive gar nicht anders als witzig sein kann. Oder auch, warum er dieses oder jenes lieber locker lustig nimmt als ernst.
Diese Herausforderung verlängert meinen Weg zum Witz gewissermaßen. Ich muss mehr Vorarbeit machen, um die gemeinsame Ebene zu erreichen, auf der es okay ist, übereinander zu lachen. Zu dieser Vorarbeit gehört die Perspektivübernahme, aber auch eine gewisse Versicherung darüber, was das Ziel des Witzes ist. Also, worum es dabei neben dem Erreichen eines leichten Gefühls auch geht.
Wenn ich mir sicher bin, dass es darum geht, uns miteinander zu verbinden und gemeinsame Erfahrungen zu rahmen – und gewissermaßen mit Lustigkeit zu veredeln – kann ich auch Witze und Kommentare zulassen, die ich in ihrem Anlass nicht nachvollziehen kann. Da bleibt dann zwar ein Rest Unsicherheit und damit dann auch etwas, das für mich nicht ganz aus dem Kopf kann, aber ich kann den Witz zulassen und mittragen.

Das ist etwas anderes, wenn genau diese autismusbedingten Eigenheiten von mir Anlass des Witzes oder lustigen Kommentars sind. Denn für mich ist daran nichts zu erkennen, was irgendwie leichter genommen werden kann. Für mich ist nichts lustig daran, wenn ich jemandes Handeln nicht wirklich ganz nachvollziehen und verstehen kann. Im Gegenteil. Es ist hochgradig belastend, mit sehr viel ungewürdigter, nicht mitgedachter und also unsichtbarer geistiger Arbeit verbunden und oft genug ein Trigger in massive Ängste. Es ist ein Drehkreuz. Eine Stelle, an der sich Komplextrauma und Autismus treffen und gegenseitig verstärken. Hochempfindliches Terrain sozusagen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen für ich auch wirklich lustigen Spruch oder Witz darüber macht, dass ich nicht immer wirklich weiß, worum es bei sozialen Dingen geht, ist sehr gering.
Das trifft auch auf kompensierende Verhaltensweisen zu.
Ich bin schnell überreizt vom Umgang um mit Unordnung herum. Ich räume nicht auf oder sortiere alles, was ich habe, weil mich ein lächerlich irrationaler Zwang überfällt.
Ich nehme vieles als gleich präsent wahr. Ich schalte während eines Gesprächs laufende Geräte nicht stumm, weil mir egal ist, was sich jemand angehört/angeguckt/gemacht hat.
Ich verliere mich schnell im Hyperfokus auf tendenziell als unproduktiv gedachte Handlungen, wenn ich keinen Tagesplan habe. Ich fordere keinen Tagesplan ein, weil ich andere Menschen für mich verfügbar wissen oder sie kontrollieren will.
Ich muss neue Inhalte und Problemstellungen komplett in allen Aspekten und möglichen Abweichungen durchdenken, durchspielen und immer wieder auch sozial absichernd durchsprechen, bevor ich sie sicher anwenden oder auflösen kann. „Einfach machen“ ist für mich in vielen Bereichen des Lebens einfach nicht drin. Und don’t get me started on „Mach dir keinen Kopf.“ als kleine Schmunzeleinlage.

Es gibt Sprüche und Witze, die betonen die Unterschiede, die Menschen aneinander wahrnehmen.
Die verletzen mich. Darüber lache ich nie. Die nehme ich hin, wenn ich nichts dagegen tun kann – die akzeptiere ich als Eigenschaft nicht-autistischer Menschen, die sich meine Arbeit mit ihnen einfach nicht mit mir machen wollen. Als Bocklosigkeit. Als Ignoranz. Als schwer umzulernendes Verhalten. Als die Alltagsgewalt, der ich einfach jeden Tag ausgesetzt bin, egal, was ich tue.
Und dementsprechend nie als etwas, das dafür da ist, eine gemeinsame Beziehung zu etablieren, zu stärken oder zu erhalten.

Bei Witzen über Unterschiede geht es in der Regel um die Stärkung von Normen und dadurch auch Herrschaft. Also eine Stärkung der Beziehungen, die normkonform und vorherrschend sind. So kommunizieren rassistische Witze von Weißen beispielsweise niemals Wertschätzung, Respekt und Gleichwertigkeit von Nicht-Weißen, sondern primär und immer! , dass nicht-weiße Menschen anders sind. Jeder Witz von zum Beispiel cis Menschen über trans Personen oder von nicht-autistischen Menschen über autistische Menschen funktioniert genau so. Und in 99,999999999 % der Fälle wird durch dieses Othering, diese ständige Wiederbetonung des für den Witz (Macht.zielgerichtet) hergestellten, ausgestalteten, ausgeschriebenen Unterschiedes, die Grenze verstärkt und die dadurch entstehenden Gruppenverbände klarer definiert.
Als normkonforme, vorherrschende Gruppe merkt man selbst oft nicht, worüber man sich da eigentlich lustig macht – weil man ihre Witze nie gegen sie verwenden oder auf sie anwenden kann. Man ist einfach nicht auf der gleichen Ebene und kann sich entsprechend nie mit gleicher Wirkung treffen.

Ich nehme an, dass meine Vorliebe für Wortwitze aus diesem Umstand entstanden ist. Mein Interesse an Humor ist Verbindung sowie Spaß an Wort und Ton. Das ist für mich leichter herzustellen, als die korrekte Selbstzuordnung sozialer Gruppen, die sich von anderen Gruppen abgrenzt, und zwar mit ausgedachten und dann übertrieben ausgestalteten Unterschieden, die man einander in sozialen Codes mitteilt.
Ich verstehe diese Witze durchaus – aber die Arbeit dahin ist einfach enorm und letztlich nie zum Vorteil für mich. Denn so richtig gehöre ich doch nie ganz zu denen, über die nicht gelacht wird.

Macht_Struktur

Nach 8 Jahren wieder Schulbetrieb.
Massenschleuse und automatisierte Abläufe, die keine Augen haben.
Es gibt diese ganz spezifisch Desorientierung, die zum “neu sein” und “fremd sein” dazu gehört und eine Abhängigkeit erschafft, für die manche Personen nicht sensibel sind.

Steile These: es gibt so etwas wie Informationsbroschüren, Lagepläne und Laufzettel,
sowie automatisierte Abläufe, damit bestimmte Personen diese Sensibilität auch nicht haben müssen.
Manchmal glaube ich wirklich, dass Personen, die in Lehrbetrieben tätig sind, tatsächlich nur über die ständig perpetuierte Annahme, Kinder bzw. alle Personen, die +/- 5 Jahre jünger sind, als man selbst, seien “unfertige”/ “unterentwickelte”/unreife/ “unerleuchtete” Wesen, denen man “von Natur aus” alles häufiger sagen muss, sich überhaupt die Mühe machen, noch so etwas wie sachdienliche Informationen abzusondern. Obwohl eine verstehbare, stabil verlässliche Erklärung der Gesamtstruktur auch reichen würde.
Aber das würde ja Machtstrukturen auflösen, in denen Wissen Macht ist und einzig diese wiederum es ist, die den Unterschied zwischen den Personen macht.

Mir fallen solche Strukturen immer wieder auf und ich kann sie nicht ignorieren, wie es andere tun. Für mich ist es eine wirklich große Erleichterung, das auch so klar zu haben, denn oft genug wird und wurde mir vermittelt, es sei ein persönliches Problem von mir, ein Wille zur Macht oder Dominanz, ein willkürlich gesetzter Impuls zur Opposition von mir, wenn ich innerhalb (sozialer) Strukturen genau diese Komplexe aufzeige.
Mir liegt nichts daran andere Menschen zu beschämen oder sie zu entmachten, wenn ich ihnen sage: “Hör mal- du hast mir gesagt… aber du hast XY und deshalb…”. Meistens geht es mir in solchen Situationen darum klar zu machen: “Hallo – du hast gesagt, ich könnte mich auf dich verlassen/ du würdest mich versichern/ du würdest mir Möglichkeiten zur Orientierung geben und jetzt stehe ich hier und nichts davon nehme ich wahr.”.
Wären Menschen sensibel für Abhängigkeiten würden sie merken, wie schwer in mir die angetriggerten Empfindungen von ausgeliefert und verlassen sein, in einer potenziell lebensbedrohlichen Situation sein und so weiter, kreisen.
Einfach, weil nur wer Abhängigkeit versteht und begreift, auch Gewalt und ihre Folgen
versteht und begreift.

Wer spürt, dass es Abhängigkeiten gibt, der spürt auch die Gefühle ausgeliefert, verlassen, bedroht zu sein.
Wer Abhängigkeiten lediglich als etwas betrachtet, was man einfach mit einem neuen Ordner, einer neuen Aufgabe, einem Neuarrangement der Abläufe regeln kann, der wird sich von den Abhängigkeiten anderer Personen vielleicht eher ge- oder auch überfordert fühlen und sich mehr oder weniger reflexhaft darum bemühen sich selbst zu erheben. Notfalls auch mittels Individualisierung des Problems über Pathologisierung, Marginalisierung – schlicht: Ab- bis Entwertung der Person, die letztlich gar nichts weiter getan hat, als seine eigene Abhängigkeit offen zu legen.

Ich denke, dass es mir leichter fallen würde, solche Machtdynamiken und – strukturen zu übergehen oder zu ignorieren, würde ich einerseits weniger stark in traumaassoziierte Empfindungen getriggert werden und andererseits, mehr Handlungsalternativen haben und jeweils akut auch nutzen können.
Ich meide Gruppen in aller Regel nicht, weil ich Hierarchie ablehne oder, weil ich die Nasen der Personen nicht mag, sondern, weil ich sie in dem, was ich tun will in 90% der Fälle nicht brauche, um zu tun, was ich tun oder können möchte.
Ich gehe in Gruppen, weil ich etwas will und die Gruppe dazu ge-brauchen kann. Im Gegensatz zu manchen Personen, die diese Gruppen leiten oder auch nur organisieren. Die brauchen die Gruppe oft, um sie zu ge-brauchen – häufig wollen sie sie aber nicht. Weil sie Arbeit machen, Kraft kosten, viel schwere Verantwortung bedeuten und nicht zuletzt in eine Lage versetzen, in der eigene Abhängigkeiten etwas sind, das nie nie nie und nimmer Thema sein darf, weil sie potenziell am eigenen Machtstatus knabbern und es ein Risiko bedeutet, zu überprüfen, ob das tatsächlich so ist.

Man mag mir sagen: “Ätschibätsch – dein Wollen und Brauchen macht dich schwach und jetzt rufst du ein Mimimi in die Luft, weil dich das anpisst, anstatt dich selbst darum zu kümmern, dass du kriegst, was du brauchst.”. Von mir aus kann das jede Person sagen, die sich über solche Gewaltausübung an mir besser fühlt – es ändert aber nichts.
Nicht jedes Brauchen ist durch von Wollen geleitetem Kämpfen auch erreichbar.

Wäre dem so, gäbe es keine der Strukturen von denen ich gerade sprach.