stabilisierte Instabilität

Zwei Tage später wird mir klar, dass es ok ist. Dass sie Abstand nimmt und nicht dranbleibt. Die Therapeutin mit Kapazitäten ohne Kassenzulassung, die nach dem ersten Ruckeln im Kostenerstattungsverfahren mit der Krankenkasse glaubt, da würde gar nichts gehen.
Ich hätte mich in den Kampf geworfen, weil ich von der Betreuerin, die wir jetzt haben, so gut vertreten werde und ansonsten erodiere. Ich fühle die Jugendlichen, ich fühle die Kinder, ich fühle meine Gedanken und wie ich unter dem Druck der letzten Wochen an Konsistenz verliere. Es ist der perfekte Zeitpunkt für irgendeinen beknackten Bürokratiescheiß, von dem ich mich verletzen lassen kann, um nicht selber zur Klinge greifen zu müssen.
Aber nein, sie steigt aus. Einige Tage nach dem Termin mit der letzten Therapeutin und dem Begleitermenschen, in einem inneren Zustand, den ich weder überschauen, noch sortieren, noch beworten kann.

Sie ist die zweite Person, der ich davon erzähle, dass die Therapeutin uns ein Angebot gemacht hat, unser Kommunikationsproblem anzugehen und die dritte, die uns sagt, dass das doch prima ist und wir das annehmen sollten.
Plötzlich bin ich die Person vor einem Tisch voller Optionen, die nur zugreifen müsste, aber zu keiner Regung fähig ist.

Denn da ist sie wieder. Die Hilfe-Falle.
Mein Zustand jetzt ist mit „stabilisierte Instabilität“ am besten zu beschreiben, ich habe keine eigene, erwachsene, Haltung zur Lage, möchte, dass alles ~einfach irgendwie gut wird~ und keine 2 Millimeter hinter mir passiert alles von Traumawiedererleben bis kalte Ordnung, um möglichst glatt abzuschließen.
Das ist nicht der Zustand, in dem ich mich für irgendeine Hilfe oder Unterstützung oder irgendwas, das mich persönlich betrifft entscheiden kann und sollte. Und gleichzeitig ist es der Zustand, in dem ich Hilfe oder Unterstützung dringend brauche.

Eine Woche später wird klar, dass sie Krankenkasse vielleicht nicht mal die Kosten für die probatorischen Sitzungen bei der privat behandelnden Therapeutin übernimmt und R., die mir nun seit Monaten mit ihrem „Menschen sowieso aber Therapeuten ganz besonders-Misstrauen“ im Ohr, im Hirn, im Sein hängt, wird zu einem glühenden Stahlgerüst entlang meiner Knochen. Unfassbar schmerzhaft, ständig präsent und starr.
Das kenne ich von K., aber meine Lösungsversuche scheitern. Es ist, als wäre da etwas eingerastet, das ich nun wirklich nicht mehr allein frei kriege und meine Motivation nach einer neuen Therapeutin zu suchen, hat ihren Tiefpunkt erreicht.

Ich glaube nicht, dass wir in dieser Zeit jetzt jemanden finden. Ich sehe auch nicht, woher ich noch einmal Kraft nehmen könnte, noch einmal alles zu erklären, noch mal alles zu erzählen, noch mal eine Schicht mehr über R. und damit eins der wichtigsten inneren Systeme zu legen, die kennen zu lernen doch so ein großer Fortschritt war.

Also entscheide ich gar nichts. Dass ich bleibe, ist wichtig und das merke ich auch. Früher wäre schon längst niemand mehr da gewesen. R. hätte geregelt, bis sie nicht mehr kann, dann K., bis das, was durch ihre traumalogische Regelei nötig wird, ein Ich ist, das auch ohne sie funktioniert. Jetzt regle ich, indem ich gar nichts regle und mich auf den Lauf der Dinge verlasse. Not sure if win.


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5 thoughts on “stabilisierte Instabilität

  1. Positiv könnte man sagen, wie gut, das jetzt zu wissen.
    Wenn sie nicht mal bei einer schnöden Beantragung dran bleibt, wer sagt, dass sie nicht das Handtuch wirft, wenn es in der Therapie mal „schwierig“ wird?
    Aber das ist auch nur Glitzer auf einem braunen Haufen.
    Wir wissen, wie verdammt schwer dieser Weg ist, jemanden zu finden. Es tut mir so leid <3

  2. Finde den Titel des Artikels sehr gut und den Artikel durch unterschiedliche Perspektiven inspirierend und stützend. Das wäre noch einmal spannend gewesen die Kriterien für Kostenerstattung zu haben, zugleich empfinde ich die Therapeuten da wenig positiv. Einige wollen auch Geld vom FSM.

    1. Die Kriterien waren: innerhalb von 4 Wochen niemanden mit Kassenzulassung über 116 117 gefunden, ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung, 3 Zettel, die man von den Therapeut_innen bekommt, dass sie eine Therapie für nötig halten, weil … aber keine Kapazität haben (das ist ein spezielles Formular PTV irgendwas), Antrag auf Kostenerstattung fristgerecht gestellt, Behandlungsplan und einige Zettelage von der privat behandelnden Person fristgerecht eingereicht damit MdK begutachten kann.

      Therapiefinanzierung über den FSM bedeutet enorme Wartezeiten, wegen überlanger Bearbeitungszeiten. Würden wir nur mit viel Vorlauf planen (etwa, wenn man in Langzeittherapie geht zeitgleich den Antrag beim Fonds einreichen, damit es bündig ans kassenfinanzierte Ende weitergehen kann, wenn nötig).

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