Opferrolle- mal wieder… diesmal mit Täterrolle und Mustern als Beilage

“Wenn du nicht aufhörst in der Vergangenheit herumzustochern, dann kannst du auch nie aus der Opferrolle raus… Weißt du, so bedient man Muster.”

Es knallte.
Innen natürlich.
Von innen kam allerdings auch eine Entgegnung, die ich hier unbedingt festtackern wollte:
“Es ist meine Vergangenheit, da kann ich soviel drin rumstochern, wie ich will.”

Ja, mein Innenleben ist manchmal schon so viele Schritte weiter als ich.
Ich lasse mir solche Sätze sagen, mich dann umfassend darüber aufklären, dass ich völlig falsch mit meinen Problemen umgehe und verbringe ein paar Tage oder Wochen damit, noch mehr als sonst meine Vergangenheit und ihre Ausläufer von mir fernzuhalten.
Also unterm Strich: Mich mir selbst mit meiner Lebensrealität vom Leib zu halten.
Um keine Muster zu bedienen.
Nicht in der Opferrolle zu verharren.

Dabei kräuseln sich sogar mir inzwischen die Innenseite der Gedärme, wenn ich den Begriff der Opferrolle so verschrägt benutzt sehe.

Nochmal für alle:

Der Begriff der Opferrolle beschreibt die Position eines Menschen in einer Situation. Nichts weiter.
X wird von Y gehauen, so ist X in diesem Moment in der Opferrolle. Punkt.

Geht X irgendwohin und sagt: “Ich kann dies nicht, ich kann das nicht, weil ich ein Opfer bin. Und ich werde das auch nie können, weil ich ja auch immer Opfer sein werde. Also: (hilf mir)- hab mich lieb- lass mir alles durchgehen- ich darf das, weil ich ja so ein dolles Opfer bin…”, kann man sagen, dass X auf einem OpferSTATUS pocht.
X verlangt eine (Sonder)Behandlung aufgrund seines Status als Opfer. Das kann gerechtfertigt sein oder auch nicht. Hat aber an sich nichts mit der Position (der Rolle) in der Gewaltsituation zu tun, sondern mit dem sozialen Miteinander und/ oder dem Leiden unter den Folgen dieser Situation.

Ich habe mich jetzt schon an ganz vielen Stellen darüber geärgert, dass kaum jemand diese Differenzierung vornimmt. Vorallem ärgert mich das bei den Menschen, die mit mir zu tun haben und mich sogar mehr oder weniger deutlich immer wieder von selbst darauf stoßen, was mir alles durch meine Gewalterfahrungen fehlt, (noch) verwehrt ist und auch tatsächlich eine Art Sonderbehandlung erforderlich macht.

Zum Beispiel mein inexistenzes Körpergefühl.
Zum Beispiel meine regelmäßigen Amnesien.
Zum Beispiel die Tatsache, dass ich meine Seinszustände als fremde Menschen wahrnehme. Zum Beispiel, dass ich eben schlicht nicht hinkomme mit 120 Stunden Psychotherapie.

Das sind alles Dinge auf die ich sehr gerne verzichten würde, denn sie bringen mich immer wieder in eine passive Position- in die Bettlerposition- in die “ausgeliefert sein”-Position. Egal, ob ich es will oder nicht. Egal, ob ich einen Opferstatus gegenüber den Menschen habe oder nicht.

Keiner, dem gerade ein Zahn unter örtlicher Betäubung bearbeitet wurde,kann einen Weitspuckwettbewerb gewinnen.
Keiner, der einen alkoholbedingten Filmriss hat, kann sich erinnern, was gewesen ist.
Keiner, der so aufgeregt ist, dass er “nicht mehr er selbst ist”, kann runterkommen, wenn ihm nichts und niemand dabei hilft.
Jeder der Hilfe braucht, braucht sie so lange bis er eben keine mehr braucht.

Ich aber “sollte besser mal nicht so darauf beharren. Weil wegen Opferrolle und so. Und ist ja eh alles schon vorbei. Das Leben muss ja weiter gehen. Das Leben ist ja nicht nur die Vergangenheit.”
Sobald ich versuche Kontrolle durch Aufklärung und Einbeziehung meiner Umgebung zu erreichen, mache ich mich angreifbar. Sobald ich jemandem sage, dass ich ein Opfer von Gewalt wurde und bis heute unter den Folgen leide und deshalb manche Dinge schlicht (noch) nicht kann, begebe ich mich auf eine Schneide.

Es kann sein, dass ich genau richtig behandelt und unterstützt werde- es kann aber genau so sein, dass ich zu hören bekomme: “Nu is aber Schluss- also ne- man kann es sich auch gemütlich machen in der Opferrolle”, weil mein Gegenüber- warum auch immer- gerade keine Kraft, Lust, Zeit, dafür hat, mich zu sehen und mir meine Probleme schlicht zuzugestehen.
Oder, weil es für denjenigen schlicht nicht aushaltbar ist, zu sehen, wie ich mich immer und immer wieder an den selben Dingen aufhänge und (noch) keine Veränderung schaffe.

Ich frage mich,  wo ist da das Problem genau das zu kommunizieren, statt mir unterzuschieben, ich könnte, wenn ich nur genug wollte? Mir also zu suggerieren, dass ich in jedem Fall, die Probleme die mich lähmen, auch ohne Hilfe angehen könnte.

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Und schon sind wir bei Mustern.
Ich habe den Eindruck in eine Rolle gedrückt zu werden, wenn mir jemand sagt, dass ich “es ja nun auch endlich gut sein lassen kann”. Nämlich in die Rolle des ewigen Störenfrieds oder der des sich widerrechtlich etwas Aneignenden oder des Menschen, der egozentrisch ist und einen Status ausnutzt, um beachtet oder geliebt zu werden.
Ganz ehrlich- jeder Status eignet sich dazu- nur nicht der des Opfers.
Als Opfer ist man immer klein, immer ausgeliefert und machtlos.

Und nur einem Opfer kann man solche Dinge überhaupt unterstellen. Das ist etwas, das gesellschaftlich breit akzeptiert und immer wieder untermauert wird. Unhinterfragt patriarchial gestützt.

Entsprechend kam ich später zu dem Schluss, dass ich in dem Moment, als mir dieser (ansonsten sehr liebe) Mensch diesen Satz sagte, in eine Täterrolle, begründet von meinem Opferstatus, gedrückt wurde.

Von seinem Muster nämlich:
“Zu schwer- zu schlimm- zu schmerzhaft” *flupp Vermeidungsblase zu*
“Schnell vermitteln: “Sie soll aufhören mir weh zu tun”- ich kann das nicht aushalten. Sie ist so eine Böse, wenn sie das macht- wenn sie mir das antut”.

Das stimmt auch. Ich sollte Rücksicht nehmen, so wie ich das von anderen Menschen verlange.
Und da ist ein Punkt, den ich mir annehme und den Satz aus dem Innen abändere:

“Es ist meine Vergangenheit, da kann ich soviel drin rum stochern wie ich will. – Aber ja: ich kann aufhören, das in deiner Gegenwart zu tun (bzw. versuchen dich von meinen Folgeproblemen fernzuhalten), wenn du mir sagst- oder ich den Eindruck habe, dass es dich verletzt oder nicht gut fühlen lässt.”

Die Folge ist dann aber auch, dass ich nicht mehr ganz da bin und etwas unsichtbar zu machen helfe.

Es ist ein Kritikpunkt von vielen Menschen, dass viele Menschen, die einmal zum Opfer von Gewalt wurden, diesen Umstand in ihr Selbstkonzept einbinden.
Applaus und Unterstützung bekommt, wer dies verleugnet und so tut, als wäre dieser Punkt  nichts weiter. Wenn man stark voran schreitet und dem Vergangenen ins Gesicht lacht. Oder dies zumindest will.

Doch ich merke inzwischen immer mehr, dass das etwas ist, dass kein Opfer für sich selbst tut.
Man gilt als schwach und als Täter [nämlich als diejenige, die böse böse böse (Schadenersatz- Verhaltensmodulations- Hilfs) Ansprüche stellt und damit die Menschen mit schmerzhaften Tatsachen konfrontiert, ohne dass sie sich wehren können (angeblich- denn ne- eigentlich wehren sie sich ja ganz gut!)] gleichzeitig, wenn man sein “Zum- Opfer- geworden- sein” öffentlich macht.

Es wird nicht angenohmmen, wie sehr man sich durch diese Öffentlichkeit ausliefert. Sich eigentlich schon wieder in eine Position begibt, die sehr viel leichter in eine Opferrolle kippen kann, als in eine tatsächliche Täterrolle.
Es wird nur angenohmmen, dass man, eventuell vielleicht, anderen unbetroffenen Menschen damit “schadet”, weil man sie (auch) konfrontiert.

Und das ist doch eigentlich pervers, oder? Seit wann und in welchen Kontexten genau ist es schädlich damit konfrontiert zu werden, dass Menschen mit Gewalterfahrungen, ihr Leben lang unter den Folgen leiden könnten? Teile ihres Selbstes immer Opfer sein könnten. Immer leiden könnten.

Eigentlich doch immer nur in den Kontexten, in denen die Vermeidungsblase derer verletzt werden könnte, die keine Verantwortung für die Umstände übernehmen wollen und auch nichts verändern wollen.
Sei es direkt oder indirekt.
Und sei es nur in dem Bezug, den betroffenen Menschen einfach nur zuzugestehen, dass es so ist, wie es ist, weil es eben so ist- und nicht weil man einen sozialen oder wirtschaftlich bereichernden Vorteil daraus zu ziehen versucht.

Wenn mir mein Opfersein soviele Vorteile verschaffen würde, wie ständig unterstellt, dann hätte ich keinen Grund selbiges als Grundlage für meine Kämpfe um Hilfen und Ausgleich zu verwenden. Ich bekäme sie einfach, könnte heilen (oder zumindest den entstandenen Schaden ausgleichen) und in das Leben “der Anderen” hineinwachsen…

Immer schön unbiestig, bitte!

Die Schöne und das Biest.
Als eine der bezauberndsten Liebesgeschichten gefeiert, entlockte mir dieser Film wiedermal ein gepflegtes Kopfschütteln, verbunden mit der Frage, wo sich die Liebesgeschichte denn genau versteckt hat.

Doch von Anfang an.
Würde ich im Disneyland Bestimmerin sein, ich würde ZauberInnenlizenzen verteilen. Demnach dürfte nur noch verzaubern, wer gerecht verzaubert.
Wie unfair ist es bitte, einen hartherzigen und oberflächlichen Prinzen PLUS seinen ganz und gar nicht hartherzigen und oberflächlichen Hofstaat zu verzaubern?! Ich finde, wenn sich ein Jugendlicher daneben benimmt, dann hat er die Strafe für sich allein zu tragen- und nicht noch alle drumherum, die nur weil sie von selbigem abhängig sind, so handeln, wie sie handeln.
Zumal sich mir noch die Frage stellt, wie es überhaupt sein kann, dass ein unter 21 Jähriger ganz allein- ohne seine Eltern- über ein ganzes Land herrscht. Aber okay- die Zeiten waren früher ja auch anders. Jeder Pharao hat als Teenie seinen Sarkophag ausgesucht…
Und- wie dreist ist es bitte, dem Prinzen auch noch aufzdrücken, welchen Geschlechtes der Mensch sein muss, der sich in ihn verlieben muss, um den Zauber zu brechen?!

Naja, dann ist da halt die Rose und der Spiegel.
Gut die Rose ist verzaubert- check- deshalb schwebt sie so herum mit rosa Flimmer drum rum- Ok
Dann der Spiegel “als einziges Fenster zur Außenwelt”- okay warte mal- die Zauberin hat ihn äußerlich so hässlich gemacht, wie sie ihn innerlich sah- ihm aber weder die Beine, noch seine Fortbewegungsmittel weggehext. Wieso also ist der Spiegel, sein einziges Fenster zur Außenwelt?!

Aaaah- die Antwort erfahren wir, als wir uns in das kleine Dorf begeben, in dem Belle und ihr Vater Maurice wohnen:
Wer nicht mindestens so denkt, liebt und lebt, wie alle anderen, der ist nur erwünscht, wenn er wenigstens gut aussieht. Dies ist die Lebensrealität von Belle und ihrem Vater. Sie sind offenbar die Dorfnerds. Er Erfinder und sie Leseratte (Disney hätte sich, meiner Meinung nach, nichts abgebrochen ihr vielleicht mindestens ebenfalls einen Erfinderinnenstatus zuzugestehen- hint: Sexismus in Disneyfilmen: kaum eine der weiblichen Figuren kommt bis heute über den Assistenz- oder BegleiterInnenstatus hinweg).

Je mehr Menschen so denken, desto unwichtiger sind die inneren Werte und das Verhalten untereinander. Man wertet einander so lange ab, bis nur noch Menschen als “anhimmelnswürdig” betrachtet werden, die so sind, wie der eigentlich biestig-abstoßende Gaston.

Belle lebt also ein typisches Außenseiterleben und hat, statt eines Spiegels nur ihre Bücher als einziges Tor zur Außenwelt. Sie verwehrt sich gegen die in Anspruchnahme Gastons und seinen Ambitionen sie zu heiraten.
Leider wird nicht deutlich, wie abhängig Belle eigentlich davon ist, jemanden wie Gaston zu heiraten. Nur ihre (später gezeigte) immer schwelende Angst, dass ihr Vater sterben könnte, lässt darauf schließen, dass wie nötig es für sie ist, von einem Mann versorgt zu werden. Sie selbst hat keine Arbeit- als was könnte sie auch erfüllend arbeiten in einer Umgebung in der Erfinder und Denker als Schwachköpfe gelten?

Belles Vater verirrt sich auf dem Weg zum Markt und landet zufällig im Schloss des Biestes und seines Hofstaates. Die Menschen in Möbelgestalt freuen sich über Besuch. Endlich mal was los! Wie schön mal jemand anderen zu bedienen, als den, dem sie ihre tägliche Qual des Zaubers zu verdanken haben und der sie obendrein noch nicht gut behandelt.

Das Biest sieht das natürlich anders. In seiner nachwievor herrschenden Egozentrik denkt es, der alte Mann, der was von seiner Angst und Verzweiflung herumstammelt, sei nur gekommen, um ihn anzustarren und zu verhöhnen.
Einmal BUUUH gemacht und schwupp macht der Alte auch das, was das Biest kränkt: Er reißt entsetzt die Augen auf. Warum ist dem Biest natürlich gleichgültig- in seinem Elend muss es natürlich alles auf sein Aussehen beziehen. Klar- mal grad richtig zu reflektieren ist nicht drin. Es leidet unter seinem Aussehen, also müssen alle anderen genau das furchtbar finden. Logisch.

Maurice wird ins Schlossverlies gesperrt, wo sich wenig später Belle für ihn eintauschen lässt. Ganz das liebe aufopferungsvolle Töchterchen. Nicht das Papi noch hier stirbt…

Die Schlossbewohner wittern Morgenluft: Haaa etwas Weibliches im Haus!
So- jetzt hier- Liebe- los- sofort! Wenn schon männlich und weiblich so unter einem Dach sind, 617968_web_R_K_by_Oliver Mohr_pixelio.de dann geht das auch noch… Vermutlich wäre es zu progressiv gewesen, Maurice einen hübschen Sohn zu geben, der sich für ihn austauscht… vermutlich hätte man einem Sohn auch nicht diese Selbstopferung so abgekauft, wie einer Tochter… und naja- wie Disney zu Homosexualität steht ist ja auch klar…

Naja, jedenfalls gehts jetzt los. Jede Menge Lieder, viel mehr oder weniger seltsam- lustige Szenen in denen eine Annäherung beider Akteure darzustellen versucht wird.
“Du magst Bücher?- Hey guckst du- hab ich fette Bibliothek.”
“Du frisst wie ein Schwein? Hm, schau mal, ich lege auch meinen Löffel beiseite”
”Guckst du ich mach dich nicht nur an- ich rette dich noch vor Wölfen, wenn du abhauen willst”

Derweil versucht Maurice verzweifelt aus seinem Idiotenstatus heraus auf seinen Verlust und seine Not aufmerksam zu machen und Hilfe zu erhalten. Natürlich hört ihm niemand zu. Er gilt als Depp- sein Wort zählt schlicht nicht.
Schlimmer noch, wird dieser Status später von Gaston dazu verwendet, ihn in erpresserischer Absicht in die Irrenanstalt der Stadt zu sperren. (By the way- die Darstellung des Anstaltsleiters entspricht dem altbekanntem Antisemitismus…man hätte der Figur auch gleich den Namen “Gargamel” geben können- ein Seitenhieb, der uns hier richtig unter der Decke kleben ließ).

Naja, Belle rettet erstmal noch schnell wieder ihren Vater vorm Sterben und versucht den von Gaston immer wieder aufgerührten Mob von der Friedfertigkeit des Biestes (dessen Existenz sie mit dem Spiegel beweist) zu überzeugen. Selbstverständlich ohne Erfolg.
Wäre ja noch schöner, wenn jemand einem Verrückten und seiner verrückten Tochter glaubt- egal wie sehr man sie haben will und wie schön sie ist.

Die Meute also zum Schloss.
Innen hockt ein Biest, das sich mächtig bemitleidet und darin von seinen Untergebenen wieder einmal unterstützt wird. Sie hat ihm nie gesagt, dass er ihr egal ist- aber weil sie ja weggeht, kanns ja nur daran liegen, dass… Dass sie vielleicht grad noch was anderes zu tun hatte- ph! Die Nöte der Anderen. Wozu Verständnis aufbringen, wo man doch soooo leidet!

Der Hofstaat kämpft erfolgreich gegen die Dorfbewohner, während Gaston den Mann gegen Bestie- Kampf sucht und bekommt. Gaston geht es schon lange nicht mehr um Belle- er befriedigt nur noch seinen Hass gegen alles, was anders ist als er.
Das Biest hingegen erfährt zum ersten Mal Oberwasser, weil Belle ihm zuguckt.
Zack! super Gelegenheit: “Guck mal wie stark ich bin und wie ich den Wurm hier fertig mache!”.

Das Biest wird in dem Kampf verletzt, Gaston stürzt vom Dach.

Und bei all dem Kampftestosteron in der Luft, bleibt Belle ja gar keine andere Wahl, als sich in das Biest zu verlieben. Wen soll sie denn auch sonst nehmen? Ist ja keiner weiter da, der auch so anders ist wie sie und sich obendrein noch für sie töten lässt.

Und dann oh Wunder…
verwandelt sich das Biest in einem Menschen. Namenlos- wie alle Disneyprinzen. (Wobei ich bei der Recherche herausgefunden habe, dass er “Adam” heißt- aber in dem Film, gibts wieder keinen) Ein tiiiiefer Blick in die Augen zeigt Belle, dass der Mensch vor ihr nun nur anders aussieht als vorher, aber noch immer der Gleiche ist. Okay- check- dann gibts endlich den Kuss auf den die ganzen vielen Schlossbewohner gewartet haben und die Verwandlung beginnt auch für sie und die Umgebung des Schlosses.

Feini! Sind jetzt alle wieder gleich unter Gleichen.
Schön ne?

And now- think about this:
Hätte sich Belle in den Prinzen verliebt, wenn er frei an ihrem Haus vorbei geritten wäre und sich vor ihr produziert hätte, wie Gaston?
Und umgekehrt- hätte sich der Prinz/ das Biest für Belle interessiert, wäre sein Wohl und Wehe nicht von “der wahren Liebe” abhängig gewesen?

Ich habe keine Liebesgeschichte gesehen. Nur eine Darstellung davon, wie nötig es ist, gleich unter Gleichen zu sein, um einen aufgedrückten Bann zu brechen, um widerum ohne Leiden und in Gemeinschaft sein zu können.
Mit Liebe hatte das wenig bis nichts zu tun.
Ich hätte eine Liebesgeschichte gesehen, wenn das Biest ein Biest geblieben wäre, geliebt von einem Menschen der ihn so liebt wie er ist. Unabhängig von äusseren Einflüssen.

Im Krieg gehn auch Mädchen

Ganz klar Filme sollen unterhalten.
Möglichst mit viel entsprechendem (normativem) Schein und Witz- so funktioniert die Maschinerie, die buntes Glitzer über allen Kummer und alle Sorgen streut…
Willkommen zum Resümee von Disneys “Mulan”

So heißt der Film über den man direkt, und aus einem Affekt heraus schreien will: “Aboooo so viel Sexismus! Jungs gegen Mädchen und die zeigen da, dass Mädchen ja schlau sind und Jungs dafür stark… MÖP!”.
Ja, aber natürlich musste es doch noch so einen Film geben. Nach dem latenten Chauvinismus  den es in den Filmen der späten 40er Jahre von Disney gab… und ganz eigentlich immer und in jedem anderen Film auch noch gibt…

Doch überlegt man nochmal kurz, fällt auf, dass dieser Aspekt zwar auch sehr offen gezeigt wird, doch eigentlich noch nicht einmal das Hauptthema in dem Film ist. Was wiederum fast noch das Allerschlimmste daran ist! Hier wird mittels Klischees getäuscht und eine Lücke für Mädchen geschaffen, die da sagt: “Hey- wenns um Krieg geht, da sind auch Frauen nicht zu schade! Hier Mädels! Auch ihr habt das Zeug zum Kanonenfutter- genau wie die Jungs- ihr müsst nur fest genug, um die Ehre der Familie kämpfen wollen und schlau sein- dann sind schon alle eure Fehler vergessen!”

Es gibt an dem Film mehrere Aspekte, die unerklärt durch Eltern (oder direkt sachkundige Menschen) eine Verklärung von Gewalt (“Krieg”) und dem Miteinander von Menschen zur Folge haben.

Der Film beginnt damit, dass die große chinesische Mauer gezeigt wird und sofort mit einem gewaltvollen Übergriff losgelegt wird. Doch der Soldat schafft es, ein Feuer im Mauerturm zu entfachen und stolz-wütend zu sagen: “Nun weiß ganz China, dass ihr hier seid”.
Disney macht es sich sehr leicht und greift auf einen alten Kriegspropagandatrick zurück: Entmenschliche den Feind- lass ihn zum Tier werden. Zum bedrohlichen gefährlichen Tier! Entsprechend sieht dann der Feind auch aus: graue Haut, ein Cape, ein Falke der ihn wie ein todbringender Geier umkreist und einfach gruselige unmenschliche Augen.

Keine Zeitangabe, keine Motiverklärung. Einfach nur: Da ein Soldat dem sie ans Leder wollen und da der mächtig böse Feind. Was aus dem Menschen wird bleibt unklar, denn es folgt direkt der Schnitt zum Kaiserhof, wo ein Mensch sitzt der scheinbar selbstlos sagt, man möge nicht ihn schützen, sondern sein Volk, welches er dann- in all seiner Güte und Weisheit- zusammentrommelt um Krieg zur Verteidigung zu führen. Hier sehen wir ein glorreiches Beispiel dafür, wie man sich Dinge durch schlichte Umbenennung rechtfertigen kann, ohne das Gesicht zu verlieren. “Das Volk” soll geschützt werden. Der Kaiser ist ausschließlich für das Volk- er will sie ja schließlich schützen.
Doch sind die “Reservisten” und “Soldaten”, “die Rekruten” und “Kämpfer” nicht auch Teil seines Volkes? Ich bezweifle, dass gerade jüngere Zuschauer sich dieses Umstandes klar sind. (Ganz ehrlich- ich bezweifle sogar, dass sich die Menschen in der Realität da immer so klar darüber sind)

Der Kaiser betont, dass jeder Einzelne gebraucht wird und wichtig ist.

Aus der Welt der Aufregung und der Gewalt heraus, wird man direkt in die fast bedächtige Konzentration der Mulan geleitet, die sich gerade “die Tugenden einer Frau” auf den Unterarm kalligraphiert: still, schweigsam, anmutig, diskret, kultiviert, vornehm und pünktlich
Schnell wird klar- sie ist nicht so. Leicht chaotisch, clever und doch bemüht und voller Zweifel über sich und ihre Möglichkeiten der Familie alle Ehre zu machen.
Man erlebt wie diese Jugendliche herausgeputzt und dabei ungefragt, rücksichtslos geschubst, gewürgt, halb ertränkt, von mehreren Menschen angefasst  wird, um sich mit anderen jungen Mädchen- die alle als still, anmutig, kultiviert und vornehm gelten wollen, bei einer Heiratsvermittlerin vorzustellen. Diese Übergriffigkeit ist unterlegt mit einen hübschen Liedchen… Unerklärt und damit schlicht hinzunehmen von Kindern des Westens ohne spezifische Bildung in östlicher Kulturgeschichte.

Für Mulan wird der Besuch ein Desaster und vor allen Menschen auf dem Hof, muss sie sich anhören, dass sie niemals in der Lage sein würde, Ehre über die Familie zu bringen. Sie wird vor aller Augen gedemütigt- und niemand greift ein.267773_web_R_K_B_by_RainerSturm_pixelio.de
Erst später im Garten setzt sich ihr Vater zu ihr und versucht sie mit der Metapher einer Kirschblüte zu trösten. Er vermittelt ihr Unreife und macht sie damit wieder klein, was aber für ihn kein Problem zu sein scheint und weshalb er sehr liebevoll wirkt.
Doch wie groß kann seine Liebe zu seiner Tochter sein, wenn er es nicht einmal schafft ihr zu vermitteln, dass er sie liebt, auch wenn sie nicht der kulturell-gesellschaftlichen Norm entspricht? Das Fundament der Elternliebe – die Bedingungslosigkeit- fehlt.

Der Begriff der Ehre schwebt über allem und jedem in diesem Film und an keiner einzigen Stelle wird vermittelt was dieser Begriff bedeutet- worum es dabei geht.

Mulan verkleidet sich als junger Mann- nicht nur, um ihren Vater vor dem fast sicheren Tod zu retten, sondern, weil sie ganz offensichtlich keine andere Chance für sich sieht.
Sie meint, sie müsse Ehre über die Familie bringen, damit sie stolz auf sie ist- damit letztlich sie selbst stolz auf sich sein kann, wenn sie in den Spiegel blickt.
Was für eine Not in diesem jungen Mädchen stecken muss, wird aber nicht gezeigt. Überhaupt erlebt in dem Film keine Frau eine Not unter ihrer ständigen Entwertung. Die Mädchen die zur Heiratsvermittlerin stelzen, singen sogar noch fröhlich “Ich will Ehren bringen!”. Das traurige Lied Mulans nach der Ehr(!)verletzung vor aller Leute Augen, besingt auch nicht, dass sie als Frau systematisch unterdrückt und reduziert wird- es besingt ihre Verzweiflung über sich selbst- sie fragt sich was sie kann. Wer sie ist und wie sie endlich entsprechen kann.

Sie begibt sich zum Ausbildungslager der Rekruten und versucht mit den plattesten Klischees um männliches Verhalten als Mann anerkannt zu werden. Über all die sexistischen Plänkeleien übersieht man fast, dass man hier im Grunde dem Suizidplan einer jungen, verzweifelten Frau zusieht.

Krieg ist tödlich, gefährlich (und unumgänglich- so zumindest zeigt es der Film). Die Soldaten sollen Männer werden: stark, gerissen, mutig, schnell und tapfer. Die Ausbildung zum bezahlten Mörder für das Vaterland im Krieg macht Spaß, ist unterlegt mit melodischer Musik und allerlei kleinen Triumphen… zeitweise fragte ich mich, ob die Trainingsszene nicht vielleicht doch von einem Anwerberwerbespot der Navi oder U.S. Army entnommen wurde.

Mulan rettet ihrer Truppe das Leben als es zur Konfrontation mit den Hunnen kam, wird als Frau aber enttarnt und verstoßen. Glücklicherweise hat sie ihrem Hauptmann das Leben gerettet und darf deshalb selbst am Leben bleiben.
Nun da ihre Weiblichkeit offen ist, hört niemand mehr auf sie. Doch statt zu verdeutlichen, dass es eine Frage des Rückgrats der Männer ihrer Truppe ist, nicht auf ihre Nachricht vom Überleben des Hunnenführers zu achten, wird diesmal die Wertlosigkeit von Frauen unterstrichen und ein stolzer Hauptmann gezeigt, der sich in eigentlich Mulans Ruhm sonnt.

Natürlich kommt es zum Kampf am Kaiserhof den allein Mulan, sowohl strategisch als auch clever, meistert. Sie erhält, als Dank, einen Posten am Kaiserhof, den sie aber ausschlägt, weil sie lieber mit all ihrer Ehre zu ihrer Familie will, um sie stolz auf sie zu machen.

Der Film endet mit viel Stolz und Frohsinn, alle haben sich lieb und mit viel wunderbarer Musik und Glitzerabschmack hat man schon vergessen, dass man kurz vorher noch Gewaltverharmlosung per exellance gesehen hat und nicht klar ist, wie lange Mulan etwas von dieser erkämpften Ehre hat. Der Hauptmann hat Interesse an ihr  und schon denken alle an eine Heirat- doch was jene für eine Bedeutung für Frauen hat, die in so einer Kultur und Gesellschaft leben, wird wieder verschleiert.

Die chinesische Kultur hat ohne Zweifel eine tiefverwurzelte Kulturgeschichte, bei der die Ehre des Hauses vor allem auf der Unterdrückung von Frauen und der Kampfeskraft der Männer fußt. Doch ausgerechnet diese Kultur als Vehikel zu benutzen, um Sexismus und Geschlechterrollen zu “enttarnen”, während es gleichzeitig um gewaltvolle Auseinandersetzung geht, halte ich für absolut fatal.

Ja, ich verstehe den Wunsch, Frauen und Mädchen stärker wirken zu lassen- sie aus der Rolle der ewig liebevollen, stets bemühten, unterwürfigen, leicht dümmlichen und lieblichen Nebenfigur herauszuholen. Doch der Film “Mulan” hat das definitiv nicht rund und angemessen getan.

Hier wird Gewalt akzeptiert, gezeigt, mit grundsätzlich unangemessener Musik unterlegt, nicht hinterfragt, nicht in einen Kontext mit der Zeit der Handlung gebracht, die Begrifflichkeit verzerrt und verwischt… und und und

Aber zum Glück gehts hier ja nur um Entertainment… wer achtet denn schon auf sowas?!
Wer macht sich denn Gedanken darüber im Westen, wie es im Osten/ Norden/ Süden/ überhaupt wo anders als da wo man wohnt, wirklich ist?
Welches Mädchen im besten Jungs-hass-Alter findet es nicht toll eine schöne Kämpferin zum Vorbild präsentiert zu bekommen, die die Jungs so richtig platt macht mit ihren Fähigkeiten?

Ist doch alles nur Entertainment…