note on: Hannah mach doch auch endlich was

Urlaub also. Und das Auto ist wieder heil. Back to normal?
Ich bin so runter mit allem, dass nichts mehr normal laufen kann. Bin genervt von Sprachnachrichten, genervt von Nachfrage-, Abklär-, Soll das so-, Entscheide du-Mails. Bin ohne jeden Überblick, was die aktivistische Community in Sachen „Aufklärung der Massen über rituelle Gewalt“ so auf die Füße stellt, werde aber dauernd auf das Instagramvideo und YouTube hingewiesen und seit Wochen per Mail angeschrieben, was ich denn denke, finde, glaube, machen will, auch in der Causa Schweiz/Satanic Panic/Missinformation deluxe. Bin verwirrt, weil immer noch niemand zwischen Interessen und Positionen unterscheidet. Denke die meiste Zeit „Hä?“ und spüre dem Rutschen dieser Bubble von mir weg nach.

Gefühlt steht mal wieder auf dem Spiel, dass niemand mehr glaubt, es gäbe organisierte Rituelle Gewalt. Gefühlt muss die DIS-Diagnose schon wieder verteidigt werden. Gefühlt sind Behandler_innen in Gefahr. Gefühlt ist alles ganz dramatisch und muss jetzt ganz schnell irgendwie eingefangen werden und Aktion Aktion von allen! Jetzt hier und gleich und mit voller Durchschlagskraft, weil so muss man das doch machen. Mit aller Gewalt gegen die Gewalt!
Weil uns das ja zuverlässig immer irgendwas bringt.

Es ist extrem herausfordernd für mich, meine Solidaritäten beieinander zu behalten in dieser so sehr verstreuten, schnellen, kurzlebigen Community. Aus der ich persönlich niemanden wirklich kenne und für die ich gefühlt auch einfach nicht (gut, aktiv, laut, offen, echt, kompetent) genug bin. Die Währung ist „lieb“. Ist Freund_in, treue Follower*innenschaft, privates Kennen und Mögen, soziales Feelgood, Bestätigung. Und ich habe nur Überzeugung und Solidarität auf Faktenbasis. Das reicht nicht, um als Nichtfeind_in an.erkannt zu werden. Vor allem nicht in Zeiten wie diesen.

Meine Solidaritäten sind systemisch. Ich stelle so etwas wie „Viele Stimmen“ auf die Beine, während ich ein unfassbar schwieriges, schmerzhaftes Buch schreibe, das der Community helfen soll, fast Vollzeit in einem Verlag arbeite, der ebenfalls vielen Communitys solidarisch zur Seite steht und eine Podcastreihe ausrichte, die der Community helfen soll, das Stigma selber aufzulösen. Ich bezahlte das Supportticket für die nun abgesagte Tagung, damit andere Betroffene auch kommen können. Obwohl ich als Mitmacher_in auch kostenlos reingekommen wäre.
Sich nicht wie Menschen, die mit sozialer Bestätigung handeln, zu beteiligen, heißt nicht zu schweigen. Oder unsolidarisch zu sein. Oder sich nicht zu interessieren. Oder doof zu finden, was andere machen.

Schon, dass ich diesen Text schreibe, um das zu erklären, ist für mich eins von vielen Zeichen dafür, dass ich gerade traumanah fühle. Ich erkläre mich einer diffusen Gruppe, die mich als Individuum gar nicht erst erfasst, sondern einfach nur als Masse hinzugewinnen will, obwohl ich schon längst dabei bin. Nur eben nicht so wie sie. Klassisches Ding in meinem Leben. Drinnen und Draußen sein gleichzeitig.

Jetzt aber gehe ich erst einmal rein. In meinen Urlaub. Erarbeite mir zurück, mich jeden Tag zu pflegen, mich gesund und ausreichend zu ernähren, zu bewegen und mich selbst zu spüren. Meine Gedanken zu hören, meine Ideen zu erforschen. Und dann schreibe ich das mit den Interessen und Positionen auf. Und warum uns die Beschäftigung damit weiter bringen kann, als eine Wall of Hashtags und Solidaritäten aufgrund von „lieb“.

Reblog: Wenn Störer*innen triumphieren: Zur Absage des Fachtages zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt in München

Wir haben von der Absage des geplanten „2. Münchner Fachtages zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt“ gelesen und kauen an der nebulösen, unklaren Begründung des „TraumaHilfeZentrums München“ herum: „Auch in der aktuellen Berichterstattung verbreiten sich unterschiedliche Narrative (zu oben genannten Gewaltformen; vor allem leugnende Narrative, Anmerkung der Autorin) zunehmend. Diese Medienberichte haben keinen direkten Bezug […]

Wenn Störer*innen triumphieren: Zur Absage des Fachtages zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt in München

Fundstücke #85

„Ich hab in den letzten Monaten echt geastet.“ Mein Partner liegt neben mir. Vor zwei, drei … noch mehr? Wochen. Tief erschöpft. Vom Bett aufs Sofa gekommen, als ich endlich losgerissen bin von meinem Geaste. Der Satz klingt bis heute in mir nach. Ich stelle mir vor, wie wir Bäume sind. Riesengroß und langsam wachsend. Tag um Tag, Meeting um Meeting, Arbeitsphase um Arbeitsphase, Termin um Termin, Text um Text. Jeden Tag, mit viel zu kurzen Unterbrechungen seit dem Sommer. Geastet. Nicht gesprosst. Nicht gelaubt. GeASTet.

Meine Fehlerrate ist enorm geworden. Ich vergesse Dinge, übersehe Handlungsschritte und bemerke es nicht ein Mal. Ohne das Schwimmen vergesse ich zu duschen. Mir die Zähne zu putzen. Aufstehen, PC an, schreiben, korrigieren, lesen, denken, planen, Hunderunde, PC an, schreiben, planen, organisieren, projektieren, überblicken, durchdenken, Abendbrot in trauter Seligkeit bei Deep Space 9, mit dem warmen schweren Kopf von Bubi auf dem Bein. So sind meine Tage. Außer am Wochenende. Da spiele ich zwischendrin „Sims 4“ bis mich die Angst, den nächsten Termin zu vergessen, ablenkt oder ich den Partner sein Geäst ausstrecken höre und meins hineinschieben will. Ich denke, dass wir uns so gegenseitig vor Astbruch schützen.

Der Garten sieht aus wie Schwein. Im Urlaub.
Meine Wohnung ist ein Mahnmal des Unerledigten. Im Urlaub.
Es gibt Dinge zu recherchieren. Im Urlaub.
Ich muss meine Diät anfangen. Im Urlaub.
Es sind nur zwei Wochen. Mein Urlaub.

Aber im Sommer. Oder Herbst. Was besser passt.
Wenn ich bis dahin keinen mit Leben gefüllten Uterus umhertrage, werde ich mich tragen lassen. Bei einem Tandem-Paraglyding-Flug. Ich werde einen scheiß hohen Berg hochlaufen und mich dann runtergleiten lassen. Panoramisch. Hoffentlich bei Sonnenschein. Ich will alpinen Sonnenbrand zu meinem Muskelkater. Wenn schon, denn schon. Schließlich diäte ich vor allem dafür.
Wenn ich schlafen gehe, stelle ich mir das vor. Wie wir da schweben. Mit so viel Abstand von allem und allen. Mit so viel Schwung, dass all die Äste, die nötig, aber ohne tragende Funktion sind, von mir wegfliegen. Ohne, dass ich sie groß betrauern oder verabschieden kann. Ich denke mir das wie extremes Schaukeln. Bisschen kribbelig, bisschen schwere.los. Mit der Gefühlsidee schlafe ich oft ein und manchmal fliege ich dann im Traum.

Noch 8 Tage. Dann Urlaub.

Netzwerk im Aufbau, verstetigte Gruppen | Links und Hinweise

Aus unserer Sicht

Anfang Januar erreichte uns der Aufruf zur Beteiligung am Gründungsprozess des bundesweiten Netzwerks „aus-unserer-sicht“ von Betroffenen für Betroffene
von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend. Hier geben ihn nun an euch weiter.

Grundlegende Ziele des bundesweiten Netzwerkes (e. V.):

  • Das Netzwerk bringt die Expertise von Betroffenen in die gesellschaftlichen und politischen Prozesse ein.
  • Das Netzwerk soll regionale, nationale und internationale Vernetzung und das Empowerment Betroffener fördern. Dazu sollen Austausch- und Aktionsformate wie zum Beispiel bundesweite Kongresse, Fachtage zu wechselnden Schwerpunktthemen, Dialoggespräche und regionale Aktionen unterschiedlichster Art und Zielsetzung organisiert und durchgeführt werden.
  • Betroffenen aller Tatkontexte werden Beteiligungs- und Handlungsspielräume im Sinne von Empowerment ermöglicht. Beteiligungsprozesse in allen Bereichen – zum Beispiel in Forschung und Aufarbeitung – werden gefördert.
  • Das Netzwerk bietet fachliche Unterstützung bei Selbsthilfe-Aktivitäten.
  • Das Netzwerk hat eine digitale Präsenz mit eigener Webseite und informiert transparent über aktuelle Entwicklungen (z.B. über Social-Media-Kanäle und mit einem Newsletter)

Mehr über die Initiator*innen und das Projekt selbst findet ihr auf ihrer Webseite. https://aus-unserer-sicht.de/
Dort gibt es auch Informationen in Leichter Sprache und Gebärdensprache. Die Webseite verfügt außerdem über einen „Notausgang“.

Um euch an der Planungsphase zu beteiligen, könnt ihr den Fragebogen auf der Seite ausfüllen oder per Mail einsenden. Bleibt auf dem Laufenden, in dem ihr euch für den Newsletter anmeldet.

Netzwerk Trauma und Dissoziation (Schweiz)

Ist eine Dienstleistungsplattform zur Informationsvermittlung über Traumafolgestörungen: Die Initiator*innen schreiben über sich auf ihrer Webseite https://www.netzwerktrauma.ch/:
„Wir sind eine Gruppe von Studierenden und Forscher*innen zu Themen rund um Traumafolgestörungen und kultursensitive Psychologie. Wir nehmen dabei eine persönliche als auch medizinisch-psychologische Sichtweise ein und versuchen dieses Wissen an eine breite Öffentlichkeit auf verständliche, aber nicht minder präzise Art und Weise weiterzugeben. Regelmäßig werden hierzu aktuelle Forschungsergebnisse aufbereitet und in den Kontext eingebettet. Unser Hauptziel ist es, eine breite Öffentlichkeit für die Thematik zu sensibilisieren und dass dadurch Betroffene einen kompetenteren Umgang mit ihrer Erkrankung finden.“

Ein Projekt des Netzwerks ist die Gruppe DISpositiv. Sie versteht sich als „eine Bewegung, die sich für die Rechte von Patient:innen mit dissoziativer Identitätsstruktur einsetzt und ihre Interessen und Bedürfnisse öffentlich vertritt.“ Sie gründeten eine Selbsthilfegruppe und klären in ihrem Newsletter zur DIS als Erkrankung in Folge von komplexer Traumatisierung auf. Mitmachen lohnt – Solidarität unter Betroffenen ist für die Vielen in der Schweiz gerade auch bitter nötig.
Deshalb mein Aufruf an euch: Newsletter abonnieren, mitmachen, vernetzen!
Alle Informationen findet ihr auf dieser Webseite: https://www.dispositiv.info/

verstetigt: die stabilisierende Onlinegruppe

Wir haben sie euch schon vorgestellt als sie anfing – die stabilisierende Onlinegruppe mit geleiteten Imaginationen zur Stabilisierung und Ressourcenfindung über Zoom vom Meike Märtens und Rebekka Leitlein. Sie konnten ihr Angebot nun verstetigen und bieten weiterhin jeden Dienstag ein Treffen zum Runterkommen, Stabilisieren und Stärken an.

Für wen ist dieses Angebot? Sie schreiben auf ihrer Webseite: „Dieses Angebot ist für alle, die sich in diesen Zeiten etwas Stärkendes wünschen. Es ist für Menschen, die sich auf Imaginationen einlassen können oder Interesse haben, dies auszuprobieren. Alle Termine sind traumasensibel gestaltet und somit auch – aber nicht ausschließlich – für Menschen geeignet, die Traumata erlebt haben bzw. das Gefühl haben, unter Traumafolgen zu leiden.

Über diese Webseite könnt ihr euch anmelden: https://traumatherapie.berlin/gruppenangebote/

Alltagskrümel

Montagmorgen. Wie gern würde ich jetzt nach Chlorwasser riechen und dem Gebrizzel der Dorfschwimmbaddusche auf meiner Haut nachfühlen. Stattdessen warte ich auf die Antworten vom Inhaber der Dorfautowerkstatt. Sage ihm, dass der ADAC-Mensch gesagt hat, es sei das Steuergerät, obwohl der eigentlich gar nichts zu meinem Auto sagen konnte. Der hatte so eins noch nie gesehen und Fotos für die Kollegen gemacht, bevor er es mit Schwung und Glück auf die Rampe des Abschleppfahrzeugs fuhr. Im Dunkeln auf dem Acker neben der Bundesstraße, meinem absoluten Angststück vor und nach der Schwimmhalle.

Im Nachhinein muss ich darüber nachdenken, ob ich nicht mehr Angst vor mir als vor einem Unfall hatte. Ich war so wütend über die neuerliche Fehlfunktion der elektrischen Steuerung, fühlte mich so verraten von diesem Kasten, dem ich nichts getan hatte, der mich aber so einfach auslieferte auf dem schlimmsten Straßenstück meines Fahralltags. Doch statt ungezielter Bewegungen, Schreien oder Weinen, war ich ein eiskalter Steinmensch. Nicht ruhig und geordnet, sondern eine angststeife Hülle, mit kaltem Schweiß auf der Oberlippe und leerem Sprechkopf. Ließ mich anblinken und hupen, bedachte den Seitenstreifen mit bloßer Kenntnisnahme seiner Abwesenheit und starrte unempfänglich für alles andere auf die Dunkelheit der rechten Fahrbahnseite. Irgendwo war eine Abfahrt, die war mein Ziel. Sogar noch als ich in sie einfuhr. Die Warnblinkanlage blinkte weiter, vermischt mit den völlig taktlosen Blinkern. Links und rechts donnerte das Auf und Zu des Türschließmechanismus. Im Scheinwerferlicht eine kleine Maus mit etwas in den Pfoten. Darüber hinaus Dezemberdunkelheit und kalter Wind.

Der ADAC hat eine App, das war gut in dem Moment. Nicht sprechen müssen, einfach alles eingeben, erst mal runterkommen. Wissen, bei dem Fahrzeug rufen sie eh nochmal an. Bei dem Wetter ist sowieso schon jemand seit Stunden unterwegs und pflückt Autos aus Gräben. Ich begann zu frieren und wickelte mich in die Hundedecke ein. Hörte ein Hörbuch, begann im Kopf mitzusprechen, konnte dann leicht ins Sprechen mit dem ADAC-Menschen gehen. Das nutzte ich, um zu sagen, dass die Maske für meinen Haushalt weiterhin wichtig ist und dass, ja, über die Dörfer zu fahren, um diese Zeit die schnellere Option ist. Die Werkstatt war zu, der Partner noch im Bett. Wäre ich nicht vorher schwimmen gewesen, hätte es mich vielleicht entbeint.

Und nun beginnt das Warten auf das Steuergerät, nachdem ich letzte Woche das Ende des Urlaubs in der Dorfautowerkstatt abgewartet habe. Mein Partner sagt, er würde mich auch morgens zur Schwimmhalle fahren. Dass er dafür um viertel 6 aufstehen müsste, obwohl er oft noch schläft, wenn wir wieder zurückkommen, hat er bei dem Angebot vermutlich noch nicht so ganz umfassend bedacht. Aber annehmen werde ich es. Die letzten Wochen konnte ich nur versprengt mal hier mal da schwimmen gehen. Auto kaputt, Arbeit im Weg, Erschöpfung zu groß, Monatsbluten mit 0 Kapazität für Verstöpselungsaktionen, irgendwas war immer in den letzten Wochen.

Ich hoffe, das wird besser.
Bald. Schnell. Bitte.