Alltagskrümel

Montagmorgen. Wie gern würde ich jetzt nach Chlorwasser riechen und dem Gebrizzel der Dorfschwimmbaddusche auf meiner Haut nachfühlen. Stattdessen warte ich auf die Antworten vom Inhaber der Dorfautowerkstatt. Sage ihm, dass der ADAC-Mensch gesagt hat, es sei das Steuergerät, obwohl der eigentlich gar nichts zu meinem Auto sagen konnte. Der hatte so eins noch nie gesehen und Fotos für die Kollegen gemacht, bevor er es mit Schwung und Glück auf die Rampe des Abschleppfahrzeugs fuhr. Im Dunkeln auf dem Acker neben der Bundesstraße, meinem absoluten Angststück vor und nach der Schwimmhalle.

Im Nachhinein muss ich darüber nachdenken, ob ich nicht mehr Angst vor mir als vor einem Unfall hatte. Ich war so wütend über die neuerliche Fehlfunktion der elektrischen Steuerung, fühlte mich so verraten von diesem Kasten, dem ich nichts getan hatte, der mich aber so einfach auslieferte auf dem schlimmsten Straßenstück meines Fahralltags. Doch statt ungezielter Bewegungen, Schreien oder Weinen, war ich ein eiskalter Steinmensch. Nicht ruhig und geordnet, sondern eine angststeife Hülle, mit kaltem Schweiß auf der Oberlippe und leerem Sprechkopf. Ließ mich anblinken und hupen, bedachte den Seitenstreifen mit bloßer Kenntnisnahme seiner Abwesenheit und starrte unempfänglich für alles andere auf die Dunkelheit der rechten Fahrbahnseite. Irgendwo war eine Abfahrt, die war mein Ziel. Sogar noch als ich in sie einfuhr. Die Warnblinkanlage blinkte weiter, vermischt mit den völlig taktlosen Blinkern. Links und rechts donnerte das Auf und Zu des Türschließmechanismus. Im Scheinwerferlicht eine kleine Maus mit etwas in den Pfoten. Darüber hinaus Dezemberdunkelheit und kalter Wind.

Der ADAC hat eine App, das war gut in dem Moment. Nicht sprechen müssen, einfach alles eingeben, erst mal runterkommen. Wissen, bei dem Fahrzeug rufen sie eh nochmal an. Bei dem Wetter ist sowieso schon jemand seit Stunden unterwegs und pflückt Autos aus Gräben. Ich begann zu frieren und wickelte mich in die Hundedecke ein. Hörte ein Hörbuch, begann im Kopf mitzusprechen, konnte dann leicht ins Sprechen mit dem ADAC-Menschen gehen. Das nutzte ich, um zu sagen, dass die Maske für meinen Haushalt weiterhin wichtig ist und dass, ja, über die Dörfer zu fahren, um diese Zeit die schnellere Option ist. Die Werkstatt war zu, der Partner noch im Bett. Wäre ich nicht vorher schwimmen gewesen, hätte es mich vielleicht entbeint.

Und nun beginnt das Warten auf das Steuergerät, nachdem ich letzte Woche das Ende des Urlaubs in der Dorfautowerkstatt abgewartet habe. Mein Partner sagt, er würde mich auch morgens zur Schwimmhalle fahren. Dass er dafür um viertel 6 aufstehen müsste, obwohl er oft noch schläft, wenn wir wieder zurückkommen, hat er bei dem Angebot vermutlich noch nicht so ganz umfassend bedacht. Aber annehmen werde ich es. Die letzten Wochen konnte ich nur versprengt mal hier mal da schwimmen gehen. Auto kaputt, Arbeit im Weg, Erschöpfung zu groß, Monatsbluten mit 0 Kapazität für Verstöpselungsaktionen, irgendwas war immer in den letzten Wochen.

Ich hoffe, das wird besser.
Bald. Schnell. Bitte.

2 thoughts on “Alltagskrümel

  1. Oh, nein, das ist Hölle, wenn unter so schwierigen Alltagsbedingungen auch noch Mobilität und die liebste Erholungs- und Auftankoption wegfällt. Ich hoffe, die Reparatur finde bald statt, und nachhaltig! 💕

  2. Ach je…das ist so doof, dass wir kein like unter diesem Artikel lassen können, obwohl wir es gut finden, dass und wie ihr darüber schreibt. Was wir hiermit da lassen ist ein mitfühlendes Winken und ein gedrückter Daumen, dass das Steuergerät bald erneuert ist und dass ihr bald wieder schwimmen könnt.

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