zeitversetzte Gefühle managen

„Wie erträgst/managst du das mit dem, dass es heute in der Realität keine Bedeutung mehr hat, aber die Gefühle trotzdem da sind?“ Das fragt overme unter meinem letzten Beitrag. Vielleicht ist meine Antwort interessant für andere.

Liebe*r overme,
ich habe heute die Haltung, dass es in der Realität Bedeutung hat, aber eine zeitverzögerte und deshalb eine andere als früher.
Du schreibst von Angst, Überforderung und Ohnmachtsgefühlen in einer Situation, in der es unpassend erscheint, sich so zu fühlen. Das muss man sich mal genauer anschauen. Denn: Was ist daran das Problem? Dass es unpassend erscheint oder dass es sich so anfühlt?

Bei mir ist das Thema, dass es von außen unpassend oder nicht nachvollziehbar erscheint, wie ich mich fühle ein massiver Trigger zu jüngeren Inneren. Deshalb bin ich sehr vorsichtig damit, wem ich mein Empfinden mitteile. Dabei achte ich dann auch darauf, genau zu wissen, was ich empfinde und wieso. Also, ob ich das fühle oder andere Innere; ob ich auf etwas Aktuelles (was passiert ist oder was ich gedacht, verstanden, überlegt, erfahren habe) reagiere oder ob ich Innere merke, die auf etwas reagieren, dass sie aus „ihrer Zeitlinie“ heraus (wieder)erkennen.
Diese Auseinandersetzung ist meine Art, „einen Fuß in die Tür zu kriegen“.
Das ist ja eine sehr „kopfische Herangehensweise“. Da geht es erst einmal nicht darum, ob ich da etwas Richtiges oder Falsches fühle und ob das angemessen ist oder nicht, sondern um eine Art Faktensammlung. Ich fühle mich sicherer mit meinen Gefühlen, wenn ich eine Art allgemeine Nachvollziehbarkeit für mich herstellen kann. Also – selbst wenn es komplett absurd erscheint, was ich empfinde, fühle ich mich schon sicherer, wenn ich verstehe, wieso. Und da brauche ich dann nicht die ganze Kette wissen (also zum Beispiel woran sich Innere erinnert fühlen oder wer jetzt konkret was befürchtet oder so), sondern es reicht mir zu wissen: „Ah, da habe ich (haben Innere) dieses gedacht oder wiedererkannt oder verwechselt oder für mich ist das so und so, deshalb ist da jetzt dieses Gefühl …“. Weil auch damit ja schon ein bisschen Dissoziation überbrückt wird. Die Gefühle bekommen damit einen Kontext und sind nicht so komplett isoliert, einfach da und „Tja, hier bitte schön, jetzt mal klarkommen“-mäßig überrumpelnd.

Ich notiere mir größere oder wiederkehrende Überrumpelungen auch – das gehört zu meiner Erforschung der Struktur der Dissoziation. Für mich kommts oft unzusammenhängend und chaotisch, aber in Wahrheit gibt es wirklich immer und in Bezug auf jedes Innen oder Thema ganz gut nachvollziehbare Reaktionsketten. Die kann ich schneller finden, je mehr Informationen ich habe.

Naja und wenn ich mich sicherer fühle, weil ich die Lage überschauen kann, dann mache ich die Dinge ängstlich. Weil zwar die auslösende Situation vorbei ist, aber die aktuelle ja läuft. Dann gehe ich halt ängstlich mit dem Hund raus und probiere aus, was ich noch an Gefühlen provozieren kann.
Ich bin zum Beispiel gut darin, mich mit meiner Ängstlichkeit des Todes zu nerven 😅 Das ist ein schmaler Grat zur Abwertung der Ängstlichkeit, aber einer, der aus Kompetenzbewusstsein kommt. Ich weiß ja, dass ich auch nicht ängstlich sein könnte in der Situation. Dass ich bestimmte Dinge kann. Mir fällt es leichter mich aus Genervtheit daran zu erinnern, als aus so einem Klangschalen-Meditations-Wir konzentrieren uns jetzt mal ganz auf unsere Stärken-Ding.
Und ich bringe Offensichtlichkeiten nach innen. „Jetzt mache dieses und jenes so und so, denn ich bin so und so, kann dies und das …“, „Zu Hause wartet X auf mich und macht wahrscheinlich gerade dies und das … Da werde ich dieses und jenes tun, denn Y wartet darauf, weil wir in diesem und jenen Zusammenhang miteinander stehen …“ Ehrlich gesagt, verschwindet die Ängstlichkeit dann früher oder später einfach. Auch ohne, dass ich sie gezielt angegangen bin. Mir hilft meistens viel mehr, wenn ich mich einfach nur versichere und nicht die ganze Zeit schaue: „Ist die Angst jetzt weg? Ist sie weniger? Wie fühlt sie sich jetzt an? Was merke ich noch davon?“

Das ist auch so ein Punkt, der aber auch nicht so einfach abzuhaken ist, richtig?
Weil man ja irgendwie auch weiß: Es wäre manchmal schon auch gut, wenn man sich kümmern würde. Oder das beachten. Angst ist ja meistens ein total wichtiger Anzeiger. Niemand hat einfach so Angst. Und Innere, die Angst haben – herzzerreißend. Da will man ja tüddeln. Die sollen ja wissen, dass alles gut ist.
Aber das gehört zum Punkt der versetzten Zeit.
Indem ich mich sehr auf meine Alltagsrealität konzentriere, verändere ich auch das, was diese Inneren von meiner Zeit wahrnehmen können. Und ob ich nun aktiv mitkriege, was sie neu erfahren oder nicht, ist für mich akut nicht so relevant. Ich muss solche Momente nicht nutzen, um die Tiefenwanderung in meine Kindheitserinnerungen zu machen. Ich kann – aber oft genug bringt mir das gar nichts, weil ich dann eh nur auf Fragmente treffe, die ungeordnet sind. Würde ich mich dann noch damit befassen, kann ich meinen Tag abhaken und die nächste Therapiestunde gleich mit, weil ich dann erstmal sortieren und ordnen muss – statt die Themen zu bearbeiten, die diese Sortage nicht erfordern (und mir eigentlich mehr helfen, meine Lebensqualität so weit zu verbessern, dass ich Kraft und Kapazitäten bekomme, um Fragmente zu sortieren und mich mit Erinnerungen zu befassen).

Wenn mein Alltag und meine Investition in die Reorientierung oder „Gefühlsauflösung“ bis Tagesende nicht geholfen haben, mich aus traumareaktiver Angst oder anderen emotionalen Flashbacks zu holen, dann gehe ich in die körperliche Betüddelung oder schaue, ob ich mich gegenüber meinem Partner öffnen kann. Also ob ich es abkann, von ihm umarmt zu werden, damit Innere eine Umarmung aus dem Heute in ihr Früher kriegen können.
Manchmal reicht mir aber auch schon einfach warm zu duschen oder mein Gesicht mit einem Waschlappen zu waschen. Oder meine Haare nochmal zu kämmen. Oder, wenn ich fühle, dass ich die ganze Zeit gegen eine bestimmte Körperhaltung zum Selbstschutz angekämpft habe, gehe ich kurz in die Haltung, lasse das Gefühl durchlaufen (ohne es weiter anzugucken oder zu analysieren) und gehe ganz bewusst wieder raus. Durchatmen, strecken, Geschirrspüler ausräumen, Quatsch wegräumen, Müll wegbringen.

Wir Rosenblätter haben krass viel Lebens- und Therapiezeit daran verloren, uns gegenseitig Druck darüber aufzubauen, diese „Gefühlswackler“ oder „Zuordnungsfehler in der Einschätzung der Gegenwart“ gefälligst zu verstecken, weil ja gar nicht real passiert (ist), worauf wir als Körper reagieren.
Weil das ja Symptome sind. Und ja eh auch alles schon vorbei. 🤪

Aber da hat auch ein Realitätsabgleich geholfen: Es gibt ja genug Leute, die auch sowas erleben und nie im Leben auf die Idee kämen, das wäre irgendwie krank oder komplett daneben.
Menschen lernen aus Erfahrung. Menschen leben lange. Da kommen viele Erfahrungen zusammen – die kann man jawohl auch mal verwechseln? Wer bestimmt denn, welche Gefühle worauf wie angemessen sind? Wenn ich etwas traurig finde, worüber sich jemand anderes totlacht – kommt dann die Gefühlspolizei und regelt? Nee – da kommt immer nur mein Erfahrungsschatz mit den Erwartungen und Konventionen, die ich bisher erlebt habe ins Spiel. Und mein erwachsener Erfahrungsschatz kann in der Situation, die du geschildert hast, passender sein als mein kindlicher oder jugendlicher. Muss manchmal mal nicht – aber meistens dann doch. Der ist einfach aktueller und passender zu den Lebensumständen jetzt.

Overme, ich hoffe, dass etwas für dicheuch dabei war.
Vielleicht mögen andere Leser
innen ja unten in den Kommentaren teilen, was für sie hilfreich ist.


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4 thoughts on “zeitversetzte Gefühle managen

  1. Erstmal danke für Deine/Eure Zeit zum Antworten und wie du den Umgang beschreibst.

    Ich brauche den Grund nicht zu wissen. Dass es einen gibt oder gab, das ist mir bewusst. Dass es seine Berechtigung hat und hatte auch.

    Auch ich mache Dinge, trotz der Angst usw. Gehe mit den Hunden raus. Hänge wäsche auf. Gehe mit den Kindern ins Schwimmbad… Nur hat das kein Effekt auf die Gefühle oder Innen. Sie ängstigen ohnmachten weiter. Es erreicht sie nicht die Sicherheit die wir jetzt haben. Und manchmal habe ich das Gefühl, wenn ich das dann noch nach innen kommuniziere: „Hier schau mal…spür mal ….“ Dann kommt eher noch Starre dazu.
    Ein Impuls von innen was gut wäre kommt irgendwie nicht. Da ist nur Angst/Ohnamcht. Vielleicht weil sie gar nicht wissen (können) was sie denn brauchen. Meine einzige Erklärung. Sie kennen andere Gefühle nicht und somit auch nicht, wie man sie erzeugt.

    Und mein arges Problem ist, dass ich eben keine Handlungsfähigkeit verspüre oder erkenne. Ich kann keinen Zustand aktiv beseitigen oder beenden. Und dann bekomme ich hier vorne Angst.
    Wenn es so wie gerade ist. Dass es der dritte Tag DAMIT ist und auch die Kraft für alltägliches abnimmt. Die ich aber haben muss, weil es ja nicht nur um mich geht.
    Ja, es geht vorbei. Irgendwann einfach von selbst. Das sollte mich bei wahrscheinlich drüber hinweghelfen. Tut’s aber in den Momenten nicht…weil ich auch fürs nächste Mal nicht weiß, was ich dann tun soll. Wann es kommt und wie lange es andauert.

    1. Ja, die Starre auf die Aufforderung, doch mal zu gucken, kenne ich auch. Deswegen fordere ich nicht mehr auf – und lasse es auch nicht mehr zu (soweit ich das kontrollieren kann), dass Innere aufgefordert werden, die Realität zu sehen. Das ist praktisch immer der Weg in die Starre oder in diese widerstandslose Fügung.
      Ich bringe den Eindruck nach innen, indem ich sie quasi durch mich durchleite. Einfach nur teilen. Nicht bewerten, nicht auffordern, einfach nur: Das ist. Das ist. Das ist. Bisschen als ob ich ein Büfett aufstelle. Und zwar konstant.
      Kann sein, dass die Inneren bei dir nichts anderes kennen – aber du ja. Du weißt ganz genau, was los ist und geht.
      Ich kenne es so, dass ich manchmal auch darin verunsichert werde, wenn andere stark aktiviert sind. Und ich dann auch anfange, schuckig zu werden.
      Aber mit meinem „kopfischen Weg“ kann ich mich ganz gut reaktivieren und versichern. Da geht’s einfach schon los. Erstmal kümmere ich mich um meine Handlungsfähigkeit und dann um meine Reorientierung. Es geht überhaupt nicht darum, den Angstzustand zu beenden oder zu beseitigen. Es geht darum, ihn ganz zu erfassen (was ist los?), auf die Qualität des Bezugs zu gucken (heute oder früher?) und ihn dann angemessen zu regulieren (versichern, statt Angst bekämpfen). Angst und Starre kannst du nicht wegdrücken, die kannst du nur unnötig machen. Mit Sicherheiten. Konstanten verlässlichen Sicherheiten in deiner Realität.

  2. „Zeitversetzte Gefühle“

    Mein Leben. Täglich. Fast täglich. Jedenfalls mehrmals wöchentlich. Wiedermal ein Thema, wo ich Austausch so suuuper wichtig finde, und hilfreich. „Zeitversetzte Gefühle“, was für eine wunderschöne Phrase, wo wenig wertend… Bedeutet das für euch „emotionale flashbacks“? Diese Phase wäre unsere für das, was ihr beschreibt.

    Wir haben uns sooo lange abgewertet für jenes Phänomen. Völlig übertriebene Gefühle für „so Kleinigkeiten“, war unser Kommentar uns selbst gegenüber. „Kleinigkeiten“, weil uns (Alltäglichen) immer klar war (und ist), dass wir jetzt grad keine Angst empfinden brauchen, dass es übertrieben ist, jetzt Gefühl xy zu fühlen, nur weil yz grad passiert ist oder gedacht/gesagt wurde. Der Weg war weit und ist es noch immer, diese -vermeintlichen- „Kleinigkeiten“ (Auslöser eben) ernst zu nehmen… und sie als „Hinweis“ zu sehen, dass wir erinnert werden… auch wenn meistens keine konkrete (über den Kopf zugängliche) Erinnerung auftaucht. Ja, immer öfter können wir inzwischen dennoch „einsehen“/ akzeptieren, dass es sich um flashbacks auf der emotionalen Ebene handelt und damit als „Erinnerungsfetzen“ und damit als „Hinweis auf eine Erinnerung“, als Hinweis auf erlebte Gewalt (vermutlich)… und damit wäre/ist Akzeptanz wichtig… für uns, unser Weg.

    Wie ihr schriebt: „Und ja eh auch alles schon vorbei“, kennen wir auch sooo gut… „voll peinlich“ haben wir unser Erleben dann immer selbst kommentiert, tun wir heute noch (gerne), weil „gehört in die Vergangenheit, nicht in die Gegenwart, ist schon vorbei“… aber ja: Gefühle sind eben gegenwärtig. Wir fühlen gegenwärtig… das war für uns auch ein wichtiger Schritt im Umgang damit, auch wenn es eh „alles schon vorbei“ ist.
    Auch zu dem, sagen wir absolut Ja: „Thema, dass es von außen unpassend oder nicht nachvollziehbar erscheint, wie ich mich fühle“… wir haben, damals im Arbeitskontext, immer und immer wieder den Menschen erklärt, was grad passiert, wenn wir zB. ganz plötzlich Tränen in den Augen hatten… immer wieder eine (kurze) Erklärung an das Gegenüber: „Es hat nichts mit dir zu tun“… Sicherheit schaffen für das Gegenüber und für uns, um eben zu vermeiden, dass das Gegenüber unsere Reaktion als „unpassend oder nicht nachvollziehbar“ betrachtet, sondern um schnellstmöglich Erklärungen abzugeben, dass das etwas mit meiner Vergangenheit zu tun hat und ich eben ne Minute zum Durchatmen brauche… (Damals habe ich mich dann wirklich schnellstmöglich wieder kontrolliert/zusammengerissen, um weiter zu machen)…

    Heute… ihr schriebt: „dann mache ich die Dinge ängstlich“… heißt das, ihr könnt die Angst da sein lassen und gleichzeitig die Gegenwart weiterleben? Wir üben diese Gleichzeitigkeit… aber das ist ein Übungsweg… zB. Ich habe Schmerzen und dennoch sehe ich auch die Eichhörnchen im Baum draußen… also: Auch mit Schmerzen kann ich die Eichhörnchen sehen. Gleichzeitig (getriggerter) Schmerz und Gegenwart.

    Ist halt EINE Strategie: Alltag geht weiter. Weiter mit Bewusstsein über das „zeitversetzte Gefühl“.
    Das klingt nach „ziemlich cool“, wenn das klappt. Uns überfordert das oft, weil das Gefühl im Körper sooo massiv ist, zB. Angst raus zu gehen oder Erschöpfung oder andere Panik… und dann ist es diese Gratwanderung: In wieweit sich „hineinfallen lassen“ und dieses Gefühl (oder Innen mit diesem Gefühl) vorne sein zu lassen, den Alltag zu stoppen, nachzugeben… oder eben: „einfach weitermachen“, das hat für uns oft einen Beigeschmack von: „ich gehe in die (dissoziierte) Funktionalität“, wo wir einfach nicht mehr hinwollen, jedenfalls nicht als alltäglichen Dauerzustand, weil es sich auch scheiße anfühlt, wenn wir dann überhaupt noch was fühlen…

    Der andere Weg: „Es wäre manchmal schon auch gut, wenn man sich kümmern würde“, ja. Denken wir zu jenen Zeilen. Ja… und doch auch, was ihr weiter unten schreibt: „Ich kann – aber oft genug bringt mir das gar nichts, weil ich dann eh nur auf Fragmente treffe, die ungeordnet sind. Würde ich mich dann noch damit befassen, kann ich meinen Tag abhaken und die nächste Therapiestunde gleich mit, weil ich dann erstmal sortieren und ordnen muss“…

    Ja, wie ist da das Maß, fragen wir uns grad selbst: Wie viel kümmern? (Alltag stoppen, Zuwendung nach innen) und-oder wie viel „weitermachen“?… oder gibt es ein „dazwischen“, eben dieses „gleichzeitig“… Kümmern und dennoch den roten Faden des Alltags aufrecht erhalten?

    Wobei wir in der Therapie oft solche Augenblicke nachbesprechen… einfach weil die Gefühle dann eben doch gefühlt werden wollen… nochmal gesehen, evtl. getröstet oder halt anders integriert, als wir es alleine hinbekommen… uns geht es auch nicht um das Wissen des Damals… dazu ist alles so fragmentiert, so kleinteilig abgespeichert oder eben gar nicht abgespeichert… deshalb finden wir uns wieder in euren Zeilen: „da brauche ich dann nicht die ganze Kette wissen (also zum Beispiel woran sich Innere erinnert fühlen oder wer jetzt konkret was befürchtet oder so)“…

    Aber „Auflösung“ trifft es auch für uns ganz gut… die Gefühle sollen-dürfen-wollen wieder aufgelöst werden, damit der Körper samt Nervensystem wieder mehr in Richtung Entspannung schwingen kann.
    Meint ihr mit „größere oder wiederkehrende Überrumpelungen“ Auslöser? Also zB wenn euch auffällt, dass ihr immer sonntags Angst habt, raus zu gehen, dann würdet ihr das so als kurzes Stichwort aufschreiben?… Auslöser und Reaktions-Gefühl/Empfinden/Gedanken… ??

    Wir für uns glauben, dass diese unendliche Scham beim Thema emotionale Flashbacks auch damit zusammenhängt, dass zu einer Zeit, wo wir noch nicht DIS-diagnostiziert waren, sondern kPTBS, dass es immer -gefühlt jedenfalls- um „wegskillen“ ging… jegliches Gefühl oder Bild des Damals war etwas, was (in der Behandlung/Klinik) weg sollte… nehmen Sie mal den Igelball, orientieren Sie sich, zählen Sie rückwärts etc… das ist, so unsere Meinung inzwischen, oft sooo wenig hilfreich für uns, vor allem dann wenn eigentlich Zeit wäre zum HINschauen-fühlen, statt zum WEGmachen… und vor allem dann, solange wir die Funktionalität „hervorrufen“ könnten, wenn wir denn wollten, aber eigentlich eben auch etwas anderes/Andere „da sind“ und jene eben eher die Orientierung bräuchten, die Zuwendung, den Trost, das gesehen werden…

    Und auf jeden Fall würden wir auch sagen, dass die Gefühle in der Gegenwart Bedeutung haben!! Für uns sind sie ein Zeiger… ein Hinweis-Zeiger… und ob es grad dran ist, in ihre Richtung zu gucken, will dann im aktuellen Augenblick entschieden werden…
    auf jeden Fall kennen wir auch diese Tage, wo „meine Investition in die Reorientierung oder „Gefühlsauflösung“ bis Tagesende nicht geholfen haben“… DAS triggert uns oft noch zusätzlich, weil wenn das eigene Bemühen, alle Skills und Körperübungen oder Ablenkungen den Zustand nicht verändern, dann setzt sich nochmal Hilflosigkeit als Trigger oben drauf… und ja, dann braucht es auch für uns oft Unterstützung von einem Gegenüber-Außenstehenden… und uns DAS einzugestehen, das ist für uns teils nochmal härter/schambesetzter, weil: „ich muss es doch alleine schaffen“….

    Was wir nochmal mitnehmen aus eurem Beitrag, danke dafür, ob dieses „Gefühle unpassend oder nicht nachvollziehbar erscheinend“, „ein massiver Trigger zu jüngeren Inneren“ sein könnte… auf jeden Fall, wie wir schon schrieben, sehr Scham besetzt bei uns…

    Bisschen lang geworden… doch ein wunderbares Austauschthema, weil wir auch glauben, dass es einerseits mehr Menschen gibt, die (mit kPTBS oder DIS) diese „zeitversetzten Gefühle“ kennen und andererseits es auch (genug) Menschen gibt, die einen in einem Augenblick des emotionalen Flashbacks liebevoll begleiten würden/unterstützend, doch die Angst vor (erneuter) Abwertung einfach riesig ist…

    Gleichzeitig ist jeder dieser Augenblicke eine Chance auf eine neue Erfahrung… ein Gegenüber das sieht und begleitet, da ist… und neue Erfahrungen braucht es, so unsere Meinung. Unser Weg.

    1. Moin Birke, ich mach mal eine Liste deiner Themen und Fragen und meiner Antworten.

      1. „dann mache ich die Dinge ängstlich“… heißt das, ihr könnt die Angst da sein lassen und gleichzeitig die Gegenwart weiterleben?

      – Ja. Die angst ist ja Teil der Gegenwart, auch wenn sie von Vergangenem kommt. Die Verwechslung mit Früher passiert heute und heute muss ich entsprechend damit umgehen. Also – ich bin grad über das „könnt ihr die Angst da sein lassen“ gestolpert, weil: Was wäre denn die Alternative? So tun als wäre sie nicht da vielleicht, aber selbst dann müsste ich sie ja da sein lassen, sonst hätte ich ja nichts zu verdrängen.

      1. Du beschreibst eine Gratwanderung zwischen „sich in die Gefühle reinfallen lassen“ oder „dissoziativ funktionieren“ als wäre das ein Teil vom Entscheidungsbaum so einer Angstsituation. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Gratwanderung oder dieses Gefühl davon auch eine Traumareaktion ist. Denn da steckt ja auch wieder drin „kaputtgehen“ oder „funktionieren“ (aka sterben oder überleben). Und die Realität ist aber, dass du dich dieser Entscheidung auch entziehen kannst, weil es eben auch möglich ist weder dran zu sterben (an Angst stirbt man nicht und was ängstigt kann überprüft werden!) noch nötig zu dissoziieren (dieser Weg hilft dir vielleicht, aber ist ja nicht mehr nötig, wenn man erwachsen ist und über die eigenen Lebensumstände bestimmt). Da – ganz genau da liegt der Clash, den beschreibe: Das Gefühl sagt: „Alle Zeichen auf Lebensgefahr“ – aber die Realität sagt: „Hier übrigens Fliegen am Biomüll“ Du KANNST dann durchdrehen und dich durch Tag dissen, du KANNST aber auch erkennen, dass sie Situation dich erinnert, dir bestimmte Gefühle macht – diese aber deine Fähigkeiten den Müll wegzubringen und die Lage zu entspannen nicht wirklich, real tatsächlich auch wegmachen (nur weil da andere Innere aktiv sind oder sein wollen/sollen/müssen – manchmal kann das stimmen, aber da spielt manchmal auch mehr die Gewohnheit und das entsprechende Sicherheitsgefühl der Dissoziation eine Rolle, als die tatsächliche Möglichkeit. Die Anderen sind halt am Ende auch wir.)
      2. Meint ihr mit „größere oder wiederkehrende Überrumpelungen“ Auslöser? Also zB wenn euch auffällt, dass ihr immer sonntags Angst habt, raus zu gehen, dann würdet ihr das so als kurzes Stichwort aufschreiben?… Auslöser und Reaktions-Gefühl/Empfinden/Gedanken… ??

      – Ja. Oder aber auch: Bei Thema X kommt früher oder später das Gefühl A hoch. Oder diese oder jene anstrengende Situation wiederholt sich dauernd. Oder auch: Heute ist mir aufgefallen, dass ich immer noch über Thema Y nachdenke. (Gegrübel ist bei mir ein Zeichen, dass ich ein Gefühl noch nicht erkannt habe. Dann ist wichtig für mich zu wissen, wie lange mich etwas beschäftigt und ob es nach Therapie, Sport oder Spaßkontakten mehr oder weniger wird.)

      Viele Grüße

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