Warum es als Viele nicht unsolidarisch ist, bei sich selbst sogenannte „false memories“ anzunehmen.

Als aktivistisch agierende_r Üb.erlebende_r von Gewalt hört man immer wieder, dass „die Opfer“ doch wenigstens untereinander solidarisch sein sollen, weil sich sonst nie etwas ändert.
Das hatten wir während der Produktion der 8. Vielzimmerwohnung ständig im Hinterkopf.
In dieser Episode sprechen wir über „falsche Gedächtnisinhalte“, die False Memory-Foundation, die False Memory-Bewegung und wissenschaftliche Daten zur Thematik. Für manche Menschen heißt das übersetzt, dass wir über den Feind gesprochen haben. Den gemeinsamen Feind, der nichts anderes im Sinn hat, als Menschen wie uns zu diskreditieren, uns der Lüge zu bezichtigen, uns unser Leid abzusprechen und als Gewinner aus dem Ring zu gehen.
Eine total schwierige Episode.

Auch, weil unsere Solidarität mit anderen Menschen, die Gewalt üb.erlebt haben, weder bedingungs- noch grenzenlos ist. Dies aber oft von uns erwartet wird.
Wir sind schon lange genug dabei um zu wissen, dass man von früheren Gewaltopfern vor allem deshalb Solidarität fordert, weil man annimmt, dass Opferschaft in irgendeiner Form homogen sei und man entsprechend als Personengruppe funktionieren könne – und eben dies auch sein müsste, um gesellschaftlich wie gesellschaftspolitisch etwas zu bewegen.
Gleichzeitig reden und schreiben wir auch schon lange genug, warum das eine falsche Annahme ist und Gewalt als in unsere Gesellschaft hinein funktionalisiert ignoriert. Meine Gewalterfahrungen als weißes Kind sind ganz profund und ohne jeden Raum für auch nur ein einziges „Ja, aber“ andere, als die eines schwarzen Kindes oder die eines behinderten Schwarzen Kindes oder die eines Kindes aus der Oberschicht. Diese Unterschiede – diese Achsen, auf denen Menschen leben, von Gewalt betroffen werden und sind – definieren maßgeblich ihre Perspektiven auf die Gewalt und auch ihre politischen wie gesellschaftlichen Forderungen diese zu verfolgen, zu bestrafen, zu verhindern, zu transformieren. Dies zu vereinheitlichen und einen Konsens zur Bedingung für Veränderungen zu machen, ist Gewalt. Zum einen auf der abstrakten Ebene, weil es dem Machterhalt derer dient, die davon profitieren und zum anderen auf der konkreten Ebene, weil es extrem begrenzt, was wer wie wann und an welcher Stelle fordern, aber auch bewirken kann.

Wir sind solidarisch mit Menschen, die zu Opfern wurden, weil wir Gewalt für Unrecht halten. Nicht, weil sie Opfer waren oder sind.
Denn: Wann ist ein Opfer ein Opfer? – Wenn ein_e Richter_in das juristisch anerkennt? Wenn man der Erzählung einer Geschichte glaubt? Wenn man etwas erlebt hat, das global ohnmächtig gemacht hat? Wer bestimmt, wann wer wieso global ohnmächtig war oder sich so wahrgenommen hat? Opferschaft hat so viele Definitionen, so viele soziale wie politische Implikationen – man macht unfassbar viele Aussagen über einen Menschen, wenn man ihn als Opfer bezeichnet, aber nicht alle treffen zu. Nicht alle sind angemessen. Viele widersprechen einander sogar oder sind gänzlich fiktional und/oder basieren ausschließlich auf Konstrukten, die man sich aus vielen Quellen, sowohl bewusst als auch unbewusst kreiert hat.

Dies erscheint vielen Menschen, die sich als Opfer einordnen, als Verrat. Als würden wir ihnen ihre Leiden nicht glauben oder vertreten, es gäbe bestimmte Gewaltformen gar nicht. Oder als würden wir Opfer unserer Solidarität nicht für würdig halten.
Das trifft aber nicht zu.
Was wir sagen ist, dass Gewalt nicht nur ist, wenn Täter_innen Menschen zu Opfern machen, sondern dass Gewalt etwas ist, das alle Menschen immer machen und also alle Menschen immer Täter_in und Opfer sind. Und zwar auf so vielen Achsen, dass es unlogisch ist, Opferschaft ausschließlich auf einer Ebene zu definieren und auch nur auf dieser Solidarität zu üben.
Das ist überhaupt niemals eine Aussage darüber, wie unfassbar schlimm oder nicht, egal oder nicht, real oder nicht die Gewalterfahrungen und -taten einzelner Menschen waren oder sind. Es ist lediglich eine Aussage darüber, dass Gewalt alle Menschen immer betrifft.

Dieser Annahme folgen wir konsequent, indem wir Solidarität von allen Menschen fordern und uns in erster Linie auf Gewalt als Instrument der Macht und Macht als stets und ständig umkämpfte Grundressource unserer Gesellschaft konzentrieren.

An der Stelle endet in der Regel jede Diskussion, jede Auseinandersetzung, die wir in der aktivistischen Community führen können. Denn da geht es meistens um ganz konkrete Fragen der Versorgung, der Gesetzgebung, der Strafe, der Anerkennung, der Wiedergutmachung und Entschädigung – und zwar wieder in einem Gewaltkontext, der als solcher niemals angepackt wird, weil man einfach nicht anerkennen will, dass man mit diesen Instrumenten von Gewalt profitiert. Man will das einfach nicht so sehen. Man will Recht und Gesetz, Verwaltung und staatliche, soziale, politische Ordnung für naturgegeben und also unproblematisch halten.
Das ist sie aber nicht. Sie ist das Ergebnis von Macht durch Gewalt und nichts daran ist unproblematisch. Es ist nur für eine Mehrheit der Menschen nicht zum Nachteil, was keine Aussage über die Richtigkeit ist.

Wir haben nach der Veröffentlichung der Podcastepisode auch die Rückmeldung bekommen, dass es erstaunt, dass wir in Bezug auf unsere Erinnerungen unter anderem auch sogenannte „false memories“ annehmen. Diese Haltung hat sich ebenfalls aus dieser Annahme herausentwickelt.
Wir müssten extrem ablehnen, dass wir in den letzten 18 Jahren möglicherweise nicht nur gut und richtig, sondern auch falsch behandelt wurden, dass wir Erlebtes falsch erinnern, aber auch Falsches als erlebt erinnern, wären wir darauf angewiesen, objektiv und zu absolut 100 % Opfer geworden zu sein. Das sind wir aber nicht.
Wir beziehen kein OEG, wir werden zu keinem Zeitpunkt jemanden anzeigen und beim FSM konnten wir alles darlegen, was wir wissen und annehmen und glauben und die Entscheidung über die Glaubhaftigkeit dessen abgeben. Wenn wir uns also täuschen oder getäuscht wurden oder in 20 Jahren erforscht würde, wie man unser Störungsbild auch ohne Trauma durch Gewalterfahrung entwickeln kann, dann haben wir uns weder allein getäuscht noch in irgendeiner Form von einem Status profitiert, der uns nicht zusteht.
Für uns ist das in Ordnung so. Für uns, ganz individuell, ist das entlastend. Wir können uns so ermöglichen, uns ganz auf uns zu konzentrieren. Wir können uns anschauen, was uns belastet und warum und wie genau. Und dann können wir daran arbeiten, es zu verändern. Sogenannte „false memories“ sind keine absichtlich vorgetragene Lügen oder Zeichen für böse Absichten und wir finden es wichtig, dass das endlich auch mal in der Community ankommt.

So viele Viele zerreißen sich oft jahrelang darüber, was von ihrer Erinnerung wahr ist und was nicht. Oft für Autoritäten, die sich für sie als Individuen überhaupt nicht interessieren oder aus einer internalisierten Abwehrhaltung den Annahmen gegenüber, die sie selbst in Bezug auf Opfer haben. Und das ist ein so kraftraubender, so unnötiger Nebenschauplatz.

Es gibt im Leben viele Dinge, die man als wahr oder unwahr einordnen kann. Die Anwesenheit dieser beiden Größen schließt allerdings weder Widerspruch noch Unbeweisbarkeit aus. Es gibt Dinge über die wir heute, hier und jetzt in unserer Lebenszeit nur sagen können, dass es sie gibt und vielleicht noch was sie auszeichnet, aber nicht, ob sie wahr sind oder nicht. Zudem muss man manchmal auch einfach genug Demut aufbringen, sich einzugestehen, dass kein System über sich selbst hinaus wahre Aussagen treffen kann, weil jedes System Wahrheit für sich selbst – und auch nur für sich selbst funktional – definiert.
Welchen Wert und welche Funktionen hat Wahrheit also für uns? Für uns als System „Individuum“, für unser direktes Umfeld und jenes, das uns verwaltet, weil es die Macht dazu hat?

Wir haben festgestellt, dass wir für uns allein, für unser Leben als Individuum, keine objektive Wahrheit brauchen, sondern Strategien nicht unter unseren Wahrheiten zu leiden. Das schließt die Akzeptanz der Möglichkeit, sogenannte „false memories“ zu haben zwingend mit ein und hat uns ermöglicht, diesen unerträglichen Nebenschauplatz zu verlassen.
Eine Strategie, der sich alle berauben, die sich der Thematik verweigern, nur weil sie vom „Feind“ kommt bzw. von ihm missbraucht wird, um Gewalt auszuüben oder zu legitimieren oder zu leugnen.

Liebe, Lügen, Labbrigkeiten

Wenn mir in Serien und Filmen eines auf die Nerven geht, dann die Liebe.
Und das Lügen.

Nichts gegen Liebe – Liebe ist toll und gehört zum Leben wie Lügen zu lügen, Wäsche zu waschen, zu kochen und andere Dinge zu tun.
Aber.
Ganz sicher ist Liebe nicht dieses anstrengende Geflecht aus Anspruch, Erwartung, Angst und Abhängigkeit, in dem das eigene Er_Leben zu einer Art Option oder Privileg wird.

Persönlich halte ich Liebe für eine Art Gewöhnungsergebnis.
Man trifft auf etwas oder jemanden, verbringt Zeit miteinander, die Zeit ist schön, das Miteinander ist angenehm – beide sagen: “Bitte mehr davon” und irgendwann, nach einer Zeit der Hochs und Tiefs, der gemeinsam erreichten Ziele, da kann es zu Liebe geworden sein. Das aneinander gewöhnen. Und kennen. Und miteinander sein wollen.

Für mich kommt das Liebesgeständnis in Serien immer viel zu früh. Es will mir nicht in den Kopf, wie jemand nach einem Zeitlupenblick über den Kaffeetassenrand vor Verliebtheit gleich in die absolute Selbstauflösung gehen wollen kann. Ich kann nach einem Blick über einen Kaffeetassenrand maximal feststellen, ob mich etwas an einer Person interessiert oder nicht.

In der Serie, die ich gerade schaue gibt es ein Liebespaar, dass mich nun inzwischen seit 3 Episoden nur noch nervt.
Es begann schon damit, dass er ein Komatyp war, der – ja genau: aufgewacht ist (klar – im Unterhaltungsfernsehen ist kein Platz für sterbende Komatypen) und eigentlich eine Frau hatte, die sich eigentlich von ihm trennen wollte und sich deshalb auch nicht interessierte, als er plötzlich verschwand – die nach seinem Koma aber dann doch nochmal ganz neu von vorn anfangen wollte – obwohl er eigentlich aber die andere Frau interessant fand.
Seine Lügerei beginnt schon in diesem Moment. Oder besser gesagt: seine Unaufrichtigkeit

Und dann “verliebt” sich zeitgleich die andere Frau in ihn. Weil man das ja so kennt: sie pflegt ihn, den Komatypen,  mit dem so durchschnittlichen Gesicht (ich verwechsele die weißen Prinzen/Häscher/Königstypen ständig, weil sie sich alle so ähnlich sehen), der weder eine Geschichte hat, noch sprechen kann, noch mehr tut, als einfach das eigene Leben aufrecht zu erhalten und findet ihn total spannend und ist NATÜRLICH verliebt in ihn, als er dann endlich wach wird.

Sie ist Grundschullehrerin und macht dieses Pflegeding “so nebenbei”. Ich kann mir ihre “Liebesgefühle” nur mit geistig-emotionaler Totalerschöpfung erklären – aber naja – offensichtlich weicht meine Idee von Liebe ja sehr von Serienrealität ab, wer weiß, was da noch alles nicht so passt.

Jedenfalls.
Die beiden finden sich also toll. Aber er ist verheiratet.
“Verheiratet” ist in solchen Serien ein Synonym für “Du darfst keine Freunde haben. Du darfst nur mit deinem geheirateten Menschen Spaß haben. Jeder Kontakt zu anderen Menschen ist gleich eine Affäre.”.

“Verheiratet” bedeutet in solchen Konstellationen nie so etwas wie “sich gemeinsam etwas widmen” (zum Beispiel so etwas wie “Oh ja du warst im Koma – wieso hab ich jetzt, wo du wieder aufgewacht bist, plötzlich so einen Besitzanspruch an dich?” oder “Was stimmt mit mir und unserem Verhältnis eigentlich nicht, dass ich mich dafür verantwortlich fühle, woran du dich erinnern kannst?”).

“Verheiratet mit der falschen Frau” ist ein Volumenthema US-amerikanischer Serien. Es hat wenig Nährwert, ist aber labbrig genug, um Spannungsbögen machen, weil es in alle möglichen Richtungen aufgebläht werden kann. Die weiße Hetenbeziehung, die nicht Fisch nicht Fleisch ist, wird so gern genommen, weil es so möglich ist, noch andere Handlungsstränge daraus hervorgehen zu lassen. Auch dann, wenn es durchaus ginge, diese Handlungsstränge einzeln und entlang des eigentlichen Themas aufzubauen.

Wenn man sich mal mit der Frage nach verschiedensten *ismen in Serien befasst, kann man sehen, wie oft solche labbrigen Themen benutzt werden um Diversität zu versuchen bzw. noch mit reinzuquetschen. So kann ich es nicht für einen Zufall halten, dass genau jetzt, wo das Drama um “Buh du hast den armen verheirateten Mann verführt!”/“Buh du bist ein Lügner!” läuft, nebenbei ein Frauencharakter als Werwolf auftaucht und ein Zwerg und eine Fee zusammenkommen – die bisher magischsten Wesen (aka “Nichtmenschen”) in der ganzen Serie.

Für mich ist das eine Art wie Ableismus in Serien aussehen kann. “Sie sind ja keine richtigen Menschen – sie kriegen Nebenschauplätze”. Auch vorher in der Serie kriegt eine Nichtmensch-Figur als solche keine Gelegenheit, mehr als ihre Funktion zu repräsentieren. Erst eine Episode später erhält sie genug Raum für mehr Tiefe – eine Folge, in der zufällig kein soziales Drama passiert.

Bin ich jetzt abgeschwiffen? Jein.
Meine Anstrengung an Liebesthemen, die so aufgebaut werden, geht sehr stark damit einher, wie die Dynamik zwischen Hauptdarsteller_innen der tragischen Verliebung und “den anderen” ist.
Die ist nämlich selten bis nie von genereller Offenheit und Miteinander geprägt.
Die gleiche Masse von Mitmenschen, die die Krankenschwester-Lehrerin feiert, weil sie sie toll und lieb und sympathisch findet, fängt an sie zu auszugrenzen und zu demütigen, als sie ihnen wie eine Verführerin präsentiert wird.

Liebe ist für mich nie dieses exklusive Ding, das ich nur für eine Person allein “aufspare”, damit ich ohne schlechtes Gewissen Sex mit ihr haben kann oder weiß, (zu) wem ich gehöre.
Liebe ist für mich viel mehr die Bereitschaft mich zu umgeben, zu widmen, mit anderen Personen oder Dingen oder Tätigkeiten zu sein.
Für mich ist Liebe, was passiert, wenn man okay mit sich und seiner Umgebung ist und bleiben möchte.

Für mich ist es verwirrend, wenn in Serien so eine Kluft zwischen der Liebe für die eine Person und der Liebe zum Rest der Welt besteht.
Eine Person, di_er kein liebe.volles Verhältnis zu Mitmenschen aufbaut, ist ja quasi gezwungen, dann alles auf eine Person (oder anderes Gegenüber) zu laden und die Dynamik, die sich daraus entwickelt, kann entsprechend ja auch nur noch so alltagsgewaltvoll sein, wie sie dann in Serien meist wird bzw. zu werden droht.
Mir kommt es unlogisch vor so zu handeln.

Unlogisch kommen mir übrigens auch solche Unaufrichtigkeiten und Lügen vor, die dann innerhalb solcher Liebeshandlungsstränge passieren.
Es ist kein “lügen aus Liebe”, wenn man Angst davor hat, man könnte die andere Person verlieren, wenn man ist, wer und wie man ist. Das ist kein Handeln aus Liebe, sondern Selbstschutz oder Taktieren in Gewaltdynamik aus Abhängigkeit(sgefühlen) heraus.

Für mich ergeben Lügen immer nur dann einen Sinn, wenn man sich im Krieg befindet. Entweder mit sich selbst oder mit der ganzen Welt.
In der Serie haben entsprechend nur die böse Königin und Rumpelstilzchen logische Gründe zur Lüge und Hinterlist.

Ach man.
Tja.

Naja.
Ich hoffe, dieses Liebesdings ist dann jetzt auch bald vorbei oder wenigstens mehr im Hintergrund. Üblicherweise verlieren mich Serien an diesem Punkt, weil es mir zu anstrengend oder langweilig wird.