bisschen mehr zu #Diätkacke

Ich habe vorhin den #Diätkacke erfunden.
Weil mit voranschreitendem Welken eines jeden Jahres auch eine häufigere Darbietung selbiger auf so ziemlich jeder frei verfügbaren Plattform zu verzeichnen ist. Und, weil es mich ernsthaft wenig wundern würde, wären in Slimfast, Almased und Co mehr Inhalts- und Nährstoffe, als in einem mittelgroßen Kackeklops.

Diäten sind vielschichtig und pauschal nicht zu kritisieren. Letztlich steht das Wort nur für eine bestimmte Komposition von Nahrungsmitteln, die man zu sich nimmt. Nicht jede Diät zielt auf Gewichtsverlust ab, doch ist dies das Ding, das vorm Weihnachtsfest und vor der Freibadzeit in unsere Konsument_innenköpfe gedrückt wird.

Wir haben hier schon oft über unser Leben mit „Anxiety“ geschrieben und davon, wie gnadenlos und doch auch angenehm sie sich so zeigt.
Seit der großen Krise, in der wir in wenigen Monaten viel Gewicht verloren haben, haben wir uns stabilisiert. Wir haben ein Mal am Tag gegessen – immer irgendwas zwischen 1000 und 1800 Kalorien. Bis wir irgendwann keine Zahlen mehr brauchten und die Lebensmittel wieder mehr die Bausteinchen in der Tätigkeit „essen“ wurden, wie es zum Beispiel Kleidungsstücke in der Tätigkeit „anziehen“ sind.

Das haben wir mit Routine und Menschen, die uns emotional unterstützen, zu mehr Sicherheit und Gefühl für unseren Kontrollbereich verhalfen, geschafft.
Aber der Zauber ist nicht vorbei.

Gerade Feiertage sind eine prädestinierte Zeit für das Gefühl wenig unter Kontrolle zu haben und immer mehr oder weniger mit sich machen lassen zu müssen.
Unsere Gemögten und Nahmenschen feiern alle keine jüdischen Feste – sie feiern die christlichen. Das heißt für uns aktuell: wir erholen uns noch von Chanukka und bekommen Weihnachtsgeschenke und Weihnachtsbesuchseinladungen und Weihnachtspartymitkommwünsche und hier ein Kekschen und da ein Glühweinchen und hier ein Schokoweihnachtsmann und da ein Nüsschen …

Wir verstehen diese sozialen Gesten und freuen uns darüber.
Und hoffen, diese Menschen besuchen uns in den nächsten 4 bis 5 Monaten nicht, weil sie sehen könnten, dass die Sachen häufig noch eine Weile liegen bleiben, weil sie nicht besonders gut mit den aktuellen Essensplänen zusammenpassen oder für Fressanfälle gebunkert werden.
Ja – wir nutzen Süßigkeitengeschenke für die Planung unserer Fressanfälle. Immernoch.
Weil Fressanfälle teuer sind und, weil es die Demütigung perfekt macht, wenn man Geschenke frisst wie ein Monsterschwein, obwohl sie geschenkt wurden, um zu geniessen wie ein Mensch.

In der akuten Krise vor 2 Monaten konnten wir bis zur Klinikeinweisung weder mehr als 3-4 Stunden schlafen, noch einmal am Tag essen ohne vom Plan abzuweichen. Die Welt klapperte in ihren Angeln und wir torkelten in ihr umher.
Der neue Plan sieht zwei Mahlzeiten vor, weil wir ein Medikament einnehmen, das gesteigerten Appetit zur Folge hat.
Es gibt Uhrzeiten, von denen wir nicht abweichen dürfen, Marken und Geschmacksrichtungen die wir nicht spontan wechseln können, es gibt Mischverhältnisse, die nicht übermäßig abweichen dürfen, es gibt innerhalb der Woche einen Freiraum für Abweichungen (zum Beispiel, wenn ein Termin in die Esszeit fällt und man evtl. nicht kochen kann) und einen für geplanten Genuss.
Alles andere bringt uns durcheinander und löst Ängste aus, die noch nicht bewortbar sind.

Das hat weniger mit „Anxiety“ selbst zu tun, als mit der Reaktion, auf die hin sie wieder angestoßen wird. Einen spannenden Talk zum Thema „Reaktion auf Lebensmittel und Essstörungen“ hat übrigens Dr. Laura Hill gegeben.
Sie empfiehlt, dass ihre Klient_innen ein Ausweichessen mitbringen, wenn es eine besondere Situation ist und dies mit einem Umgang einer Reaktion in sich zu erklären.

Ich finde diese Idee gut. Es kann vielleicht entlasten, wenn so ungeplante oder auch sozial kolossal überladene Essenssituationen bevor stehen. (Wenn man es denn schafft, das zu erklären und ein Umfeld hat, das in der Lage ist, so etwas zu akzeptieren)

Daneben aber, halte ich es für wichtig nicht permanent „Diät = Abnehmen“, „wenig Körpergewicht = schlank/dünn = gesund“,  „schlank/dünn = schön“ und „schön = okay“ zu verknüpfen.
Für mich bedeutet meine Diät sowohl mich selbst, als auch mein Körpergewicht als auch meine Reaktionen auf soziale Ereignisse jeder Art halbwegs stabil zu halten und das ist nach so vielen Jahren mit „Anxiety“ ein echtes Arbeitsergebnis.

Übrigens habe ich über Diätkacke auch geschrieben, weil die wenigsten mit einer Essstörung im Leben mal über ihre Kackprobleme reden.
Wenn man wochenlang nur Wasser und Brot zu sich nimmt, folgt die Verstopfung auf dem Fuß. Wenn man sich über Monate hinweg ausschließlich von Putenbrust und Hühnereiern ernährt, ebenso. Nicht wenige, die ihre Umstellung von omnivor auf vegetarisch oder vegan umstellen (was im Fall einer Essstörung dann bedeutet ein Blättchen nach einem Gräschen zu knuspern und genau nicht das überlegte und ausgewogene Zusammenstellen einer bedarfsgerechten Ernährung ohne Fleisch bzw. tierische Produkte) quälen sich Schafdrops raus und stellen innerhalb von ein paar Wochen auf Abführmittel um, weils halt anders kaum aushaltbar ist.
Abführmittel werden zur Nebenwirkungsbehandlung der kruden Diät und dann dauerts nicht mehr lange zum treuen Freund und Begleiter, wann immer man am Abkacken mit sich selbst, seinem Körper und dem Leben an sich ist.

Wir haben noch immer 3 Großpackungen im Kleiderschrank stehen.

Unsere Ausschlußdiagnose vom Reizdarmsyndrom und auch die Zuckerproblematik konnte erst passieren, als wir ein ernstes extrem peinliches Gespräch mit unserem Arzt übers Kacken, die Kacke und das was sie vorher mal war, geführt haben.
Wir waren dankbar, als wir erfuhren, dass wir uns den Bauch nicht irreparabel kaputt gemacht haben, sondern, dass er eine bestimmte Diät braucht um problemlos zu funktionieren.
(Natürlich hat es auch dazu geführt, dass wir nun wissen, welches Essen zuverlässig furchtbare Schmerzen bereitet – aber das ist wieder ein anderes Thema.)

So – ich sag jetzt „Ende“, weil mir keine andere gute Ausleitung einfällt.

hö hö
Verstehste? – Ausleitung
höhöhö