Diagnosen und gewaltvolle Ausschlüsse

Es gibt gerade so eine Debatte darum, ob nur als Autist_in diagnostizierte Menschen an prominenter Stelle für Selbstbestimmung, Inklusion und Barrierefreiheit sprechen dürfen oder nicht und alles hängt sich an der Wichtigkeit einer Diagnose auf.

Ich habe bereits letztes Jahr in der Mädchenmannschaft geschrieben, dass Diagnosen Machtmittel, bzw. die Termini “Gesundheit” und “Krankheit” Machtbegriffe sind. Wer auch immer, wie auch immer Hilfe und Unterstützung sucht, braucht, möchte – fast egal, worum es geht! – braucht eine Diagnose. Wer gerade keinen entsprechenden Krankenversicherungsschutz hat, wer aus Gründen jeder Art keine Diagnostik aushalten kann (oder überhaupt auch gar nicht die Fähigkeiten dazu mitbringt  bzw. Kompensationsmöglichkeiten aktivieren kann – auch diagnostische Verfahren sind nicht barrierefrei!), wer zu Recht das Stigma durch eine medizinische/psychologische Diagnose scheut, wer mit negativen Folgen in Beruf, Familie, Lebenskontexten zu rechnen hat – wird sich im Zweifel immer gegen eine Diagnostik entscheiden.

Und das ist okay!
Sowas nennt man auch “Selbstschutz” oder “Selbstfürsorge” oder “Umgang mit Behinderungen”

Für mich lesen sich Teile der Debatte wie folgt: “Ja, aber wenn dieser Mensch da doch gar kein_e Autist_in ist und diese Dinge sagt – dann könnte ja jede_r kommen!”
Ich kenne das auch aus der “DIS-Bubble”: “Ja, aber wenn diese Person da gar keine DIS hat sondern “nur ne DDNOS” oder “nur eine komplexe PTBS” – dann darf die jetzt hier nicht über einen Mangel von guten Traumatherapeut_innen reden und sagen, dass Menschen, die Gewalt erfahren haben, schlecht behandelt werden.”

Für mich sind folgende Punkte in dieser Debatte wichtig:
1) wer warum worüber wo spricht ist wichtig, weil Sichtbarkeit für bestimmte Themen wichtig ist, um Antistigmatisierungsarbeit anzustoßen
2) wer warum worüber wo spricht, bestimmen in aller Regel die Personen, die die Macht haben darüber zu entscheiden
3) diese Macht begründet sich in aller Regel durch eine günstige Position auf den Diskriminierungsachsen: Klasse, ‘Rasse’, Alter, Geschlecht, Befähigung, Berechtigung
4) diese Positionen führen dazu, dass bestimmte Perspektiven auf eine Problemlage zur Norm erklärt werden und jede davon abweichende als “fremd”
5) das “Fremde” zu betrachten fällt aus dieser Position heraus am leichtesten, wenn sie die bekannte (als “normal” gelabelte) Perspektive günstig, positiv, angenehm, verwertbar, mit wenig Schmerz und Eigenbeteiligung ergänzt
6) so wird sich folglich auch immer wieder den Stimmen gewidmet, die diese Marker erfüllen
7) und so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass minorisierte, mehrfachdiskriminierte Personengruppen, die obendrauf auch noch eine unbequeme Botschaft mitbringen, hinten drüber fallen und unsichtbar bleiben

Konkret heißt das: übers Down-Syndrom werden noch eine ganze Weile nicht die Menschen mit Trisomie 21 sprechen, die keine Lautsprache beherrschen und zusätzlich auch körperlich anders entwickelt sind. Über Autismus werden noch eine ganze Weile Menschen sprechen, die sprechen können, die den Stress des öffentlich wahrgenommen werdens kompensieren können – und nicht die, die nonverbal sind und 24/7 Unterstützung und Pflege brauchen, um in die Lage zu kommen selbstbestimmte Äußerungen über sich selbst tätigen zu können – einfach nur, weil ihr Leben, ihr Er_Leben und die Realitäten in ihrem Leben als “zu fremd” von “den Zuschauenden/Zuhörenden/Kund_innen/ der Zielgruppe” eingestuft werden.

Und dieser Umstand passiert noch vor der Frage: “Gibt es eine fachärztliche/psychologische Diagnose?”.
Die Wahl der öffentlich sprechenden Personen hat herzlichst Nullkommanullnix damit zu tun wie “echt” bzw. wie “wahrhaftig” das Problem ist, worüber jemand im Fernsehen, in der Zeitung, im Radio spricht, sondern damit wie “echt” bzw. wie “wahrhaftig” die beteiligten Journalist_innen und der Sender den Fall und das Problem einschätzen.
Manche sind da sehr akribisch, weil ihnen bewusst ist, wie groß der entstehende Schaden sein könnte, viele sind es hingegen leider nicht. Und wenn man sich den Medienbetrieb anschaut, weiß man auch warum.

Ich verstehe den Wunsch, gerade in der deutschen Behindertenbewegung, nicht mehr von nicht genau gleich betroffenen oder wenigstens gleich diagnostizierten Menschen vertreten zu werden. Ich finde es ja auch nicht gerade prickelnd als Mensch mit DIS von Popkultur, Psychotherapeut_innen und 2-3 Einzelpersonen vertreten zu werden, deren Perspektive teils maximal von meiner entfernt und alles andere als an strukturellen und/oder gesamtgesellschaftlichen Veränderungen orientiert sind.
Aber gäbe es das nicht, wüsste ich nicht welche Felder noch fehlen in der Debatte. Gäbe es diese Fürsprache nicht, wäre es noch schwieriger für mich auf Gehör zu stoßen.

Für mich ist es relevant zu schauen, ob es sich um (selbstvertretende) Fürsprache oder “Stellvertretersprech” oder “Statt-der-betroffenen-Menschen-Sprech” handelt.
Daran orientiere ich mich in meiner Kritik.
Es gibt genug Menschen, die gute stabile Fürsprache leisten und die man immer wieder um Kollaborationen bitten kann, um das Thema sichtbar zu machen. Das ist gut und wichtig, weil es einander ergänzen kann und nicht jede_r Aktivist_in alles gleichzeitig immer in jeder Ansprache unterbringen kann.

Bei “Stellvertretersprech” und “Statt-der-betroffenen-Menschen-Sprech” hört der Spaß für mich auf. Ich will keine “Downie-Mutter” mehr im Fernsehen sehen, es sei denn sie spricht über sich und ihren persönlichen Weg als Mutter eines behinderten Kindes.  Ich will keine Sozialarbeiter_innen in der Zeitung lesen, die unbegleitete jugendliche Geflüchtete betreuen – es sei denn sie lassen eine flammende Rede über die empörenden Zwänge ihres Jobs vom Stapel oder sie sprechen über ihren persönlichen Weg an der Seite von Menschen, die auf sie angewiesen sind.

Eine Diagnose zu fordern klingt für mich nach einem Ausdruck des Wunsches ordentlich vertreten zu werden, wenn man überhaupt schon fremdvertreten werden muss. Und ehrlich gesagt erlebe ich das als peinlich, weil man genauso gut gleich sagen kann, dass man selbst bitte irgendwo mal sprechen möchte, weil man sich durch seine Diagnose als “echt” und “wahrhaft” erlebt.
Hier ist ein Link zur Speakerinnen*-Liste. Tragt euch ein (wenn ihr eine Frau* seid), gebt es weiter, netzwerkt, aktivistet – irgendwann gibt es dann vielleicht die Möglichkeit.

Eine Diagnose kann auch falsch-positiv sein. Eine Diagnose kann vielleicht aufgrund nur eines (warum auch immer temporär oder latent) fehlenden Merkmals nicht gestellt werden. Eine Diagnose ist das Produkt dessen, was ein anderer (meist privilegierterer) Mensch beobachtet und in Kästchen abhakt – was ist, wenn der mal nicht richtig guckt? Wenn der mal einen schlechten Tag hat?
Eine Diagnose ist das Produkt einer Abhängigkeitskette und am Ende vielleicht ein wissenschaftliches Glücksspiel, das im Fall des Falls dazu führt, dass eine autistische Person als nichtautistisch eingestuft wird – und keine Hilfe erfährt, weil es die, die diese Person braucht, nur für Autist_innen gibt – und keine Ausdrucksrechte in der autistischen Bubble erfährt, weil diese nur den Glücksspielgewinner_innen zugestanden werden.
Das ist Gewalt und das ist für mich einfach nur abstoßend.

Wer Hilfe und Unterstützung braucht, soll sie bekommen können. Wer etwas sagen möchte, das helfen könnte und wichtig ist und besonders Menschen mit einem bestimmten Phänotyp und Problemcluster betrifft, der macht Fürsprache und die ist wichtig. Auch dann, wenn die Person sagt: “Ich als selbstdiagnostizierte_r Autist_in, Schizophrene_r, Depressive_r, Mensch mit DIS/DDNOS/dissoziativen Störungen, Zwangshandelnde_r … persönlich empfinde dies und das und das und das als Problem und finde es wichtig, dass sich darum gekümmert wird.”

Vielleicht ist es dran sich zu überlegen, warum genau so wichtig ist, dass nur und ausschließlich eine Diagnose dazu führt, dass man einen anderen Menschen als sich selbst (mit Diagnose) in seinen Problemen ähnlich, anerkennt und ernstnimmt. Vielleicht macht man sich mal Gedanken darüber, wie man ohne gewaltvoll zu sein miteinander umgehen kann.

Keine 5 Senderminuten sind es wert, Menschen, die warum auch immer keine Diagnose, aber die (fast) gleichen Probleme haben, auszuschließen.
Keine.

böse Mädchen

Malve3 Ich habe über “böse Mädchen” und “fehlende Opfersolidarität” nachgedacht.

Ich lese gerade eine Sammlung von Texten zur Frauenbewegung von 1887 und beobachte (und belächle) Parallelen, die sich mir dabei aufdrängen.
Es geht dabei viel um “du bist FeministIn- du MUSST das doch auch so sehen- das MUSS doch auch dein Ziel sein…” – es geht um den Wunsch/ die Forderung nach Solidarität (Loyalität) zueinander, wenn man das gleiche Ziel hat.

Letztlich scheint es ein grundlegendes Bewegungsproblem zu sein, die Gleichheit von Welt- und Meinungsbild als Grundlage für Loyalität und diese wiederum als Alleinstellungsmerkmal von Solidarität zu betrachten. Wird diese Gleichheit nicht gesehen bzw. anerkannt (oft genug ist sie grundsätzlich ja da, wird aber aufgrund diverser *ismen und ihren begleitenden (Fehl)Schlüssen als nicht geltend gelabelt), wird fast reflexhaft exkludiert.

Das Traurige dabei ist, dass das Ziel der Bewegung in aller Regel eines ist, das aufgrund verschiedener *ismen entstandene (und aufgrund verschiedener *ismen auch nur bestimmten Gruppen so sichtbare und/ oder erlebbare) Miss- Um- stände verändern möchte, doch zeitgleich wiederum in der Bemühung möglichst niederschwellig und „massekompatibel“ zu agieren, diverse (wenn auch andere) *ismen verwendet und in der Folge produziert, was *ismen eben so produzieren: Machtgefälle (Gewalten).
So kann keine 100%ige Loyalität erwartet werden, wenn eine Bewegung gesamtgesellschaftliche Veränderungen anstrebt.

Mir ist wieder eingefallen, was mir einen bitteren Geschmack in den Mund spülte, als ich die Phrase “fehlende Opfersolidarität- also da müssen wir auch hingucken” hörte.
Ich hörte sie nämlich nicht von einem Menschen, der einmal zum Opfer wurde und als solcher sprach, sondern von einer Psychotherapeutin, die eventuell vielleicht einmal zum Opfer wurde, aber als Psychotherapeutin redete, die statt des anderen Menschen davon sprach und von sich dachte/ denkt, sie würde für Menschen, wie den der einmal zum Opfer wurde, sprechen.

Ich hatte mich direkt in dem Moment flüchtig gefragt, ob es bereits “fehlende Opfersolidarität” sei, würde ich (als ehemaliges Opfer und auch offen so auftretend) sagen, dass ich nicht will, dass Menschen von “uns Opfern”, die wir überhaupt keine einheitliche Masse sind, untereinander Solidarität fordern, die selbst in der Verteilung ihrer Solidarität gar nicht hinterfragt werden (dürfen), weil es direkte, wie indirekte Abhängigkeiten von ihnen gibt.
Ich fragte mich, ob es als ein Loyalitätsbruch am gemeinsamen Ziel gelten würde, würde ich verlangen, dass alle FürsprecherInnen einmal bitte immer wieder überprüfen, ob sie in all ihrer Fürsprache, nicht vielleicht doch hier und da eine sehr ausführliche “statt der zu Opfern gewordenen Menschen – Sprache” praktizieren.

In den frühen feministischen Texten, die ich lese, ist ebenfalls eine ausgeprägte “statt- Sprache” zu finden, wie wir sie auch heute noch beim Kaptialfeminismus der A. Schwarzer und dem jüngeren Patriarchatsreproduktionsaktionismus mit Feminismussticker “Pink Stinks” erleben.
Wer eine eigene feministische Haltung und Entwicklungsgeschichte einbringen und mit gewichtet, mitbeachtet sehen will, wird als BewegungszerstörerInnen* markiert und in unzähligen Vorträgen als Negativbeispiel oder “bockiger Widerstand” dargestellt, ohne auf Inhalte einzugehen und diese reflektierend oder selbstkritisch zu diskutieren.
Im “günstigsten Fall” noch “darf” die exkludierte Gruppe dann zusehen, wie der Einfluss von Widerspruch und Aufklärungsarbeit negiert wird, wenn kritisierte Punkte doch verändert werden. Statt- Sprache ist ein Machtergebnis- selbstverständlich werden unterdrückte Stimmen ergo auch ausgenutzt zum eigenen Vorteil.

Wir erleben es, damals wie heute, dass Klassismus, Rassismus, Lookismus, Ableismus und der *ismus, der gesellschaftliche Positionen aufgrund der individuellen Aktivität bzw. Passivität festlegt, bedingte Begüterung zwar als Diskriminierungsfaktor “derer, für die man ja gerade eine Bewegung macht” gesehen wird, aber nicht als Grund und Grundlage dafür, wer Bewegungen jeder Art– das kann feministische, wie allgemein und global emanzipatorische Bewegungen oder auch nur Teilbereiche innerhalb des bestehenden Systems arbeitende betreffen- wie anführt, organisiert, strukturiert und somit definiert.

Ebenfalls unhinterfragt bleibt die inzwischen fast traditionelle Positionierung als FürsprecherInnen* bzw. ihr Einsatz in Gremien, Vorständen und sonstigen Entscheidungszelebrierungsgruppen.
FürsprecherInnen* bewegen sich ebenfalls in einem Abhängigkeitsverhältnis, von dem sie nur dann profitieren, wenn es jemanden gibt, der sonst nicht gehört wird- und auch nur so lange profitieren, bis diese Menschen auf die Idee kommen sich zu emanzipieren und einfordern selbst für sich sprechen zu dürfen.

Unsere Gesellschaft möchte sich auf den Weg in eine inklusive Gesellschaft machen, doch versäumt es tunlichst, die Mechanismen der Exklusion gänzlich und auch an sich selbst zu hinterfragen.
Irgendwann mal habe ich einen Artikel geschrieben, in dem ich unsere Gesellschafts- und Politikstruktur als monotheistisch entlehntes Modell skizziere, das ganz zwangläufig exkludiert, weil es sich pyramidenartig von unten nach oben zuspitzt (elitär wird).
Das heißt, dass wir alle es als selbstverständlich wahrnehmen exkludiert zu werden bzw. zu exkludieren, weil auf dem Weg nach oben selbstverständlich immer etwas verloren geht, was gerade Minderheiten und bereits Mehrfachdiskriminierte betrifft. So wird nur nach oben gerettet (zusammengestrichen), was der Masse, die sich aller *ismen entsprechend als eine solche artikulieren und einbringen kann, entspricht.
Der Rest hat FürsprecherInnen* bzw. die Möglichkeit Fürsprache zu erhalten, indem er sich auf das Grundgesetz beruft, wonach niemand aufgrund von (nicht ausreichend erfassten) Markern diskriminiert werden darf.
Somit wird klar: das System ist exkludierend (und weiß das auch!)- aber die Reißleine “Grundgesetz” bzw. “Menschenrecht”, soll dafür sorgen, dass es nicht zu schlimm wird.

Emanzipatorische Bewegungen, also Bewegungen, Initiativen, Aktionsbündnisse, die sich von etwas lösen möchten, haben einen hohen Abgrenzungsanspruch und definieren sich an oft (noch) nicht mehrheitlich anerkannten Systemen, Werte- und Normenkonstrukten und/oder sogar völlig neuen Definitionen von bestehenden Systemen, Normen und Werten.
Es gibt in aller Regel kein “so und so ist das”, sondern eine sich stetig und nicht überwiegend von Außen eingebrachte, sondern von innen wahrgenommene Weiterentwicklung, die anhand der eigenen Entwicklungsgeschichte und aller darin entstandenen Denk- und Schlussfolgerungsprozesse konstant nachgezeichnet werden kann.

So manches Mal denke ich “böse Mädchen” und möchte sie alle an mich drücken, wenn ich mir diverse Newsletter, Texte oder Vorträge in den Kopf tue und dort über mangelnden Zusammenhalt innerhalb verschiedener feministischer, aber auch anderer Diskurse in denen es um die Rechte diskriminierter Menschen geht, geklagt wird.
Wer klagen muss, der hat die Diskussion verloren- und damit zwar Grund zur Klage, doch nicht zur Kritik an den in der Diskussion aufgebrachten Punkten. Und schon gar nicht an den Persönlichkeiten der VertreterInnen der DiskutantInnen*partei.

Ich mag “böse Mädchen”, weil sie ihre Solidarität im Bezug zum Thema eben nicht an Personenloyalitäten hängen. Sie sprechen für sich, sie sprechen radikal und sie sprechen, obwohl und manche vielleicht auch weil, sie nichts davon haben, außer die Befriedigung nicht still zu sein, wie andere sie gerne (halten) wollen.
Gerade in Bezug auf emanzipatorische Auseinandersetzungen und Bestrebungen, die sich durch emanzipiertes Auftreten von Diskriminierten verändern würden, halte ich es für unabdingbar eben nicht abhängig von einer einzelnen Person oder einem festgesetzten Personenkreis zu sein- die zwar selbst emanzipiert oder weniger diskriminiert sein mag (und eben deshalb gut was an die Massen bringen kann), doch durch das Nutzen dieser Privilegien in die FürsprecherInnen*rolle geht und damit, ob gewollt oder nicht, die für die sie zu sprechen glaubt, zum Schweigen der Diskriminierten bringt und damit “statt- Sprache” übt.

Statt- wie Für- SprecherInnen*, AktionistInnen* mit Privilegien und sogenannte BewegungsanführerInnen* reproduzieren einen Dualismus, der zu weiteren Ausschlüssen führt.
Menschen, die Bewegungen unterstützen, in denen es diese Gefälle gibt, fallen dem Trugschluss anheim, nur als Masse auch zu Recht zu kommen und versäumen den Schritt in die Systemkritik, die ausschließlich auf der (demokratischen (Fehl-)) Annahme beruht, wonach “die Masse” gleich “alle” ist.
So kann jede Bemühung nur im Sand verlaufen, auslaugen, desillusionieren, verbittern lassen.

Jetzt steht es aber im öffentlichen Raum- das Wort “Inklusion”.
Das ist der Hit, mit dem Wort bekommt man die Bude voll. Eine irgendwie randomly mit Minderheitendiskriminierung in Verbindung stehende VertreterIn* ans RednerInnen*pult und bumms haben wir eine Wiederholung, die die Masse konsumieren kann, ohne sie zur Frage an sich selbst werden zu lassen.
Ich frage mich, warum kaum eine der RednerInnen* (bei den Vorträgen, Texten, Selbstdarstellungen von Vereinen, die ich so mitgenommen habe in der letzten Zeit) sich der Frage stellt: “Warum bin ich hier und rede über die Wichtigkeit von Inklusion- und nicht die, die davon profitieren sollen?”

Ich persönlich glaube, dass wahrhaftig emanzipatorische Bewegungen darauf verzichten können, sich mit dem Thema Inklusion auseinanderzusetzen, weil sie weder exkludieren noch inkludieren. Wer mitgeht, geht mit und wird in seinen Bemühungen von Teilhabe und Teilnahme unterstützt. Es gibt keinen Machtgewinn, wenn man folgt, es gibt keinen Machtverlust, wenn sich die Wege der Auseinandersetzung trennen.

Es geht um die Sache und hätte es nicht immer wieder “böse Mädchen” und “fehlende Opfersolidarität” mit Menschen, die Überlebende nur als Opfer wahrnehmen, gegeben, dann hätte so manch eine Bewegung nicht bis heute überdauert, allem fehlenden Kapital, allem fehlenden Standing in der Gesellschaft zum Trotz.