Heute ist internationaler Kindertag.
Ich habe darüber nachgedacht, wie man Kinder sieht. Und, wie man sich selbst als Kind sieht.
In dem außerordentlich guten Film „The Tale“ wird deutlich, welche Erzählung die erwachsene Person, die von ihrem Reitlehrer sexualisiert misshandelt wurde, von sich selbst in dieser ihrer Kindheit hatte.
Sie beginnt die Geschichte von sich als „reife junge Frau“, die gewollt (begehrt?) war und kann erst durch ein Foto von sich in dem Alter erkennen, wie jung sie noch war. Wie kind_lich.
Ich habe dieses Bild von mir nicht. Ich war nie jünger als 16 und nie anders als so beladen mit Alleinverantwortung, Pflichten und Anforderungen an „angemessenes Verhalten“, wie ich das heute bin. Kind waren und sind immer die anderen. Es gibt aus meinen Lebensjahren 16 bis 18 nur die Porträts, die man in meine Klapsakten gelegt hat, damit die Polizei mich finden kann, wenn ich „abgängig“ sein sollte. Da bin ich blass und habe rötliches Haar. Ich sehe weder so aus, wie ich mich gefühlt habe, noch jugendlich, geschweige denn kindlich.
Meine Kindlichkeit damals, kann ich heute am ehesten noch aus meiner Un_Reife ableiten. Aus der Unerfahrenheit im Leben nach der Gewalt in der Herkunftsfamilie. Es war ein neues Leben. Ich war dieses neue Leben.
Vor einiger Zeit haben wir uns mit der Therapeutin zusammen Fotos aus unserer Einsmensch-Kindheit angeschaut. Die Therapeutin sagte, man könne schon in den Babyfotos sehen, dass wir das sind. Für mich ist das ein unaushaltbarer Gedanke. Dieses Baby soll ich geworden sein, ich soll dieses Baby gewesen sein. Nein, nein, das kann nicht sein – das würde ja bedeuten, dass ich irgendwann mal global abhängig war und sich gefälligst mal richtig anzustrengen ein völliges Quatschkonzept ist, vor dem man logischerweise überfordert zusammenbrechen muss. Dass ich mal weder sprechen, noch laufen, noch kauen konnte, noch für Dinge verantwortlich war, weil man mir keine Macht über Dinge zusprach. Das würde ja bedeuten, dass es mal eine Zeit in meinem Leben gab, in dem ich nicht an allem (selber) schuld war, nicht krank, durchgeknallt und der Gesellschaft tendenziell eher unzumutbar.
Ich glaube, dass man immer das eigene Kind ist und alle Menschen immer die Kinder ihrer Zeit bleiben, was ihren Blick auf andere Kinder beeinflusst. Dass ich mich selbst als Jugendliche geboren erlebe, bedeutet, dass ich eine Offenheit für Kinder habe, die ihnen viel Raum lässt, sie selbst zu sein. Ich sehe nicht mich in ihnen, sondern sie. Und dafür brauche ich keine spezielle Spezialhaltung und pädagogisches Fachwissen oder irgendeinen esoterischen Dreh, nach dem sich meine Seele für ihre Seele öffnet und trallalala. Es ist mir einfach eigen und macht es mir sehr leicht, respektvoll und achtsam mit Kindern zu sein.
Und das, obwohl ich so eine bekloppte Irre bin. So eine gefährliche „psychisch kranke“ Person. So jemand, „bei der_m man ja nie sicher sein kann“. So jemand, „wo man ganz genau gucken muss“.
Ah Mist – in die Falle getappt – nicht „obwohl“.
Weil.
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Ich bin froh, dass man von unseren Fotos von Kindheit und junger Erwachsener sagt ,,ne…ich hätte dich nicht erkannt. ,,
Ich sähe heute so anders aus, dass es schwer wäre, den Bezug zueinander herzustellen.
Ich selbst sehe auf Kinderfotos alleinig die Augen, die mich manchmal im Spiegel ähnlich schief und dissoziiert anschauen als Ähnlichkeit und Bezugspunkt dazu den selben Körper zu bewohnen. .
Als zweiten Punkt führe ich an, dass es mit unsere Geschichte, als einigermaßen reflektierten Mensch leicht ist, Kindern respektvoll zu begegnen. Ich erlebte uns schon oft als jemand, der ,,etwas sagt,, wenn Kinder irgendwo in Läden und Öffis schlecht behandelt werden. Wo es nicht nur die Sekunde genervtsein von Mutter oder Oma ist, sondern über einen längeren Zeitraum beobachtet war.
Oma schlägt Kind. Wiederholt. Wegen der Neugier, wegen Fragen stellen. Wegen ,,Oma…wieso ist das….,,
Und wir schweigen nicht. Und die Antwort ,,das ist mein Engel, damit mache ich, was ich will,, bringt uns dann erstreckt in Rage.
Nicht, weil wir glauben, die Oma belehren zu können, sondern weil das Kind, das in dem Moment zuhört, hoffentlich im Herzen trägt, dass sich wildfremde Menschen einsetzen und das, was passiert, falsch finden.
Vielleicht unpassender Kommentar. Egal.
Ja, egal ob passend oder nicht – immer passend daran zu erinnern, dass es viel aus.macht, wenn man Kindern vermittelt, dass sie gesehen werden.
Wie ist das bei dir, du Rosenblatt: Triggern dich Kinder bzw. ihr Verhalten o.a. nicht?
Doch, ja klar. Aber sie haben ja nichts damit zu tun. Warum fragst du?
Für mich klingt das in deinem Text so, dass es dir leicht fällt, respektvoll u.a. mit Kindern zu sein. Dass das was ist, was einfach zu Dir gehört, Dir eigen ist. Und das ist ja dann eine Haltung. Und ich hab mich gefragt, wie das mit Triggern ist. Ob Du dann quasi dagegen steuern musst, wenn Trigger Kontakt zu Kindern beeinflussen, oder ob Deine persönliche Haltung so stark und selbstverständlich ist, dass das Getriggerte quasi darin verpufft?! Verstehst Du, was ich mein?
Achso. Hm, ja und nein.
Kommt drauf an, was mich woran triggert. Wenn es Verhalten ist, das einfach so ist und etwas mit mir macht, verpufft es schon eher einfach. Dann orientiert mich der Umstand, dass Kinder das einfach so machen genug, um nicht irgendwie wegzurutschen.
Aber wenn jemand von mir verlangt Kindern mit Zwang oder unnötigen Quatsch so zu begegnen, dann triggert mich das in Überforderung und das ist schwieriger für mich.