und langsam auch Freude

Am Mittwoch war das Paket angekommen. Die ersten Rezensionsexemplare meines Buches. Kurzer Schnack mit „unserem“ Postboten, Werbung auf den Küchentisch, hoch ins Büro. Die Hunde hoben ihre Köpfe, beobachteten mich beim Öffnen.

Ich hatte mich enorm unter Druck gesetzt. Wollte, dass sie am Montag ankommen, damit ich sie sofort an die Menschen weiterschicken kann, die eine Rezension schreiben möchten. Obwohl ich am Montagmorgen noch voller Dormicum von der kleinen Kiefer-Op war. Dem Montag nach dem 4 Tage-Trip nach München, bei dem ich meine Arbeit vor und nach der Veranstaltung machte.
Drei Tage warten zu müssen, hat mich umgetrieben. Meine Pufferzeit für eventuelle Eventualitäten fies zusammengeschrumpft. Denn natürlich ist die ganze Buchsache von allen möglichen Katastrophen bedroht. Druckfehler, Satzfehler, inhaltliche Fehler, Produktionsmängel … jemandem könnte auffallen, dass ich das aufgeschrieben habe und mich deshalb beschämen, abwerten, hassen …

Dabei ist das alles Lauf der Dinge und ich hätte mich ausruhen können. Nichts tun. Verarbeiten. Vertrauen. Aber dann hätte ich meine Müdigkeit gespürt. Und die Kontrolle über meine Gedanken schleifen lassen. Ich hasse es, müde zu sein. Und ich hasse es, wenn meine Gedanken ohne mich weiterziehen, weil ich weiß, dass ich sie nur selten wiederfinde.

Mein Buch in den Händen begriff ich, dass ich noch etwas hasse: Den Umstand, nie on track zu sein mit der Kommunikation meiner Gedanken. Dass da immer etwas fehlt. Etwas nicht mit erwähnt ist. Ich irgendein Detail zurückhalten muss, weil etwas anderes mehr Raum braucht oder erfahrungsgemäß mehr Aufmerksamkeit bindet. Schön blöd, dann Bücher zu schreiben. Kleiner, beengter und umständlicher geht es heute eigentlich nur noch im direkten Gespräch.

Dann bemerkte ich das Pochen im Hals, das sich zu meiner Wunde im Oberkiefer hochwand und mein Zittern. Freudestahlender Egostolz war das nicht. Aber gleichzeitige Aufregung und Erleichterung. Und dem folgend natürlich: Angst.
Klar. When in doubt …

Ich lenkte mich damit ab, ein Foto zu machen und es bei Instagram zu teilen. Es wurde das erfolgreichste Bild seit meinem ersten Maskenselfie und damit nicht wirklich so richtig ganz hilfreich gegen die Angstgefühle.
Was geholfen hat, war wie immer: Banalität.
Das Lektorat mit Deadline bei der Arbeit, die Hunderunde im Modder von Niedersachsen, die Projektbaustellen von „Viele Stimmen“, die Doppelfolge „Viele Leben“ im April. Der Abwasch, die Wäsche, die halbe Stunde zwischen Pantoprazol und Ibuprofen. Die Tatsache, dass es nur ein Buch ist. 144 Seiten, die niemand braucht, aber vielleicht manche wollen. Nichts weiter.

Inzwischen habe ich eine Örtlichkeit in Bielefeld gefunden, wo ich lesen werde. Im Mai. Mehr dazu bald.
Jetzt kommt langsam auch Freude auf. Dass es geschafft ist. Der Pflichtteil. Und dass es ab jetzt vor allem Spaß machen und insgesamt auch etwas für mich sein darf.

Worum es geht“ erscheint am 15. März.
Ihr könnt es im analogen Buchhandel oder im Onlineshop des veganen Kollektivs „roots of compassion“ vorbestellen.

Wer eine Rezension schreiben möchte, kann sich bei mir melden und bekommt ein Exemplar zugeschickt.

die Vorschau

Cover des Buches "Worum es geht, Autismus, Trauma und Gewalt" von H. C. Rosenblatt, mit dem Logo der edition assemblage in pink und der Mitte des "Fußteils". Der Hintergrund ist sehr dunkelrot (fast schwarz), im Vordergrund in der Mitte ist eine unendliche Figur, in Regenbogenfarben, die ineinander laufen und mit Punkt und Kreismustern gefüllt sind. Die Schriftfarbe ist in warmen Orange gehalten.

Und dann erhalte ich das letzte Ultraschallbild meines Buchbabys.
In der Druckfahne der Vorschau sehe ich das Cover und da ist der Ankündigungstext. Es hat schon eine ISBN und eine WG-Nummer, niedlich.

Ich betrachte es in einem Moment so neutral wie Tonpapier und suche nach Gefühlen in mir.
Da ist Zufriedenheit und Erschöpfung. Wissen, dass noch viel Arbeit vor mir liegt. Nicht nur am Buch, sondern auch darum herum. Zuschüsse, Lesungen, eine Feier zur Veröffentlichung – das Vor/Nach/Mitwort muss übersetzt werden, ich muss das noch durchrechnen – der Satz, habe ich eigentlich Zeit dafür im Januar?

Ich würde es gern als etwas spüren, das auch ist, wenn ich nicht bin, aber so funktioniert das alles nicht.
Mit Literatur ist man lange schwanger. Und wenn man sie sich in einer monate-, vielleicht sogar jahrelangen Kopfgeburt herausgearbeitet hat, dann ist sie immer noch kein Buch, sondern nur ein Manuskript, das absolut auf die Fähigkeiten von Lektor_innen, Buchsetzer_innen und Gestalter_innen angewiesen ist, um eine Chance auf Buchwerdung zu erhalten. In dieser Phase beginnt die Wertschöpfung. Die Arbeit nach der Arbeit, das Werden nach dem Sein.

In gewisser Weise beginnt für mich als Autor_in damit auch die Zeit der Reflexion. Erneut. Denn während des ersten Aufschreibens wusste ich ja nur, wie es werden sollte. Aber nicht, ob es das auch werden würde.
„Worum es geht“ behandelt Autismus, Trauma und Gewalt. Die Triage, die mein Leben so umfassend definiert, dass ich kein ganz und gar objektiv gehaltenes Sachbuch schreiben kann. Und selbst wenn – objektive Sachbücher sind oft nichts weiter als Golems recycelter Sachbücher. Einfach noch mal sagen, was andere schon gesagt haben – nur besser, richtiger, neuer, leichter verständlich vielleicht, nein, das ist wirklich nicht meins.
Meins, und zwar ganz allein meins, ist die Erfahrung mit dem Inhalt. Die Auseinandersetzung, das Lernen, der Weg zum Verstehen. Die objektive Wissenschaft hat dabei geholfen, deshalb kommt sie auch drin vor. Und weil der ganze Studienbumms mich nicht braucht, um zu funktionieren. Das ist eine große Entlastung. Und ein schönes Schutzschild vor allen, denen auch mein zweites Buchbaby zu viel Lebensschnodder aus der Nase tropft.
Es wird wieder ein typisch autistisches Buch. Eine Mischform, die an ihren Rändern zerdrückt werden muss, um in Genre und Verwertungslogiken zu passen. Aber Kunst muss ich es diesmal nicht nennen.
Auch das eine Erleichterung.
Eine große.