14072020 – #NonBinaryDay und #DisabilityPrideMonth

Heute ist „Non Binary Day“. Ein Tag, an dem der Hashtag #NonBinaryDay mit vielen hilfreichen Informationen zum Thema gefüllt, aber auch viel Solidarität und Liebe geteilt wird.
Es ist ein Tag, an dem wir noch einmal mehr Validierung von Außen erfahren als sonst. Das fühlt sich gut an und stärkt uns.

Im analogen Kontakt outen wir uns in der Regel nicht oder erst bei engerem Bezug als nicht binär. Das hat nichts mit einem Gefahrerleben zu tun oder mit Scham, sondern damit, dass oft niemand weiß, was das überhaupt ist oder bedeutet.
Für die meisten Menschen gibt es nur Menschen, die „männlich“ oder „weiblich“ oder „was anderes“ sind. Manchmal ist „was anderes“ noch mit „intersex“ bezeichnet, aber auch das ist eher selten und wird oft doch als „was anderes“ gedacht, nämlich als Abweichung von der Norm oder biologischer Quirk.

„Non binary“ bzw. „nicht binär“ ist ein Sammelbegriff. Unter ihm können sich Menschen verschiedener Gender einfinden. Es gibt agender Personen, die sich als nicht binär bezeichnen, genderfluide, genderqueere und auch Menschen, die trans sind. Mit dem Begriff bezeichnet man also eine Positionierung auf dem Genderspektrum und nicht unbedingt ein Gender an sich.

eine gerade Linie an deren Enden mit Vierecken markiert
What people think non-binary means
ein bunter Kreis, an dessen horizontalen Enden des Durchmessers male und female steht (verbunden durch eine schwarze Linie) auf dem Rest des Kreises sind verteilt an unterschiedlichen Punkten kleine Dreiecke über denen
what non-binary actually means

 

Unzureichende Bildung.smöglichkeiten/zugänge, hetero_normative cis sexistische Grundhaltungen, Ideale und Politiken tragen bis heute dazu bei, dass Menschen außerhalb des linear gedachten Gendergradients als Abweichung eingeordnet werden. Der Umgang mit nicht binären Personen (und anderen Menschen, die sich nicht eindeutig als „männlich“ oder „weiblich“ einordnen (lassen)) der westlichen bis in ihren Kern ableistischen und gewaltkulturell definierten Gesellschaft, ist bis heute von Pathologisierung, Abwertung und der Negierung real erfassbarer Existenz geprägt.

Dieser Umgang ergibt für behinderte Personen eine Schnittmenge, die zu einer sogenannten „Mehrfachdiskriminierung“ führt.
Behinderte Menschen erfahren ebenfalls eine durchgehende Pathologisierung ihrer Normalitäten, aufgrund ableistischer Grundannahmen und Werte, die einzig durch cis Gender und heterosexuelles Begehren verkörpert bzw. belebt werden. Zudem wird behinderten Menschen aufgrund ihrer Behinderung jedwedes Begehren oder sexuelle Aktivität abgesprochen. Auch wird dieser Personengruppe in Korrelation zu der so eingeordneten, „Schwere der Behinderung“ abgesprochen, überhaupt eine Geschlechts_Identität zu haben und im Außen eine Entsprechung und Annahme dessen vorfinden zu wollen.
Behinderten Menschen wird damit eine für die allgemeine Er_Lebensqualität relevante Ebene ihrer selbst abgesprochen. Sie erfahren dadurch die Degradierung zu verkörpertem Leben in einer als minderwertig ein.ge_schätzten Form, da keinerlei andere Funktion.alität als der Selbsterhalt (so dieser ohne Hilfsmittel und medizinische Unterstützung überhaupt gegeben ist) zugetraut und anerkannt wird. Entmenschlichung wie diese, erleichtert es Politikern wie Jens Spahn, Gesetze, wie das aktuell vielstimmig kritisierte, da gegen Artikel 3 der deutschen Grundgesetze verstoßende, „Intensivpflege“stärkungs“gesetz“ überhaupt zu denken.

Aber auch Kinder und alte Menschen – die aufgrund ihrer noch nicht entwickelten oder durch ihr Alter und die damit einhergehenden Einschränkungen nicht mehr durchführbaren Fertig- und Fähigkeiten, „voll funktionsfähig“ („abliert“) sind – sind von „Entsexualisierung“ betroffen und erleben sich häufig nicht als sexuelle Wesen mit Geschlechtidentität akzeptiert und behandelt.
Hier ist besonders zu erwähnen, dass es in der Regel Ableismus ist, der zuerst zu dieser Diskriminierung führt und nicht Sexismus oder Hass auf Menschen anderer Geschlechtsidentität als „männlich“ oder „weiblich“. Sexismus fußt auf Ableismus, wie es praktisch jeder andere *ismus auch tut.

Nicht binäre Menschen und andere Personen, die in dieser Gesellschaft nicht als real existierend eingeordnet werden, sehen sich jeden Tag in verschiedenen Aspekten vor der Herausforderung, sich selbst zu validieren und als existent zu markieren. Sie werden nicht kriminalisiert, sie werden nicht vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, ihnen wird die Ehe nicht verweigert, sie werden nicht davon ausgeschlossen ein politisches Amt zu bekleiden oder ein Land zu regieren – weil es sie offiziell gar nicht gibt.
So kommt es immer wieder zu Konflikten in Kreisen, die sich für die Rechte von LGBT+ Personen einsetzen. Unter anderem deshalb, weil z. B. der deutsche LGBT+-Aktionismus stark beeinflusst ist von weißen Menschen, die durch ableistische, klassistische, rassistische Strukturen und kulturelle Praxen kaum existenziell bedroht bzw. diskriminiert sind. Sie mussten nie den Kampf um Sichtbarkeit und Repräsentanz führen, wie ihn alle Menschen, die mit diesem putzigen „+“, manchmal auch „*“ zusammengefasst wie eine homogene Masse hinter den Buchstaben stehen, jeden Tag führen und ertragen müssen.

In dieser Woche startet auch die „Non Binary Awareness Week“.
Ihr könnt diese Woche nutzen,

  • um @NBWeek auf Twitter zu folgen
  • um diesen umfangreichen Thread von @cuffedCatling zu lesen
  • um die Serie „One Day At A Time“ bei Netflix kennen und lieben zu lernen, denn es ist eine der ersten Serien, in der ein nicht binärer Charakter auch offen als solcher bezeichnet auftritt – ohne pathologisiert oder abgewertet zu werden
  • um euch die Beiträge unter #NonBinaryDay durchzulesen und sie zu teilen, um damit zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen
  • um mal zu schauen, ob ihr schon mal ein Buch, ein Lied oder Kunst von einer nicht binären Person genossen und weiterempfohlen habt. Falls euch auffällt, dass ihr das noch nie getan habt: Viele Bücher und mehr zum Thema von Menschen, die es betrifft, findet ihr bei transfabel.de.
  • um euch darüber zu informieren, was geschlechtliche Vielfalt bedeutet. Um Texte dazu zu verstehen, kann das Queer-Lexikon hilfreich sein.
  • euch zu überlegen, ob ihr uns mal für einen Workshop zur Thematik einladet (wir bieten derzeit ausschließlich Online-Workshops an)
    Unsere E-Mail-Adresse ist im Impressum hinterlegt. Auch über speakabled.de und speakerinnen.org könnt ihr Kontakt mit uns aufnehmen.