hinterherwachsen

Ich bin neben der Spur. Durch den Wind.
Und doch mehr bei mir als bei ihr.
Meiner warmen weichen Hündin mit der kalten Nase und der Angewohnheit ihren Kopf auf meinen Oberschenkel zu legen, wenn ich schreibe, so wie jetzt.

8 Jahre ist sie jetzt schon Teil unseres Lebens. Und von Anfang an war sie vertrauensvoll. Lieb. Quatschig. Neugierig.
Warm. Weich.
Bedingungslos an unserer Seite.
Sie lässt uns etwas spüren, das wir von Menschen bis heute kaum länger ertragen können: Nähe. Physisches immer-da-sein.
Wir haben so viel mit und an ihr lernen dürfen. Über uns, das Leben. Über die Dinge, die passieren, weil sie passieren können.

Und jetzt wird sie blind.
Unsere  Assistenzhündin braucht in absehbarer Zeit unsere Assistenz und ich spüre meinunsere Grenzen so sehr, dass mich der Schmerz daran beschämt.
Nicht, weil sie irgendwann nur noch hell und dunkel unterscheiden können wird – wenn es denn hell genug ist – sondern, weil ich spüre, wieviel ich kann, nur weil sie viel kann, ohne mich zu brauchen.

Sie hat grauen Star, sagt der Tierarzt.
Man kann es operieren, sagt der Tierarzt.

Ja klar, sagt das der Tierarzt. Selbstverständlich haben Menschen Wege und Mittel gefunden sich mit so etwas wie Blindheit nicht abzufinden.
Natürlich wird es möglich gemacht, nicht akzeptieren zu müssen, dass manche Körper so altern, wie es der unserer Hündin tut. Dass manche Körper dysfunktional werden. Sind. Bleiben. Schon immer waren.

Was ich nicht akzeptieren will ist, dass sie uns braucht. Dass sie einmal mehr von uns und unserem Verhalten ihr gegenüber abhängig ist.
Ich habe es so klar in mir drin, dass wir dieser Verantwortung hinterherwachsen müssen.
Und zwar schnell.

Es macht mir Angst zu fühlen, dass es diesmal nicht egal ist, ob wir das können, oder nicht.