Wie die Dinge manchmal zusammenkommen…
Haben mich heute morgen bereits 4 “kritische” Kommentare um einen Ehrenplatz im Papierkorb gebeten, schrieb Antje über schmerzhafte Diskurse unter FeministInnen* und über die Kultur um Kritik.
Ich habe den Artikel so verstanden, dass sie sich mehr Innehalten und Reflektieren, statt Abwehren und Zurückschlagen wünscht, worin ich in Bezug auf viele Themenbereiche sehr zustimmen mag.
Andererseits ist “Innehalten” und “Reflektieren” (und “Umsetzen”) ein Privileg, das mir als solches in dem Artikel, genauso unerwähnt erscheint wie der Umstand, das Deutung mit Definitionsmacht einhergeht.
Nehmen wir die 4 langen, sehr wissenschaftlich eingefärbten und dennoch ganz klar weder opfersolidarischen noch meine Betroffenenexpertise anerkennenden Kommentare, die mich heute morgen erreichten und vor allem zum Ziel hatten, meine Sprachkritik als unverständlich und deshalb nicht gerechtfertigt zu erklären, weil sie wissenschaftlich nicht haltbar sei und sinngemäß auch nichts mit der Realität zu tun hätte.
Mein “Innehalten” besteht bei solchen Kommentaren schlicht mal darin, dass ich weder antworte noch freischalte und damit einen Diskurs im Keim ersticke, der kein Diskurs werden würde, sondern eine 1 Mann Show auf meinem Rücken und meiner Argumentation gegen eine opferfeindliche und bagatellisierende Sprachführung in Bezug auf Gewalt.
Für diesen Menschen, dort am anderen Ende, kann sein Kommentarschwall wunderwas sachlich und konstruktive Kritik sein – für mich, als Person, die weder Wissenschaftlerin, noch Person in Machtposition ist, hingegen schlichte Missachtung der Intension, die völlig neben Machtanspruch steht, weil sie eben von mir kommt.
Jetzt hatte Antje natürlich von Diskursen unter Feministinnen geschrieben und damit vielleicht Diskurse markiert, die sich in Gruppen abspielen, die sich neben oder auch ganz bewusst fern des Mainstreams™ verorten und damit fast schon als Subkultur wahrnehmen. Sie schreibt darüber, dass man* sich in Kreisen, die über Call outs funktionieren möchten/müssen/sollen, kaum noch traut etwas zu äußern, weil man die Konfrontationen, die folgen, nicht möchte.
Ein Phänomen, dass ich beim Queerfemcamp an mir auch bemerkt hatte, wenngleich nicht, weil ich Angst vor einem Call out hatte, sondern davor, jemanden zu verletzen und keine Wiedergutmachung, die genug ist, leisten zu können.
Diese Angst vor der Konfrontation habe ich viel häufiger bei Twitter und zwar, weil ich mich viel öfter öffentlich beschämt empfinde, als auf *istische Äußerungen oder Verhaltensweisen hingewiesen, wenn ein Call out an mich gerichtet wird. Mich zu beschämen und an meiner Haltung zu dekonstruieren ist leicht, weil ich auf keiner Achse außer dem Phänotyp der Weißen privilegiert bin. Alles was ich sage, ist mit einem einzigen wissenschaftlichen, im Berufsleben stehenden, älteren, mehr Peergroupsicherheit genießenden, besser beworteten Tritt in meine Kniekehlen umzuschmeißen. Das “guck mal was für ein Haufen Scheiße das hier ist”- Spiel wird schon seit immer an mir gespielt- aber nicht immer sichtbar vor anderen (vielen) Menschen (die mir wichtig sind und deren Solidarität ich natürlich auch nicht unwürdig sein oder werden möchte).
Ist das für die einen dann ein “schmerzhafter Diskurs”, ist es für mich wie eine Zerstörungserfahrung mehr, die dazu beiträgt, dass ich meine Perspektive nicht mehr für diesen Diskurs zur Verfügung stelle und ihn damit – vielleicht sogar ohne, dass die DiskutantInnen das spüren – um einen Faktor verarme.
Mein “aus dem Diskurs heraustreten”, kann dann wiederum für andere als “Innehalten” und “Reflektieren” gelesen werden – für mich ist es “Verstummen”.
Ich will überhaupt kein Muskelspiel, kein Abwehrverhalten oder “man wird jawohl noch sagen dürfen”, als “okay” markieren. Es ist einfach oft nicht okay, wie es manchmal oft immer wieder performed wird.
Allerdings denke ich auch, dass in manchen Diskursen genau das als offenes und allgemein anerkanntes Element fehlt, eben, weil sie innerhalb themenzentrierter Gruppen passieren.
Ich finde nicht, dass man alles und von jeder diskutierenden Person in sich aufnehmen und vereinen muss, um konstruktive Diskurse zu führen oder seinen Horizont zu erweitern. Ich denke, dass Diskurse genau davon leben, sich immer wieder abzugrenzen und zu definieren. Die Frage ist allerdings- und deshalb finde ich den Artikel gut – wie viele Schmerzen und Verstummungen es dafür braucht und bei wem.
Diskurs kann nicht Mainstream™ sein oder werden und kann sich immer nur entlang von Rändern bilden. Von Konflikt und Konfrontation. Und trotzdem sehe ich persönlich schon auch so etwas wie “feministische Mainstreamings” wo von Sichtbarkeit, Peergroupsicherheit, Lebenserfahrung, Gesundheit … jaja die Diskriminierungsachsen, profitiert wird und genau über diesen Anspruch von “nu reg dich mal ab”, “pluster dich nicht auf”, also so allgemeinem “mach ma friedlich hier” wiederum Machtdynamiken reproduziert werden, weil dieser Profit von Veränderungen bedroht werden könnte.
Ich denke, wenn “der feministische Diskurs” ™ an eine Stelle kommen könnte, in der Kritik und auch Kritikabwehr (als Kritik an der Kritik) nicht mehr markiert und diskutiert werden müssen, sondern als themenimmanenter Fakt anerkannt werden, könnte so einiger Schmerz und eben auch Verstummen nachlassen.
Es sind nämlich genau die Personen, die gar nichts sagen, die am Ende als “der Mainstream” ™ wahrgenommen werden und letztlich in Gruppen, die sich thematisch auseinandersetzen, dann wieder benutzt werden, um sich selbst als Subkultur wahrzunehmen, anstatt als Hinweis auf Probleme in selbiger.
Vielleicht wollte Antje das auch ausdrücken? Ich bin mir nicht sicher.
Ich nehme sie eben als privilegierte Differenzfeministin in eben jenem feministischen Mainstream wahr, in dem ich selbst herumschippere… ¯\_(ツ)_/¯
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