die Nervsache

Aus dem Pieken, das dann und wann mal gestört hat, ist ein Stechen geworden.
Aber ein toter Zahn kann ja nicht mehr wehtun. Das wird wieder irgendein Körperquatsch sein. Dachte ich.
Dann begann das Stechen im Kinn. Wo kein Quatschzahn ist.
Und dann wurde es der massive Dauerschmerz, der meine linke Gesichtshälfte dominiert.
Trigeminusneuralgie nennt sich das.

Hatte ich vor ein paar Monaten schonmal. Rechts. Das ging von allein wieder weg. Mit „nicht mehr draufdrücken“ und Durchhalten. Damit ist jetzt Schluss. Egal, was ich mache, er kommt wieder und wenn er da ist, dann ist er omnipräsent. Seit heute Morgen auch auf der anderen Seite. Obwohl es gestern besser war.

Nun sitze ich hier mit einer Überweisung zum Neurologen, auf der ein Vermittlungscode steht. Einem Zettel, der mir Anfang der Woche noch so wertvoll erschien, doch jetzt nach einem ernüchternden Wartemusikmarathon in der 116 117, wie teures Altpapier. Die nette Frau konnte mir für meine Region zwei Termine anbieten. Einen in 60 km Entfernung nächste Woche Freitag, im gleichen Zeitraum, in dem ich meinen Lungenfacharzttermin habe – in 120 km Entfernung. Der zweite angebotene Termin ist in 4 Wochen. In 80 km Entfernung.
In einem Anflug von Oh-Oh habe ich auch bei meiner Zahnärztin angerufen. Die wie mein Lungenfacharzt und mein Kardiologe in NRW sitzt – mich aber leider nicht mit Vermittlungscode zu einem Neurologen überweisen kann. Seufz.

Ich habe meine Symptomatik natürlich gegoogelt. Weiß, dass mir nicht viel Witziges in den Sternen steht, wenn das nicht wieder von allein weggeht. Ich mache mir Sorgen, denke darüber nach, was ich machen würde, stellte sich heraus, dass ich was habe, was so richtig ganz, so richtig wirklich ernst ist.
Was wird aus meiner Familienplanung? Was, wenn ich was habe, das mich demnächst umbringt?
Ich wollte immer diesen ewig langen Weg von Kreta bis Spitzbergen wandern – kann man das mit Neuroshit? Hält man das aus? Ist es das wert? Ich wollte immer nach Island und in den Gletscherhöhlen fotografieren. Bockt das mit einem Gesicht voller Schmerz? Was, wenn ich gar nicht sterbe, aber mich mit einem weiteren zeitweise massiven Schmerz im Leben arrangieren muss? Hab ich genug Raum für mich um zu merken, ob ich das überhaupt will?

Ich fahre gleich zur Schwimmhalle.
Mein natürlicher Gedankenkreisel-Stopp. Mein Angst-Ende.
Mein Partner findet das nicht gut, wegen der Anstrengung. Er ist eh verwirrt über meinen Umgang mit dem Nervding. Er ist der derjenige, der mir über jede sonstige körperliche Sorge drüberwischt und sagt, ich würde mir Quatschgedanken machen. Da wär nix. Und jetzt irritiert ihn, dass ich nicht schon die ganze Zeit schreiend im Kreis laufe und alle verrückt mache, weil ich was habe. Ich weiß nicht, was er von mir erwartet, es ist mir auch egal. Its my bodyparty and I cry when I want to. Ich sage ihm ja auch nichts zu seinem Umgang mit seiner Krankheit.
Diesen beleidigten Konsens haben wir nun also. Nicht cool, aber was solls. Man kann immer nur so viel Kraft aufbringen, wie man hat und ich hab gerade überhaupt gar keine für seine uneindeutige Kommunikation.

Nächsten Mittwoch kann ich erneut bei der 116 117 anrufen.
Am Montag noch einmal zur Hausärztin. Wenn es noch schlimmer wird, fahre ich in die Ambulanz vom Krankenhaus. Irgendwo wird da doch wohl ein Neurologe rumlaufen, der mal kurz gucken kann, ob ich einen Hirntumor, MS oder einfach nur Pech habe.
Oder?