die „Therapiefalle“ – Therapie nach traumatischen Erfahrungen mit (Trauma)Therapie

In diesem (englischsprachigen) Video wird eine zwischenmenschliche Dynamik zwischen Therapeut_in und Patient_in beschrieben, die ich selbst schon erlebt habe – und heute als retraumatisierend einordne.
/ Kurz für alle, die das Video nicht anschauen wollen: Komplex traumatisierte_r Patient_in kommt in Therapie und bringt sich bindungstraumatisiert in die Beziehung ein – (komplex traumatisierte_r) Therapeut_in reagiert darauf mit persönlicher Abwehr. Es entsteht eine Wiederholung unguter Bindungsmuster, individuelle Verletzung, die_r Therapeut_in beendet die Behandlung – die_r Patient_in wird in negativen Selbstbildern und Traumawahrheiten bestätigt und kommt später ein Mal mehr bindungstraumatisiert in eine psychotherapeutische Beziehung.
Wie kommt man raus aus diesem Muster? – Man geht ins Gespräch darüber. Sowohl für sich als auch miteinander. /

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Für mich ist dieses Video zu sehen bzw. diese Dynamik als tatsächlich stattfindend und problematisch von einem Behandler beschrieben zu erleben, sehr validierend.
Denn als ich zuletzt in so einer Situation war, dachte ich vor allem, dass ich mich nicht genug angestrengt hätte. Dass ich das unfassbar böse Monster in mir nicht genug mit Liebsein und Mitmachen verborgen hätte. Nicht genug Kommunikationsarbeit geleistet hätte. Dass ich nie genug und gleichzeitig immer zu viel bin. Das sind meine klassischen Märchen aus dem Traumascheißeland und in der Situation wurden sie durchgehend bestätigt.
Damals habe ich diese Bestätigung vordergründig aus dem Umstand des Behandlungsendes wahrgenommen – heute kann ich den Machtmissbrauch, der vorher schon passiert war, und die Komponente von persönlicher Abwehr meiner Versuche (Bindungs-)Sicherheit für mich herzustellen auch erkennen.

Trotzdem ist noch etwas übrig. Ein weiterer Klebehaken von zwischenmenschlichem Trauma könnte man sagen. Denn in solchen Situationen ist alles sehr persönlich. Man hat damals zwar auf mein Verhalten reagiert, aber in diesem Verhalten war ich ja drin und darüber konnte sich die Therapeutin weitgehend sicher sein. Sie selbst war durch Verhalten mir gegenüber hingegen verdeckt. Das wurde als therapeutisch notwendig, als professionell (von sich selbst) distanziert gerahmt. Ihr Status bzw. was allgemein damit verbunden wird, hat ihr einen Schutz gewährt, der mir nicht gewährt wurde – und der ihr bis zuletzt geholfen hat, nicht persönlich zu spüren oder mit sich persönlich zu assoziieren, war sie mir (in Zusammenarbeit mit ihren Kolleg_innen) angetan hat.

Auch ihre Präsenz als relevante Kraft in dem Kontext war verdeckt, da sich diese Erfahrung in einem Klinikkontext ereignete.
Institutionen funktionieren aufgrund von Strukturen, die individuelle Verantwortung und Leistung diffus verteilen. In der Folge wird auch individuelles Fehlverhalten diffus und gewaltvolles oder professionell unangebrachtes Behandeln nicht eindeutig erkennbar. Es gibt keine Chance für irgendwen mehr als die internen Hierarchien wirklich eindeutig erkennen und benennen zu können. So wird jede_r Patient_in zur potenziellen Störungsquelle, die – aus egal welchen und egal wie oder wofür relevanten Gründen – sowohl mit strukturellen Mitteln (wie z. B. arbiträren Regeln darüber, in welchem Selbstzustand sie wen um welche Art des Kontaktes oder der Unterstützung bitten dürfen) als auch mit persönlich durchgesetzter Macht kontrolliert bzw. abgewehrt werden muss.

Ich weiß, dass ich, wenn ich das so aufschreibe, oft nicht sehr verständlich bin für viele Lesenden. Oder Abwehr provoziere, weil diese Dynamiken von Verantwortungsdiffusion und Kontrolle in Hilfe- und Behandlungskontexten weder offen und eindeutig erkennbar noch offen und ehrlich besprechbar sind, wenn man drin ist. Oder sehr darauf angewiesen. Beruflich oder persönlich.

Für mich ergibt sich aus dieser Gemengelage von Nichtverstehen und Abwehrimpuls eine weitere Ebene, die diese Erfahrung zu einer traumatisierenden Erfahrung gemacht hat.
Denn – Traumawissen 101 – es ist nie nur das Ereignis selbst, was traumatisiert, sondern auch alles davor und danach.
Meine damalige Angewiesenheit wurde von Anfang an infrage gestellt, weil man basierend auf meinen Texten hier diverse Projektionen auf mich hatte und diese scheinbar zu keinem Zeitpunkt als solche reflektiert hat. Meine Belastung wurde ignoriert, weil man sie nicht verstanden hat bzw. mir die Schuld daran gab. Hätte ich mich nicht „so wichtig genommen“ (und einfach alles hingenommen, wie es war, weil das war ja schon immer so), wäre ja alles easy gewesen.

Als die Behandlung beendet war, konnte ich aufgrund meiner dissoziativen Struktur und der Dekompensation auf einem sehr grundlegenden Level nicht richtig vermitteln, was in mir vorging. Welche Art soziales Trauma sich für mich wiederholt hat. Wo es weh getan hat. Woran es erinnert hat. Mein Bedarf an Trost, Fürsorge, Wieder.Gutmachung und Versicherung war spürbar für mich – aber nicht stillbar, weil mein Bezug zu anderen Menschen ein Mal mehr und um eine weitere Ebene erschwert wurde und mein Bezug zu mir selbst durch die erneut bestätigten Traumawahrheiten über mich massiv angstbesetzt war.
Ich habe mich, so gut ich konnte, durch diese Phase hindurch dissoziiert und das wiederum von meinem Umfeld sehr unterstützt. Schließlich brauchte ich diese Berufsausbildung, diesen Schulabschluss, diese Arbeit. Diese so wundervoll überfordernde Lebenserfahrung, die von dem chronischen Stress, den behinderte Menschen unter weniger oder gar nicht behinderten Menschen haben, durchgehend flankiert wurde und mich insgesamt ganz ok stabil gehalten hat. Denn so funktioniert die DIS und der Vermeidungstanz, der dazu gehört.

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Ich denke in der letzten Zeit viel darüber nach, weil ich in der Therapie vermehrt mit jugendlichen Anteilen arbeite, die mein Leben vor dem Bruch durch stationäre psychiatrische Behandlungen und instabile Wohnverhältnisse bestimmt haben.
Immer wieder muss ich Ängste regulieren. Immer wieder Annahmen über die Erwartungen meiner Therapeutin an mich prüfen. Bis heute gibt es keine Therapiestunde ohne vorheriges Aufblitzen von Panik, etwas vergessen zu haben, wozu sie mich befragen könnte. Oder Panik, gerade weil ich mir keine Sorgen darüber mache, in irgendeiner Form nicht gut genug vorbereitet zu sein oder gut genug mitzumachen. Sie haben kaum andere Erwartungen an die Traumatherapie als die angelogen, überfordert, beschämt oder verwirrt zu werden und in ihrer Hilflosigkeit ignoriert zu werden. Manche warten bis heute darauf, dass die Therapeutin sie damit überrascht, dass beim nächsten Mal eine familientherapeutische Sitzung stattfinden wird – ob sie wollen oder nicht.

Ich weiß, dass die psychiatrische Behandlung, die ich als Jugendliche erhalten habe, auch ein massives Bindungstrauma im Zusammenhang mit meiner Herkunftsfamilie bedeutet hat.
Da meine Herkunftsfamilie gewaltvoll war, konnten wir das bisher nicht wirklich breit ausdrücken und versorgen. Die Anteile, die darunter leiden, kann ich nicht halten. Die Anteile, die dieses Leiden verdecken, sind bis heute der Meinung, dass die Realität nicht echt ist. Und die Anteile, die es überstanden haben, bin ich.

Und für mich ist es bitter.
Zu wissen, dass ich die bin, die es kann – die Therapie kann, die mit Menschen umgehen kann, deren Beruf der Kontakt mit mir ist – eröffnet mir selbst eine Perspektive auf mich als Traumafolge.
Was ohnehin schon nicht sonderlich toll ist, denn ich möchte Lebensfolge sein. Erlebnisergebnis. Erfahrungsschatz.
Tatsächlich aber bin ich das Beste, was danach möglich war – und das war nicht genug, um nicht verletzt zu werden.

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Dr. Lloyd betont in dem Video, wie wichtig der Anteil der Arbeit ist, die Therapeut_innen an sich tun, um solche Dynamiken nicht entstehen zu lassen. Das bestätigt mich darin, dass die Therapeutin, die mich damals verletzte, tatsächlich einfach nicht gut gearbeitet hat. Sie kann ein guter Mensch sein und ihr Handeln sogar gut gemeint haben, aber gut gemacht hat sie es nicht. Denn es ist schwer. Es ist leicht, diese Arbeit nicht gut zu machen. Wie in dem Video gesagt, sind auch Therapeut_innen nur Menschen.
In meiner Therapie ging und geht es bis heute aber um meine Menschlichkeit. Meine Art Mensch zu sein, meine Gedanken und Gefühle, meine Konzepte von Umwelt und Selbst aufgrund meiner menschlichen Bauart. Darüber reden wir die ganze Zeit. Die liegt immer frei und ungeschützt in dem Kontakt. Egal, wie gut oder schlecht ich als Patient_in mitmache, mich einlasse, die Regeln befolge oder Projektionen bestätige.
Und auch das ist, was für manche Therapeut_innen sehr schwer im Bewusstsein zu halten ist. Wenngleich ihnen ihre Verantwortung sehr klar ist. Auch wenn sie Richtlinien einhalten und ethisch korrekte Behandlungsentscheidungen treffen. Der Kern all dieser Vorgaben und Anforderungen ist immer der Umstand, dass ihre Arbeit mit anderen Menschen immer inmitten dieser Menschen passiert. Egal, welche Diagnose, egal wie groß der Leidensdruck. Niemand kann da schneiden, wo Psychotherapie wirkt.

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Diese Erfahrung ist jetzt acht Jahre her. Die Therapeutin arbeitet immer noch da.
Ich kann wohl davon ausgehen, dass sie in den vergangenen Jahren nie an diese Zeit gedacht hat. Bin mir sehr sicher, dass sie bestreiten würde, etwas getan zu haben, das mich verletzt hat.
Es ist ein loses Ende für mich und ich frage mich immer öfter, ob ich je darüber hinwegkomme.