note on: Datas Tod™ in Star Trek „Picard“

Data ist tot.
Das hat mich traurig gemacht, denn Data ist mein liebster Charakter in „Star Trek, the next generation“. Zum Start der Anschlussserie „Picard“ hatte ich gehofft, dass man ihn mit einem neuen Körper ausstatten könnte. Schließlich traf man einen Nachfahren seines Schöpfers und lernte erstaunlich viel weiter entwickelte Androiden, die als eigenständiges Volk von der Sternenflotte anerkannt wurden. Data hätte die Chance auf ein zweites Leben unter Gleicheren haben und seine eigene Existenz nicht mehr nur in Abgrenzung zu der von Menschen erfahren können.
Aber nein. Diese Geschichte wurde nicht erzählt.

Vermutlich, weil die Zielgruppe sterbliche Menschen sind, denen der Tod als wichtigster Teil ihres Lebens vermittelt werden muss. Wir werden alle sterben und suchen unser ganzes Leben lang Trost, Beruhigung, emotionale Versicherung über diesen Umstand. Besonders in Zeiten wie unseren, wo es zum Allgemeinwissen gehört, dass wir es sind, die die Flutkatastrophen, die Waldbrände, das Artensterben, den toten Acker und jeden Ressourcenkrieg, der daraus entstand, herbeigeführt haben. Geschichten, die unser Sterben als uns ureigen rahmen, erleichtern es uns, auch unser Töten als ureigen, natürlich, normal zu rahmen. Denn wer immer sagen kann: „Naja, irgendwann sterben wir ja alle“ braucht sich nicht umfänglich mit dem Wert eines, vieler, Leben zu befassen. Braucht sich nicht zu schämen, kann leicht an der Verantwortung gegenüber anderen Menschen tragen – sie sogar ganz und gar von sich dissoziieren. So wird das endliche Leben zum wert.schöpfenden Faktor und deshalb als generell unerlässlich für Werte.

Die erste Staffel „Picard“ ist existenzialistisch. In jeder Folge gibt es mindestens einen Hinweis, ein Zitat, einen Erzählstrang, der die Denke dieser philosophischen Strömung mit sich bringt. Ob es nun Picard selbst ist, der seinem Leben (wieder) einen Sinn geben will und deshalb mit seinen 92 Jahren nochmal in ein Raumschiff steigt – oder seine Mitstreiter_innen, die durch eine PTBS (Rios), Drogensucht (Raffi), die Konfrontation mit gleich erfahrenem Unrecht (Seven), die Isolation der Wissenden (Jurati) und dem Umstand kein Mensch zu sein (Dahj) immer wieder an existenzialistischen Fragen scheitern, wie wachsen.

Star Trek hatte schon immer diese Anklänge, was die Serie für mich so interessant macht und mir Möglichkeiten gibt, meine eigenen existenzialistischen Fragestellungen zu verhandeln.
War es in „Star Trek, the original series“ die Konstellation aus dem wilden Haudegen Kirk und dem logisch-rationalen Vulkanier Spock – so war es in „the next generation“ ein hochemotionales Team unter der eher gefühls.ausbruchs.fernen Autorität von Picard und dem logisch-rationalen Data, eine Mischung von beidem in „Voyager“ sowie vereint im Charakter Michael in „Discovery“.
Immer zeigte man Menschen und humanoide Rassen Außerirdische, deren Gemeinsamkeit die Sterblichkeit, und deshalb auch der Überlebenstrieb, der Überlebenskampf, die Todesangst ist und so große verbindende Kräfte in den Crews aktivierten. Zu diesen verbindenden Kräften gehörte immer die Empathie und wo sie ausblieb, die Verbundenheit zu den Werten der Sternenflotte, die den Menschen nicht per se als einzigen Bezugspunkt annimmt, sondern sich selbst als relevante Struktur in der Kommunikation und Interaktion mit allen. Also sowohl den Menschen auf der Erde, als auch den Menschen im Weltall und jenen Lebensformen, mit denen sie in Kontakt gehen.

Für mich eine erfrischende Erweiterung existenzialistischen Diskurses, den ich bis zu dieser Serie klassisch als christlich oder atheistisch kennengelernt hatte. Hier die einen, die sagen: „Nur G’tt kann sagen, was der Sinn des Menschen Lebens ist.“ und hier die anderen, die sagen „Der Mensch an sich ist so frei, dass er sich G’tt ausgedacht hat, dann kann er sich auch selbst einen Sinn im Leben ausdenken.“
Wie wunderbar war es, mit diesem Wissen auf einen Charakter wie Q zu treffen, dessen unendliche Existenz von einer unendlichen Länge, unendlichen Dimensionierung und scheinbar ebenso unendlichen Faszination für uns so unendlich fehlerhaften, überwiegend linear denkenden und handelnden Menschen ist. Denn im Leben von Q ist es nicht die Endlichkeit menschlichen Lebens, das es wertvoll oder interessant macht und auch nicht Existenz selbst – sondern Existenz, die etwas wie uns beinhaltet.
Mit dem Erleben eines Q kann die Freiheit, die sich Mensch qua eigener Existenz zuschreibt, nicht anders als lächerlich sein. Engstirnig, niedlich, zum Totlachen, faszinierend in seiner Überheblichkeit. Vielleicht auch deshalb, weil das Existieren im Q-Kontinuum unfassbar reizlos ist und mit dem Leben alternder bzw. sich durch Prozesse verändernder Lebensformen nichts gemeinsam hat. Wenn man sich also hier eines herausziehen kann, dann dass der Sinn des Lebens nicht in der Existenz zu suchen ist, sondern im Leben. Im Sein der unendlichen Interaktion, Kommunikation, Prozess, Stoff_Wechsel, Vermischung.

Datas Leben ist also solches anzuzweifeln, da er eine Maschine ist. Sein Sein ist ihm produziert worden und konnte immer nur so frei sein, wie es seine Matrix zuließ. Selbst der in der Serie so oft fast menschlich dargestellte Wunsch nach Gefühlen war dem Rahmen, in dem sich seine Programmierung entwickeln konnte, entsprungen. Und dieser Rahmen war von Anfang an darauf hin ausgelegt, auf gar keinen Fall (so ein Android) wie sein Bruder Lore zu werden. Data sollte nie er selbst sein wollen und das hat ihn mir immer sehr nah gebracht, obwohl das in der Serie so nie verhandelt wurde.
Data gehörte sich selbst, wie in einer bemerkenswerten Folge verhandelt wurde, doch wurde ihm nie die Freiheit zuteil, die mit einem (von einem) selbst.bestimmten Leben einhergeht. Und als erster und einziger Android unter Menschen blieb er damit sein einziger Besitz.

Er hätte ein Leben bekommen können, das den Menschen nicht mehr als Bezugsrahmen hat, sondern Androiden. Er hätte frei werden können. Ein Selbstsein entwickeln können.
Doch es war ein Mensch, der mit ihm in der Quantensimulation zwischengeparkt wurde – Picard. Der hörte, dass sein Commander und Freund immer ein Mensch sein wollte und ihn nun, 30 Jahre nachdem er seinen Körper verloren hatte und wie ein Geist in der Flasche (bzw. ein Q im Q-Kontinuum) stumpfsinnig vor sich hin existierte, um das bittet, was das menschliche Leben von Anfang an bestimmt: den Tod.
Für die Menschen bekommt ihr Leben mit Data damit erneut einen anderen, einen höheren Wert, da er nun unwiederbringlich ist. Sie sind die Gewinner.
Und Data? Angeblich reicht ein Positron von ihm, um ihn komplett wieder herzustellen. Das bedeutet, dass er nie so tot sein kann wie Menschen. Seine durch unendliche Wiederholung eingebrannte Routine (sein „Wunsch“) ein Mensch zu sein, wird erneut durch seine potenziell unendliche Existenz wieder nur annähernd erfüllt.

Wir Zuschauer_innen aber hören „blue skies“ und wissen, dass die Serie „Picard“ im Hinblick auf das Alter der Schauspieler_innen, mit hoher Wahrscheinlichkeit, der letzte Aufgriff dieses Charakters war.
Diese Annahme sehe ich auch darin bestätigt, dass die Serienautor_innen der zweiten Staffel auch Q sterben lassen und diesen Kanonbruch nicht einmal erklären.

Es macht mich traurig, weil es mir zeigt, dass Menschen sich nicht überwinden wollen. Nicht ein Mal für eine Geschichte. Und das nur wegen der eigenen Existenz.

tl;dr: Nicht schlimm.