Am Morgen des letzten Tages wachen wir mit Halsschmerzen, diesigem Kopf und Schmerzen auf.
Ungewöhnlich daran sind für uns nur die Halsschmerzen. Und die können ja viele Ursachen haben. Schnarchen zum Beispiel.
Wir machen langsam, aber voran. Wollen heute Nachmittag bei J. ankommen, Kaffee trinken, quatschen, Spaß haben.
Keine 2 Stunden später fühle ich mich richtig schlecht. Da bin ich schon 20 Kilometer aus Lüneburg raus und damit auch aus der Zivilisation, die mein Alltag ist. Es gibt keine Geschäfte mehr außer Gasthöfe, Pensionen und Restaurants und keine Bahnhöfe. Der Bus fährt einmal in der Stunde, wenn überhaupt. Es gibt Mitfahrbänke, aber mit dem Rad und dem, was wir nun als Erkältung identifiziert haben, wollen wir nicht darauf setzen, dass uns jemand mitnimmt.
Wir sagen J. Bescheid, fahren weiter. Denken, dass sich schon eine Möglichkeit ergeben wird. Wir finden sicher einen Bahnhof irgendwo. Und wenn wir bis nach Soltau müssen. Wir fahren weiter. Schieben zwischendurch. Setzen uns alle paar Kilometer hin.
Zwischendurch zeigt unser Fahrradcomputer, dass wir 2000 km gefahren sind, seit wir ihn haben. Also knapp ein Jahr. Um uns herum blühen Kartoffeln, es ist schwül. Wir frösteln.
In Sodersdorf gibt es keinen Bahnhof mehr. In dem Haus wohnt jetzt jemand mit einem Kater, der Robin heißt und seinen kleinen Kopf in unsere Hand schmust.
Was es in Sodersdorf noch gibt, ist eine Ausgrabungsstätte. Zwei Gräber und Grabmale aus der sogenannten Vorzeit, die wir uns anschauen und bestaunen.
Es ist doch bemerkenswert, dass, was diese Menschen hinterlassen haben, der Ausdruck ihrer Verehrung oder mindestens Wertschätzung ihrer Verstorbenen ist. Und nicht eine Schicht Plastik, ein zerstörtes Weltklima und tausende ausgerottete Arten, als Ergebnis der Habgier, Bequemlichkeit und Überheblichkeit, die unsere Epoche prägen.
Die Zeit vergeht. Wir rollschieben uns bis Soltau und wollen dann auch nichts weiter als liegen, warten, schlafen.
Es kommt ein Zug, wir fahren bis Hannover, von dort aus zu J.
Am Zielbahnhof finden wir eine schwarze Ledermappe am Wartehäuschen. Sie gehört wohl jemandem im Ort, ein DB-Häuschen gibt es hier nicht. Wir nehmen sie mit. Vielleicht kennt J. die Adresse.
Der Rest ist ankommen, ruhen, Schmerzmittel und spüren, wie sich der Rotz seinen Weg nach draußen sucht.
J. trägt die Mappe weg, bringt Essen mit.
Wir gehen bald ins Bett.
Es ist nicht das Tourende, das wir uns gewünscht haben, aber doch der beste Zeitpunkt, um auf einer Radtour krank zu werden.
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