Immer schön unbiestig, bitte!

Die Schöne und das Biest.
Als eine der bezauberndsten Liebesgeschichten gefeiert, entlockte mir dieser Film wiedermal ein gepflegtes Kopfschütteln, verbunden mit der Frage, wo sich die Liebesgeschichte denn genau versteckt hat.

Doch von Anfang an.
Würde ich im Disneyland Bestimmerin sein, ich würde ZauberInnenlizenzen verteilen. Demnach dürfte nur noch verzaubern, wer gerecht verzaubert.
Wie unfair ist es bitte, einen hartherzigen und oberflächlichen Prinzen PLUS seinen ganz und gar nicht hartherzigen und oberflächlichen Hofstaat zu verzaubern?! Ich finde, wenn sich ein Jugendlicher daneben benimmt, dann hat er die Strafe für sich allein zu tragen- und nicht noch alle drumherum, die nur weil sie von selbigem abhängig sind, so handeln, wie sie handeln.
Zumal sich mir noch die Frage stellt, wie es überhaupt sein kann, dass ein unter 21 Jähriger ganz allein- ohne seine Eltern- über ein ganzes Land herrscht. Aber okay- die Zeiten waren früher ja auch anders. Jeder Pharao hat als Teenie seinen Sarkophag ausgesucht…
Und- wie dreist ist es bitte, dem Prinzen auch noch aufzdrücken, welchen Geschlechtes der Mensch sein muss, der sich in ihn verlieben muss, um den Zauber zu brechen?!

Naja, dann ist da halt die Rose und der Spiegel.
Gut die Rose ist verzaubert- check- deshalb schwebt sie so herum mit rosa Flimmer drum rum- Ok
Dann der Spiegel “als einziges Fenster zur Außenwelt”- okay warte mal- die Zauberin hat ihn äußerlich so hässlich gemacht, wie sie ihn innerlich sah- ihm aber weder die Beine, noch seine Fortbewegungsmittel weggehext. Wieso also ist der Spiegel, sein einziges Fenster zur Außenwelt?!

Aaaah- die Antwort erfahren wir, als wir uns in das kleine Dorf begeben, in dem Belle und ihr Vater Maurice wohnen:
Wer nicht mindestens so denkt, liebt und lebt, wie alle anderen, der ist nur erwünscht, wenn er wenigstens gut aussieht. Dies ist die Lebensrealität von Belle und ihrem Vater. Sie sind offenbar die Dorfnerds. Er Erfinder und sie Leseratte (Disney hätte sich, meiner Meinung nach, nichts abgebrochen ihr vielleicht mindestens ebenfalls einen Erfinderinnenstatus zuzugestehen- hint: Sexismus in Disneyfilmen: kaum eine der weiblichen Figuren kommt bis heute über den Assistenz- oder BegleiterInnenstatus hinweg).

Je mehr Menschen so denken, desto unwichtiger sind die inneren Werte und das Verhalten untereinander. Man wertet einander so lange ab, bis nur noch Menschen als “anhimmelnswürdig” betrachtet werden, die so sind, wie der eigentlich biestig-abstoßende Gaston.

Belle lebt also ein typisches Außenseiterleben und hat, statt eines Spiegels nur ihre Bücher als einziges Tor zur Außenwelt. Sie verwehrt sich gegen die in Anspruchnahme Gastons und seinen Ambitionen sie zu heiraten.
Leider wird nicht deutlich, wie abhängig Belle eigentlich davon ist, jemanden wie Gaston zu heiraten. Nur ihre (später gezeigte) immer schwelende Angst, dass ihr Vater sterben könnte, lässt darauf schließen, dass wie nötig es für sie ist, von einem Mann versorgt zu werden. Sie selbst hat keine Arbeit- als was könnte sie auch erfüllend arbeiten in einer Umgebung in der Erfinder und Denker als Schwachköpfe gelten?

Belles Vater verirrt sich auf dem Weg zum Markt und landet zufällig im Schloss des Biestes und seines Hofstaates. Die Menschen in Möbelgestalt freuen sich über Besuch. Endlich mal was los! Wie schön mal jemand anderen zu bedienen, als den, dem sie ihre tägliche Qual des Zaubers zu verdanken haben und der sie obendrein noch nicht gut behandelt.

Das Biest sieht das natürlich anders. In seiner nachwievor herrschenden Egozentrik denkt es, der alte Mann, der was von seiner Angst und Verzweiflung herumstammelt, sei nur gekommen, um ihn anzustarren und zu verhöhnen.
Einmal BUUUH gemacht und schwupp macht der Alte auch das, was das Biest kränkt: Er reißt entsetzt die Augen auf. Warum ist dem Biest natürlich gleichgültig- in seinem Elend muss es natürlich alles auf sein Aussehen beziehen. Klar- mal grad richtig zu reflektieren ist nicht drin. Es leidet unter seinem Aussehen, also müssen alle anderen genau das furchtbar finden. Logisch.

Maurice wird ins Schlossverlies gesperrt, wo sich wenig später Belle für ihn eintauschen lässt. Ganz das liebe aufopferungsvolle Töchterchen. Nicht das Papi noch hier stirbt…

Die Schlossbewohner wittern Morgenluft: Haaa etwas Weibliches im Haus!
So- jetzt hier- Liebe- los- sofort! Wenn schon männlich und weiblich so unter einem Dach sind, 617968_web_R_K_by_Oliver Mohr_pixelio.de dann geht das auch noch… Vermutlich wäre es zu progressiv gewesen, Maurice einen hübschen Sohn zu geben, der sich für ihn austauscht… vermutlich hätte man einem Sohn auch nicht diese Selbstopferung so abgekauft, wie einer Tochter… und naja- wie Disney zu Homosexualität steht ist ja auch klar…

Naja, jedenfalls gehts jetzt los. Jede Menge Lieder, viel mehr oder weniger seltsam- lustige Szenen in denen eine Annäherung beider Akteure darzustellen versucht wird.
“Du magst Bücher?- Hey guckst du- hab ich fette Bibliothek.”
“Du frisst wie ein Schwein? Hm, schau mal, ich lege auch meinen Löffel beiseite”
”Guckst du ich mach dich nicht nur an- ich rette dich noch vor Wölfen, wenn du abhauen willst”

Derweil versucht Maurice verzweifelt aus seinem Idiotenstatus heraus auf seinen Verlust und seine Not aufmerksam zu machen und Hilfe zu erhalten. Natürlich hört ihm niemand zu. Er gilt als Depp- sein Wort zählt schlicht nicht.
Schlimmer noch, wird dieser Status später von Gaston dazu verwendet, ihn in erpresserischer Absicht in die Irrenanstalt der Stadt zu sperren. (By the way- die Darstellung des Anstaltsleiters entspricht dem altbekanntem Antisemitismus…man hätte der Figur auch gleich den Namen “Gargamel” geben können- ein Seitenhieb, der uns hier richtig unter der Decke kleben ließ).

Naja, Belle rettet erstmal noch schnell wieder ihren Vater vorm Sterben und versucht den von Gaston immer wieder aufgerührten Mob von der Friedfertigkeit des Biestes (dessen Existenz sie mit dem Spiegel beweist) zu überzeugen. Selbstverständlich ohne Erfolg.
Wäre ja noch schöner, wenn jemand einem Verrückten und seiner verrückten Tochter glaubt- egal wie sehr man sie haben will und wie schön sie ist.

Die Meute also zum Schloss.
Innen hockt ein Biest, das sich mächtig bemitleidet und darin von seinen Untergebenen wieder einmal unterstützt wird. Sie hat ihm nie gesagt, dass er ihr egal ist- aber weil sie ja weggeht, kanns ja nur daran liegen, dass… Dass sie vielleicht grad noch was anderes zu tun hatte- ph! Die Nöte der Anderen. Wozu Verständnis aufbringen, wo man doch soooo leidet!

Der Hofstaat kämpft erfolgreich gegen die Dorfbewohner, während Gaston den Mann gegen Bestie- Kampf sucht und bekommt. Gaston geht es schon lange nicht mehr um Belle- er befriedigt nur noch seinen Hass gegen alles, was anders ist als er.
Das Biest hingegen erfährt zum ersten Mal Oberwasser, weil Belle ihm zuguckt.
Zack! super Gelegenheit: “Guck mal wie stark ich bin und wie ich den Wurm hier fertig mache!”.

Das Biest wird in dem Kampf verletzt, Gaston stürzt vom Dach.

Und bei all dem Kampftestosteron in der Luft, bleibt Belle ja gar keine andere Wahl, als sich in das Biest zu verlieben. Wen soll sie denn auch sonst nehmen? Ist ja keiner weiter da, der auch so anders ist wie sie und sich obendrein noch für sie töten lässt.

Und dann oh Wunder…
verwandelt sich das Biest in einem Menschen. Namenlos- wie alle Disneyprinzen. (Wobei ich bei der Recherche herausgefunden habe, dass er “Adam” heißt- aber in dem Film, gibts wieder keinen) Ein tiiiiefer Blick in die Augen zeigt Belle, dass der Mensch vor ihr nun nur anders aussieht als vorher, aber noch immer der Gleiche ist. Okay- check- dann gibts endlich den Kuss auf den die ganzen vielen Schlossbewohner gewartet haben und die Verwandlung beginnt auch für sie und die Umgebung des Schlosses.

Feini! Sind jetzt alle wieder gleich unter Gleichen.
Schön ne?

And now- think about this:
Hätte sich Belle in den Prinzen verliebt, wenn er frei an ihrem Haus vorbei geritten wäre und sich vor ihr produziert hätte, wie Gaston?
Und umgekehrt- hätte sich der Prinz/ das Biest für Belle interessiert, wäre sein Wohl und Wehe nicht von “der wahren Liebe” abhängig gewesen?

Ich habe keine Liebesgeschichte gesehen. Nur eine Darstellung davon, wie nötig es ist, gleich unter Gleichen zu sein, um einen aufgedrückten Bann zu brechen, um widerum ohne Leiden und in Gemeinschaft sein zu können.
Mit Liebe hatte das wenig bis nichts zu tun.
Ich hätte eine Liebesgeschichte gesehen, wenn das Biest ein Biest geblieben wäre, geliebt von einem Menschen der ihn so liebt wie er ist. Unabhängig von äusseren Einflüssen.