Ich habe analog fotografiert. Meine Arbeiten zur Annäherung und Aufarbeitung in Kaffee und Wein entwickelt. Dann reichten mir grobe Schemen in braun und beige, hell und dunkel nicht mehr.
Der Fonds ermöglichte mir, eine spiegellose Kamera anzuschaffen. Jedes Bild hat lange gedauert. Immer wieder musste ich Widerstände umgehen wie einen Hort von Schlingpflanzen, die mich niederwürgen, mir das Maul stopfen, die Hände abknoten, die Augen durchstechen würden, sobald sie mich bemerken.
„Hässlich. Eklig. Dumm. Eingebildet. Arrogant. Anmaßend. Lass es. Hör auf. ES ist unsichtbar. Es steht dir nicht zu. Dir nicht“, das sagen sie.
Nach dem Klinik-Gau konnte ich das nicht mehr umgehen.
Konnte ich mein wörtliches Mitteilungsbedürfnis nicht unterdrücken, nahm ich die Abwehr hin. Die Stimme dieser Ärztin, die verklemmt drückende Zwinge aus Kontakt- und Verbindungswunsch und vernichtendem Unverständnis. Und dem Gefühl, dass es wahr ist. Dass es mir doch nie um Worte aus einer Traumastille ging, um Kontakt für Kontakt mit mir selbst, Ausdruck, um Druck (r)auszulassen, sondern um selbstverliebte Akte einer empathielosen Person, die nicht weiß, wo ihr Platz ist.
Jahre hat es gedauert, bis ich einen neuen Trampelpfad um die Abwehr gefunden habe. Bis ich wieder auf „Veröffentlichen“ klicken konnte, ohne mich verletzen zu wollen. Das Gefühl, dass ich das eigentlich nicht tun sollte, weil es mich als abstoßende, gefährliche, falsche, schlechte, unpassende, unwürdige Person offenbart, ist geblieben. Es passt zu vielen anderen Gefühlen, die mein Leben begleiten.
Ich habe keine Kunst mehr gemacht. Meine Kamera dient heute der Kontaktaufnahme mit der Natur und ihren Farben. Der Mut, meine Gewalterfahrungen und ihre Folgen bildnerisch aufzuarbeiten, ist weg. Diese Ärztin und ihre Worte sind als Stimme, als Haltung, als quetschender Widerstand in mir drin, wie meine Eltern. Ein bestimmter Täter. Alle, die vielleicht nicht bewusst wollten, dass ich tot bin, aber meine Lebendigkeit und ihren Ausdruck auch nicht aushalten, ertragen, akzeptieren, heil lassen konnten.
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Gelesen, mitgefühlt, sprachlos.
Und immer wieder dankbar, dass ihr es aufgeschrieben habt.
Als Leserin bin ich Zeugin, sehe und fühle mit. Das macht das Geschehene nicht ungeschehen, aber hilft womöglich ein wenig beim Sein.
Ehrlich gesagt, ja. Hier gibt ja jetzt nicht gerade das Feuerwerk der Kommentare und von meinen Freund*innen liest auch nur eine aktiv mit. Manchmal hab ich das Gefühl, wenn jemand mir was zu meinen Sachen hier schreibt, wird es echter. Irgendwie mehr Teil der Welt. Und das ist manchmal gut.
Das freut mich wirklich. ❤️🩹
Habt ihr das Gefühl, ihr könntet euch jetzt besser „schützen“. Das ist bei uns das was fehlt. Auch, wenn wir jetzt Erwachsen sind. Vor ein paar Jahren hat uns das nicht geholfen, dass die Verletzungen, die in der „Hilfe“ passiert sind, danach nicht solche Ausmaße der inneren Zerstörung haben. Obwohl wir uns gewehrt haben und gegangen sind. Die Folgen davon haben sich nicht gemindert. Und daher auch der Gedanke. Weil das so ist, weil wir uns nicht schützen können….immer noch nicht ausreichend fürs Innere
Für mich sind das zwei Dinge.
Gegen Verletzung im Hilfekontext kann man sich nicht schützen, dazu ist man als Patient_in viel zu angewiesen und im nicht ambulanten Kontext auch machtlos. Ich bin beim Klinik-Gau ja auch gegangen (worden). Rückblickend war das die ultimative Retraumatisierung, weil es kein gutes, und mich auch nicht klares Ende mit Kommunikation von Verantwortung, Grenzen und Anerkennung meines Leidens in meiner Not gab. Meine letzten Worte an die Ärztin waren in etwa: „Ich habs ja immer überlebt.“ Das zeigt ja auf welcher Ebene bzw auf welchem Level ich damals war. Da kommt man ja nur hin bleibt es, wenn da länger schon nichts hilft oder gut tut oder passt. Und das wiederum lag nicht nur an der Kliniksituation, sondern an der Problematik mit der ich damals dort hinkam.
Was kaputt gegegangen war, war die Selbstsicherheit, die es braucht Kunst zu machen und sich damit auch persönlich verletzlich sichtbar für andere zu machen. Damit hatte ich auch vorher schon ein Thema. Da aber hatte ich – ironischerweise im gleichen Haus bei einer anderen Therapeutin – inzwischen gelernt, mich stärker abzugrenzen. Dass es okay ist, wenn ich mich mitteile und es nicht meine Schuld ist, wenn mich andere wegen meiner Aussagen verletzen.
Überhaupt werde ich ja oft bestärkt, dass mein Schreiben hier oder auch das Sprechen im Podcast oder meine Vorträge inhaltlich okay sind. Nur ganz selten macht mal jemand so einen Schluss wie die Ärztin (und/oder ihr „Team“) und behauptet, dass ich das mache, würde XY über meine Person Aussagen oder ich hätte diese und jene Störung/Begabung/Eigenschaft, weil ich das mache. Davor kann ich mich dann auch nicht schützen, aber etwas entgegensetzen.
Mit meiner Kunst hatte ich das nie. Da hatte ich immer Furcht und heute eine klassisch traumairrationale Phobie mit diesem Anschlusspunkt für Täterintrojekte.
Da spielt Schutz auch eher keine Rolle, sondern eher fehlende Sicherheit.
Muss ich mal drüber nachdenken was den Unterschied zwischen Schutz und fehlender Sicherheit ausmacht. Und eben wie man das eine oder andere herstellen kann. Schützen/Entgegensetzen kann man sich schon ja. Doch eben berührt es dennoch was innen, was dann zu Fall kommt. Aber vielleicht bin ich gerade auch sehr an euch/dir vorbei. 🙂
Man kann ganz doll geschützt sein – das heißt aber nicht automatisch, dass man sicher ist.
Sich wehren ist ja auch kein Schutz, sondern eine Reaktion nach Bedrohung. Bisschen doof alles – man kann von seiner Umwelt immer nur wünschen, dass sie die Erwartungen an Sicherheit nicht enttäuscht (und sich bewusst machen, dass sie das meistens ja auch nicht tut) 😅
Ich find, Kunst zu machen ist viel verletzlicher als sich mit Worten und Sprache und Schrift auszudrücken. In der Kunst steckt mehr Gefühl, mehr „Purheit“, während man in Worten eher „versteckt“ und geschützt sein kann. Wenn ich ein Bild von mir zeige, ist da keine „Schutzschicht“ drumrum. Wenn ich einen Text von mir zeige schon. Da bin ich auch größer und erwachsener. Und kann mich besser wehren, abgrenzen und die Kontrolle in der Kommunikation halten.
Vielleicht kennst Du das ähnlich?
Ich bin jedenfalls sehr froh, dass Ihr immer wieder Verschiedenes von Euch teilt. Danke!