jedenfalls, krank

Als endlich nicht mehr besetzt ist, fühlt sich das Sprechen an, wie durch eine Blasenentzündung hindurchzupinkeln. Es zieht, ich will nach jedem Stückchen Druck aufhören, es wird nicht leichter, hört nicht auf unangenehm zu sein, als ich den Satz beendet habe. Wieder fragt mich die Sprechstundenhilfe nach Details meines Zustandes, diesmal lasse ich sie absichtlich auflaufen. Beschließe einen brennenden Brief zu schreiben, wenn es mir wieder besser geht. SIE SIND NICHT MEINE ÄRZTIN – ES GEHT SIE ÜBERHAUPT NICHTS AN WIESO ICH EINEN TERMIN WILL Mit roter Tine. Knallroter Tinte. Und der Information, was das für ein Übergriffsempfinden auslöst. Was das für Stress auslöst, der völlig unnötig ist – und den viele Patient_innen vielleicht auch nicht haben – aber ich habe ihn. Und er ist unnötig. Unnötig belastend.

Nachdem ich zuletzt Kontakt aufnahm, weil ich mein Schmerzproblem nicht mehr auszuhalten fürchtete und einen Termin 3 Wochen später bekam, rief ich nun wieder an. Ibuprofen-Gastrits. Und das Schmerzproblem.
Das vielleicht auch nur eine Depression ist. Oder ein kleines Burnchen. Ein Burnerle sozusagen. Oder eine völlig normale Reaktion auf den Zustand der Welt und die Ohnmacht des Einzelnen.

Das Zauberwort war wohl „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ und nicht „Zu meinen Schmerzen am ganzen Körper sind nun auch Schmerzen im Körperinneren gekommen“. Ich könne in 30 Minuten dran kommen. Also los. Hoffen, dass meine Kasperkarre mich so schnell da hinbringt, Angst, was wohl passiert, wenn ich zu spät bin. Im Rucksack meine peinlo-Notizen, im Hinterkopf ein dräuendes Drama um meine Anstellerei, meine Einbildung, meine Undankbarkeit, meine anmaßende Ressourcenverschwenderei.

Ich zwinge mich ins Sprechen, ecke oft an die Grenzen des Verstehens der Ärztin. Aber das Ergebnis ist gut. Sie lässt mein Blut untersuchen, verschreibt mir ein Magen- und ein anderes Schmerzmittel. Empfiehlt mir eine Neurolog_innenpraxis ~ in der Nähe ~, 35 km von meinem Wohnort entfernt. Falls ich doch nur depressiv bin. Krank bin ich jetzt jedenfalls. Eine Woche.
Der Pfahl durch meine Körpermitte hält mich aufrecht auf der Fahrt nach Hause.

Wo ich erstmal lache, als mir der Anrufbeantworter der Neuro-Praxis sagt, dass sie Aufnahmestopp für neue Patient_innen haben.


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