da ist er wieder

Eingerollt zwischen Ast und Stamm hockt er im Baum, wie ein Vogelnest aus Fetzen von Menschenkostümen. Er schützt seine Seite, während er eine Zigarette nach der anderen raucht und seinen Blick zwischen die Rillen der Rinde in eine Zeit fallen lässt, die ihm so nah, doch der Welt mit jedem Ticken der Uhr ferner ist.

Die Unruhe, die Angst, die er im Nacken fühlt, das Wissen um sein Sein, er atmet es mit jedem kratzenden Rauchschwall im Kehlkopf wieder aus, noch bevor es ihn wirklich berührt. Von seinen Schultern laufen die Tränen der kleinen Herzen, die auf ihnen ruhen und rieseln auf den Frühling hinab.49564_web_R_by_Udo Altmann_pixelio.de

„Mach diese ekligen Dinger aus- du machst, dass das Körpergesicht irgendwann aussieht, wie das von der Mutterfrau“. Sie hängt zwischen zwei Ästen und baumelt kopfüber herab. Ihre Rattenschwänze berühren seine Knie, als ihre kleinen Hände sein Gesicht umfassen.

„Lass mich, das ist nicht mein Körper- geh weg! Ich will… lasst mich doch einfach alle in Ruhe! Geht doch alle weg und lasst mich!“, wie ein angeschossenes Tier beißt er um sich und lässt die Kleine von ihrem Ast herunter fallen.

Sie landet im Gras, hört es beim Aufprall in ihr krachen und brechen, schaut nach oben auf seine gequälte Gestalt.

Und klettert wieder hinauf.

Täter_Abkehrschmerz_Kontakt Teil 5

Und dann ist da der Schmerz der kommt, spürbar ist und bleibt.
Freiheit sollte keinen Preis haben.
Für Menschen ohne Ressourcen hat sie das aber unter Umständen schon.

Ich muss, während ich dies schreibe, an den Kommissar a.D. Hr. Paulus denken, der bei der Tagung, so emotional für frühe Interventionen eintrat. Wir waren verdammt früh dran, für alles das was in unserem Leben passierte und doch scheint es für uns als Mensch in einer (kapitalistischen) Leistungsgesellschaft, als sei doch schon alles zu spät. Als sei das, was für uns gut und wichtig ist, nichts, was uns irgendwann in die Lage bringt tatsächlich jemals so frei zu sein, dass wir wirklich und tatsächlich sagen können: „Ja, hier habe ich das Sonderangebot der kostenlosen Freiheit in der Hand, von dem ich im allerersten Artikel zum Thema „Täterkontakte“ geschrieben habe.“442855_original_R_by_Günter Havlena_pixelio.de

Wir waren minderjährig, als wir, aus welchen Gründen auch immer, (psychisch) auffällig wurden. Minderjährig, als wir aus eigener Kraft wegliefen und uns in räumliche Entfernung brachten. Minderjährig, als wir uns jahrelang durch die Mühlen von Institutionen der ja fast industriellen Massenbearbeitung zwecks „Heilung“ (die eigentlich „Anpassung“ meint) hin und her schieben ließen. Minderjährig, als wir Entscheidungen treffen mussten, die ein Leben beeinflussten, von dem wir noch nicht einmal wussten, wie genau das aussehen könnte/ sollte/ müsste.

Wir haben so ziemliche jede Etappe, die uns aus den destruktiven Konstrukten herausbrachte, fast allein gekämpft. Nur diesen Aspekt der Gewalt, haben wir in einer Art beendet, die uns in Kontakt brachte.
Und nun, wo wir alles das hier aufschreiben, kommen wir in Kontakt mit dem Trennungsschmerz.
Dabei ist das alles schon viele Jahre her. Doch diesen Punkt- den Verlust und die Bedeutung all dessen, was vielen Innens Sein und Ziel gab (und noch immer gibt), haben wir bis heute nicht bearbeitet und verkraftet. Es schwelt wie ein blubbernder Pudding unter der Haut und kommt ab und an mal wieder hoch.
Weil wir eben mit genau dem unglaublich allein stehen.

Es ist der Haken an Pseudoreligiosität oder auch den sozialen Rollen in Gewaltbeziehungen.
Du bist etwas und stehst für etwas. In deinem kleinen Leben, das so voller Schmerz ist, bist du etwas für jemanden (oder etwas). Da gibt es Pflichten, Zwänge, Regeln, die genau deinen Wert abzirkeln, dich genau wissen lassen, wo du stehst. Es ist unverfälscht und steht im direkten Bezug zu dir.
Fällt es weg, bist du nichts mehr- weder vor anderen noch vor dir selbst.

Das ist der Punkt, der unglaublich anfällig für die nächste Sekte, die nächste gewalttätige Beziehung, die nächste Extremistengruppe macht. Ich las neulich einen Artikel in dem stand, dass Aussteiger nach dem Ausstieg aus satanistischen Kulten ihren Zugang zum Christentum finden und klebte unter der Decke, weil ich mich direkt fragte, wo dann da bitte die Freiheit blieb?
Selbstdefinition passiert über das was man tut und die Wertschätzung, die einem darüber entgegen kommt.

Jeder sagte uns nach dem Ende der Gewaltkontakte, dass wir das toll durchgestanden hätten und gut für uns gekämpft hätten. Aber niemand hat gefragt, was dann kam.
Und so kam einfach: Nichts.

So ist das, wenn man spaltet. Da ist dann einfach nichts. Lieber nicht dran denken, lieber nicht dran rühren. Man hat ja nun geschafft, was immer in den tollen Büchern steht und was „die Anderen“ sich so für einen wünschten. Die schlimmste Angst ist ja jetzt weg. Der regelmäßige Schmerz ist ja jetzt weg. Jetzt ist der Wasserhahn ja abgedreht.
Dass er in unserem Fall noch tröpfelte, haben wir unterschätzt; dass es BÄÄÄMs und noch immer hoffende MittelBÄÄÄMs in Winkeln bei uns sitzen gibt, nicht gewusst, weil es keinen Kontakt gab.

Und jetzt, wo er endgültig zugedreht ist, hören wir das Knacken und Knirschen der Wanne.
Man steht davor und weint immer mehr Tränen hinein, weil man- trotz aller Kämpfe und aller Kraft und auch aller Erfolge, noch immer nicht genug in Kontakt mit seinen Händen ist, um den Stöpsel zu ziehen und alles das, was sich da angesammelt hat, rauszulassen.

In der ganzen Zeit haben wir gedacht, dass wir, wenn wir erst mal frei sind, nicht mehr soviel Kraft vergeuden würden müssen, weil wir ja dann nicht mehr ständig Gewalt wegdissoziieren müssen. Dass wir mehr Energie zur Verfügung hätten, um uns richtig doll anzustrengen und auch endlich einen Beruf zu erlernen und nicht mehr in dieser menschenunwürdigen Hartz-Maschine zu stecken. Beim Beginn der ambulanten Psychotherapie nicht von Anfang an auch noch darüber nachdenken müssten, ob wir uns XY leisten könnten, oder ob wir nicht doch lieber noch ein Wochenbugdet beiseite legen um Stunden selbst zahlen zu können- wir wollten ja arbeiten und uns das leisten können.
Wir dachten ja, wenn man frei von Täterübergriffen sei, sei man tatsächlich frei und (man-) selbst- ständig.

So war es aber für uns nicht.
Alles was sich änderte war die Gewalt. Von der Gewalt, mit der wir aufgewachsen und an die wir angepasst waren, die uns Sinn und Sein gab, zu der Gewalt aus der man schlicht nicht aussteigen kann, ohne die komplette Aufgabe all dessen, was man sich doch so hart erkämpft hat.
Natürlich könnten wir in den Wald ziehen und von Gänseblümchen leben. Könnten auf den Staat pfeifen und uns durchschnorren. Doch dafür haben wir das alles nicht auf uns genommen.
Dafür haben wir das alles nicht überlebt- dafür haben wir nicht die Wertnormen aller uns umgebenden Welten von uns abgetrennt. Für ein Leben in Haltlosigkeit ertragen wir diesen Abtrennungsschmerz nicht.

Und doch ist genau dies unsere derzeitige Phase.
Zu erkennen, dass man nicht wirklich frei ist, sondern schlicht haltlos frei herumfliegend.
Im Moment unglaublich tief erschöpft von der Suche nach Halt durch Hilfen und Begrenzungen.

Ja, wir haben mehr Energie und es geht uns in vielen Bereich besser als zu der Zeit, in der manche Innens noch regelmäßig gequält wurden. Aber das, was wir als Ergebnis dieser Befreiung erhofft hatten, ist schlicht nicht eingetreten.

Es ist also auch eine Abkehr dessen, was uns lange durch diesen Prozess getragen hat: Das Denken, es gäbe eine Ordnung und einen Rahmen für uns, wenn wir auf etwas verzichten, was in dieser Welt außerhalb dessen aus dem wir kommen, verurteilt ist.

Vielleicht gibt es diese Ordnung irgendwann. Vielleicht sind wir einfach zu erschöpft von dem Stück für Stück Selbstmord den wir seid dem endgültigen Zudrehen des Täterkontaktes letztes Jahr begehen. Das weiß ich nicht. Ich bin zu jung, um zu wissen was jetzt kommt. Wie lange und was für ein Leben habe ich schon gelebt, um nun auf bereits gemachte Erfahrungen mit so schweren Sinnkrisen zurückgreifen zu können? Da ist keine Basis- nur Material, um etwas Neues aufzubauen und mir selbst einen Rahmen zu zimmern.

Doch dafür brauche ich noch mehr Kontakt mit meinen Händen. Eine vielleicht nur noch zu zwei Dritteln gefüllte Badewanne. Hilfe von außerhalb. Mut und Zutrauen, diese auch anzunehmen.
Aber im Moment habe dies einfach nicht.
Ich bin müde, habe Schmerzen und quäle mich durch die Tage, versuche die Menschen, die mir begegnen nicht anzuschreien, obwohl ich permanent das Bedürfnis dazu habe. Schreibe mich hier täglich leerer, weil ich denke, dass es mich irgendwie definiert als jemand, der etwas tut. Jemand der etwas erschafft und nicht nur Ressourcen frisst.

Die Hilfe, die wir bis jetzt hatten, gibt es so in der Form nicht mehr, dass wir sie nutzen können.
Die Beziehung zu den mit uns verbündeten Menschen hat sich verändert, in den letzten Jahren. Wir sind nachwievor verbündet- aber nicht mehr auf dieser Ebene. Die Kontakte, die wir haben, können alle nur ansatzweise versuchen zu verstehen und nachzufühlen, was in uns vorgeht. Das ist nicht schlimm oder ein Defizit, aber es ist eben nicht das, was wir im Moment ge-brauchen können. Wir brauchen sie! Wir brauchen sie alle! Nur ge-brauchen können wir sie eben nicht.

Wir können keine der sich derzeit bietenden Klinikkonzepte nutzen, weil wir über das hinaus sind, was da angeboten wird. Keine Sektenberatung kann uns helfen, weil die Alternative zu geistig-religiös-spiritueller Haltlosigkeit eben geistig-religiöse-spirituelle Konstrukte sind, die alle samt und sonders- egal wie liberal man sich in div. Gemeinden gibt, einsperren und bei uns alles explodieren lassen würden (unser Eiertanz, den wir hier ab und an zeigen, reicht ja eigentlich, um zu zeigen, wie schwer es schon in Eigenregie ist).

Trotz allem, was jetzt gerade brennt sind diese Gedanken und Schmerzen anders, als die, die es früher gab.
Ja- wir kämpfen wieder um unser Überleben- genau wie wir das noch zu Zeiten in denen andere Menschen noch über uns verfügten, tun mussten.
Doch heute zerstören wir uns selbst, (leben also eine Eigenmacht aus) und sind einer Art Gewalt unterworfen, der sehr viele andere Menschen auch unterworfen sind.

Wir sind also nun, durch alles was wir geschafft haben, immerhin in der Position selbst und eigenmächtig zu bestimmen, ob und wie wir leben oder sterben.

Es ist ein bitterer Sieg.
Aber es ist ein Sieg.

Ende

Täter- und noch mehr Kontakte Teil 4

„Innenperson nimmt Täterkontakte auf“
„DIS Täterkontakt Innenperson“
„Ich verstehe nicht, wieso manche Innenpersonen von ihr, immer wieder Kontakt aufnehmen.“
„Mich beschäftigen immer wieder die täterloyalen Anteile, die Kontakte halten…“

Dies sind Suchanfragen auf das Blog und Sätze, die ich so mal aufgeschnappt habe und aus denen ich schließe, dass es eine Art Interesse an dem Aspekt gibt.
Nur leider wird mir oft nicht so klar, was genau daran interessiert.

Ist es ein Interesse an de Innenpersonen selbst?
Ist es die Frage, wie es sein kann, dass „alle“ im System „ihres Multiplen“ keinen Kontakt mehr wollen- und aber dieser Einzelne ihn immer wieder sucht?
Oder ist es die Frage, ob man trotzdem den Kontaktabbruch schaffen kann und wenn ja, wie?

Ich sehe das so: Wenn sich jemand für die Innens selbst interessiert, soll er sie fragen oder signalisieren, dass man für das offen ist, was sie so zu sagen haben. Und dann, um Himmels Willen, bitte keinen Dummtüch reden, weil man überrascht/ verwirrt/ verängstigt von dem ist, was dann da so kommt.

Was ich von unseren BÄÄÄMs so mitbekomme, lässt mich denken, dass viele von ihnen noch nicht bei uns angekommen sind. Manche „sind nicht multipel“; manche wissen, „sie müssen nur warten, bis wir zur Vernunft gekommen sind“ (und uns klar wird, dass nur die Erfüllung unserer (pseudoreligiösen) Bestimmung uns „…was auch immer…“ macht); manche sitzen auch einfach nur da und erzählen haarscharf beobachtet, „was die Helfer jetzt gerade schon wieder… und sollste mal sehen… voll die […abwertendes…]… Guck mal, wie dumm du/wir/die Anderen… XY (Täter) sagt… XY meint… XY befiehlt… Du hast… Du bist… Ich muss…“ und manche von ihnen hops(t)en auf rosaroten Wolken herum und haben keine Ahnung von der Gewalt, die andere Innens erleben oder empfinden diese Gewalt gar nicht als solche, sondern als sinnbringend, wichtig, zwingend (und legitim) oder sogar richtig gut.

Dass wir nie eine Lehrbuchtraumatherapie gemacht haben ist, denke ich, irgendwie schon klar geworden, nicht wahr? Wir haben bis jetzt nicht konkret mit den BÄÄMs gearbeitet, sondern nur zurechtgespalten, dass wir von einem Umfeld angenommen werden, welches das, wofür sie einstehen oder was sie gut und wichtig finden, verurteilt bzw. mindestens ablehnt. Geht auch (Ergebnis dessen, kann in diversen Artikeln geguckt werden. Würd ich als Dauerzustand nicht empfehlen- vgl. hierzu unser aktuell schleichendes Sterben, dass wir mit toll wichtigen Artikeln und Produktivität in alle Richtungen erträglich zu gestalten versuchen*.).

Was wir aber schon durch haben, ist die Ebene der MittelBÄÄÄMs, die damals den realen Gewaltkontakt und den Kontakt zur Familie* gesucht haben und um die wird es im Folgenden gehen. Wenn wir unsere aktuelle Hölle dann überlebt haben, kommt der Rest. Wenn nicht, muss halt jemand anders ran.

Also.
MittelBÄÄÄMs nennen wir Innens, die nie Gewalt erlebt haben; die Gewalt an sich als normal einstufen und Innens, die über die Gewalt(menge/art) Annahme (Liebe zu ihnen) definieren und deshalb die Täter als nicht „böse/ schlecht/ negativ“ einstufen.
Wieso sollte Mensch auch einfach nicht mehr zu jemandem gehen und zu jemandem halten und ihn verteidigen, wenn er einem nie etwas getan hat, sondern im Gegenteil immer Schönes hat erleben lassen? Und wieso sollte Mensch sich um das Elend anderer (Fremder) kümmern, wenn es einem selbst doch gut geht?

Hier war es wieder der mit uns verbundene Mensch, der sich immer wieder aus dem Stand heraus aufgeregt und seine Empfindungen und Gedanken zu Verletzungen durch Täter an unserem Körper deutlich und offen zum Ausdruck gebracht hat, welcher eine Sortierung für uns alle ermöglichte.
Es ist nicht so, dass wir nie zuvor Kommentare oder Worte zu Verletzungen am Körper gehört hätten. Besser gesagt: Es ist ja nicht so, dass die Ohren unserer biologischen Behausung vorher nie etwas zu den gewaltbedingten Verletzungen gehört hätten. Aber es ist ein Unterschied, ob ein sachlich- anklagend- genervt- gestresster Notaufnahmearzt einen anguckt, wegguckt, und dem Zettel des Kurzberichtes sagt: „kühlen, schonen, in 10 Tagen zur Kontrolle“ oder, ob jemand einem das Shirt hochschiebt und fragt, obs weh tut und ob man weiß, wo es herkommt, was gewesen ist und laut seine Gedankengänge sagt (und obendrein fragt, ob mans versorgen (helfen) darf oder nicht und obs okay fürs Innen ist, wenn mans tut usw.).475215_web_R_by_Günter Havlena_pixelio.de(1)

Auch wenn es bei uns genug Innens gab, die über diese Fragen (und auch Gedankengänge) die Wände auf 4 Beinen hochgegangen sind, gab es auch immer Innens (darunter eben auch die MittelBÄÄÄMs) die zugehört und gemerkt haben: „Oh- Ach guck mal an. So ne Reaktion kanns also auch geben. Hm. Okay…? Guck ich mir mal genauer an…. vielleicht eventuell… also mal so … einfach nur so… wie ich halt will… Ich muss ja aber nicht… merkt der Mensch ja nicht… vielleicht haut der ja auch wieder ab und es ist eh alles nur gelogen… aber, naja- ich kann ja gucken… so von hier aus… ob der Mensch Recht hat oder nicht, ob das was mit mir zu tun hat oder nicht…“

In Kombination mit vielen anderen Situationen/ Umständen in denen der Mensch dann Recht hatte und etwas aufgezeigt hat, was tatsächlich mit uns allen zu tun hat, gab es dann langsam eine Entwicklung dahin, dessen Ansicht anzunehmen. Mindestens einfach erst mal so hinzunehmen und für sich zu überprüfen.

Das war dann zum Beispiel der Hinweis an ein Innenkind, das keine Schmerzen empfindet und entsprechend halsbrecherisch auf der Couchlehne herumturnte oder „mal eben so“ eine Luftrolle vom Bett runter machen wollte, vorsichtig zu sein, weil es selbst zwar keinen Schmerz fühlt- die anderen Innens aber schon (vom Schaden am Körper, der uns alle beherbergt einmal ganz abgesehen). Oder auch der Hinweis an eine junge Frau die uns Innens „aushungern“ wollte, dass die Innens ein Teil von etwas sind, das zu ihr gehört und nichts direkt mit dem Körper zu tun hat (sondern mit etwas, das eben durch den Hunger zwar beeinflussbar- aber nicht wegmachbar ist). Der immer wieder kommende Hinweis auf die Weiblichkeit des Körpers, der Hinweis auf die Biographie, der Hinweis auf die Konfektionsgröße… (Eines Tages stand Frau Rosenblatt dann tatsächlich mal im Schuhladen und ließ sich Schuhe zeigen, die von etwa 5 jährigen Kindern getragen werden und hielt sich diese neben die eigenen Schuhe. Sie machte ein inneres Foto davon und holte sich das immer mal wieder ins Bewusstsein zurück.)

Die MittelBÄÄÄMs konnten von ihrer Sicht erzählen, mal hier was fallen lassen, mal da was erwähnen. Ein direktes Gespräch hat keiner von ihnen gesucht, bis zu dem Moment in dem sich der verbündete Mensch dann mal darüber aufgeregt hat, immer nur so Fetzen zu hören und nicht zu wissen, vom wem von uns die denn nun kommen. Gut- man muss sich nicht gleich darüber aufregen, aber irgendwie war es schon gut auch zu merken: „Ah okay das ist jetzt hier nicht nur so therapeutenlike- blablabla- Plattitüde: „Es interessiert mich, was sie zu sagen haben- aber eigentlich will ich nur hören, was ich hören will, ihnen gegenüber aber nicht sage. weil ich weiß, dass…“ (Sorry- liebe Helfer- aber manche von Ihnen machen das echt so und sind grotte wenns darum geht, genau das zu verstecken), sondern der Mensch da will es echt hören und wissen und verstehen- Wooooaaa!“.

Unterm Strich geht es also um den Bereich der Selbstwirksamkeit und einander kennenlernen, wahrnehmen, etwas über „die Anderen“ zu erfahren.
Wenn jemand merken kann: „Was ich tue hat Auswirkungen (auf mich und andere) und es gibt eine Reaktion (die positiv oder eben negativ ist)“ ist der Kreis von Ursache und Wirkung geschlossen.
Wenn ein Innen das nicht klar hat (und das geht nun mal nicht, wenn man vom Leben als Einsmensch vielleicht 10% direkt als zu sich selbst zugehörig empfindend (erinnerbar/nachfühlbar etc.) gelebt hat), dann gibt es für sie auch keinen Grund sich damit auseinanderzusetzen, was in ihrem Leben gut oder schlecht ist. Besser noch- wenn man nicht einmal mitbekommt, DASS man eben nur 10% seines Leben überhaupt wirklich und wahrhaftig erlebt- wie soll so jemand überhaupt auf die Idee kommen, dass es noch 90% Rest gibt?

Um diese Selbstwahrnehmung zu fördern, hilft uns auch bis heute gestalterisches oder handwerkliches Schaffen. Dazu gehören eben das Gewerke hier, das Tagebuch, der Blog, die Foren… alles wo wir Spuren lassen. Oder eben auch ganz schlichte Aktivitäten mit anderen Menschen (Wobei- einen Abstrich mache ich da: Solche Gesprächsgruppen, zum Beispiel in der Klinik, helfen nur bedingt- irgendwie ist das immer so etwas, dass so diese Anpassungsschiene an schiefe Sozialkonventionen verstärkt. Heißt: Es tauchen da Innens auf, die das Setting und die Themen aushalten können und der Rest von uns hat keine Chance irgendwas Neues zu lernen oder einfach so wahrzunehmen. Es ist ja immer das Gleiche- wie beim Straßenbahnfahren: Hingehen sitzen, Oberflächenblabla machen und wieder weggehen. Ich weiß nicht- entweder machen wir da immer irgendwas falsch oder das ist einfach irgendwie nur genau für sowas da.).

Naja und dann die Umsetzung.
Wir haben damals irgendwann mit diesen Innens, die immer nur gute Dinge mit den Menschen früher erlebt haben, einen Pakt geschlossen, dass wir einander einfach so stehen lassen und uns für einander aufmachen, wenn keiner mehr bei uns Angst hat. Also so nach dem Motto: Wenn hier richtig Ruhe und Sicherheit für alle ist (und so, dass das für alle auch als Ruhe und Sicherheit gefühlt ist), dann versuche ich deine guten Erlebnisse zu begucken und du versuchst meine schlimmen Erlebnisse zu begucken. Versprochen für alle! Aber erst mal- guck hier ist jemand der noch richtig schlimme Angst hat und guck mal der da, dem gehts auch noch sehr schlecht… Lass uns die mal irgendwie erst versorgen…“. Dadurch, dass wir damals richtig viel in Kontakt mit einer Außenperson waren, konnten sich beide Seiten sicher sein, dass auch noch jemand anderes bemerkt, wenn jemand von uns in Not ist, wenn wir gerade (noch) dafür blind sind, so dass dieses gegenseitige Versprechen auch auf einer Basis stand. Und wir hatten ja nun langsam auch gelernt, wie man sich um einander kümmern kann. Wie man mit Angst einigermaßen zurecht kommt, was „sich etwas Gutes tun“ heißen kann, ohne, dass hier gleich die VERBOTEN-Schilder hochknallen und so weiter.
Nebenbei wurde ja auch durch gerade diesen Kontakt (und auch den Kontakt mit den Helfern und Therapeuten) gezeigt, dass Zuneigung, Fürsorge und Interesse nicht bei allen Menschen in der Anzahl der Schläge oder im Ausmaß des Schmerzes gemessen wird. Das war für die Innens, die vorher so dachten sehr wichtig (und neu und gruselig und erst mal konnten sie das gar nicht glauben und mussten das austesten und ach ach ach).

Dies war eine Entwicklung, die so nebenher mitten im Beieinander- Miteinander sein (und in der Tagesklinik) passiert ist.
Man hätte sich in der Zeit noch eine Million mal vor uns stellen können und diese neuen Wahrheiten kopfisch in uns einbringen wollen.
(Ein Buch und du hast diese Wahrheiten kopfisch in dir- aber um den Kopf gehts bei sowas nicht- auch eine Schleife von der wir aber bis heute nicht so wirklich kuriert sind *räusper*).
Die Versuche sich von den gewaltvollen Täterkontakten zu lösen sind so lange gescheitert bis es genug Innens für einen tragfähigen Pakt gab. Wir hätten niemals das Angebot des verbündeten Menschen annehmen können, um bei ihm unterzukommen und hätten die Zeit danach ebenfalls never ever- egal wie isoliert und technisch abgesichert und haste nicht gesehen- man uns untergebracht hätte, auch nur einen Tag so überstanden, wenn wir innen nicht soweit gewesen wären, dieses Ziel (Angstfreiheit und Sicherheit und Ruhe für alle, damit man einander irgendwann zeigen (und anerkennen) kann, was man (üb)erlebt hat) miteinander tatsächlich erreichen zu wollen.

Das braucht Zeit.
Geduld, Kraft, Hoffnung, Mut, innere Überzeugung auf allen Seiten, dass das schaffbar ist; immer wieder Resilienz ohne Ende, wenn es zum x-ten Mal zum Kontakt kam und man zum x-ten mal denkt, es nicht zu schaffen und sich zu fragen, wozu man das Ganze eigentlich macht und natürlich braucht es das auf allen Seiten. Nicht nur wir mussten das aufbringen, sondern auch der Mensch an unserer Seite.
Ziele zu haben, die alle betreffen und die auch viele als genau solche empfinden, hat sich für uns, als ziemlich schwierig herausgestellt. So blieb erst mal nur der benannte Pakt und anderes wurde als „optionale Ausschmückung“ nebendran geheftet.

Ich weiß bis heute nicht, was für (gute oder auch schlimme) Erfahrungen manche Innens gemacht haben, die sie bewegt haben mich bei dem Kraftakt „Gewaltkontakte beenden“ zu unterstützen, weil sie sie mir irgendwann zeigen dürfen. Aber ich weiß, dass ich jetzt immerhin eine reale Chance darauf habe, was ich vorher nicht hatte. Dafür hat es sich bis jetzt gelohnt und war für uns auch „den Schmerz wert“.

Fortsetzung folgt

*Ja uns gehts echt schlecht zur Zeit. So schlecht, dass wir das „schleichendes Sterben“ nennen.

Mut oder: die BÄÄÄMs der Anderen

Es begann mit einem Artikel der Mädchenmannschaft vor ein paar Monaten. Ein paar Klicks, ein paar Kommentaren, ein paar Artikel, ein bisschen gucken, lernen… und nun finde ich mich virtuell umgeben von lauter starken freien wachen bewussten Menschen. Mich fragend, ob ich auch so werden kann. 46164_web_R_K_B_by_Verena N._pixelio.de
Wie viel der Stärke und des Mutes, den ich in den ganzen Websites und Artikeln wahrnehme, ist wahr? Wie viel dieser Vehemenz, Courage, Reflektion, Stärke… Heilung? würde ich in der Realität sehen, träfe ich diese Menschen?

Ich verbrachte den gestrigen Tag am Fenster.
War kurz mit NakNak* im Park. Hatte noch Mut- Elanfunken von dem Innen, das immer schon von sich aus mutig und stark ist. Immer wieder aufstampfend; nach einem besseren Leben zu greifen bereit und mit mir diese ganzen Webseiten schier aufsaugend.
Doch diese Funken verpufften schnell wie ein Strohfeuer in meiner Brust, als ich plötzlich jemanden vor mir sah, der nicht wirklich da war.
Es war ein Doppelbild- eine Pseudohalluzination eines Täters.
Eine schattenhafte Halberinnerung an eine Situation vor über 20 Jahren. Damals hatte es auch so viel geschneit und ich war ähnlich erfüllt von aus Mut geborenem Elan- ich weiß nicht, ob es noch mehr Parallelen gab, die mein Gehirn zu diesem Assoziationsversuch veranlasste.

Damals gab es keine Chance.
Heute nahmen mich zwei Innens an die Hand, drehten den Körper herum und rannten los- mich in ihrer Mitte haltend, beschützend, mir und durch mich hindurch zuflüsternd, dass es vorbei ist, dass wir nun sicher sind. Dass es nur eine Erinnerung ist. Dass die warme Zunge an meiner Hand NakNak* gehört. Ob ich sie nicht mal streicheln wolle. Ein bisschen mit ihr herumgeikeln wolle. Ob ich den Schnee auf der Strumpfhose spüren würde. Immer wieder sagend, in welchem Jahr wir sind. Dass wir wirklich sicher vor ihm sind. Dass ein empfundener Mut berechtigt und absolut in Ordnung ist. Dass wir nie wieder so verlieren könnten.

Es gelang mir nicht mehr, wieder näher an das mutige Innen heran zu kommen. Meine Angst, mein dunkles, wie eine giftige Wolke hinter mir schwebendes Ahnen um die Situation früher absorbiert mich. Es ist,  als wäre da gar nichts Mutiges mehr im Innen.
Ich muss es mir sagen, mir hier hinein schreiben, dass es so ist. Damit ich mir dieses Wissen wenigstens rational nicht wieder aus mir herausstoße- oder von ihm weggestoßen werde?

Es ist mir nun schon so viel möglich.
Wie toll das ist! Wie groß unsere Therapieerfolge schon sind.
Noch vor 5 Jahren bin ich regelrecht abgeschmiert, wenn ich so einer Halberinnerung gegenüber stand. Da war nur Angst- sofort und direkt und ohne auch nur einen Fitzel Möglichkeit, dass ich mir selbst oder etwas aus dem Innen in diesem Moment die Gegenwart an mich- in mich eingebracht bekommen hätte. Jedes Mal das gleiche alte Erschrecken, die gleiche alte Ohnmacht, das gleiche innere Wegkippen als der Ahnungsdonner über mich hereinbricht, der gleiche Wechsel zum Innen, das die Gewalt wieder und wieder und wieder durchlebt.
Heute sind wir schon aktiver- wacher- klarer- bewusster. Ich habe die Möglichkeit noch direkt vor der Ohnmacht auf meine innere “Slowmotion-Taste” zu drücken, mir Hilfreiches aus dem Innen zu aktivieren- mich vom Innen tragen, statt mich hinein fallen zu lassen.

Und trotzdem stand ich dann doch wieder mehr oder weniger durchgehend, bis in die Nacht hinein, am Fenster und hörte den Sermon, den mir die BÄÄÄMs runterratterten. Über meine Unfähigkeit, meine Arroganz, meine Überheblichkeit, meine eigentliche Feigheit, mein “nie so stark- nie so mutig- nie so klar- nie so cool- Sein” wie die, deren Artikel ich da lese, deren Aktionen ich mitverfolge (die andere Innens sogar mitmachen) und die ich bewundere.

Ich hörte einfach nur zu, mich gleichzeitig fragend, ob die Starken da draußen keine BÄÄÄMs haben oder einfach nur schon besser gelernt haben, sich ihnen gegenüber taub zu stellen.

Herr Trigger und das Aktenordnergehirn

Es ist wie beim Domino Day:

fällt ein Stein- fallen sie alle.

Und wer beim Aufbau schlampt, der verhindert, dass wirklich alle Etappen abgeräumt werden.

Unser Gehirn schlampt nie.
Ein Trigger und die Schotten fallen herab.
Manche direkt, manche indirekt, manche bewusst und manche unbemerkt.

Unter anderen Umständen-. wenn wir einigermaßen ausgeruht und versorgt sind. In der Lage sind Sozialkontakte zu machen und ach überhaupt gesund sind, ist ein Trigger in der Regel nicht mehr sehr schlimm. Nach kurzer Zeit schaffen wir es die Schotten innen wieder zu öffnen.

Nach 10 Jahren vornehmlicher Stabilisierungsarbeit ist es genau das, was wir einigermaßen gut können: Herr Trigger sagen, dass er nur ein Reiz ist und, dass er nun jetzt bitte mal aufhören soll in unserem unordentlichen Aktenordergehirn herum zu machen.

Wir kennen einander inzwischen so gut, dass manche Wechsel vorhersehbar und sicher durch die Belastung eines bestimmten Hirnareals (eines anderen als den, der uns das HD mit Gefühlsimitation ins Kopferinnerungskino treibt) sind.

Doch es gibt nachwievor Zeiten, wie jetzt in den letzten Tagen.
Eigentlich rasten wir mit angezogener Handbremse auf eine Wand zu und hätten das merken müssen- konnten wir aber nicht, weil die entsprechenden “Melder” bereits abgeschottet waren.

Man muss in der Lage sein, Herr Trigger als solchen wahrzunehmen.
Wenn es sich um etwas ganz profanes, wie zum Beispiel der Klang von Wasser auf Wellblech ist, oder der Druck in der Kniekehle wenn man die Beine übereinander schlägt, kann allein schon die Wahrnehmung sehr dauern.
Dann muss man ihn als solchen anerkennen- und wie oft sagt man sich dann doch: “Ach komm-  ist doch Quatsch- steht doch in gar keinem Verhältnis”.
Und dann muss man in der Lage sein, die Kraft haben, genug offene Schotten haben, sich zu reorientieren und in der Gegenwart zu verankern.

Genau die hatten wir nicht mehr am letzten Samstag.
Es gab eine Situation die uns komplett überforderte- sowohl sozial, als auch emotional- als auch rational. Eine Bekannt-Gemögte, die uns noch nicht gut kennt; eine Situation, die schreckliche Angst machte und das alles auf leerem Bauch, nach einer Nacht mit einem Fremden; nach 3 Wochen Therapeutenurlaub; viel Auseinandersetzung mit Schuld, Verantwortung und Vergebung; einem sehr schlimmen Stromausfall und latentem Schlafentzug…

Klar fielen noch die letzten Schotten und purzelten einzelne Innens herum, die einerseits zwar sehr entfernt von Erinnerungen sind- andererseits aber definitiv bewusst haben, dass sie verletzte Innens schützen.SONY DSC

Die Therapiestunde heute, wirkte wie ein Klotz vor den letzten kippenden Steinen und Öl im Motor des Apparates, der die inneren Schotten sowohl heben als auch senken kann.

Wenn die Kraft bei uns fehlt, brauchen wir Außen jemanden, der uns verdeutlicht und nach innen mitsagt, dass es vorbei ist. Dass es eine Erinnerung ist und das die heutige Realität lebbar ist.

Langsam öffnet sich wieder etwas und es wird nicht mehr nur überlebt.
Der Körper scheint sich sogar noch richtig was Gutes zu tun, indem er sich für Fieber und Virenkrieg entscheidet…

Mach mal ruhig du toller Mitkämpfer… putz sie ruhig alle weg… Herr Trigger könntest du vielleicht gleich mit… ach Atommacht, hm? Ja… hm… friedliche Akzeptanz, wie?
Naja…
erst mal einen Krieg gewinnen… Minensuche und politische Arbeit kommen dann dran.

Was unser verdammer scheiß- toller schlauer Körper alles kann

[Atmen kann er- das find ich immer am Besten haha]

Er kann vorallem aushalten!
Nachdem unser Körper gerade in den letzten Tagen durch gefühlte Abwesenheit glänzte, habe ich heute früh einmal mehr gespürt, wieviel so ein Körper aushalten und machen kann.

Es ist mit das beschissenste Element von Erinnerungen die heute auf uns einknallen: Körpererinnerungen.
Für den Laien einmal in Blanko:
Stell dir vor du liegst im Bett und bist dabei einzudösen und auf einmal- einfach so- ohne äusseren Anlass, fühlst du wie dich eine Macht packt und einmal in der Mitte durchreißt und gleichzeitig vollstopft und staucht- brutal, ohne Zögern, ohne Gnade, ohne Entkommen. Es gibt keine Schonhaltung für dich; nichts ausser einen Schreih in deinem Kopf und einen Schmerz der dich in eine Schwärze fallen lässt, die kein Molekül Platz mehr bietet. Es gibt keine Worte. Keine Sprache. Eigentlich nicht mal mehr Körper nebst Kopf. Da ist nur dieser explodierende Schmerz.

Wenn sich das Schwarz etwas lichtet- sei es weil dein Körper den Sauerstoffmangel auszugleichen beginnt (denn du hast den Atem angehalten), sei es weil dein Hund anfängt, die Tränen in deinem Gesicht abzulecken oder weil du aus dem Bett gefallen bist und plötzlich mit irgendeiner einzelnen Hirnzelle merkst:
HEUTE-HIER-JETZT
dann- aber erst dann- kannst du etwas tun.
Vorher musst du und muss der Körper vorallem eins: aushalten.

Ich habe heute morgen gespürt, wie sehr der Körper in diesem Moment- ja fast wiederholen muss, was er schon einmal durchgemacht hat. Er krampft, zieht alle betroffenen Muskelgruppen zusammen, zieht sich dicht an dicht, bietet kleinstmögliche Angriffsfläche, pumpt Massen an Adrenalin durch den Körper, verteilt Blut und Sauerstoff auf genau die gleiche Art wie früher. Wehrt ab und schützt gleichzeitig.

Innerlich rutsche ich auf Knieen vor Dankbarkeit, wenn der Schmerz abebbt. Dann kommen Bilderfetzen, Kurzfilme und was weiß ich. Da gucke ich schon gar nicht mehr hin. (<— Guckst du Therapieerfolg!)
Wenn ich es nur schaffe aufzustehen und festzustellen: “Ja- es gab keinen äusseren Anlass. Es ist alt. Es ist nicht heute, es nicht gerade jetzt gewesen. Niemand hat mir gerade wehgetan.”

Dann kann ich schon fast anfangen meinen Körper beruhigen. Blutdruck senken, einatmen, ausatmen,
eiiiiin- Tick-Trick-Track und das Fähnlein Fieselschweif- auuuuuussss, Boden fühlen, Körpermitte suchen, finden, vorstellen ein Band auszuatmen. Nase in die von der Freundin gewaschene (und entsprechend nach ihr riechenden) Decke drücken- denken, sie ist jetzt da…
Mein Körper nimmt sowas dankbar an. Die Schmerzen lassen nach.
Für den Bereich der mir so oft zerrissen wurde, hab ich durch die großartige Ina May Gaskin einige tolle Imagination gefunden bzw. zwei Visualisierungen, die oft helfen:
Zu Anfang noch: “your body is not a lemon (in a juicer!) ” (auch wenn er gerade das tut: sich zusammenquetschen wie eine Zitrone in einer Presse)
und etwas später: “an opening flower” (Blättchen für Blättchen langsam und vorsichtig aufgehen lassen… sich “wieder richtig hinlegen lassen”; “den Schmerz-(manchmal auch: die Schmerzursache) rauslassen”)

Das ist Arbeit.
So einfach wie das jetzt so klingt ist es nicht. Wenn sich mein Körper erinnert, dann erinnert sich die Psyche in der Regel gleich mit und es hämmert mir Erlebnis um Erlebnis im Kopf herum. Früher bin ich dann, öfter noch als heute, direkt in eine Kette gerutscht: A erinnert an B und das an C und es wird immer tiefer und tiefer. Und es wird immer schwerer sich zu orientieren- irgendetwas anderes als das Alte wahrzunehmen.
Innenkinder fliegen wie freie Radikale unter der Oberfläche und je schwieriger die äussere Umgebung ist, desto schwieriger wird es auch ihnen klar zu machen, dass es sich zwar gerade jetzt so anfühlt, es aber keine Situation ist wie früher (die ihr “draussen sein” bzw. ein Aushalten durch sie nötig macht).

Mal abgesehen von den seelischen Problemen, werden solche Körpererinnerungen vorallem dann zum Problem, wenn man so behämmert ist, wie wir zur Zeit.
Nicht genug essen heißt: Muskelkrämpfe, nicht genug Treibstoff für solche Anstrengungen, der Blutdruck eh ständig jenseits von gut und böse, anhaltende Schwäche und Konzentrationsprobleme
Nicht genug schlafen heißt: das Risiko für diesen blöden Zwischenzustand zwischen Schlafen und Wachen ist exorbitant hoch- schon nur auszuruhen und mal kurz irgendwo zu sitzen kann ihn dann schon auslösen
Nicht darauf achten, was innen passiert, wenn man genau das alles nicht macht- oberblöde! Schon dieser allgemeine Zustand von Schwäche und körperlicher Erschöpfung ist Futter für solchen Mist, denn er ist ein Trigger bei uns.

Und unser Körper? Dieser arme Metabolismus…
Der soll nicht zu dick sein. Der soll bitteschön schön aussehen. Der soll nicht auffallen. Der soll tot und lebendig sein. Mal dies mal das. Manchmal soll er ganz dick sein und dann wieder ganz spillerig. Dann soll er Megakräfte haben. Achja, aber bitte ohne allzu hart auszusehen, sich allzu hart oder zart anzufühlen. Er soll bitteschön noch zur allgmeinen (sexuellen) Befriedigung dienen, naja zur eigenen dann nach Bedarf. Immer zur Verfügung bitteschön. Für alle gleichzeitig: innen und aussen.
Aber wehe er tut etwas, dass ihn nach so einem anstrengenden Wieder-Erleben erleichtert!
Erbrechen, Durchfall, Zittern, Schwindel der uns zwingt, sich hinzulegen und die Beine hochzulagern.

Auch wenn ich weiß, dass wir beim nächsten Mal wieder so unfair sein werden. Und so undankbar und rücksichtslos… für jetzt in diesem Moment, wickle ich ihn ein, versuche ihn zu wärmen, zu nähren und sage ihm, dass ich ihm sehr dankbar bin.

Dass er in der ganzen ganzen schlimmen Zeit niemals aufgehört hat für uns zu leben.

im Wald

Ich bin auf der Suche nach dem „richtigen” Baum.

Fliege segelnd durch die Gruppen und Grüppchen der bunten Bäume, über die Sträucher und Büsche hinweg. Durch den Blätterregen hindurch.

“Mein Herz, weißt du noch als wir mit der Helfer-Gemögten hier waren?” Ich fühle eine leise Bewegung. “Weißt du noch wie die Marienkäfer flogen? Da hast du sie gezählt, weil du so eine Angst hattest, weißt du noch?” Ich höre ein schwaches Seufzen und fühle wie sie sich mir zuwendet. “Kannst du versuchen heute die Blätter zu zählen? Guck mal nach oben in den Himmel. Die Blätter sehen auch so aus, wie der Schwarm Marienkäfer.”
Ich spüre ihren bestialischen Schmerz mit ihr hoch kriechen. Von der Mitte der Lenden bis hinauf hin den Brustbereich, wo sie sich nun festklammert, um über meine Schultern in den Himmel sehen zu können. “Halt dich schön fest, gleich finde ich den richtigen Platz für uns”

Ich breite meine Flügel aus und setze meinen Flug fort. Und finde den Richtigen.
Gut versteckt mitten im Wald, fern der Wanderwege, dick, stark, mächtig, gut eingemummelt in Moos und Flechten.

“Ist es der Richtige?” Vielköpfiges Nicken überstimmt verächtliches Schnauben, verwirrtes Achselzucken, desinteressiertes Weggucken und messerschwingende Drohung.

Ich setze mich und schaue mir die Umgebung an.
Ja. Ich finde es auch gut.
”Kannst du den Baum sehen, mein Herz? Siehst du das Heute?” Sie nickt. Lässt ihre Tränen in meine Federn rollen.
Ich senke meine Flügel herab und lasse sie in die Rillen der Baumrinde fallen.
“Möchtest du den Baum mal fühlen? Schau mal, wie stark er ist. Unser ganzes monströses Körpergewicht hält er aus. Und sogar deine Tränen hat er ausgehalten.” Sie steigt, von Federn gestützt, ab, hält sich an meinem Flügel fest. Legt sich auf den Baum und horcht in ihn hinein. Erzählt ihm unhörbar ihre Geschichte.

Die Sonne geht langsam unter.
“Ist es besser?”, frage ich. Sie nickt. Ich beuge mich herab und lasse sie zwischen meine Federn krabbeln.

“Möchte noch jemand etwas hier lassen?”. Ich frage nicht nur “meine Herzen”. Ich denke, diese Art Schmerz werden Viele mehr gespürt haben. Und tatsächlich umarmen noch ein paar andere den Baum und lassen ein Stück Schmerz dort. Mitten im Nirgendwo. Ganz weit weg von zu Hause. Von fremden Blicken. Von Verantwortung. Von dem was sie repräsentieren. Von Scham über ihr Handeln und Denken. Bei diesem Baum, der obschon tot und umgestürzt, so stark und mächtig hier ruht.

So befreit und geklärt verlassen wir diesen Ort.
NakNak* steht auch auf.
Sie saß die ganze Zeit neben uns. Ganz ruhig. Wie eine Wächterin. Als hätte sie genau gespürt, dass hier etwas passiert, das absolute Stille verlangt.

Jemand trocknet die Füße ab und zieht die Schuhe wieder an.
Jetzt fühlen wir auch so den Boden wieder.

Es ist wieder ein Stückchen besser.