frisch gestrichen

Aaaand heeere they are: diese Momente in denen ich in die Welt, in die Ohren, die Köpfe der Menschen hineinpiepse: „Vorsicht- ich bin frisch gestrichen.“

„Sei vorsichtig mit mir- ich hab mich gerade frisch gehäutet.“
„Nicht schubsen- Ich hab ein Trinkpäckchen im Ranzen!“

Ich kann „sozial“ nicht gut. Wirklich nicht.
Und jetzt muss ich. Könnte ich. Eigentlich egal, weil ja meine Entscheidung. Muahahahaha

Selten so viel Haltlosigkeit als Freiheit benannt gesehen, wie derzeit.
Wir drängen euch nicht. Erwarten nichts. Alles kann, nichts muss…

Ich stehe da und puste an mir selbst herum, um schneller zu trocknen. Einen Panzer zu kriegen. Irgendwas, was statt meiner abplatzen könnte, wenn dann plötzlich doch jemand erwartet, sich auf mich setzen zu können. Oder um wenigstens nicht allzu viel Ärger und Dreck auf dem Menschen zu hinterlassen, wenn er mein Piepsen schon nicht bemerkt.

543769_web_R_K_B_by_Rainer Sturm_pixelio.deEs ist manchmal wirklich schwierig einem Anspruch genügen zu wollen und nicht zu können.
Sich abzurackern, um Schulbildung zu kompensieren und etwas zu erschaffen.
Und natürlich wäre es mir lieb einfach mit einem Fingerzeig alles gut zu machen.
Aber so ist das Leben nicht- zum Glück!

Jetzt ist vieles weg. Stückchen für Stückchen und alles ist frei entscheidbar.
Auf manchen Achsen ist das gut. Bei den, von denen ich mir eine gewisse Funktion erhoffte hingegen einfach nur blöd. Da reduziert sich dann mein Dasein auf den rein sozialen Punkt und das ist meine absolut frisch gestrichene Stelle.

Und wieder stehe ich da und piepse.
Piepse eigentlich jetzt schon, weil absehbar ist, dass es ab einem Zeitpunkt kein Zurück mehr gibt.

Ich kann nicht einmal sagen, ob es jemand hört oder sonst wie wahrnimmt. Angestarrt fühle ich mich und so als ob alles erwartungsvoll auf mich draufgeguckt… ja, das nehme ich wahr. Zumindest denke ich das. Meine ich zu denken. Woher zum Henker soll ich auch wissen, was andere tun oder denken, wenn sie nichts sagen. Woher soll ich wissen, was ich machen soll, wenn alles „die freie Entscheidung“ ist? Wenn alles egal ist. Wenn ich was machen könnte, aber ja auch nicht.

Hallo- ich bin frisch gestrichen.
Ich mag mich nicht mit komischen Abdrücken- auf mich Eingedrücktem- verändern, wenn ich das schon von vornherein verhindern kann und auch einfach ich bleiben dürfte, wie ich bin.

Ich bin in einer richtig deluxe blöden Situation.
So eine von denen, in der man seinen Mund mit einem Reißverschluss verschließt, um bei niemandem irgendwas anzuditschen, sich aber die eigene Haut schmerzhaft zerschneidet.

So eine in der man schlicht nicht gewinnen kann.
Vor allem nicht, wenn man ein kleines frischgeschlüpftes Vogelbänkchen mit neuem… fast noch tropfendem Anstrich ist, auf das sich jemand setzen könnte, ohne die Warnung wahrgenommen zu haben.

Frei- von- heit

145840_web_R_by_bbroianigo_pixelio.deFrei- von- heit
Schnurstraks darauf zu gestolpert, gefallen, aufgerappelt und immer weiter im Takt des pulsenden Wunsches auf Erfüllung einer Hoffnung.
Und plötzlich setzt er aus.
Der Boden bricht weg.
Ein Fallen oder ein Schweben?

Haltlosigkeit bringt beides hervor.
Was jetzt?
Fragen kann man stellen. Aufstellen. In sich hineinbohren, wie in ein Nadelkissen und hoffen, dass sie zu einem Verbindungsglied werden. Vielleicht eine Antwort finden und darauf eine Siedlung erbauen lassen.

Mit jeder nicht beantworteten- ignorierten- herabgewürdigten Frage, bohre ich sie mir tiefer hinein und blute irgendwann sogar nach Außen. Irgendwann schmerzt jede Berührung und niemand sieht mehr warum.

Aus mir brechen nur noch Wortbrocken und geronnener Schmerz. Ich bin unverständlich, wie mein Befragtes, kann mich nirgendwo mehr lagern, ankommen, passen, irgendwo sein, ohne blindtaubstumm vor Weh zu sein.

Über allem liegt dieser drückende Nebel aus Unsicherheit bis zur handfesten Angst auf allen Ebenen.
Bindungsunsicherheit durch Abwesenheit von Halt.
Verhaltensunsicherheit durch Ver- Halt. Stasis aus Angst vor der Angst.
Überzeugungsunsicherheit durch Abwesenheit von Be-Zeugung.

Wo bin ich? Was mache ich? Was ist jetzt? Wer bin ich? Was will ich? Was kann ich? Was darf ich?
Wo sind die Menschen? Was machen sie? Was ist jetzt mit ihnen? Wer sind sie eigentlich? Was wollen sie? Was können sie? Was dürfen sie?

Habe ich zu viel in Frage gestellt? Warum gibt es keine Antwort? Oder bemerke ich sie nicht? Stehe ich eigentlich schon längst in meiner Siedlung und habe es noch nicht gemerkt? Wenn ja, wieso merke ich es nicht? Woran sollte ich es denn merken? Ist es die Abwesenheit von Schmerz auf die ich warte, die aber nie kommen wird? Muss ich das jetzt für immer aushalten? Ist das Ziel „Freiheit“ also eigentlich von Anfang an ein Trugbild gewesen? War ich so durstig, dass ich eine Fata Morgana sah und Sand zu trinken versuche? Habe ich noch die Kraft für den Weg zurück? Würde ich ihn überhaupt zurück finden? Kann ich überhaupt noch irgendeinen Weg sehen?

Da ist ein Schaukeln und Ruckeln um mich herum. Ist es der Rhythmus, der sich weiter drehenden Welt oder sind es Halluzinationen kurz vor meinem Auseinanderbrechen?

Nein.
Es sind die Frontgänger, die mir die Fragen aus dem Sein zu operieren versuchen. Zaghaft, mit feinsten Pinzetten. Eiterpralle Abszesse aufstechend und mit neuen Lebensoptionen füllend. Blutverlust mit Solidarität auszugleichen versuchend, während die Federn des Schwans mit mir verdreckt werden. Meinem Gedankendreck. Meinem stinkenden Angsteiter. Den Splittern von meinem inzwischen verwestem Weltbild, das mich nicht mehr tragen kann.

Ich verdrecke alles. So bin ich wohl.

Doch, egal wie oft ich ihnen in dieser Operation sage, dass sich nicht mit mir beflecken sollen; ich es nicht aushalte und sehe, dass auch sie schweißbedeckt und zitternd arbeiten… Es mir leid tut, ihnen ihren Schwan zu verdrecken… sie machen weiter und sagen mir, ich solle sehen, wie alles von den Federn tropft.

Es ist eine Operation mit ungewissem Ausgang. Bei vollem Bewusstsein und ohne Hilfe von erfahrenen Operateuren. Das ist bei neuen Verfahren wohl immer so.
So ist es wohl in der neuen Welt der Frei- von- heit.
Ich weiß nicht, ob der richtige Patient dafür bin.
Und niemand beantwortet mir diese Frage.