Tag 13: am Straßenrand heulen

Gegen 9 wurde der Regen weniger. Gegen halb 11 waren wir damit fertig die wichtigsten Textilien mit dem Föhn im Campingplatzduschraum zu trocknen.

Energetisch betrachtet hätte ich mich danach gleich schon wieder hinlegen können. Nach dem permanenten Krach durch den Regen und Wind auf das Zelt, gepaart mit dem Langstreckenkampf gegen Erinnern, „falsche“ Gedanken und das neblige Nichts der Dissoziation, war der Krach des Föhns etwa so entspannend wie Haie füttern.

Wir fuhren durch Hofgeismar und stellten fest, dass es nichts von dem gibt, was wir im Moment brauchen: Eine Postfiliale mit Postbank drin, einen Laden in dem man Handyheadsets kaufen kann, einen Waschsalon.

Mit dem Begleitermenschen haben wir dann abgewägt, was wir machen. Mit dem Zug nach Kassel oder die 35km mit dem Rad fahren?

Weil hier komische Züge fahren sind wir natürlich selbst gefahren. Weil wirs halt voll drauf haben.

Hier in der Gegend ist es hügelig. Die Luft ist noch sehr feucht vom Dauerregen. Wir haben unsere Frischfuttervoräte aufgefüllt. Es ist mir so frustrierend von meinen üblichen 20-25km/h runter auf 10km/h zu sein. Eh schon. Auf gerader Strecke. Mit den Steigungen jetzt wir sind teils zu Fuß schneller.

Alles dauert lange. Alles ist anstrengend. Und diesmal haben wir keine flockige Ablenkung auf den Ohren. Das Headset vom Handy hat die hohe Luftfeuchtigkeit nicht überstanden.

Um den Akku zu schonen, benutzen wir Google Maps. Was totaler Quatsch ist. Aber die Idee war halt da und dann macht man eben Quatsch.

14 Kilometer vor Kassel tut mir alles weh. Nichts ist okay. Die scheiß schöne Landschaft nicht. Die durchkommende Sonne nicht. Dass schon mehr als die Hälfte geschafft ist nicht.

Und dann leitet uns die App auf eine Landstraße. Bergauf. Und ich will denken: „Nein.“. Tatsächlich denke ich:“harghmehemnememmmijimimimimimi“. Stelle das Rad ab, lege den Rucksack ab, setze mich auf das Ende mit dem Schlafsack und heule.

Weil ich nicht Zug fahren will. Weil ich Angst davor habe auf Landstraßen zu fahren. Weil ich stinke und mir in den noch immer klammen Klamotten sofort kalt wird, wenn ich mich nicht bewege.

Dann schalte ich die Komoot-App ein. Sie zeigt mir eine Radweg-Route an. Die nächsten 14 Kilometer gehen wieder besser.

Wir landen auf einem Campingplatz mit Waschbären auf dem Gelände. Es ist voll. Es ist laut. Morgen steht alles Stadtzeug an. Wir müssen unsere Route nochmal neu ausrichten und planen.

Ich würde gerne nach Hause fahren und alles dort erledigen. Aber das ist doch auch wieder Quatsch.

Es ist nur ein Tief. Morgen haben wir wieder ein Headset und anderes belastendes Zeug erledigt. Dann wirds wieder leichter.

Bestimmt.