sie und ich und all das Geschepper

Sie steigt vom Fahrrad und stemmt sich gegen ein Wiedererleben, das die erschwerte Atmung angestoßen hat. Schaut mich an und wartet. Schließt das Rad ab und lässt mich ihre Schwierigkeiten fühlen.
Ich merke das leise Pfeifen, den Schleim auf den Bronchien und lasse los, bevor mich ein Schrei erreicht. Trete zurück und erlaube ihnen einmal mehr das neue Medikament.

Es schmeckt ekelhaft und verursacht ein unangenehm zittriges Schwindelschwankgefühl – aber sie können besser atmen. Es macht mich nervös, so viel chemisches Zeug zu benutzen. Es macht mich kirre zu merken, dass sie es wirklich brauchen. Schreien könnte ich darüber, wie kacke bedürftig sie sind. Und wie sehr ich sie nicht los werde.
Aber ich beherrsche mich. Und kontrolliere sie.

Ich werde von ihnen oft darauf geprüft, ob ich eigentlich noch alle Latten am Zaun hab und manchmal auch, ob es überhaupt einen Zaun zwischen uns gibt, der Latten haben könnte. “Ist dieses Innen eigentlich in Zeit und Raum orientiert?” – “Hat dieses Innen ZUFÄLLIG EVENTUELL Ähnlichkeit mit jemandem, der UNS mal wehgetan hat?” steht dann im Rund und ditscht an meine Stirn wie ein nerviges Insekt. Das ich entsprechend wegfuchtle und manchmal auch wütend totklatsche.

Ich bin kein Täter_innenintrojekt und, dass wir im Jahr 2016 leben, groß und erwachsen sind, weiß ich auch. Ich bin nicht täter_innenloyal. Ich hab nie jemanden gekannt, der war, was mit dem Wort “Täter_in” gemeint ist.
Die meiste Zeit frage ich mich, ob SIE eigentlich noch alle Latten am Zaun haben oder einfach so generell noch ganz dicht sind. Und in aller Regel komme ich zu dem Schluss, dass ich hier noch das heilste Licht auf der Torte bin.

Weil – unschlagbare Logik – ich ja niemanden brauche. Niemanden und nichts.
Weil – beste Taktik in all times – ich einfach gar nie erst irgendwelchen Quatsch anfange, der mich dazu bringt, irgendwas mehr zu wollen, als, dass einfach alles seinen Gang geht, damit ich möglichst wenig merke, dass es die anderen überhaupt gibt.

Aber im Moment läuft ja nichts seinen üblichen Gang. Der ganze schöne ordentliche ruhige Tagesplan ist kaputt und alle scheppern durcheinander und nerven mich. Sind mir peinlich. Zum Beispiel, weil sie  Schwachsinn reden. Oder irgendwas Okayes reden, aber klingen wie die kindliche Kaiserin auf dem Sterbebett. Orr!
Sie machen mich nervös, weil sie Dinge tun, die man nicht einfach so tun sollte, egal wie viele Außenmenschen sagen: “Mach mal ruhig”.
Tse. Sehr viele Außenmenschen dachten schon über viele Dinge “Mach mal ruhig” und jetzt haben wir ein Loch in der Ozonschicht, schmelzende Polkappen und Pelikane, die mehr Plastik im Bauch als Federn am Körper haben. Und natürlich noch viele andere echt schlimme Scheißdinge.

Aber ich hab vorhin darüber nachgedacht, wie das wäre, wenn sie nicht mehr da wären.
Weil mir aufgefallen ist, dass ich einerseits davon angehe, dass sie Dinge tun, die mich unruhig machen – andererseits mein Weg sie aus meinem Blick auf die Welt herauszusezieren darüber läuft, sie auf Schritt und Tritt und zu verfolgen, zu kontrollieren (also schon auch viel Nähe aufzubauen) und so lange in ihr Funktionsgetriebe hineinzugreifen, bis sie zerbröseln. Was ein bisschen dumm ist. Denn, wenn man will, dass etwas so läuft, wie man das will, dann sollte man es vielleicht nicht kaputt machen.

Ich hab drüber nachgedacht, ob ich sie so zerbröseln will. Ob das mein Ziel ist und ich damit leben muss, als eine “destruktive Kraft, die man zähmen/bändigen/hinter eine Mauer stellen muss” gedacht zu werden, obwohl mein Antrieb in sie hineinzugreifen ja nicht ist, sie zu zerstören oder kaputt zu machen, sondern zu kontrollieren, dass sie mich nicht dauernd beunruhigen mit ihrer – ja sorry – völlig bekloppten Hoffnung, um die Idee vom Glauben an die Menschheit und das Okaye, das es gibt, obwohl man es nicht sehen kann. (Auch so eine unschlagbare Logikstrategie *hust* )

Es ist schon gut, dass wir grad so scheppern, glaube ich.
Obwohls mich kirre macht. Gerade in diesem Umfeld.
[harsches Geräusch]