#Raumgefühl

DSC_0292Um zum Haupteingang zu gelangen, muss man hineingehen in den Bogen des großen U, das das Gebäude des Jobcenters bildet.

Mit jedem Schritt schrumpft das Selbst und wächst das Gebäude.
Es hallt. Ist immer schattig in diesem U.
Im Foyer läuft Sonnenklar TV auf den Bildschirmen, die über einem Leitbandsystem hängen.
Es schlängelt die Existenzminimum-Kund_Innen vor die verglaste Schalterfront.

Stimmen schieben sich dumpf durch diesen weiten Raum ohne Sitzgelegenheit.
Ohne die Fensterfront, die Beamte, wie Kund_Innen im Rücken haben, wenn sie einander durch das Sicherheitsglas getrennt, gegenüber stehen, wäre es ein dunkler Durchgang.

Die Seitenschenkel des U enthalten auslegwarentrittschallgedämmte Flure hinter Sicherheitstüren.
Schussfest. Schallgedämmt. Nur mit Mitarbeiter_innensicherheitskarte zu öffnen.

Die Türen dahinter sind alle offen.
Daten werden hier nicht geschützt.
Lebensdaten. Schicksalsdaten. Persönliche Daten.
Sie quellen aus den Nischen, die von den Fluren abgehen und verteilen sich zu einem Klangteppich, der jeden Winkel berührt und von weißem LED-Licht beleuchtet wird.
Es riecht nach Kaffee, Papier, Toner, Schweiß, Parfum, Teppichkleber.
Ich nenne diese Mischung “Eau de Be-Amt”, weil jedes Jobcenter so riecht.
Angst, Verzweiflung, Monotonie, Tränen, haben keinen Eigengeruch.

Die Klinken sind schlicht, schwer, schmal und kalt. Helles glattes Metall, passend zum cremigen Weiß der Wände und schmutzigem Dunkelgraublau des Bodens, ist es ein Element, das sich konsequent wiederholt, wie die hellgraubläuchlichen Platten und die in quadratische Betonbecken eingegrabenen Bäumchen im Hof.

Wenn man aus dem Fenster schaut, kann man den Bahnhof sehen.
Wenn man drüber nachdenkt, fällt einem auf, dass man nicht darüber nachdenken sollte.

So richtet man seinen Blick auf die Kunstdrucke in Plastikrahmen und wartet auf seinen Stempel. Seinen Zettel. Die Nummer, die mal ein Menschenleben war.

Wenn die Tür hinter einem zugeht, brüllt einen der Lärm der Hauptstraße über die freie Fläche vor dem Haus hinweg an.
Man darf sich fragen, ob der Zugang zum Dach des Gebäudes auch mit einem Sicherheitskartenschloss verriegelt ist.

 

[mein Beitrag zur Blogparade von Stadtsatz]