notes on #metoo

Me too – ein Hashtag, der eine Kampagne, gestartet von Tarana Burke, war und jetzt durch Netz und Medien geht.
Es geht um Empathie, sagt die Initiatorin. Darum, dass alle wissen, dass sie nicht allein sind. Darum, dass jene, die glauben, ES passiere nur wenigen, erleben: ES passiert vielen. Es geht um Kraft aus Gemeinschaftsgefühl. Um Veränderung durch Miteinander.

Dieses Blog – ein Blog von Vielen – heißt nicht nur deshalb so, weil es ein witziges Multiple Persönlichkeiten-Wortspiel ist.
Es ist ein Blog von Vielen. Eines, das unserer schon damals bewussten Ansicht nach, austauschbar ist, denn es erzählte nie eine besondere Geschichte oder skizziert ein unübliches Schicksal.

“Me too”, das haben wir vor inzwischen gut 9 Jahren schon gesagt. Ganz öffentlich und zugänglich. Dass unsere Gewalterfahrungen nicht einzig waren, wussten wir schon vor noch mehr Jahren. Dazu brauchte es kein feministisches Erweckungsmoment oder eine spezifische Politisierung. Es brauchte keine besondere Empathie, um zu wissen: Ich bin nicht allein mit diesen Erfahrungen.

Wofür unsere Politisierung wichtig war, war das Begreifen der Ignoranz. Des verlassen, verachtet, des gedemütigt werdens aufgrund der gemachten Gewalterfahrungen. Es war die Gewalt der Strukturen, die von der Gesellschaft, in der wir leben gemacht, getragen und verteidigt werden, die uns heute begreiflich macht, dass wir nicht nur eine_r von vielen sind, sondern von immer weiter, immer mehr und mehr.

Passend dazu: In der nächsten Episode “Viele-Sein” (coming soon) sprechen wir mit Renée ausführlich darüber, was sich an den Strukturen ändern muss.

Wir sprechen über die Strukturen, weil uns persönlich egal ist, wie viele Menschen in unserer Umgebung nach- oder mitempfinden können, dass wir ein Mensch sind, der Gewalt erfahren hat. Es ist uns egal, weil wir die Menschen in unserer Umgebung bereits als Menschen mitdenken, die Gewalt erfahren haben.
Ockhams Rasiermesser – in der Welt, in der wir leben, ist es wahrscheinlicher, dass ein Mensch in seinem Leben globale Ohnmachts-/Unterwerfungserfahrungen gemacht hat, als, dass er sein Leben lang selbstbestimmt und ohne Verletzung jedweder Grenzen verbrachte.
Wir können inzwischen damit aufhören zu glauben, es gäbe noch viele Ungeschlagene da draußen.

Wichtig ist geworden anzuerkennen, dass der Gewaltbegriff und der individuelle Umgang mit den eigenen Erfahrungen unterschiedlich ist. Für die eine Person beginnt Gewalt bereits bei einem Machtungleichgewicht – für die andere bei einer Prügelei. Für die eine Person steht Leiden im Vordergrund – für die andere Schaden.

An Me too und den Texten und Filmen und Beiträgen in diversen Medien merken wir, wie weit wir uns seit Aufschrei von dem Empathieansatz entfernt haben.
Wie fern es uns inzwischen ist, zum x-ten Mal einen Trost oder Kraft in dem Gedanken zu suchen, dass wir nicht die einzige_n sind – um erneut enttäuscht zu werden. Denn warme Mit-Gefühle von Fremden verändern nichts an unserer Not, unserem Leiden und dem strukturellen Loch, mit dem wir seit so vielen Jahren nach der Befreiung aus eigener Kraft umgehen müssen.
Es macht uns einfach nur noch traurig, wütend, bitter zu wissen, dass ES so vielen passiert. Und schon passiert ist. Und noch passieren wird. Jeden Tag. Immer weiter. Immer mehr.

Wir können Empathie dafür aufbringen, dass auch dieser Hashtag wieder Menschen ermutigt sich zu zeigen. In Worte zu kommen und sich selbst nicht zu verstecken. Viele werden sich damit gut fühlen. Manche werden sogar gestärkt.
Doch wieviel bleibt davon und wie viele gehen weiter in der Auseinandersetzung? Wie viele Forderungen bleiben? Und an wen werden diese Forderungen gerichtet? Worum geht es am Ende?

Gewalt erzeugt sich selbst. Gewalt gibt es nur für sich selbst.

Niemand wird am Ende der Auseinandersetzung mit diesem giftigen Stück Menschlichkeit zufrieden, glücklich, satt, warm und weich sein. Niemand. Immer wird da die Angst sein, dass man sie (wieder) selbst erlebt. Weil man weiß, dass es sie gibt und, dass sie kein anderes Ziel als sich selbst hat. Niemand kann an ihr gewinnen. Nicht einmal jene, die sich befriedigt daran fühlen.

Es ist ein egoistisches Scheißding, die Gewalt.

Und unsere Gefühle voneinander als Betroffene interessiert sie einen Scheiß.
Me too ist genau wie Aufschrei etwas, das sich, ob es will oder nicht, im Danach konzentriert. Es wird wieder über Opferzahlen berichtet, über Form und Farbe, Haptik und Optik von Gewalt an Menschen. Als wäre es etwas, das völlig außerhalb der Menschen selbst passiere. Ein Stoff. Eine Dynamik, die aus dem Himmel rieselt und etwas macht.

Aber so passiert sie nicht. Sie liegt allen Menschen gleichermaßen inne.
Und bis alle gleichermaßen die Verantwortung, die damit einhergeht, zu tragen verstehen, wird sie immer wieder und wieder wirken können.