Nebenwirkungen

Die Sonne scheint, die Welt glüht in satten Farben und verstärkt etwas in mir, dass zwischen gehetztem Tier und wirren Gedankenstrudeln pendelt.

Ich bin gestern spazieren gegangen. Trug eine kleine, rein mechanische, Plastikkamera von circa 1977 umher und versuchte ein paar Aufnahmen.
Ich merkte, wie meine Fingermuskeln sich unwillkürlich verkrampfen, genauso wie ich es an meinem Gesicht am Tag vorher bemerkt hatte.

Da spiele ich Hasch-mich mit meinen eigenen Wahrnehmungen und rede mir ein, dass es nicht passiert, wenn ich nicht darauf achte und werde von meinen bisher nie registrierten Bewegungsroutinen auf den Boden der Tatsachen zurück geholt.
Mein Spaziergang wird zum Kampf um Motive, Licht und Schatten, Kontrolle und Bewusstseinsunterdrückung.

Kaum zu Hause angekommen, könnte ich gleichzeitig ins Bett fallen, wie einen bizarren Spitzentanz auf einem Trampolin beginnen. Meine lange Muskulatur in den Beinen versteift sich wie Holzlatten an meinen Knochen entlang und schert sich keinen Deut um meine Angstspitzen, die es nicht in greifbare Panik schaffen.
Später sagt Renée am Telefon “Ja, das Seroquel muss weg.” und in meiner Zustimmung hockt doch die Angst, es im Moment aber auch nicht aushalten zu können ungedämpft vor dem zu sein, was mit miruns passiert.

Da sind wirre Erinnerungsfetzen, die sich mit abstrusen Träumen vermischen, die Anspannung vor dem Workshop am Freitag in Dresden und den ersten Stunden wieder allein mit NakNak*.
Und November und alles.
Und alles und alles und alles.

Und der Gedankenschrei “Bitte nicht”, der nicht einmal ein Satzzeichen hat, weil er allem gleich entgegen treten muss und mehr Varianz nicht mehr geht.

Die Neurologin rief vorhin an, wegen des Termins, um den ich bat. Gab mir einen für Mittwoch dessen Uhrzeit ich verloren habe. Wörter sind Räume, Zahlen sind Striche. Striche gehen so schnell verloren in diesem klebrigwattigen weißen Rauschen zwischen Wahrnehmung und Rezeption.

Ich bin auf eine Art so nah vor dem Loslassen, das mich reaktiv aufzucken lässt ohne planvolles Handeln zur Folge zu haben und gleichzeitig so fern davon, loslassen zu können, weil alles in mir hart ist.

So hockte ich mich am Abend unter meinen Schreibtisch unter die Bettdecke und spulte meinen Film zwischen der Angst auf dem Sprung, eine Berührung von etwas außerhalb der Decke zu spüren und der Angst, dass sich der Film wieder in der Spule verhakt und ich das Negativ mit den Fingerspitzen berühre, während ich versuche ihn gut wieder einzuziehen, auf, nur, um in einen echten Flashback zu rutschen, als ich, in der Bewegung unter der Decke hervor, die Orientierung verliere.
Aber wir sind ja Ressourcenmeister_in. Man hält ja durch. Seinen Happy-PTSD-Pokal bekommt man nur, wenn man trotzdem weitermacht.
Und es dann halt verkackt, weil man macht um zu machen und nicht um das Machen bewusst, gezielt und konzentriert wahrzunehmen. Wie ichwir.

Und heute?
Scheint die Sonne, glüht die Welt und summt es noch immer unerträglich in all meinen Zellen.

Alles noch mal neu.
Weil es diese Sehnsucht gibt nach etwas, das daneben noch klappt. Etwas, was ganz konstant immer gleich funktioniert und kein Hasch-mich-Spiel erfordert.
Es ist die Suche nach der Konstanten im Chaos und dem, was hilft zu überleben.