#isjairre wie normal das ist!

farbeGestern trendete bei Twitter der Hashtag #isjairre unter welchem zur Diskriminierung von Menschen mit dem Label „psychisch krank“ getweetet wurde

Nun ja.

Außer einigen meiner eigenen Tweets konnte ich keine finden, die sich mit struktureller Diskriminierung befassten. Aber gut, wie will denn auch dieser systemimmanente Klops in 140 Zeichen gequetscht werden. Beginnt die Diskriminierung doch bereits im Labeling von „gesund“ und „krank“ / „irre“ und „nicht irre“.
Diese Schnapsidee von legitimiertem Othering durch Benennung und Kategorisierung der Defizite in dem, was „die Psychologie“ als Psyche bezeichnet.

Es ist bereits der Gang zum Psychiater oder Psychologen, der Gefahr schlechthin bedeutet. Nicht nur für Arbeitsplatz, Freundes- und Familienkreis, sondern auch für das eigene Selbstbild und daran gebunden der Selbstwert, sowie nicht zuletzt auch der eigenen Gesundheit in Gänze.

Die Diskriminierung des „Anderen“ hat die gleichen Traditionen wie Rassismus, Antisemitismus und sämtliche *-phobien. Deshalb schreibe ich jetzt keinen Artikel mehr dazu, wo das alles herkommt.
Wenn du, liebe/r LeserIn, etwas darüber erfahren möchtest, kannst du einfach mal „Irrenturm“ oder „Geschichte der Psychiatrie“ googlen.

Der Hashtag kann, meiner Meinung nach, nur eines zeigen: Es ist normal unnormal zu sein, denn die Norm ist nichts weiter als ein Rahmen dem gänzlich zu entsprechen niemandem gelingen kann, sobald ein rein defizitorientierter Blick auf ihn fällt.

Das ist es, was es mir persönlich auch schwer macht, mich von abfälligen Sprüchen oder dämlicher Wortwahl (in den Medien™ ) tatsächlich auch diskriminiert zu fühlen: Ich kann ihre Wortwahl und ihr Verhalten mir gegenüber genauso pathologisieren und entsprechend abwerten, wie sie es mit meiner tun.

Der wichtige Punkt für mich ist, dass ich bzw. die Wahrnehmung der Umwelt und mir, selbst pathologisiert wird, diese Pathologisierung (meint Verortung meiner selbst im medizinisch/psychologisch/ psychiatrischen Kontext) aber nicht dazu führt, dass ich tatsächlich auch im entsprechenden Kontext Hilfe bekomme, wie ich sie eigentlich bekommen müsste, wenn ich schon dieses Etikett aufs Shirt gepappt kriege.

Ich finde es zum Kotzen, dass heute sehr viele Menschen wissen, was eine Depression ist und auch was ein Herzinfarkt ist, doch, dass man eine Depression auch behandeln sollte, um das Risiko an, zum Beispiel, einem Herzinfarkt zu sterben reduzieren, nicht. (Literaturtipp: J. Bauer- Das Gedächtnis des Körpers)
Ich finde es zum Kotzen, dass es X- Kampagnen „gegen“ diverse Krankheiten gibt- aber nicht „für“ die Akzeptanz und Hilfe, wenn diese gewünscht ist.

Wieso dürfen PsychiaterInnen und PsychologInnen, von mir aus auch MedizinerInnen allgemein nicht streiken?! Sie hätten, entgegen verbreiteter Annahmen, allen Grund dazu!
Wieso dürfen Krankenkassen darüber in Wettstreit gehen, wer am Wirtschaftlichsten mit der Gesundheit ihrer Mitglieder spielt?
Wieso darf die Gesellschaft* wissen, wie breit das Spektrum menschlichen Empfindens- vielleicht auch Leidens ist, ohne wirklich zu erfahren, wie es hinter den Kulissen der Begriffe „Psychotherapie“ und „psychologische Hilfe/ Begleitung“ abgeht?
Wieso dürfen Pharmaunternehmen meinen Körper vergiften und mir dies als Hilfen verkaufen?!
Wieso darf die
Psychiatrie als Zwischenstation oder gar Endstation für ein Menschenleben als DIE Institution für Hilfen gelten, wenn dort bzw. in dem Zusammenhang damit, das Risiko für mich Gewalt zu erfahren so exorbitant viel höher ist, als sonst wo?!

Ich finde es zum Kotzen, dass ich vor diesem Hashtag stehe und gefühlte Milliarden Worte im Kopf habe und doch nur diesen popligen Artikel zusammengekratzt bekomme.

Es ist einfach zu normal irre zu sein.
Genauso normal, wie die Diskriminierung, die ich aufgrund meiner Irre erfahre.


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