in der Stadt

In der Stadt ist man alleiner.
Als ich aus der Therapiepraxis gehe, kann ich im Getöse der Bahn, dem Rauschen der Straße verschwinden. Mich im Flackern der Lichter verstecken, meine Bröseligkeit lassen wie sie ist.

Dass es nicht ist wie immer, wie vorher, wie vor der Pandemie, merke ich an der Schließungszeit des Supermarkts. 20 Uhr. Das ist knapp, nicht genug Zeit zu wählen, zu prüfen, noch ein bisschen länger in dem Gefühl zu sein, dass alles da ist. Auf einem Haufen. Fußläufig, straßenbahnfahrig zu erreichen. Die Welt ist kleiner in der Stadt. Ich kann überall hin. Alles und alle sind erreichbar. Alle sind da und ich stehe allein an einer roten Ampel, links den Einkauf, rechts das Trauma in der Hand.
Es ist kongruent. Das macht viel. Ich will niemanden bei mir haben. Will und muss allein sein. Aber wahrnehmen will ich sie. Will die Gewissheit spüren, dass sie alle da sind. Fußläufig, straßenbahnfahrig erreichbar. Von mir allein. Wenn ich will. Und sie.

Der Krach scheppert an mir vorbei, so verdisst bin ich also wirklich. In mir schreit ein Kind, ich laufe im Kreis durch die Altstadt, vorbei an Kneipen, wo Fußball und Bier schon wieder auf 30 Zentimeter verbindet. Ich betrachte neue Graffitis und einen neuen Fitnesspark, schlucke Tränen runter an einer Gedenkstelle für die Menschen, die in Hanau getötet wurden. Scheiß auf meine weißen Tränen, denke ich und laufe weiter.
Mit jedem Schritt ist es besser. Der Boden unter mir, der Lärm um mich herum. Hallo Welt, ich kann dich fühlen. In der Stadt ist Inputseeking nicht stundenlang im Garten racken oder nur noch unter 25kg Quarzsand schlafen können. Es ist 45 Minuten in Stadtgetümmel baden bis die Nervenbahnen aufgeweicht und die eigenen Schritte, der eigene Atem, die alten anders als die gegenwärtigen Schmerzen spürbar sind.
War uns auch noch nie so klar.

Ich schlafe sofort, schlafe 6 Stunden. Das erste Mal seit einiger Zeit.


Entdecke mehr von Ein Blog von Vielen

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.