der neue Lebenstag

Vor einem Jahr hat die Standesbeamtin unsere Namensurkunde erstellt. Diesen Tag feiern wir nun als unseren Geburtstag.

Man kann eine Geburt an vielem festmachen und vielleicht ist es merkwürdig, einen bürokratischen Akt damit zu verbinden, doch ist es die Bürokratie, die uns immer wieder an die Herkunftsfamilie gebunden hat und immer wieder zu binden versucht.
Seit einem Jahr haben wir unsere Geburtsurkunde, haben wir eine Namensänderungsurkunde. Den Grundstock für das eigene bürokratische Ich, das erste Blatt im eigenen Familienstammbuch.
Jetzt gibt es nicht mehr die Person, die von den Eltern benannt wurde, sondern uns, die wir uns selber benennen, die ihre Kinder benennt, die ihren Ehestatus beurkundet, die irgendwann stirbt und dann vielleicht noch jemanden hat, die_r die Sterbeurkunde dazuheftet. Es ist nicht die Scheidung von der Familie, die wir für uns wollen und vom Staat fordern, aber immerhin ein signifikanter Abbruch vom Familien°stammbaum. Ein Ableger, der sich die Umgebung zur Weiterentwicklung selbst ausgesucht hat.

Manchmal kommt mir das auch wie ein Verrat an dem Kind der Eltern vor. Als hätten wir es verlassen und aufgegeben. Wir versuchen gar nicht erst, uns dieses Empfinden zu beruhigen oder wegzumachen. Es stimmt ja. Es ist ja ganz real nie eine echte Lösung aus und von dem, was unseren Geburtsnamen so problematisch für uns (ge)macht (hat) gewesen, sondern ein Kompromiss, eine Möglichkeit, für die wir uns entscheiden konnten, um die Lösungs- und Er_Lebenswege zu erschließen, die sich ergeben, wenn man sich nicht mit jeder Ansprache direkt in Verbotsdruck oder dem Gefühl der absoluten Grenzübertretung befindet.

Wir sind heute nicht frank und frei, glücklich und zufrieden mit allem, was die Namensänderung bedeutet. Aber franker und freier, glücklicher und zufriedener als wir es vorher waren.
Wir haben das Gefühl, eine Entwicklung angestoßen zu haben, die vorher nicht möglich war. Das Begreifen, dass wir nichts mehr für das Kind tun können, sondern nur noch für die erwachsene Person, die es geworden ist.

13 thoughts on “der neue Lebenstag

  1. Ich gratuliere herzlich zum Einjährigen und zu alledem, was seither möglich geworden ist. Trotzdem oder weil. Es war ein intensives Jahr. Danke, dass wir Leser:innen teilhaben dürfen.

  2. Glückwunsch!
    Auch wir feiern den Tag der Namensänderung, wobei es „nur“ noch der Vorname war. Durch unsere Heirat waren wir schon lange den Nachnamen los. Es ist auch Jahre später noch so so befreiend und gibt das Gefühl authentisch sein zu dürfen. Feiert den Tag und genießt die neue Freiheit, auch wenn dadurch Altes nicht ungeschehen wird.

  3. hey, alles gute zu diesem besonderen tag! kennt ihr auch das gefühl, auf diesen namen kollektiv gut „aufpassen“ zu wollen? wir haben den ein bisschen wie eine zweite chance wahrgenommen, als chance, nicht mehr automatisch als „die tochter von“ undsoweiter wahrgenommen zu werden. für uns hat es einen großen unterschied gemacht, sich nicht ständig schon nur durch die ansprache auf diverse verschiedene arten falsch zu fühlen. wir wünschen euch auf jeden fall, dass das leben mit dem selbstgewählten namen auch insgesamt so selbstgewählt wie möglich ist.

    1. Ja genau so kennen wir das auch.
      Und, dass es auch eine Verpflichtung ist, dann jetzt aber auch wirklich selbst_gewählt zu leben. Nochmal ganz anders als damals als es um den Ausstieg ging.

  4. Herzlichen Glückwunsch zu mehr ‚frank und frei‘! Macht Ihr denn etwas Schönes heute, um zu feiern? Wir tun das nächste Woche. Obwohl das dann schon unser 17.Namens-Geburtstag ist, merken wir neben allem Starkem und Eigenständigem usw. immer noch und immer wieder den Funken Fremdheit darin. So wie Ihr das auch geschrieben habt: ‚Manchmal kommt mir das auch wie ein Verrat an dem Kind der Eltern vor. ‚ Es ist keine Lösung, sondern ein Kompromiss, und die traurigen oder einsamen oder irgendwie ‚fremdelnden‘ Gefühle dazu sind total okay.

    1. Wir haben Kuchen gebacken und nacher kommen Freund_innen zum Kaffeetrinken via Videokonferenz :3
      Vielleicht haben wir heute Abend noch eine Verabredung zum Nähen mit jemandem.

  5. Alles Liebe zu eurem Geburtstag! 🙂 Auch wir sagen Danke, dass ihr uns ein Stück weit teil-haben lasst.
    Ich finde es interessant, wie ihr die Namensänderung für euch empfunden habt und empfindet. Wir könnten mal darüber nachdenken, wie das eigentlich für uns war/ist… An den Tag erinnern wir uns gar nicht, nicht einmal an das Jahr.
    Viele Grüße von uns Lesenden!

  6. Allerherzlichsten Glückwunsch zum Geburtstag!
    Wir machen es ganz genau so! Wir feiern den Tag der Namensänderung als unseren Geburtstag. Und feiern mittlerweile schon schon unseren dreizehnten Geburtstag! (Wenn ich mich nicht verrechne)
    Beste Entscheidung ever!
    Auch, wenn uns das Sicherheitstechnisch nichts gebracht hat ,ist die Distanzierung von dem Namen, der uns mal gegeben wurde und der immer triggerte, das beste, was wir machen konnten.
    Auch wenn die Identifikation mit dem gewählten Vornamen ausblieb. Aber das macht fast gar nichts.
    Eigner Name, eigenes Leben, eigener Stammbaum – auch wenn der wohl nach uns wieder ausstirbt.
    Der Nachname ist perfekt.
    Freier, ja. Ein Zeichen setzen.
    Ich bin ich. Wir sind wir. Und nicht das Endprodukt derer……

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