der Mond ist aufgegangen

Damals hatte ich gedacht, ich hätte mir das Wort “Blutmond” ausgedacht.
Für mich ging es damals viel um Blut, Tod, Verderben, Schluss Aus Ende. Ein blutverschmierter Mond in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag, der Nacht in der ich sterben würde, das erschien mir so passend, dass ich es als schicksalhaftes Zeichen verstand. Wann kommen denn die Dinge schon mal so zueinander?
Ich saß im Hafen, drückte unzählige Tabletten aus den Blistern, schaute den Mond an und dachte dann darüber nach, wo ich es am Besten tue.
Dann fasert meine Erinnerung auf.
Aus einem Suizid unterm Blutmond wurde ein Abend voller Schmerz, Gewalt und Not an der Stille, die man nur auf Intensivstationen spürt.

Jahre später las ich im Kontext von Menstruation vom Blutmond.
Und in dieser Woche von der längsten Mondfinsternis in diesem Jahrhundert.
Der Mond würde sehr lange rot – blutrot – zu sehen sein und für die meisten Menschen, die jetzt leben, würde genau dies ein einmaliges Erlebnis werden.

Als wir am Abend dann unsere Kamera einpackten und darüber nachdachten, wie wir den Mond gut fotografieren könnten, fragte ich mich, ob ich jetzt froh darum bin, es damals nicht geschafft zu haben. Es gibt genug Menschen, die so mit Menschen sprechen, die schon einmal versucht haben das eigene Leben zu beenden. “Na ist das nicht toll? Jetzt bist du doch froh, dass du noch lebst, oder?”

Die Dysfunktionalität des Todes zu verstehen, fällt auch erwachsenen Menschen mitunter schwer. Das zu wissen, erleichtert mir solche Situationen, nimmt den Schmerz aber natürlich kaum.
Damals wie heute erleben wir Dinge, die einmalig, einzig, exklusiv sind. Mond- und Sonnenfinsternisse, Kometen und Sternschnuppen, ein extrem naher Mond, Raumstationen, die als kleiner Punkt von der Erde aus zu sehen sind. Flüssiges Wasser auf dem Mars, Plastikinseln auf der Erde.
Alles Dinge, die auch dann passieren, wenn wir tot sind. Man muss nicht am Leben sein, um dabei zu sein. Man muss es sein, um etwas daraus zu machen. Und sei es eine Erfahrung.

Um kurz nach 9 saßen wir dann auf dem einzigen Hügel in der Gegend, auf dem kein Baum wächst.
Eine halbe Stunde später saßen noch gut 50 andere Menschen um uns herum. Leise miteinander sprechend. Zuweilen darüber philosophierend, wie krass das alles ist. Himmel und Erde, Planeten, Universum, Licht und Schatten. Das Leben.
Und als der Mond als hauchzart rosarotes Scheibchen aus dem hellgraublauem Sommerdunst am Horizont auftauchte, da hätten wir ihn fast übersehen, wenn nicht eine Person ihre Beobachtung mit uns geteilt hätte.

Wir schauten in den Himmel, auf den Mond und fühlten uns verbunden mit allen, die jetzt das gleiche taten wie wir.
So nah komme ich anderen Menschen sonst nicht. Weder sitze ich mit ihnen auf einem Berg, noch beachten andere, was ich beachte.

Eine einzigartige Erfahrung.

Menschen, die im Gegenlicht eines hell beleuchteten Gebäudekomplexes sitzen. Unscharf ist der noch halbverdeckte Mond mit extras Rot drin zu erkennen.

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