05072020

Wir sitzen beim Frühstück. Es ist Sonntag und es kommt mir vor, als hätten wir ewig nicht so zusammengesessen. So richtig. So „Sonntag 11 Uhr Frühstück in unserer Küche“- richtig.
Ich mag das. Ich mag die Tischdecke unter unserem schönen Geschirr, ich mag unser Besteck, ich mag, dass alles so aufgeräumt ist, dass ich alles finden kann, weil ich mich auskenne. Wenn wir so frühstücken, kann ich mich entspannen und wirklich so richtig ganz da sein. Beim Freund, bei unseren Gesprächen, ich habe sogar Kapazitäten dafür, dass Kleckerunfälle auf den Stoff oder Abfallschlachten auf dem Teller des Freundes passieren und sich alles mit den Brotkrümeln vermischt.

„Wie viele Autist_innen gibt es denn so?“, fragt der Freund. Viele, finden wir heraus. Aber weniger als Menschen mit (komplexen) dissoziativen Störungen. Und sehr viel weniger als traumatisierte Menschen.
„Und das ist genetisch ~irgendwas~?“, fragt der Freund. „Ja“, sage ich, „das nimmt man neben vielen anderen Faktoren an. Eine möglicherweise vererbbare Prädisposition.“ Ich presse Luft gegen den Druck um mein Zwerchfell. Das Kinderthema. Für mich sofort da, in Worten nicht im Raum.

Ich sage, dass ich froh bin, möglicherweise nur den Autismus und nicht das Vielesein zu vererben. Merke, wie ich für einen Bruchteil einer Sekunde in Tränen zerfließen könnte, aber doch nichts passiert.


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8 thoughts on “05072020

  1. Ach weisst ihr auch wie schön es ist wenn Tränen rennen , ich will oft weiter flennen, merke aber dass ich mich nur freue. klar könnt ihr nur euren Autismus vererben, ja,nein, na und! Tomi – Sohn von Hansjörg

      1. he, das stimmt ! Ich bin selten zu spät gewesen, aber wenn ich in die Schule rennen musste war ich seltsam erregt bis ich angekommen bin und dann erst pinkeln konnte,

    1. Ach, wisst ihr, wir sind 4 Leute hier im Haus. Mein Mann Asperger und hochbegabt, ich DIS und ADHS, der große Sohn Asperger mit ADHS, der kleine hochbegabt… es wird nie langweilig, es sind tolle Kinder.
      Ich würde ihnen ein anderes Schulsystem wünschen, Verständnis aus der Umwelt gibt es erstaunlich viel, wenn es überhaupt mal auffällt.
      Eher würde ich überlegen aufgrund des Klimawandels keine Kinder mehr in diese Welt zu setzen, nicht aber weil sie im Spektrum liegen könnten.

      1. Dass der Klimawandel passieren kann, weiß man seit den 1920er Jahren. Seit den 1980er Jahren warnen und drängen Forscher offensiv, etwas dagegen zu tun. Menschen haben Kinder bekommen.
        Kinderwünsche sind egoistisch und gegenwärtig. Immer.
        Sie moralisch zu bewerten und anderen Menschen als sich selbst anhand zukünftig möglicher Ereignisse bemessen zu wollen ist problematisch.

        1. Hm… seht ihr irgendwo eine Bewertung? Falls ja tut mir das leid, so war mein Post definitiv nicht gemeint.
          Ich bewerte nicht den Kinderwunsch von anderen, finde den auch vollkommen legitim, normal und genetisch so vorgesehen.
          Für mich wäre der Klimawandel mittlerweile ein Kriterium, das ich einpreisen würde in meinen eigenen Kinderwunsch. Als ich schwanger wurde 2011 hatte ich mich viel zu wenig mit dem Thema beschäftigt.
          Niemals stand aber zur Debatte keine Kinder zu bekommen weil sie im Spektrum liegen könnten oder sonst eine Behinderung haben.

  2. Ich spüre da diese Ahnung von Frieden bei euch, etwas Lebendiggewachsenes neben allem Schmerz und muss ein bisschen mitweinen (bei mir: dankbar).

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